Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 03.07.2024 – W 4 S 24.833
Titel:

Kein vorläufiger Rechtsschutz bei bestandskräftigem VA

Normenkette:
VwGO § 60 VwGO, § 74 Abs. 1, § 80 Abs. 5
Leitsatz:
Ist ein Verwaltungsakt in Bestandskraft erwachsen, ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unzulässig (ebenso VGH München BeckRS 2010, 56615). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässiger Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn zugrundeliegender VA bestandskräftig geworden ist, vorläufiger Rechtsschutz, bestandkräftiger VA, Antrag unzulässig
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18332

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte wasserrechtliche Anordnung samt entsprechender Zwangsgeldandrohung.
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1. Der Antragsteller ist Eigentümer einer Teichanlage auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. …5 der Gemarkung H* … Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zur Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis für den Weiterbetrieb der Teichanlage auf den Fl.Nrn. …3 bis …5 der Gemarkung H* … fand am 29. August 2023 ein Ortstermin statt. Dabei wurden seitens des Wasserwirtschaftsamts … … eine ganze Reihe an Schäden und Mängeln an der Teichanlage festgestellt. Unter anderem wurde festgestellt, dass sich der Stauwasserspiegel im nördlichen Uferbereich des Teichs Nr. 3 in Richtung Fl.Nr. 1/1 der Gemarkung H* … nur ca. 30 cm unterhalb der Uferböschung befand.
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Der Antragsteller wurde daraufhin mit Schreiben des Landratsamts Haßberge vom 27. November 2023 u.a. aufgefordert, den Teich unverzüglich auf eine Höhe von 312,16 m über NN abzusenken und ein Mindestfreibord von 50 cm einzuhalten, um bei Starkregenereignissen ein Überlaufen des Teichs zu vermeiden. Nachdem in der Folgezeit seitens des Antragstellers keine Reaktion erfolgt war, wurde dieser mit Schreiben des Landratsamts Haßberge vom 9. Januar 2024 nochmals aufgefordert, den Teich bis spätestens 21. Januar 2024 auf die genannte Höhe abzusenken, andernfalls beabsichtige das Landratsamt, eine kostenpflichtige Anordnung samt Androhung eines Zwangsgeldes zu erlassen. Eine Reaktion des Antragstellers auf dieses Schreiben erfolgte ausweislich der vorliegenden Behördenakte ebenfalls nicht.
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2. Mit Bescheid des Landratsamts Haßberge vom 19. April 2024 wurde der Antragsteller verpflichtet, den Wasserstand der Teichanlage auf der Fl.Nr. …5 der Gemarkung H* … unverzüglich auf 312,60 m über NN abzusenken, so dass ein Mindestfreibord von 50 cm eingehalten wird (Ziffer I.). In Ziffer II. wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I. angeordnet. Gemäß Ziffer III. des vorgenannten Bescheids wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht, sollte er der Verpflichtung aus Ziffer I. nicht bis zum 5. Mai 2024 nachkommen. Hinsichtlich der Gründe wird auf den Bescheid des Landratsamts vom 19. April 2024 Bezug genommen. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen, wonach gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben werden kann. Ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde dem Antragsteller der Bescheid am 24. April 2024 zugestellt.
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3. Mit Schreiben vom 23. Mai 2024, eingegangen bei Gericht am 27. Mai 2024, hat der Antragsteller Klage gegen den vorgenannten Bescheid erhoben (W 4 K 24.832), über die bislang noch nicht entschieden ist. Zudem hat er im vorliegenden Verfahren sinngemäß b e a n t r a g t,
die aufschiebende Wirkung der Klage in der Hauptsache wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung unzutreffend sei. Von der Teichanlage gingen auch keinerlei Gefahren aus.
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4. Mit Schriftsatz des Landratsamts Haßberge vom 31. Mai 2022 wird seitens des Antragsgegners b e a n t r a g t, den Antrag abzulehnen.
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Begründet wurde dies damit, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da es diesem am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Denn der streitgegenständliche Bescheid vom 19. April 2024 sei bereits bestandskräftig geworden. Der Bescheid sei dem Antragsteller am 24. April 2024 wirksam zugestellt worden. Eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hätte daher bis spätestens 24. Mai 2024 erhoben werden müssen. Die am 27. Mai 2024 eingereichte Klage sei damit verfristet. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Insoweit werde auf die Gründe des angefochtenen Bescheids verwiesen.
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5. Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Juni 2024 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Erkenntnislage der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sei, da die im Hauptsacheverfahren erhobene Klage verfristet und der zugrundeliegende Bescheid des Landratsamts Haßberge vom 19. April 2024 damit bestandskräftig und unanfechtbar geworden sei. Eine Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte seitens des Antragstellers bislang nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren W 4 K 24.832 sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
12
1.1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann längstens bis zur Bestandskraft des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes gestellt werden. Ist der zugrundeliegende Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, macht dies einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 27.8.1987 – 25 CE 87.1911 – BayVBl. 1988, 17/18; OVG NW, B.v. 24.5.2011 – 14 B 391/11 – NVwZ-RR 2011, 753/754; aus der Literatur vgl. etwa Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 129, Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 130).
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Der hier streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts Haßfurt vom 19. April 2024 ist allerdings bereits bestandskräftig geworden. Der Bescheid war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehen und ist dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 24. April 2024 zugestellt worden. Damit hätte der Antragsteller, um die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO einzuhalten, bis spätestens Freitag, 24. Mai 2024, 24:00 Uhr, Klage erheben müssen (vgl. hierzu § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB, § 188 Abs. 2 BGB). Die vom Antragsteller erst am 27. Mai 2024 erhobene Klage wurde damit verspätet erhoben.
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1.2. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO hat der Antragsteller bislang nicht erhoben. Auch Wiedereinsetzungsgründe wurden bislang weder vorgetragen noch sind solche erkennbar. Zum aktuellen Zeitpunkt dürfte mit Blick auf § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Wiedereinsetzung auch nicht mehr möglich sein. Damit ist der Bescheid vom 19. April 2024 bestandskräftig geworden, so dass dem vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt und der Antrag somit unzulässig ist.
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2. Auch Anhaltspunkte, die hier im Wege der Auslegung (§ 88 VwGO) einen Antrag nach § 123 VwGO rechtfertigen bzw. zum Erfolg verhelfen könnten, sind mit Blick auf einen insoweit erforderlichen, glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bislang weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom Juli 2013.