Titel:
Neustarthilfe nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III)
Normenketten:
GG Art. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Abs. 2, 32 Abs. 2, Abs. 5, Art. 46, Art. 49a
BayHO Art. 53
Leitsätze:
1. Bei Zuwendungen aufgrund von Richtlinien, wie der Richtlinie Überbrückungshilfe III, handelt es sich um eine Billigkeitsleistung nach Art. 53 BayHO, die ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Zuwendungen aufgrund von Richtlinien erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen im billigen pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel, wobei ein Rechtsanspruch nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinie besteht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gericht ist grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht, sodass für die gerichtliche Prüfung einer Förderung deshalb entscheidend ist, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Überbrückungshilfe III ist dem materiellen Recht folgend, das vor allem durch die Richtlinie Überbrückungshilfe III und deren Anwendung durch die Behörde in ständiger Praxis vorgegeben wird, der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablehnung und Rückforderung einer Neustarthilfe, vorbehaltener Schlussbescheid, Corona-Überbrückungshilfe als Betriebskostenpauschale, fristgerechte Einreichung der Endabrechnung durch prüfende Dritte versäumt, maßgebliche Verwaltungspraxis, maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, ständige Förderpraxis, Entbehrlichkeit der Anhörung bei Massenverfahren, Anhörung nicht geboten, Unbeachtlichkeit Anhörungsmangel, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nicht rechtzeitiger Einreichung der Endabrechnung, materielle Ausschlussfrist, Frist für Endabrechnung versehentlich versäumt, keine Nachholungsmöglichkeit, Zurechnung des Verschuldens des prüfenden Dritten, keine individuelle Erinnerungspraxis als Bestandteil der Verwaltungspraxis innerhalb des Freistaats, Bayern, keine Willkür, keine Nachsichtgewährung, kein Ausnahmefall, kein Vertrauensschutz, Erstattungspflicht, keine Entreicherung, Neustarthilfe, Corona, Überbrückungshilfe, maßgeblicher Zeitpunkt, Gleichbehandlungsgrundsatz, Auslegung, Rückforderung, Ausschlussfrist, Verwaltungspraxis, Wiedereinsetzung
Fundstellen:
NWB 2024, 2103
BeckRS 2024, 18354
LSK 2024, 18354
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt eine Neustarthilfe gemäß der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 18. Februar 2021, Az. PGÜ-3560-3/2/304 (BayMBl. Nr. 132), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 21. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 25) – im Folgenden: Richtlinie Überbrückungshilfe III – in Höhe von 1.402,51 EUR als Neustarthilfe für den Förderzeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 und wendet sich gegen die Ersetzung des Förderbescheides durch einen Schlussbescheid und die Verpflichtung zur Rückzahlung von 1.402,51 EUR samt Zinszahlung.
2
Die Klägerin beantragte online über die prüfende Dritte am 19. März 2021 bei der beklagten IHK (Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern) eine Überbrückungshilfe Corona in Form der Neustarthilfe in Höhe von 1.402,51 EUR für den Förderzeitraum Januar 2021 bis Juni 2021. Zur Begründung gab sie unter anderem an, sie sei als Soloselbständige tätig. Der durchschnittliche Monatsumsatz im Vergleichszeitraum betrage 384,17 EUR, der sechsmonatige Referenzumsatz 2.305,02 EUR. Die voraussichtliche Höhe der Vorschusszahlung belaufe sich auf 1.152,51 EUR (50% des sechsmonatigen Referenzumsatzes), die zusätzlich erstattungsfähigen Kosten für den prüfenden Dritten auf 250,00 EUR. Im Zuge der Antragstellung versicherte die Klägerin, nach Ablauf des Förderzeitraums, spätestens bis zum 31. Dezember 2021, eine Endabrechnung vorzulegen.
3
Mit Bescheid der Beklagten vom 20. März 2021 wurde der Klägerin auf Grundlage von Art. 53 BayHO und der Richtlinie Überbrückungshilfe III eine Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe als Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von 1.402,51 EUR für den beantragten Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 gewährt (Nr. 1). Die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe erging unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung (Nr. 2). Sie verringere sich insbesondere, wenn der Umsatzrückgang im Förderzeitraum weniger als 60 Prozent im Vergleich zum Vergleichszeitraum betrage. Der Antrag sowie die unter Nr. 1 genannten Rechtsgrundlagen waren Grundlage des Bescheides (Nr. 3). Die Neustarthilfe sei zweckgebunden und diene dazu, den Antragstellenden, deren wirtschaftliche Tätigkeit im Förderzeitraum coronabedingt eingeschränkt gewesen sei, zu unterstützen und ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern (Nr. 4). Unter Nr. 2 der Nebenbestimmungen war weiter bestimmt, dass die Beklagte sich den teilweisen und gegebenenfalls vollständigen Widerruf des Bescheids vorbehalte, für den Fall, dass die Begünstigte gegen die in dem Bescheid festgesetzten Bestimmungen verstoße. Die Begünstigte wurde bei Beantragung zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des Förderzeitraums verpflichtet, unter Angabe der Umsätze im Förderzeitraum (Nr. 3 der Nebenbestimmungen). Die Endabrechnung sei bis zum 31. Dezember 2021 über ein Online-Tool auf der Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de einzureichen. Auf einem anderen Kommunikationsweg eingereichte Endabrechnungen könnten nicht bearbeitet werden. Im Rahmen der Endabrechnung werde die endgültige Förderhöhe der Neustarthilfe anhand des im Förderzeitraum realisierten Umsatzes berechnet. Es wurde in Nr. 3 der Nebenbestimmungen weiter darauf hingewiesen, dass, sollte der in der Endabrechnung berechnete Förderbetrag geringer ausfallen als die bereits ausgezahlte Vorauszahlung, die Neustarthilfe (teilweise) bis zum 30. Juni 2022 zurückzuzahlen sei. Eine Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe sowie eine Prüfung der Endabrechnung gemäß Nr. 3 der Nebenbestimmungen werde vorbehalten (Nr. 10 der Nebenbestimmungen). Nach Nr. 11 der Nebenbestimmungen sei die Neustarthilfe zu erstatten, soweit im Rahmen einer Prüfung eine abweichende Feststellung der Höhe der Billigkeitsleistung getroffen werde oder der Bescheid aus anderen Gründen nach Verwaltungsverfahrensrecht (Art. 43, 48, 49 BayVwVfG) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen oder sonst unwirksam geworden sei.
4
Bei der Beklagten ging innerhalb der vorgegebenen – zuletzt bis 31. März 2023 verlängerten – Frist keine Endabrechnung ein.
5
Mit Schluss-Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2023, am selben Tag zum Abruf digital bereitgestellt, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Neustarthilfe auf Grundlage von Art. 53 BayHO ab (Nr. 1). Der vorläufige Bewilligungsbescheid wurde mit Bekanntgabe dieses Schlussbescheides durch diesen ersetzt (Nr. 2). Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass eine Endabrechnung nicht fristgerecht eingereicht worden sei. Ein Anspruch auf die Billigkeitsleistung sei daher abschließend abzulehnen gewesen. Die Klägerin wurde verpflichtet, den Betrag in Höhe von 1.402,51 EUR unter Angabe des Verwendungszwecks bis zum Ablauf von einem Monat ab Datum dieses Schlussbescheides zurückzuzahlen. Der zu erstattende Betrag sei gemäß Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG analog ab dem Tag der Auszahlung der Neustarthilfe bis zur Rückzahlung des Erstattungsbetrages mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen (Nr. 3).
6
Zur Begründung brachte die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe am 19. März 2021 einen Antrag auf Neustarthilfe für den Zeitraum Januar bis Juni 2021 gestellt. Eine Endabrechnung habe sie innerhalb der vorgegebenen Frist auch nach mehrfacher Erinnerung nicht eingereicht. Eine Anhörung sei nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG entbehrlich gewesen. Gemäß Nr. XIX. 4 Abs. 2 Nr.1 der Vollzugshinweise in Verbindung mit Nr. 4.8 der FAQ der Neustarthilfe sei die Endabrechnung bis spätestens 31. Dezember 2021 (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. Dezember 2021 erlassen wurde) einzureichen, im Falle der Antragstellung über einen prüfenden Dritten bis spätestens 31. März 2021 (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. März 2023 erlassen wurde). Eine entsprechende Endabrechnung sei nicht fristgerecht über das Online-Tool eingereicht worden. Die Klägerin habe sich aber im Antrag vom 19. März 2021 dazu verpflichtet, den Vorschuss auf die Neustarthilfe vollständig zurückzuzahlen, wenn sie ihre Endabrechnung nicht fristgerecht einreiche. Trotz mehrfacher Erinnerung sei sie dieser Pflicht nicht nachgekommen. Nach Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG (analog) seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein vorläufiger Verwaltungsakt durch Schlussbescheidung mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt worden sei. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe nicht erfüllt. Es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen. Die Entscheidung über die Rückforderung stehe im pflichtgemäßen Ermessen. Haushaltsrechtlich relevante Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Ablehnung von Bewilligungsbescheiden würden zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel verpflichten. Diese Vorschrift enge den Ermessenspielraum, der bei der Entscheidung über die Gewährung der Überbrückungshilfen gewährt werde, erheblich ein. Gründe, die gegen diese Entscheidung sprechen oder eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründen würden, seien nicht ersichtlich.
7
1. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Klägerin durch die prüfende Dritte Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 6. Dezember 2023 erheben. Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen vorbringen: Nach abschließender Prüfung sei festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe vorlägen. Der tatsächliche Umsatz im Zeitraum Januar bis Juni 2021 betrage 220,00 EUR. Der Umsatz 2019 habe 4.610,00 EUR betragen. Somit sei der Umsatz zu mehr als 60 Prozent eingebrochen und der Klägerin stehe die Neustarthilfe zu. Versehentlich sei es versäumt worden, die Schlussabrechnung bis zum 31. März 2023 einzureichen.
8
2. Die Beklagte trat der Klage mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. Januar 2024 entgegen, nahm zur Begründung der Klageerwiderung auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug und ließ im Wesentlichen ergänzend ausführen: Ein gesetzlicher Anspruch auf die streitgegenständliche Förderleistung bestehe nicht. Der Beklagten sei auch kein anspruchsbegründender Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen. Die Neustarthilfe sei in der Antragsphase als Vorschuss ausgezahlt worden, auch wenn die konkreten Umsatzeinbußen während der Laufzeit Januar bis Juni 2021 noch nicht festgestanden hätten. Gemäß Nr. 3.8 lit. d) der Richtlinie Überbrückungshilfe III seien die Begünstigten bei Beantragung zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des Förderzeitraums, jedoch spätestens bis 31. Dezember 2021, verpflichtet worden. Sei keine Endabrechnung erfolgt, sei der ausgezahlte Vorschuss vollständig zurückzuzahlen. Unter Beachtung dieses Maßstabs sei der streitgegenständliche Ablehnungs- und Rückforderungsbescheid nicht zu beanstanden. Die Rückzahlungspflicht bestehe, nachdem innerhalb der Frist keine Endabrechnung bei der Beklagten eingegangen sei. Diesbezüglich sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig, wobei der Beweis bislang weder durch die bisher eingereichten Unterlagen geführt worden sei, noch geführt werden könne. Es lasse sich den eingereichten Unterlagen nicht entnehmen, dass der Schlussablehnungsantrag vollständig ausgefüllt, hochgeladen und der Beklagten rechtzeitig zugegangen sei. Zudem sei die Rückzahlung höher als die Bagatellgrenze, so dass deswegen auch nicht auf diese verzichtet werden könne. Etwaige erst im Klageverfahren getätigten Angaben könnten angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts des Bescheiderlasses keine Berücksichtigung finden. Die Voraussetzungen für eine Fördermittelgewährung hätten damit unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten nicht vorgelegen. Insbesondere sei es nicht willkürlich und ohne Sachgrund, dass die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis Korrekturen und Klarstellungen der Angaben im Antrag außerhalb von Änderungsanträgen nach Abschluss des Förderverfahrens nicht mehr anerkenne. Dies diene vielmehr der Ermöglichung einer zügigen und bayernweit gleichmäßigen Fördermittelbereitstellung. Die Beklagte verkenne nicht, dass damit gerade für Kleinunternehmen ohne gesonderten Verwaltungsunterbau durchaus hohe Hürden für die Leistungsgewährung bestünden. Für den vorliegend allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG würden die für die Verfahrensausgestaltung angeführten Erwägungen aber ausreichende Differenzierungsgründe darstellen, auch vor dem Hintergrund eines Mindestmaßes an Schutz vor unberechtigten Fördermittelvergaben.
9
3. In der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2024 ist für die Klägerin niemand erschienen.
10
Die Beklagtenbevollmächtigten beantragten,
11
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12
Die Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet.
13
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Klägerin (§ 88 VwGO) ist die Klage dem klägerischen Begehr entsprechend als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) bezüglich der beantragten und abgelehnten Förderung (Nr. 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheides) und als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 1 VwGO) hinsichtlich der Ersetzung des vorläufigen Bewilligungsbescheides sowie der Anordnung der Rückzahlungspflicht samt Zinsforderung (Nr. 2 und Nr. 3 Satz 3 ff. des streitgegenständlichen Bescheides) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Trotz dessen, dass für die Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024 lediglich „Klage“ eingereicht wurde und eine Konkretisierung eines Klageantrags ausgeblieben ist, geht das rechtliche Interesse der Klägerin bei sachgerechter Würdigung und wohlwollender Auslegung dahin, die vorläufig bewilligte und ausgezahlte Neustarthilfe endgültig behalten zu dürfen. Dies kann die Klägerin ausschließlich durch Aufhebung der Versagung der begehrten Neustarthilfe sowie der Rückforderung verbunden mit der Verpflichtung der Beklagten, die Neustarthilfe antragsgemäß zu bewilligen, erreichen.
14
Die Klage erweist sich in vollem Umfang als unbegründet.
15
Der Bescheid der beklagten IHK vom 6. Dezember 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 VwGO). Weder die Ablehnung der Förderung noch die Rückforderung sind von Rechts wegen zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung der beantragten Überbrückungshilfe III in Form der Neustarthilfe.
16
Dass die Voraussetzungen für die endgültige Gewährung der begehrten Überbrückungshilfe III als Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von 1.402,51 EUR nicht vorliegen und die Voraussetzungen für die Rückforderung und Rückzahlung des Betrages gegeben sind, hat die Beklagte im streitgegenständlichen Schluss-Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2023, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet und mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 16. Januar 2024 sowie in der mündlichen Verhandlung vertiefend, schlüssig und in nachvollziehbarer Weise erläutert.
17
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art aufgrund von Richtlinien, wie der Richtlinie Überbrückungshilfe III, handelt es sich – wie sich bereits aus der Vorbemerkung Satz 1 erster Spiegelstrich und Satz 2 sowie Nr. 1 Satz 4 der Richtlinie Überbrückungshilfe III ergibt – um eine Billigkeitsleistung nach Art. 53 BayHO, die ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der bei der Beklagten beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen im billigen pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (vgl. Vorbemerkung Satz 2 und Satz 7 der Richtlinie Überbrückungshilfe III sowie Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinie. Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. allgemein BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26 und zu Corona-Beihilfen BayVGH, B.v. 5.3.2024 – 22 ZB 23.2128; B.v. 18.1.2024 – 22 ZB 23.117; B.v. 9.1.2024 – 22 C 23.1773 – juris; B.v. 9.1.2024 – 22 ZB 23.1018 – juris; B.v. 4.12.2023 – 22 ZB 22.2621 – juris; B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – juris; B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris; B.v. 22.9.2023 – 22 ZB 22.1195 – juris; Be.v. 31.8.2023 – 22 ZB 22.2114 bzw. 22 ZB 22.2115 – juris; Be.v. 17.8.2023 – 22 ZB 23.1125 bzw. 22 ZB 23.1009 – juris; B.v. 18.6.2023 – 6 C 22.2289 – juris; B.v. 22.5.2023 – 22 ZB 22.2661 – juris; B.v. 4.4.2023 – 22 ZB 22.2656 – juris; B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2554 – juris; B.v. 14.10.2022 – 22 ZB 22.212 – juris; B.v. 29.9.2022 – 22 ZB 22.213; B.v. 2.2.2022 – 6 C 21.2701 – juris; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 bzw. 6 ZB 21.2023 – juris sowie die Kammerrechtsprechung, etwa VG Würzburg, U.v. 15.4.2024 – W 8 K 23.788 – juris; Ue.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.476, W 8 K 23.878 bzw. W 8 K 23.1018 – juris; Ue.v. 15.12.2023 – W 8 K 23.546 bzw. W 8 K 23.523 – juris; Ue. v. 1.12.2023 – W 8 K 23.338 bzw. W 8 K 23.611 – juris; jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
18
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es danach nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Zuwendungsgeber bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihm allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens. Es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung einschließlich Fristsetzungen festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen sowie seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten (vgl. näher VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.878 – juris Rn. 34 ff. m.w.N.)
19
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Überbrückungshilfe III ist dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Richtlinie Überbrückungshilfe III und deren Anwendung durch die Beklagte in ständiger Praxis vorgegeben wird, der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2022 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.), sodass – abgesehen von vertiefenden Erläuterungen – ein neuer Tatsachenvortrag oder die Vorlage neuer Unterlagen im Klageverfahren grundsätzlich irrelevant sind. Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht oder erkennbar war, konnte und musste die Beklagte auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigen, so dass ermessensrelevante Tatsachen, die erstmals im Klageverfahren vorgebracht werden, im Nachhinein keine Berücksichtigung finden können (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.878 – juris Rn. 41 ff. m.w.N.).
20
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Bescheid weder formell noch materiell zu beanstanden.
21
Die Ablehnung der begehrten Überbrückungshilfe III und Rückforderung der mit Bewilligungsbescheid vom 20. März 2021 vorläufig gewährten Neustarthilfe in Höhe von 1.402,51 EUR sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, da ein Anhörungsmangel nicht vorliegt und jedenfalls unschädlich wäre.
22
Unabhängig von der Frage, ob auch die endgültige Ablehnung eines auf eine Begünstigung gerichteten Antrags einer Anhörung bedarf (vertiefend hierzu Kafferhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 28 Rn. 31), handelt es sich bei der Rückzahlungsforderung zweifelsohne um einen belastenden Verwaltungsakt, im Rahmen dessen dem Betroffenen vor Erlass nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich die Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörung muss die Ankündigung enthalten, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt ist (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 12). Ausreichend ist es, wenn dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich – auch in elektronischer Form – zu äußern (Herrmann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 63. Ed. 1.4.2024, § 28 Rn. 17). Versäumt der Beteiligte die gesetzte Frist, so führt dies zum Recht der Behörde, ohne die Stellungnahme des Beteiligten zu entscheiden (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 28 Rn. 37 m.w.N.).
23
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte der ihr grundsätzlich obliegenden Anhörungspflicht nachgekommen. Die Klägerin hatte die Gelegenheit, sich im Rahmen einer fristgerecht einzureichenden Endabrechnung und damit vor Erlass des Schlussbescheids zur Sache zu äußern und alle relevanten Tatsachen vorzubringen (so auch VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 45 zur Neustarthilfe Plus). Wenn die Klägerin bzw. die prüfende Dritte diese ihr eröffnete Möglichkeit nicht fristgerecht wahrnimmt, liegt dieses Versäumnis ausschließlich im klägerischen Einfluss- und Verantwortungsbereich.
24
Ungeachtet dessen, ist ein Anhörungsmangel auch im Übrigen zu verneinen. Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 BayVwVfG sieht im Rahmen der Generalklausel keine Pflicht zur Anhörung vor, wenn diese nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist. Es muss sich hierbei um Gründe handeln, die eine Anhörung im Interesse des Betroffenen selbst oder Dritter nicht angezeigt erscheinen lassen (vgl. Ramsauser in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 28 Rn. 46). Dabei stellt sich die Frage, welche Konsequenz eine hypothetisch unterstellte Anhörung im streitgegenständlichen Zeitraum zwischen Fristablauf zur Einreichung der Endabrechnung und Bescheiderlass gehabt hätte. Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers sowie dem Telos der Anhörungspflicht, kann diese nur geboten sein, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Zweck einer Anhörung – eine mögliche Beeinflussung der behördlichen Entscheidung – überhaupt noch erreicht werden kann.
25
In der vorliegenden Konstellation konnte die Beklagte die Klägerin denknotwendig erst nach Ablauf der Einreichungsfrist zu dem beabsichtigten Erlass des Schluss-Ablehnungsbescheids anhören, denn erst dann lagen die Voraussetzungen für diesen dem Grunde nach vor. Da zu diesem Zeitpunkt die Frist für die Einreichung der Endabrechnung bereits unumkehrbar verstrichen war, hätte jegliche denkbare Äußerung nichts an der Tatsache zu ändern vermocht, dass die Endabrechnung nicht fristgerecht eingereicht worden ist. Eine Anhörung wäre deshalb als bloße Förmelei sinnwidrig gewesen und war folgerichtig nicht geboten.
26
Weiterhin spricht Vieles für eine Ausnahme nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 BayVwVfG, weil die Beklagte bei nicht rechtzeitig eingereichter Endabrechnung eine größere Anzahl gleichartiger Verwaltungsakte erlassen hat. Gleichartige Verwaltungsakte sind nach dem Zweck der Regelung solche, die aufgrund eines generellen, typischen Sachverhalts, der erfahrungsgemäß keine näheren individuellen Feststellungen erfordert, an eine Vielzahl von Betroffenen ergehen und sich nach ihrem Inhalt und nach dem Sachverhalt, den sie betreffen, nicht oder allenfalls nur unwesentlich voneinander unterscheiden (vgl. dazu Herrmann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 63. Ed. 1.4.2024, § 28 Rn. 37; Ramsauer in Kopp, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 28 Rn. 67). Dem Gericht ist aus anderen Verfahren bekannt (siehe auch https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/wirtschaftshilfen-corona/endabrechnung-coronahilfe/), dass die Beklagte bei der Neustarthilfe von über 5.000,00 Bescheidsempfängern ausgeht, die keine Endabrechnung eingereicht haben (5,8% von 95.822; vgl. VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 18 u. 47). In diesen Fällen erließ die Beklagte entsprechend ihrer Verwaltungspraxis einen Ablehnungsbescheid und individualisierte ihn hinsichtlich Rückforderungsbetrag und Adressat.
27
Ob darüber hinaus die Möglichkeit einer Nachholung des Anhörungsmangels gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG im gerichtlichen Verfahren erfolgreich genutzt wurde (vgl. VG Aachen, U.v. 19.2.2024 – 7 K 708/23 – juris Rn. 54 ff. zur „Dezemberhilfe“), muss nicht entschieden werden, da jedenfalls die Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG vorliegen, der entgegen früherer Rechtsprechung auch bei Ermessensentscheidungen anwendbar ist, weil hier bei unstreitig versäumter Frist zur Einreichung der Endabrechnung, die Beklagte – wohl abgesehen von extremen Ausnahmefällen – keine andere Entscheidung treffen konnte. Auch eine rechtzeitige Anhörung hätte aufgrund des materiell-rechtlichen Charakters der schon abgelaufenen Frist für die Einreichung der Endabrechnung die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst (vgl. näher Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 63. Ed. 1.4.2024, § 46 Rn. 33 ff., 38.1; Ramsauer in Kopp, VwVfG, 24. Aufl. 2023 § 28 Rn. 33 ff., 38.1). Der Rückzahlungsverpflichtung gemäß Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG (analog) liegt zudem ohnehin eine gebundene Entscheidung zugrunde (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 25). Ein etwaiger Anhörungsmangel wäre somit jedenfalls unbeachtlich.
28
Genausowenig war die Beklagte des Weiteren von Rechts wegen verpflichtet, die Antragstellenden im Förderverfahren persönlich und individuell an den Ablauf der Frist für die Endabrechnung zu erinnern. Eine dahingehende geübte Verwaltungspraxis in eigener Regie der Beklagten ist weder gerichtsbekannt, noch wird sie von den Beteiligten behauptet, noch ist eine solche sonst ersichtlich. Die überobligatorische automatisierte und zentralisierten – nicht vollständigen – individuellen Erinnerungen durch den IT-Dienstleister des Bundes auf Anweisung und im Auftrag des Bundes als dessen freiwilliger Serviceleistung, auf die die Beklagte aufgrund der bundeseinheitlichen Steuerung keinen Einfluss hatte (wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung verdeutlichte), vermag an dieser Feststellung nichts zu ändern. Unabhängig davon, dass die Beklagte vorgetragen hat, die Klägerin mehrfach an die Einreichung erinnert zu haben und dies von der Klägerin nicht bestritten wurde, würde eine überobligatorische individuelle Erinnerung, wie sie nach Kenntnis des Gerichts aus anderen Verfahren teilweise geschehen ist, nicht automatisch zu einer dahingehenden Selbstverpflichtung der Beklagten führen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn eine solche zusätzliche individuelle Erinnerung – anders als hier (vgl. zu so einem Fall VG Frankfurt, U.v. 22.9.2023 – 11 K 2353/23.F) – Teil der geübten Förderpraxis der Beklagten selbst als Bewilligungsbehörde in Bayern gewesen wäre.
29
Eine zusätzliche freiwillige Serviceleistung des Bundes kann jedoch – ebenso wie sonstige Erinnerungen auf den Internetseiten des Bundes – nicht maßstabsbildend für die eigene, hier relevante Verwaltungspraxis der Beklagten innerhalb des Freistaats Bayern sein. Gegen eine geübte Erinnerungspraxis spricht auch durch die ausdrückliche Aussage in Nr. 9.2 Satz 5 der Förderrichtlinie, die bestimmt, dass der Bewilligungsstelle auf Basis der verpflichtenden Endabrechnung durch Selbstprüfung anfallende Rückzahlungen „unaufgefordert“ mitzuteilen sind. Dieser Passus bezieht sich zwar nicht unmittelbar auf die Einreichung der Endabrechnung, belegt jedoch, dass die Selbstprüfung vor Fristablauf ohne weitere Aufforderung oder Erinnerung durchzuführen war. Im Übrigen ist es – bis zur Willkürgrenze – allein Sache der Beklagten, wie sie ihr Förderverfahren gestaltet (VG Würzburg, U.v. 15.4.2024 – W 8 K 23.788 – juris Rn. 27 mit Bezug auf U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.878 – juris Rn. 34 ff. m.w.N.).
30
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
31
Die Klägerin hat auf Basis der richtliniengeleiteten Förderpraxis keinen Anspruch auf die beantragte Überbrückungshilfe III in Höhe von 1.402,51 EUR, da die Endabrechnung nicht fristgerecht im Online Portal der Beklagten hochgeladen wurde. Weder die endgültige Ablehnung der begehrten Förderung in einem Schlussbescheid noch die Verpflichtung zur Rückzahlung sind von Rechts wegen zu monieren. Denn die von der Beklagten hinreichend dargelegte, rechtlich nicht zu beanstandende Verwaltungspraxis sieht im Fall der nicht fristgerecht eingereichten Endabrechnung die endgültige Ablehnung und Rückforderung der beantragten Neustarthilfe vor.
32
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist, dass die Endabrechnung vorliegend – unstreitig – nicht fristgerecht bei der Beklagten eingegangen ist. Für die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen war die tatsächlich praktizierte, ständige Verwaltungspraxis der Beklagten maßgeblich.
33
Die Beklagte hat mit Bezug auf die Richtlinie Überbrückungshilfe III, die Vollzugshinweise und die einschlägigen FAQ sowie weitere Informationen (z.B. https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de) ihre – auch insoweit aus diversen Verfahren gerichtsbekannte (vgl. etwa W 8 K 23.1654 oder W 8 K 24.244) – Verwaltungspraxis plausibel dargelegt, wonach sie die rechtzeitige Einreichung der Endabrechnung als zwingende Voraussetzung der Förderung und der Vermeidung einer vollständigen Rückerstattung ansieht. Mithin hat die Nichteinhaltung der – in der Förderpraxis als materielle Ausschlussfrist gehandhabten – Frist den Verlust des materiell-rechtlichen Rechtsanspruchs zur Folge (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 3 C 27/22 – juris Rn. 16 m.w.N.). Die Beklagte hat dazu im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom 16. Januar 2024 plausibel ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten mangels Einreichung einer Endabrechnung die Voraussetzungen für eine Fördermittelgewährung nicht vorlägen. Es sei nicht willkürlich und ohne Sachgrund, dass die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis Korrekturen und Klarstellungen nach Abschluss des Förderverfahrens nicht mehr anerkenne. Dies diene vielmehr der Ermöglichung einer zügigen und bayernweit gleichmäßigen Fördermittelbereitstellung. Für den allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG würden die angeführten Erwägungen ausreichende Differenzierungsgründe darstellen, auch vor dem Hintergrund eines Mindestmaßes an Schutz vor unberechtigten Fördermittelvergaben.
34
Die Klägerin ist der Verwaltungspraxis zwar entgegengetreten, indem sie eine spätere Einreichung und Berücksichtigung wegen des tatsächlichen Vorliegens der Voraussetzungen der Förderung vortragen ließ, aber sie hat deren Bestehen als solche selbst nicht bestritten.
35
Die dargelegte Verwaltungspraxis ist rechtlich nicht zu beanstanden, da die von der Beklagten gewählte Fristenregelung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV ein sachliches Kriterium darstellt und nicht willkürlich ist. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Januar 2024 zutreffend ausführt, sind für eine derartige Ausgestaltung des Förderverfahrens sachliche Gründe gegeben. Bei der Neustarthilfe handelt es sich um eine Förderung, die potentiell auf eine Vielzahl an möglichen Förderungsempfängern abzielt. Bei der Bewältigung derartiger Massenverfahren muss im Interesse einer effektiven Verwaltungsarbeit sowie strukturierten und zeitnahen Endabrechnung nicht eine individuelle Ausnahme im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit zugelassen werden (vgl. VG Ansbach, U.v. 1.12.2020 – AN 3 K 19.02073 – juris Rn. 42 zum Baukindergeld Plus). Die Anwendung der Fristenregelung mit dem Ausschluss der Klägerin war und ist weder ermessensfehlerhaft noch willkürlich. Vielmehr ist nicht die Beachtung der Fristenregelung, sondern wäre die Missachtung der Fristenregelung gleichheitswidrig und damit rechtswidrig (so VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1180 – juris Rn. 29 mit Verweis auf VG Ansbach, U.v. 1.12.2020 – AN 3 K 19.02073 – juris Rn. 43). Bei einseitiger individueller Verlängerung der Einreichungsfrist für säumige Antragstellende (hier 5,8%), wie die Klägerin, würden diese im Vergleich zu anderen Antragstellenden ungerechtfertigt einseitig bevorzugt, die rechtzeitig ihre Endabrechnung eingereicht haben (im Ergebnis ebenso VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 49). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet deshalb eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 346 – juris Rn. 32). Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Denn auch in der vorliegenden Subventionssituation ist es allein Sache des Richtlinien- bzw. Zuwendungsgebers, den Kreis der Antragsberechtigten und den Kreis der förderfähigen Aufwendungen nach seinem eigenen autonomen Verständnis festzulegen. Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt – auch bei Corona-Beihilfen – mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Das Gestaltungsermessen erfasst auch die Ausgestaltung des Förderverfahrens. Nur der Zuwendungs- und Richtliniengeber bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret unter welchen Voraussetzungen begünstigt werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2023 – 22 ZB 22.2661 – juris Rn. 20, 21 und 63; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 19). Der Allgemeine Gleichheitssatz gebietet insoweit nur, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen und in diesem Rahmen einen Anspruch zu gewähren (NdsOVG, U.v. 6.12.2022 – 10 LB 112/21 – juris Rn. 25; U.v. 3.2.2021 – 10 LC 149/20 – AUR 2021, 98 – juris Rn. 21).
36
Die Einhaltung der Frist war für die Klägerin auch möglich und zumutbar. Die Frist für die Endabrechnung samt Folgen bei Nichteinhaltung war nicht nur in den Antragsunterlagen und dem Förderbescheid, sondern auch in der Richtlinie Überbrückungshilfe III, den FAQ sowie den Vollzugshinweisen enthalten: Nach Nr. 3.8 lit. d) Satz 4 der Richtlinie Überbrückungshilfe III wurde die Begünstigte bei Beantragung (Seite 5 des Antragsformulars) zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des Förderzeitraums, jedoch spätestens bis 31. Dezember 2021 verpflichtet. Zusätzlich wurde in Nr. 2 des Bewilligungsbescheids vom 20. März 2021, bestimmt, dass die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung ergehe und die Begünstigte zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung unter Angabe der Umsätze im Förderungszeitraum verpflichtet sei (Nr. 3 der Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheids). Weitergehend war die vorgenannte Pflicht auch in Nr. XIX Nr. 4 Abs. 2 Nr. 1 der Vollzugshinweise statuiert.
37
Auch die – vielfach kommunizierte – Verlängerung der Frist für prüfende Dritte zuletzt bis zum 31. März 2023 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der in Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verpflichtet in Bereichen, in denen diese ihre Ermessensausübung durch Verwaltungsvorschriften lenkt, nur zu einer Behandlung aller vergleichbaren Fälle nach den gleichen Maßstäben, er verbietet aber keine Änderung der Maßstäbe für die Zukunft (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2021 – 2 C 6.20 – BVerwGE 173, 361, juris Rn. 23 m. w. N.), zumal die Fristverlängerungen zugunsten der Klägerin erfolgten Auch der Einwand, die streitgegenständliche Verwaltungspraxis stehe im Widerspruch zur Verwaltungspraxis – der Beklagten bzw. des Richtlinien- oder Zuwendungsgebers – bei anderen Förderprogrammen, verfängt nicht, weil den anderen Förderprogrammen gerade auch andere Fördervorgaben zugrunde liegen (OVG NRW, U.v. 8.9.2023 – 4 A 3042/19 – juris Rn. 103). Die Klägerin konnte schon deshalb nicht schutzwürdig ohne Blick in die für sie relevanten Förderbedingungen zur Neustarthilfe (wie Antragsunterlagen, Förderbescheid, Förderrichtlinien oder Vollzugshinweise sowie Hinweise im Internet) darauf vertrauen, dass die Beklagte die Fristen und deren Verlängerungen in unterschiedlichen Förderzeiträumen und nach unterschiedlichen Förderprogrammen unverändert lässt bzw. die Frist für die Endabrechnung nochmals verlängert (vgl. VGH BW, B.v. 8.3.2024 – 14 S 10/24 – juris Rn. 18).
38
Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Klägerin vorliegend aufgrund der versäumten fristgemäßen Einreichung der Endabrechnung keinen Anspruch auf eine Gewährung der begehrten Überbrückungshilfe III in Form einer Betriebskostenpauschale – Neustarthilfe. Die endgültige Ablehnung des Antrags auf Neustarthilfe wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin steht – wie dargelegt – in Einklang mit der plausibilisierten Förderpraxis der Beklagten auf Basis der Richtlinie Überbrückungshilfe III, den Vollzugshinweisen und FAQ.
39
Die Nichteinreichung der Endabrechnung zum Stichtag – 31. März 2023 – trotz mehrfacher Hinweise in Antrag, Förderrichtlinie, Bewilligungsbescheid, FAQ und Vollzugshinweisen sowie Internet hatte damit nach der Verwaltungspraxis der Beklagten zwangsläufig die Ablehnung und Rückforderung der begehrten Bewilligung zur Folge.
40
Die nach Bescheiderlass – als maßgeblichem Beurteilungszeitpunkt – nachgeholte Angabe, dass der tatsächliche Umsatz 220,00 EUR betragen und sich der Umsatzrückgang deshalb auf mehr als 60% belaufen habe, vermag keinen Anspruch auf die begehrte Leistung zu begründen (vgl. etwa VG Münster, U.v. 29.4.2024 – 9 K 1015/23 – DVBl 2024, 788, 790 f.; vgl. auch VG Gera, U.v. 15.3.2024 – 5 K 704/23 Ge – juris Rn. 30).
41
Entgegen des Auffassung der Klägerin scheidet eine Berücksichtigung des erst nach Fristablauf im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vorgebrachten tatsächlichen Umsatzrückgangs aus mehreren Gründen aus.
42
Der Klägerin war keine Wiedereinsetzung zu gewähren.
43
Denn die Beklagte hat in zahlreichen bei Gericht anhängigen Verfahren ihre Verwaltungspraxis wiederholt dahingehend plausibel dargelegt, dass eine Wiedereinsetzung gemäß Art. 32 BayVwVfG nicht in Betracht kommt, weil diese nur auf gesetzliche Fristen anwendbar ist (Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) und zudem eine Wiedereinsetzung in der Förderrichtlinie nicht vorgesehen ist und auch ansonsten in der ständigen Förderpraxis nicht gewährt wird (im Ergebnis ebenso VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 49). Es ist auch insoweit allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten und die Formalien des Förderverfahrens festzulegen und dabei auch eine Stichtagsregelung zu treffen (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1180 – juris Rn. 27 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 12).
44
Die Handhabung der Frist in der Verwaltungspraxis als materielle Ausschlussfrist ohne Wiedereinsetzungsmöglichkeit ist rechtlich nicht zu beanstanden Die gerichtliche Prüfung hat insoweit bei der Frage anzusetzen, welche Förderpraxis die Beklagte tatsächlich zugrunde gelegt hat und ob sie von dieser Praxis im Einzelfall der Klägerin zu deren Nachteil in gleichheitswidriger Weise abgewichen ist (VGH BW, B.v. 8.3.2024 – 14 S 10/24 – juris Rn. 11 zur Antragsfrist der Neustarthilfe, für die dasselbe gilt wie für die Endabrechnungsfrist). Es ist nicht ersichtlich, dass die in der Förderrichtlinie, den Vollzugshinweisen usw. erfolgte Festlegung der Frist und deren Anwendung durch die Beklagte als materielle Ausschlussfrist dem Förderzweck zuwidergelaufen wäre oder sich aus anderen Gründen als willkürlich darstellt. Die Beklagte darf im Hinblick auf ihr Ermessen bei der Verteilung der für bestimmte Zwecke bereitgestellten öffentlichen Mittel Verfahrensregelungen treffen und dabei auch Antragsfristen festlegen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 9). Solche Fristen dienen neben der Gewährleistung eines effizienten Einsatzes der Verwaltungsressourcen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 9.) in erster Linie dazu, eine zeitnahe Entscheidung über geltend gemachte Ansprüche sicherzustellen und so eine belastbare Grundlage für die Planung und Bewirtschaftung der für den Zuwendungszweck zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zu erhalten (vgl. etwa OVG NRW, B.v. 7.11.2023 – 1 A 1632/21 – juris Rn. 23). Verwaltungsgerichtlich überprüfbare Grenzen sind deshalb grundsätzlich erst dann überschritten, wenn die Bewilligungsbehörde ihrer Förderpraxis Fristen zugrunde legt, die im Ergebnis verhindern, dass der Förderzweck erreicht werden kann (VGH BW, B.v. 8.3.2024 – 14 S 10/24 – juris Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall, denn die streitgegenständliche Frist dient gerade im vorliegenden Massenverfahren der Strukturierung und Steuerung sowie der Beschleunigung des Verfahrens zur Endabrechnung und schafft Klarheit und Sicherheit auch im Interesse der begünstigten Zuwendungsempfänger, die rechtzeitig ihre Endabrechnung eingereicht haben (hier 94,2%; siehe https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/wirtschaftshilfen-corona/endabrechnung-coronahilfe/), über das endgültige Behaltendürfen der Neustarthilfe (vgl. auch BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 3 C 27/22 – juris Rn 26 f., 31 m.w.N.).
45
Unabhängig von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung nach der Verwaltungspraxis der Beklagten überhaupt grundsätzlich in Betracht kommt, wurde vorliegend von der Klägerin zudem jedenfalls kein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist gestellt. Zwar kann Wiedereinsetzung nach Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG auch ohne förmlichen Antrag gewährt werden, dies setzt aber voraus, dass jedenfalls die versäumte Handlung unter Angabe von Wiedereinsetzungsgründen innerhalb der zwei Wochen Frist des Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nachgeholt wird. Die prüfende Dritte hat ausweislich der Behördenakten der Beklagten den tatsächlichen Umsatz aber erstmals im Rahmen der Klagebegründung vom 11. Januar 2024 vorgebracht. Die versäumte Handlung wurde damit jedenfalls nicht mehr innerhalb der zwei Wochen Frist nach Bekanntgabe des Schluss-Ablehnungsbescheids am 9. Dezember 2023 (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 OZG) nachgeholt. Bereits aus diesem Grund kann eine Wiedereinsetzung in die Frist nicht von Amts wegen gewährt werden.
46
Abgesehen davon hat die Klägerin nicht gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG substantiiert und fristgerecht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden gehindert war, die inmitten stehende Frist zur Endabrechnung einzuhalten. Die Versäumung einer Frist ist in diesem Sinne grundsätzlich dann verschuldet, wenn der Betroffene die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten im Hinblick auf eine Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des einzelnen Falles zuzumuten war (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1180 – juris Rn. 38 mit Verweis auf VG Ansbach, U.v.1.12.2020 – AN 3 K 19.02073 – juris Rn. 49 f. mit Verweis auf BayVGH, B.v. 27. Juni 2011 – 12 ZB 10.1363 – juris und auf BVerwG, B.v. 28.2.2008 – 9 VR 2/08 – juris; Michler in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 62. Ed. 1.1.2024, § 32 Rn. 9 f.). Auch leichte Fahrlässigkeit schadet. Bei einem Steuerberater (oder Rechtsanwalt) sind grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen. Die für einen gewissenhaften Verfahrensbeteiligten nach objektiven Maßstäben gebotene Sorgfalt muss eingehalten werden. Auch Mitverschulden, etwa der Behörde, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 32 Rn. 20, 20a, 23 f.). Ein Steuerberater oder Rechtsanwalt muss organisatorische Vorkehrungen treffen, dass eine wirksame Fristenkontrolle gesichert ist und Fristen zuverlässig eingehalten werden, z.B. die Führung eines Fristenkalenders (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 32 Rn. 35; Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023 § 32 Rn. 20 und 29). Arbeitsüberlastung des Bevollmächtigten ist nur dann verschuldensausschließend, wenn sie unvorhersehbar war, nach den Umständen des Einzelfalles Abhilfe nicht möglich war und der Bevollmächtigte alles seinerseits Mögliche getan hat, um dadurch bedingte Fristversäumungen zu vermeiden (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 32 Rn. 36).
47
Die Klägerin muss sich gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG das Verschulden ihres Vertreters, der prüfenden Dritten, zurechnen lassen. Indem diese mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024 vorträgt, die Schlussabrechnung sei versehentlich nicht fristgerecht eingereicht worden, gesteht sie ein Verschulden zumindest in Form von leichter Fahrlässigkeit ein.
48
Des Weiteren kommt auch keine Nachsichtgewährung in Betracht.
49
Ist eine Wiedereinsetzung von Rechts wegen bei einer materiellen Ausschlussfrist ausgeschlossen, kann theoretisch im Wege einer Nachsichtgewährung bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eine Ausnahme von der Folge der Fristversäumnis gewährt werden. Vorliegend bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Wege einer Nachsichtgewährung eine Ausnahme von der Folge der Fristversäumnis hätte gewährt werden müssen. Eine Nachsichtgewährung wäre dann angebracht, wenn ein Fehlverhalten der Beklagten bei der Anwendung von Vorschriften gegeben wäre, ohne deren konkrete Beachtung der Antragsteller seine Rechte nicht hätte wahren können, und wenn das Berufen der Beklagten auf die Fristversäumnis so gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 3 C 27/22 – juris Rn 13 f. m.w.N). Ein solches behördliches Fehlverhalten ist vorliegend nicht feststellbar. Die Beklagte hat sich – ungeachtet dessen, dass eine solche Erinnerung, von der Klägerin unbestritten, vorgetragen wird – insbesondere, wie bereits ausführlich dargelegt, nicht verpflichtet, die Klägerin individuell zu erinnern. Vielmehr oblag es der Klägerin bzw. ihrer prüfenden Dritten, die im Antragsverfahren, insbesondere auch im Förderbescheid sowie im Internet erfolgten Hinweise auf die Frist für die Endabrechnung, die wiederholt zugunsten der Klägerin bzw. der prüfenden Dritten verlängert worden ist, zur Kenntnis zu nehmen und im Blick zu behalten. Dieser Obliegenheit haben die Klägerin bzw. ihre prüfende Dritte nicht entsprochen. Danach besteht kein rechtlicher Ansatzpunkt dafür, die Beklagte zu einem Abweichen von ihrer gleichmäßig angewandten Förderpraxis über das richterrechtliche Institut der sogenannten Nachsichtgewährung zu verpflichten (vgl. VGH BW, B.v. 8.3.2024 – 14 S 10/24 – juris Rn. 15 ff.).
50
Die Klägerin hat auch sonst keinerlei Tatsachen vortragen lassen, die auf außergewöhnliche Umstände schließen lassen und eine von der gängigen Verwaltungspraxis abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten (vertiefend hierzu OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris Rn. 30 m.w.N.).
51
Mithin ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die endgültige Ablehnung der begehrten Förderung mit Schluss-Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2023 rechtlich nicht zu beanstanden ist.
52
Des Weiteren ist die Rückforderung des mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 20. März 2021 ausgezahlten Förderbetrags in Höhe von 1.402,51 EUR rechtmäßig, insbesondere besteht kein Vertrauensschutz.
53
Ein vorläufiger Bescheid kann ohne Einschränkung durch Art. 48, 49 BayVwVfG durch einen Schlussbescheid ersetzt werden (VG Saar, U.v. 12.4.2024 – 1 K309/23 – juris Rn. 41 ff.; VG Gera, U.v. 15.3.2024 – 5 K 704/23 Ge – juris Rn. 16 ff. zur Neustarhilfe sowie allgemein BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 16.
54
Der Förderbescheid vom 20. März 2021 war ein vorläufiger Bescheid, der – wie unter dessen Nr. 2 ausdrücklich vorbehalten – durch einen Schlussbescheid ersetzt werden konnte und vorliegend durch den Schluss-Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2023 ersetzt wurde, ohne dass ein besonderer Aufhebungsakt erforderlich war. Denn nach Nr. 3.8 lit. d) Satz 1 der Richtlinie Überbrückungshilfe III wird die Neustarthilfe zu Beginn der Laufzeit als Vorschuss ausgezahlt, auch wenn die konkreten Umsatzeinbußen noch nicht feststehen. Nach Nr. 9.2 Satz 1 der Förderrichtlinie prüft die Bewilligungsstelle im Rahmen der Schlussabrechnung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Billigkeitsleistung, die Höhe und Dauer der Billigkeitsleistung sowie eine etwaige Überkompensation (ebenso G. XIX. Nr. 8 Abs. 4 der Vollzugshinweise, S. 34). Nach Nr. 11 der Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheids ist die Neustarthilfe zu erstatten, soweit der Bescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder sonst unwirksam geworden ist. Nr. 2 Satz 1 des Förderbescheids bestimmte ausdrücklich, dass die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung ergeht.
55
Der Bewilligungsbescheid ist nur die Grundlage für die vorläufig geleistete Abschlagszahlung; hierin erschöpft sich seine Rechtswirkung (VG München, U.v. 31.3.2023 – M 31 K 22.3604 – juris Rn. 22). Es liegt gerade im Wesen der Vorläufigkeit, dass Vertrauen auf die Endgültigkeit der Regelung nicht entstehen kann (BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 25).
56
Der ursprüngliche Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes in der vorliegenden Situation einer tatsächlichen Ungewissheit über die tatsächliche Umsatzentwicklung bei der Klägerin zum Erlasszeitpunkt ist rechtlich nicht zu beanstanden (im Ergebnis ebenso VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 53; VG Saar, U.v. 12.4.2024 – 1 K309/23 – juris Rn. 34 ff.; jeweils zur Neustarthilfe). Die Behörde darf eine vorläufige Regelung treffen, wenn eine bestehende Ungewissheit Umstände betrifft, die erst künftig eintreten und die nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 21). Dies war hier der Fall, da die Überbrückungshilfe eine schnelle und unbürokratische Hilfe während der ungewissen Zeit der Corona Krise sein sollte. Deshalb war die Hürde einer vorläufigen Bewilligung auch möglichst niedrigschwellig anzusetzen, um die Zielsetzung einer raschen, unmittelbaren Unterstützung nicht zu konterkarieren. Dies wird vorliegend auch durch den kurzen Zeitraum von nur einem Tag zwischen Antragstellung am 19. März 2021 und Bewilligung am 20. März 2021 verdeutlicht. Zu diesem Zeitpunkt war für die Beklagte sowohl die Höhe des tatsächlichen und sogar die des mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Umsatzrückgangs der Klägerin aber noch vollkommen ungewiss.
57
Die Rückzahlungsverpflichtung resultiert aus Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG analog (so BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 18 f.). Sie ist rechtlich nicht zu beanstanden (im Ergebnis ebenso VG Augsburg, B.v. 7.5.2024 – Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463 – juris Rn. 53). Art. 49a BayVwVfG ist entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird (vgl. BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 18 unter Bezugnahme u.a. auf BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – juris Rn. 24). Denn der Bewilligungsbescheid vom 20. März 2021 hat gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG seine Rechtswirkung dadurch verloren, dass er durch die endgültige Ablehnung im Bescheid vom 6. Dezember 2023 ersetzt wurde (vgl. VG München, U.v. 31. März 2023 – M 31 K 22.3604 – juris Rn. 35). Eines Rückgriffs auf den richterrechtlich begründeten, subsidiären allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bedarf es hingegen nicht, da die Interessenlage bei dem nachträglichen Unwirksamwerden eines vorläufigen Verwaltungsakts durch Ersetzung desselben vergleichbar ist mit der Rechtswirkung einer auflösenden Bedingung (vgl. BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 19 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – juris Rn. 28; U.v. 11.5.2016 – 10 C 8.15 – juris Rn. 11).
58
Die Verzinsung gemäß Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG analog ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
59
Nach alledem war die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
60
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
61
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.