Titel:
Eilrechtsschutz gegen Ausschluss aus Kindertagesstätte
Normenketten:
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art 39 Abs. 1, Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 114 S. 2
BayKiBiG Art. 11 Abs. 2
Leitsätze:
1. Wenn nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont völlig unzweifelhaft ist, dass über die in einem Bescheid getroffene Regelung hinaus auch deren sofortige Vollziehung gewollt ist und verfügt sein soll, ist es rechtlich unschädlich, dass diese Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrem bloßen Wortlaut nach nicht der Formulierung in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO entspricht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Begründung iSv § 39 VwVfG muss auf den konkreten Fall abstellen; eine lediglich formale, formelhafte oder inhaltlich abstrakte und nichtssagende Begründung genügt nicht. Neben der Angabe der Rechtsgrundlage gehört zur Begründung auch die Darlegung, dass und weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage vorliegen. Soweit es sich um eine Ermessensvorschrift handelt, muss aus der Begründung auch ersichtlich sein, dass die Behörde ihr Ermessen ausgeübt und dabei die Interessen der Betroffenen berücksichtigt und abgewogen hat, von welchen Tatsachen sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe sie angewendet hat. Die Begründung muss aus sich heraus für die Betroffenen verständlich sein. Eine Verletzung der Begründungspflicht führt zur Rechtswidrigkeit des betroffenen Verwaltungsaktes. Eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG durch nachträgliche Bekanntgabe der Begründung ist nur dann möglich, wenn die Behörde zuvor Gründe erwogen hat, diese jedoch nicht in den Bescheid aufgenommen hat. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird eine Kindertageseinrichtung als öffentliche Einrichtung in rein öffentlich-rechtlicher Form geführt, begründet die Zulassungsentscheidung zu dieser öffentlichen Einrichtung ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis und -recht. Die durch die Zulassungsentscheidung entstandene Rechtsposition kann damit nur durch eine hoheitliche Regelung in Gestalt eines (Widerrufs-)Verwaltungsakts entzogen werden. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kommunale Kindertagesstätte, öffentliche Einrichtung, Ausschluss vom weiteren Besuch der Kindertagesstätte, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Ausschluss aus der Kindertagesstätte, Antrag auf Aufhebung der Vollziehung, Vertrauensverhältnis, Verhalten der Eltern der Antragsteller, Kritik an der Arbeit der Kindertagesstätte, Fehlende Anhörung, Fehlende Begründung des Bescheides, Keine Unmöglichkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, Keine Ermessenserwägungen, Keine Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, Anhörung, Begründung, Sofortvollzug, Kita
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18331
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 20. Juni 2024 im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024 in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 wird wiederhergestellt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 20. Juni 2024 im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024 wird wiederhergestellt.
II. Die Aufhebung der Vollziehung wird angeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Antragsteller unverzüglich wieder in vollem Umfang zum Besuch der öffentlichen Einrichtung Kindertageseinrichtungen Mönchberg zuzulassen.
III. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsgegner betreibt eine gemeindliche Kindertageseinrichtung als öffentliche Einrichtung (im Folgenden: Kindertagesstätte). Die Antragsteller wenden sich gegen ihren – im Fall des Antragstellers teilweisen – Ausschluss aus der Kindertagesstätte.
2
Der sechs Jahre alte Antragsteller und die fünf Jahre alte Antragstellerin sind zum 1. Juni 2023 in die Kindertagesstätte aufgenommen worden. Die gemeinsam personensorgeberechtigten Eltern der Antragsteller haben sich mit Erklärung vom 22. Mai 2023 gegenüber dem Antragsgegner mit den Bestimmungen der Benutzungsordnung des Antragsgegners einverstanden erklärt und sich dazu verpflichtet, sie einzuhalten.
3
Auf der Grundlage einer Beschwerde der Eltern der Antragsteller beim Landratsamt Miltenberg führte dessen Fachdienst Kindertagesbetreuung – Kindergartenfachaufsicht und Kindertagespflege – (im Folgenden: Landratsamt) am 3. Mai 2024 eine unangekündigte Begehung in der Kindertagesstätte durch.
4
Am 17. Mai 2024 fand eine Besprechung zwischen den Eltern der Antragsteller, Vertretern des Antragsgegners, der Leiterin der Kindertagesstätte, einer Vertreterin des Elternbeirats sowie zwei Vertreterinnen des Landratsamts statt, in der das Beschwerdevorbringen der Eltern der Antragsteller besprochen wurde. Hierbei ging es – wie sich aus dem diesbezüglichen Protokoll des Landratsamts ergibt – um die Anzahl der Bildungs- und Betreuungsangebote, um die Erreichbarkeit der Leitung der Einrichtung, um den Umgang mit Nahrungsmitteln, um das Verhalten einer Mitarbeiterin der Kindertagesstätte während der Arbeit, um das Rauchen von Mitarbeitenden der Kita, um die Besichtigung verschiedener Bauernhöfe – mit Ausnahme unter anderem desjenigen der Eltern der Antragsteller – bei Ausflügen und um den Umgang des Personals mit der Antragstellerin. In diesem Rahmen wurden verschiedene Überlegungen zur Beilegung der diesbezüglichen Streitpunkte angestellt. Insbesondere wurde gegenüber den Eltern der Antragsteller „angeregt“, dass diese künftig bei Beschwerdepunkten unmittelbar das Gespräch mit den betreffenden Erzieherinnen suchen oder einen Termin für ein ausführlicheres Gespräch vereinbaren sollten.
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Zudem prüfte das Landratsamt die Unterlagen der Kindertagesstätte, dies ohne wesentliche Beanstandungen.
6
Am 12. Juni 2024 kam es zu einem Konflikt zwischen einer Mitarbeiterin der Kindertagesstätte und der Antragstellerin. Hierbei ging es um die Konsequenzen für den Aufenthalt im Freien aufgrund der Tatsache, dass die Antragstellerin keine Sonnenmütze dabei hatte.
7
Wohl aufgrund dieses Vorfalls äußerte sich der Vater der Antragsteller am 13. Juni 2024 gegenüber einer anderen Mitarbeiterin der Kindertagesstätte negativ über die an dem Konflikt am Vortag beteiligte Mitarbeiterin.
8
Aufgrund dieser Äußerung informierte die Kindertagesstättenleitung den Bürgermeister des Antragsgegners darüber, der Vater der Antragsteller habe gegen die von ihm im Gespräch am 17. Mai 2024 zugesagten „Auflagen“ verstoßen, in Zukunft alles mit den betreffenden Personen zu besprechen.
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Mit Bescheid vom 17. Juni 2024 schloss der Antragsgegner die Antragsteller mit sofortiger Wirkung von dem weiteren Besuch der Kindertagesstätte aus. Zur Begründung wurde ausgeführt, am 17. Mai 2024 habe ein persönliches Gespräch gemeinsam mit der Fachaufsicht Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege des Landratsamts Miltenberg stattgefunden. Man habe gemeinsam an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einem respektvollen Umgang arbeiten wollen. Bedauerlicherweise habe sich die Situation seither nicht entspannt. „Aufgrund jüngster Vorkommnisse“ sehe sich der Antragsgegner „daher leider gezwungen von § 9 Abs. 2 Ziffer b unserer Benutzungssatzung Gebrauch zu machen und Ihre Kinder von dem weiteren Besuch unserer Kindertagesstätte mit sofortiger Wirkung auszuschließen“. Es werde um Beachtung gebeten, dass die Antragsteller ab dem 19. Juni 2024 nicht mehr betreut würden. Der Bescheid wurde am 18. Juni 2024 durch einen Mitarbeiter des Antragsgegners in den Briefkasten der Antragstellerseite eingelegt.
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Am 19. Juni 2024 fand ein weiteres Gespräch zwischen den Eltern der Antragsteller, Vertretern des Antragsgegners und der Kindergartenleitung statt, in welchem – wie sich aus einem vom Antragsgegner vorgelegten Aktenvermerk ergibt – die künftige Unmöglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit, die Angst des Kindertagesstättenpersonals vor dem nächsten Zusammentreffen mit den Eltern der Antragsteller, die Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses auch in Bezug auf die Kinder und das Angebot für die Suche nach einem neuen Kindertagesstättenplatz besprochen wurden.
11
Mit Schreiben ohne Datum, gemäß einem Aktenvermerk des Antragsgegners verfasst am 21. Juni 2024 und der Mutter der Antragsteller per Mail übermittelt, bot die Leiterin der Kindertagesstätte – zuvor abgestimmt mit dem Antragsgegner – den Eltern der Antragsteller an, der Antragsteller dürfe an neun im Einzelnen benannten Veranstaltungen für Schulanfänger teilnehmen, dies unter der Voraussetzung, dass die Mutter des Antragstellers diesen zu den Terminen bringe und hernach wieder abhole. An einem Ausflug dürfe sie den Antragsteller auch begleiten. Der Antragsteller nahm daraufhin – zumindest – am 25. Juni 2024 am Schulanfängerausflug teil.
12
Am 20. Juni 2024 erhoben die Antragsteller im Verfahren W 3 K 24.1125 Klage gegen den jeweils mit Bescheid vom 17. Juni 2024 ausgesprochenen Ausschluss aus der Kindertagesstätte und beantragten zuletzt im vorliegenden Verfahren sinngemäß:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024 und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024 in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 werden wiederhergestellt. Die Antragsteller sind sofort wieder in die Kindertagesstätte aufzunehmen.
14
Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Gruppe der Antragstellerin sei es in der Vergangenheit zu Problemen mit der Betreuerin V. gekommen, die sich viel zu oft mit ihrem Handy beschäftigt und sich deshalb nicht richtig um die Kinder gekümmert habe. Eine Betreuerin in der Gruppe des Antragstellers habe provokative Bekleidung getragen, insbesondere ein T-Shirt mit der Abbildung eines Kampfhundes. Im Anschluss an das Gespräch am 17. Mai 2024 habe es zwischen den Beteiligten keine weiteren Probleme und keinen weiteren Austausch gegeben. Vielmehr sei positiv festgestellt worden, dass die Betreuerin in der Gruppe des Antragstellers ihren Kleidungsstil geändert habe. Die jüngsten Vorkommnisse, mit welchen nunmehr der Ausschluss der Antragsteller begründet worden sei, seien nicht näher erläutert worden. Die Antragsteller seien auf eine Betreuung angewiesen und befürchteten den Verlust ihrer Freunde.
15
Der Antragsteller legte zudem ein Schreiben der Leitung der Kindertagesstätte vor, mit welchem er zur Teilnahme an neun im Einzelnen benannten Schulanfängerveranstaltungen zugelassen wurde.
16
Weiterhin trugen die Antragsteller im Einzelnen benannte Vorfälle bzw. Konflikte im Rahmen ihres Besuches der Kindertagesstätte vor.
17
Der Antragsgegner ließ beantragen,
Die Anträge werden zurückgewiesen.
18
Zur Begründung wurde vorgetragen, der in der Antragsschrift wiedergegebene Sachverhalt entspreche in wesentlichen Teilen nicht den Tatsachen. Die Eltern der Antragsteller führten auch weiterhin ständige Beschwerden gegenüber einzelnen Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte, die aus Sicht des Antragsgegners unbegründet seien. Die betroffenen Mitarbeiterinnen fühlten sich persönlich angegriffen. Die Antragsteller selbst hätten zwischenzeitlich jeglichen Respekt vor den Mitarbeiterinnen verloren und seien nicht mehr dazu bereit, deren Anweisungen Folge zu leisten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eltern der Antragsteller und der Kindertagesstätte sei nicht mehr möglich. Der sich häufende Krankheitsstand der die beiden Antragsteller betreuenden Mitarbeiterinnen, der nach deren Aussage auf diesen Konflikt zurückzuführen sei, sei nicht mehr weiter hinnehmbar. Die ständigen und haltlosen Beschwerden führten bei den betroffenen Mitarbeiterinnen zu erheblichen psychischen Beschwerden.
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Zwischenzeitlich sei mit den Eltern des Antragstellers vereinbart worden, dass dieser an den Schulanfängerterminen im Juni und Juli 2024 teilnehmen dürfe, wenn er ausschließlich von seiner Mutter zur Kindertagesstätte gebracht werde. Demgegenüber trage der Vater der Antragsteller den Konflikt in die Gemeinde, so dass die Leiterin der Kindertagesstätte ständig im Ort von anderen Eltern auf den Konflikt angesprochen werde. Die Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte hätten vor einem Zusammentreffen mit den Eltern der Antragsteller Angst. Der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII werde durch das Verhalten der Eltern, insbesondere des Vaters, verwirkt. Der Ausschluss der Antragsteller von der Betreuung in der Kindertagesstätte habe wegen des offenkundig zerrütteten Vertrauensverhältnisses ausgesprochen werden müssen. Das Interesse an einem ungehinderten Betrieb der Kindertagesstätte und die Fürsorgepflicht des Antragsgegners gegenüber den Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte sei insoweit höher zu bewerten als der Rechtsanspruch der Antragsteller, zumal ausdrücklich durch das Verhalten der Eltern, insbesondere des Vaters, das Vertrauensverhältnis zerrüttet worden sei.
20
Versuche des Antragsgegners, für die Antragsteller eine andere aufnahmebereite Kindertagesstätte zu finden, führten nicht zum Erfolg.
21
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners, auf die Verwaltungsakten des Landratsamts Miltenberg und auf den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 24.1125, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
22
Die Antragsteller machen zwei unterschiedliche Begehren zum Gegenstand des Verfahrens, wie sich gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO in entsprechender Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltenden Rechtsgrundsätze (§ 133, § 157 BGB) ergibt.
23
Zum einen begehren die Antragsteller jeweils die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024, im Falle des Antragstellers in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024. Dies ergibt sich aus dem im Rahmen des Klageverfahrens W 3 K 24.1125 gestellten Anfechtungsantrag auf Aufhebung des Bescheides vom 17. Juni 2024 in Verbindung mit dem im vorliegenden Verfahren formulierten Antrag zur Verpflichtung des Antragsgegners, die Antragsteller im Rahmen der einstweiligen Anordnung weiterhin in der Kindertagesstätte zu betreuen. In den sich hieraus ergebenden ursprünglichen Streitgegenstand hat der Antragsteller einen weiteren Bescheid mit einbezogen. Der Antragsteller hat nämlich ein Schreiben der Leiterin der Kindertagesstätte ohne Datum, der Mutter des Antragstellers per Mail am 21. Juni 2024 übermittelt, vorgelegt, mit welchem ihm – nicht aber der Antragstellerin – die Teilnahme an neun im Einzelnen benannten „Schulanfängerterminen“ gestattet wird. Dieses Schreiben enthält die Anmerkung „Eine Abstimmung mit dem Träger ist bereits erfolgt.“ Hieraus ergibt sich, dass der Antragsgegner, der Träger der öffentlichen Einrichtung, – zumindest mündlich – den Verwaltungsakt vom 17. Juni 2024 dahingehend abgeändert hat, dass der Antragsteller nicht zur Gänze, sondern lediglich in beschränktem Umfang aus der öffentlichen Einrichtung Kindertagesstätte ausgeschlossen wird, zu den „Schulanfängerterminen“ jedoch zugelassen bleibt. Den Inhalt dieses Verwaltungsakts hat die Leiterin der Kindertagesstätte als Beschäftigte des Antragsgegners in dessen Auftrag den Eltern des Antragstellers mit dem genannten Schreiben bekannt gegeben. Damit bezieht sich der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf den Bescheid vom 17. Juni 2024 in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024.
24
Im Übrigen kann es den insoweit prozessual unerfahrenen gesetzlichen Vertretern der Antragsteller nicht angelastet werden, anstelle der nach § 80 Abs. 5 VwGO hier richtigen Antragsformulierung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage die in § 123 VwGO enthaltene Formulierung verwendet haben. Deutlich wird jedenfalls, dass sie sich als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 17. Juni 2024, im Falle des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 wenden wollen. Hierfür ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der richtige Antrag.
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Zum anderen begehren die Antragsteller die Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Die insoweit prozessual unerfahrenen gesetzlichen Vertreter der Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner im Rahmen der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragsteller weiterhin in der Kindertagesstätte zu betreuen. Dies ist der Sache nach so zu verstehen, dass die Antragsteller vorläufig wieder in vollem Umfang zum Besuch der öffentlichen Einrichtung zugelassen werden wollen. Damit begehren sie die Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen.
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Beide Anträge haben Erfolg.
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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller vom 20. Juni 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 hat Erfolg.
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a) Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024, mit welchem die Antragstellerin zur Gänze und der Antragsteller zum überwiegenden Teil vom weiteren Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen worden sind, statthaft. Denn statthafter Rechtsbehelf in der Hauptsache ist eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024. Zwar entfaltet die jeweilige Klage im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung; allerdings hat der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Bescheides besonders angeordnet. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner die Antragsteller vom weiteren Besuch der Kindestagesstätte „mit sofortiger Wirkung“ ausgeschlossen hat und um Beachtung der Tatsache gebeten hat, dass die Antragsteller ab dem 19. Juni 2024 nicht mehr betreut werden. Auch wenn dies nicht der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO enthaltenen Formulierung entspricht, wird doch deutlich, dass der Antragsgegner mit den dargestellten Formulierungen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 17. Juni 2024 im Auge hatte. Dies ergibt sich daraus, dass die Antragsteller nicht ohne konkrete zeitliche Vorgabe vom weiteren Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen worden sind, sondern der Antragsgegner bewusst die Formulierung „mit sofortiger Wirkung“ verwendet und insbesondere darauf hingewiesen hat, dass die Antragsteller ab dem 19. Juni 2024 nicht mehr betreut werden. Geht aber aus dem angegriffenen Bescheid eindeutig die Intention hervor, die Antragsteller auf jeden Fall ab sofort aus der Kindertagesstätte auszuschließen, so ist dies der Sache nach eine Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Wenn aber – wie hier – nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont völlig unzweifelhaft ist, dass über die in einem Bescheid getroffene Regelung hinaus auch deren sofortige Vollziehung gewollt ist und verfügt sein soll, ist es rechtlich unschädlich, dass diese Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrem bloßen Wortlaut nach nicht der Formulierung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entspricht (zum Erfordernis einer ausdrücklichen Anordnung vgl. z.B. Gersdorf in Posser/Wolff/Decker (Hrsg.), BeckOK VwGO, 69. Ed. Stand 1.1.2024, § 80 Rn. 84 m.w.N., a.A. OVG RhPf, B.v. 4.3.1993 – 2 B 10416/93 – juris Rn. 6). Zu einem solchen Verständnis zwingt auch die Verwendung des Begriffs „besonders“ in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht. Es wäre übertriebene Förmelei, eine „besondere“ Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verneinen, wenn sie sich nicht wörtlich, aber durch Auslegung eindeutig aus dem Bescheid und den Gesamtumständen ergibt. Auch wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung kein Verwaltungsakt ist (BVerwG, U.v. 12.5.1966 – II C 197.62 – BeckRS 1966, 512 Rn. 38; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 42; Schoch in Schoch/Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwGO, 45. EL Stand Januar 2024, § 80 Rn. 199), ist sie nach Auffassung der Kammer als bzw. wie eine Willenserklärung der Auslegung zugänglich. Selbst eine dem Wortlaut nach eindeutige Erklärung kann sich bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes als auslegungsbedürftig und -fähig erweisen. Allerdings ist insoweit aus Gründen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit ein strenger Maßstab anzulegen; Zweifel gehen zulasten der Behörde. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf.
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Der Erlass des Änderungsbescheides vom 21. Juni 2024, der den Ausschluss des Antragstellers aus der öffentlichen Einrichtung zu dessen Gunsten modifiziert, hat für die Wirksamkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine Bedeutung.
30
Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrages ist die Zulässigkeit des Hauptsacheverfahrens (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 134 m.w.N.). Dafür, dass die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024 in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 offensichtlich unzulässig sein könne, ist nach Aktenlage nichts ersichtlich. Insbesondere ist die Klage innerhalb eines Jahres nach Erlass des nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehenen Bescheides vom 17. Juni 2024 am 20. Juni 2024 und damit nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 58 Abs. 2 VwGO fristgemäß erhoben worden.
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b) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen ist begründet.
32
Nach der im Verfahren auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegt das private Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung.
33
In einem derartigen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes oder von dessen offensichtlicher Rechtswidrigkeit und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen. Sind sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85 bis Rn. 94 m.w.N.).
34
aa) Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung des Gerichts ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Klagen im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 nach summarischer Prüfung erfolgreich sein werden.
35
Dies ergibt sich aus Folgendem:
36
Der angegriffene Bescheid ist bereits formell mit Fehlern behaftet.
37
Gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten, in dessen Rechte ein Verwaltungsakt eingreift, vor dessen Erlass Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hiervon können nach Abs. 2 und Abs. 3 der Vorschrift in bestimmten im Einzelnen benannten Fällen Ausnahmen gemacht werden.
38
Die Eltern der Antragsteller als deren gesetzliche Vertreter sind vor Erlass des Bescheides vom 17. Juni 2024 nicht angehört worden. Dies ergibt sich bereits aus den dem Gericht vorliegenden Behördenakten. Zudem haben die Antragsteller vortragen lassen, ihre Eltern seien durch den Erlass des angegriffenen Bescheides vollständig überrascht worden. Gleiches ergibt sich auch aus einem in den Akten des Antragsgegners enthaltenen Aktenvermerk ohne Datum, in welchem die wesentlichen Abläufe dargestellt sind. Hier ist festgehalten, dass der am 17. Juni 2024 verfasste Bescheid am 18. Juni 2024 vormittags persönlich zugestellt worden ist und dass der Vater der Antragsteller bei deren Abholung am selben Tag um 12:30 Uhr noch keine Kenntnis hiervon hatte, bei einem Anruf gegen 13:00 Uhr sich jedoch nach den neuesten Vorkommnissen, die zur Kündigung geführt hätten, erkundigt hat. Aus alledem ergibt sich, dass der Antragsgegner die Eltern der Antragsteller vor Erlass des Bescheides vom 17. Juni 2024 nicht nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört hat. Ausnahmen von der Anhörungspflicht nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG liegen ersichtlich nicht vor. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG eine sofortige Entscheidung ohne vorherige Anhörung wegen Gefahr in Verzug notwendig erschienen wäre. Auch ist nicht erkennbar, dass der Anhörung nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG ein zwingendes öffentliches Interesse entgegengestanden hätte. Es liegen im Zeitpunkt der Entscheidung auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anhörung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nachgeholt worden sein könnte oder der Verfahrensfehler nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich wäre.
39
Der Bescheid vom 17. Juni 2024 ist auch deswegen formell fehlerhaft, weil er keine Begründung enthält.
40
Nach Art 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen hat. Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG soll die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Dabei muss die Begründung auf den konkreten Fall abstellen; eine lediglich formale, formelhafte oder inhaltlich abstrakte und nichtssagende Begründung genügt nicht. Neben der Angabe der Rechtsgrundlage gehört zur Begründung auch die Darlegung, dass und weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage vorliegen. Soweit es sich um eine Ermessensvorschrift handelt, muss aus der Begründung auch ersichtlich sein, dass die Behörde ihr Ermessen ausgeübt und dabei die Interessen der Betroffenen berücksichtigt und abgewogen hat, von welchen Tatsachen sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe sie angewendet hat. Die Begründung muss aus sich heraus für die Betroffenen verständlich sein (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 24. Aufl. 2023, § 39 Rn. 18 bis 26). Eine Verletzung der Begründungspflicht führt zur Rechtswidrigkeit des betroffenen Verwaltungsaktes (Ramsauer, a.a.O., Rn. 56). Eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG durch nachträgliche Bekanntgabe der Begründung ist nur dann möglich, wenn die Behörde zuvor Gründe erwogen hat, diese jedoch nicht in den Bescheid aufgenommen hat (Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 18).
41
Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht genügt der Bescheid vom 17. Juni 2024 nicht. Er bezieht sich zunächst auf das Gespräch am 17. Mai 2024, in welchem eine gemeinsame Arbeit an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einen respektvollen Umgang vereinbart worden sei. Sodann wird ausgeführt, dass sich die Situation seither nicht entspannt habe, ohne hierbei irgendwelche Einzelheiten zu benennen. Weiterhin wird ausgeführt, „aufgrund jüngster Vorkommnisse“ sehe man sich leider zum Ausschluss der Kinder vom weiteren Besuch der Kindertagesstätte gezwungen. Im Dunkeln bleibt, um welche „jüngsten Vorkommnisse“ es sich hierbei handeln soll. Diese lediglich formelhaften und inhaltlich nichtssagenden Formulierungen sind nicht dazu geeignet, die Begründungspflicht des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG zu erfüllen. Die Begründung ist für die Antragsteller bzw. deren gesetzliche Vertreter nicht einmal ansatzweise aus sich heraus verständlich, da keinerlei Details und Einzelheiten benannt werden, weshalb sich die Situation nicht entspannt habe und um welche jüngsten Vorkommnisse es sich handeln soll. Auch eine Begründung hinsichtlich der nach § 9 Abs. 2 Buchst. b der Satzung über die Benutzung der gemeindlichen Kindertageseinrichtungen Mönchberg (Kindergarten, Kinderkrippe) vom 9. Juni 2015, in Kraft getreten am 1. September 2015, (im Folgenden: Kindertagesstättensatzung) vorgegebenen Ermessensentscheidung findet sich nicht. Damit ist der Bescheid vom 17. Juni 2024 formell rechtswidrig. Im Übrigen ist aus den dem Gericht vorliegenden Akten des Antragsgegners nicht erkennbar, dass dieser überhaupt konkrete Gründe für den Erlass des Verwaltungsaktes erwogen hat, so dass schon aus diesem Grund die Nachholung einer Begründung und damit einer Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG zumindest aus derzeitiger Sicht nicht in Betracht kommt.
42
Der Bescheid erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtswidrig.
43
Bei der Kindertagesstätte des Antragsgegners handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung.
44
Nach Art. 21 Abs. 1 GO sind alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Nach Art. 23 Satz 1 GO können die Gemeinden zur Regelung ihrer Angelegenheiten Satzungen erlassen. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO können die Gemeinden in den Satzungen unter anderem die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen regeln.
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Der Antragsgegner hat von diesen Bestimmungen Gebrauch gemacht und die Kindertagesstättensatzung erlassen. Diese Satzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Fehler, die zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder zur Unwirksamkeit streitrelevanter Satzungsbestimmungen führen würden, liegen nicht auf der Hand. Nach § 1 Kindertagesstättensatzung führt, betreibt und unterhält der Antragsgegner die Kindertagesstätte Mönchberg mit Kindergarten und Kinderkrippe als öffentliche Einrichtung. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Kindertagesstättensatzung dient der Kindergarten der Bildung und Erziehung, insbesondere hinsichtlich der körperlichen, geistigen, sozialen und emotionalen Frühförderung der Kinder bis zum Schuleintritt. Nach § 3 Abs. 4 Kindertagesstättensatzung werden nur Kinder aufgenommen, die mit dem Haupt- oder Nebenwohnsitz in Mönchberg gemeldet sind. Nach Abs. 5 der Vorschrift setzt die Aufnahme in den Kindergarten die schriftliche Anmeldung durch die Erziehungsberechtigten voraus.
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Hieraus ergibt sich, dass der Antragsgegner seine Kindertageseinrichtung als öffentliche Einrichtung in rein öffentlich-rechtlicher Form führt. Die Zulassungsentscheidung zu dieser öffentlichen Einrichtung begründet damit ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis und -recht (BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 4 B 20.1116 – juris Rn. 30). Die durch die Zulassungsentscheidung entstandene Rechtsposition kann damit nur durch eine hoheitliche Regelung in Gestalt eines (Widerrufs-)Verwaltungsakts entzogen werden (BayVGH, a.a.O., Rn. 31; B.v. 10.10.2012 – 12 CE 12.2170 – NJW 2013, 249, Rn. 42). Hierfür hat der Antragsgegner auf der Grundlage des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Satzungsregelung Widerrufsgründe zu normieren (BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – BayVBl. 2018, 820 Rn. 16 m.w.N.; B.v. 5.4.2022 – 4 CS 22.504 – juris Rn. 17; B.v.12.10.2022 – 4 CS 22.2054 – juris; VG München, B.v. 8.9.2022 – M 17 S 22.4271 – juris Rn. 30). In diesem Zusammenhang hat er in § 9 Kindertagesstättensatzung den gänzlichen oder teilweisen Ausschluss eines Kindes vom weiteren Besuch des Kindergartens oder der Kinderkrippe geregelt. Insbesondere kann nach § 9 Abs. 2 Buchst. b Kindertagesstättensatzung ein Kind vom weiteren Besuch des Kindergartens oder der Kinderkrippe ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kindergarten/Kinderkrippe und Elternhaus nicht mehr möglich ist.
47
Auf diese Vorschrift stützt der Antragsgegner seinen Bescheid vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juni 2024.
48
Allerdings tragen die genannten Vorschriften den Bescheid nicht.
49
Tatbestandsvoraussetzung für einen (teilweisen) Ausschluss vom weiteren Besuch des Kindergartens nach § 9 Abs. 2 Buchst. b Kindertagesstättensatzung ist die Unmöglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit. Hierbei handelt es sich um einen durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, hat der Antragsgegner einen Ermessensspielraum, ob er das betreffende Kind tatsächlich ganz oder teilweise vom weiteren Besuch des Kindergartens ausschließen will.
50
Im vorliegenden Fall ist es für das Gericht schon nicht erkennbar, dass die Tatbestandsvoraussetzung der Unmöglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit erfüllt ist. Zudem sind Ermessenserwägungen im angegriffenen Bescheid nicht erkennbar.
52
Grundlage für die Zusammenarbeit der Eltern und des pädagogischen Personals ist Art. 11 Abs. 2 BayKiBiG. Hiernach arbeiten Eltern und pädagogisches Personal partnerschaftlich bei der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zusammen. Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern der Antragsteller in einem solchen Maße gegen diese Vorgabe verstoßen hätten, dass eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erschiene, sind nicht erkennbar.
53
Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 17. Juni 2024 zur Begründung des Tatbestandsmerkmals Unmöglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit die Tatsache benannt, dass sich die Situation seit dem Gespräch vom 17. Mai 2024 nicht entspannt habe. Zudem werden „jüngste Vorkommnisse“ angeführt, ohne jedoch im Einzelnen zu benennen, worum es sich hierbei handelt. Aus dieser Begründung ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Allerdings prüft das Gericht umfassend, ob dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Jedoch ergibt sich auch aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen nichts, was eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich macht.
54
Die Antragsteller sind zum 1. Juni 2023 in den Kindergarten der Kindertagesstätte aufgenommen worden. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten des Antragsgegners und des Landratsamts Miltenberg ist nicht erkennbar, dass es in der Folge Probleme gegeben hätte, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Frage stellen könnten. Erstmals am 30. April 2024 ist in den Akten des Landratsamts Miltenberg eine Beschwerde des Vaters der Antragsteller dokumentiert. Dabei übt der Vater der Antragsteller Kritik hinsichtlich der Abwesenheit der Kindertagesstättenleitung in der Kindertagesstätte. Zudem bemängelt er fehlende Beschäftigungsangebote für die Kinder, dies auch trotz entsprechender Bitten der Kinder. Er wendet sich gegen den Zugang der Kinder zu einem Handy im Ruheraum der Kindertagesstätte und gegen eine aus seiner Sicht unzureichende Gestaltung der Einrichtung. Er kritisiert das Verbot, in der Kindertagesstätte aus Sicht der dort Beschäftigten ungesunde Lebensmittel zu konsumieren, obwohl in der Kindertagesstätte vergleichbar ungesunde Lebensmittel (buntgefärbte Muffins) hergestellt werden würden. Er thematisiert die Kleidung des Personals und insbesondere ein T-Shirt mit Kampfhundeaufdruck und wirft das Problem auf, dass Erzieherinnen in Sichtweite der Kinder rauchten. Er kritisiert den aus seiner Sicht unzureichenden emotionalen Umgang der Erzieherinnen mit den Antragstellern und den mangelhaften Umgang mit angeblichen Verhaltensproblemen des Antragstellers.
55
Aus den Akten des Landratsamts Miltenberg ergibt sich weiterhin die Behauptung der Vertreter der Kindertagesstätte, die Eltern der Antragsteller hätten sich beim Abholen der Kinder mehrfach entgegen den Regeln auf dem Gelände der Kindertagesstätte aufgehalten. Ein entsprechender Hinweis habe zu Unmut geführt. Spreche man Probleme bei der Mutter der Antragsteller an, beschwere sich der Vater hernach telefonisch. Die Eltern der Antragsteller akzeptierten nicht die von ihnen unterzeichnete Vereinbarung, sich hinsichtlich des den Antragstellern mitzugebenden Essens am Konzept der Einrichtung zum gesunden Essen zu orientieren. Zudem hätten die Eltern der Antragsteller entgegen einer Empfehlung keinen Förderbedarf beim Antragsteller gesehen und die diesbezügliche Kompetenz der Gruppenleitung in Zweifel gezogen. Der Leiterin der Gruppe des Antragstellers sei es bisher nicht möglich gewesen, eine gute Beziehung zu den Eltern der Antragsteller aufzubauen.
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Aus dem Protokoll der Besprechung am 17. Mai 2024 ergibt sich erneut die Kritik der Eltern der Antragsteller an Umfang und Art der Bildungs- und Beschäftigungsangebote. Ausweislich des Protokolls hätten die Eltern der Antragsteller bei den beiden Elternabenden gefehlt, in deren Rahmen sie die Leiterin der Kindertagesstätte hätten kennen lernen können. Hinsichtlich der Frage nach der gesunden Ernährung ergibt sich aus dem Protokoll die Anweisung der Kindertagesstättenleitung an das Personal, künftig in der Kindertagesstätte keinen Kuchen mehr zu backen, den Antragstellern jedoch den Verzehr des von zu Hause mitgebrachten Essens grundsätzlich zu erlauben. Die Zeit, in der die Erzieherinnen Diensthandys nutzen dürften, sei eingeschränkt worden. Zudem habe die Kita-Leitung das Team darauf hingewiesen, außerhalb des Geländes der Kindertagesstätte nicht in Sichtweite der Kinder zu rauchen. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde – wie sich aus dem Protokoll ergibt – „angeregt“, dass die Eltern künftig bei Beschwerdepunkten unmittelbar das Gespräch mit den Erzieherinnen suchen oder einen Termin für ein ausführlicheres Gespräch vereinbaren sollten. Eine entsprechende Zusage der Eltern der Antragsteller ist jedoch nicht dokumentiert.
57
Aus den Behördenakten des Antragsgegners ergibt sich zusätzlich aus einer Dokumentation ohne Datum über den zeitlichen Ablauf, am 13. Juni 2024 habe der Vater der Antragsteller sich bei der Erzieherin C. für die ganzen Unannehmlichkeiten entschuldigt, die einzig und allein die Schuld der Erzieherin V. gewesen seien. Dies hätten auch die Kinder und andere Eltern hören können. Hintergrund sei wohl ein Konflikt am Vortag gewesen, in welchem es um die Konsequenzen daraus gegangen sei, dass die Antragstellerin ihre Sonnenmütze vergessen habe.
58
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners hat zudem im vorliegenden Verfahren ausgeführt, die Eltern der Antragsteller führten ständige Beschwerden gegenüber einzelnen Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte, die aus Sicht des Antragsgegners völlig unbegründet seien, dies auch nach dem Gespräch am 17. Mai 2024. Die betroffenen Mitarbeiterinnen fühlten sich persönlich angegriffen. Die Antragsteller selbst hätten in der Folge jeglichen Respekt vor den Mitarbeiterinnen verloren. Der sich häufende Krankenstand bei den Mitarbeitenden der Kindertagesstätte sei auch auf diesen Konflikt zurückzuführen, dies aufgrund der nicht abreißen wollenden haltlosen Beschwerden. Zum Schutz der Mitarbeiterinnen habe der Antragsgegner keine andere Möglichkeit als den Ausschluss der Antragsteller vom weiteren Besuch der Kindertagesstätte gesehen. Der Vater der Antragsteller trage den Konflikt in die Gemeinde, so dass die Leiterin der Kindertagesstätte ständig vor Ort darauf angesprochen werde. Die Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte hätten schlichtweg Angst vor einem Zusammentreffen mit den Eltern der Antragsteller. Zur Aufrechterhaltung des Betriebes der Kindertagesstätte habe gehandelt werden müssen. Dies sei höher zu bewerten als der Rechtsanspruch der Antragsteller auf einen Kindertagesstättenplatz.
59
All dies lässt nicht erkennen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Kindertagesstätte und dem Elternhaus nicht mehr möglich ist.
60
Die Behauptung des Antragsgegners, die Eltern der Antragsteller führten „ständige völlig unbegründete Beschwerden“ zum einen mit der Folge, die Antragsteller selbst verhielten sich deshalb respektlos, und zum anderen mit der Folge eines sich häufenden Krankenstandes bei den Mitarbeiterinnen, ist nicht nachvollziehbar, weil dies nicht im Einzelnen nachvollziehbar dokumentiert ist. Darüber hinaus ergibt sich aus den Akten, dass zumindest nicht alle konkret benannten Beschwerden der Eltern der Antragsteller jeglicher Grundlage entbehren, so z.B. diejenige hinsichtlich des Umgangs mit Nahrungsmitteln. Eine Beschwerde ist nachvollziehbar, wenn einerseits den Antragstellern der Verzehr des mitgebrachten Essens verboten wird, andererseits vergleichbar ungesundes Essen in der Kita selbst hergestellt und den Kindern mit nach Hause gegeben wird. Auch eine Beschwerde hinsichtlich der zwischen den Parteien strittigen regelmäßigen Nutzung eines Smartphones (wobei nicht klar belegt ist, dass es sich tatsächlich um ein Dienstgerät handelte) während der Anwesenheit der Kinder ist nicht vornherein verfehlt. Auch die weiteren konkret erkennbaren Beschwerden der Eltern der Antragsteller lassen nicht erkennen, dass hierdurch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, auch wenn sie von einer oder beiden Seiten als beschwerlich oder gar belastend empfunden werden mag. Darüber hinaus ist der Vorwurf, die Eltern der Antragsteller hätten gegen die Vereinbarung vom 17. Mai 2024 verstoßen, sich künftig bei Beschwerdepunkten unmittelbar an die betroffene Erzieherin zu wenden oder einen Termin für ein ausführlicheres Gespräch zu vereinbaren, nicht nachvollziehbar. Aus den entsprechenden Unterlagen ergibt sich lediglich die „Anregung“, nicht jedoch eine für beide Seiten verbindliche Vereinbarung. Dem Antragsgegner ist zuzugestehen, dass seine „Anregung“ zielführend und sinnvoll ist, ein diesbezüglicher Verstoß gegen eine von den Eltern der Antragsteller übernommene Pflicht ist jedoch nicht erkennbar. Auch die Behauptung der Antragsgegnerseite, die Beschwerden der Antragstellerseite hätte zu psychischen Belastungen der Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte und in der Folge zu Krankschreibungen geführt, die die Aufrechterhaltung des Betriebes der Kindertagesstätte in Frage stellten, ist so nicht nachvollziehbar. So ist in dem Vermerk des Landratsamts Miltenberg vom 21. Juni 2024 ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Antragsgegners dokumentiert mit dem Inhalt, dass der Grund für die Kündigung zweier Mitarbeitenden der Kindertagesstätte nicht geklärt sei, da es zusätzlich einen Teamkonflikt gebe. Deshalb kann die schwierige Personalsituation in der Kindertagesstätte nicht nachvollziehbar (allein) der Antragstellerseite angelastet werden. Zwar mag seitens der Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte die Kritik der Eltern der Antragsteller an deren Arbeit als unangenehm empfunden werden; allerdings ist nicht nachvollziehbar, dass das diesbezügliche Verhalten der Eltern der Antragsteller strafrechtliche Relevanz erreichen würde oder beispielsweise die Bereitschaft erkennen ließe, eigene Interessen rücksichtslos über die Interessen der anderen Familien und der Mitarbeiter der Einrichtung zu stellen (BayVGH, B.v. 5.4.2022 – 4 CS 22.504 – juris Rn. 20).
61
Aus alledem ist nicht erkennbar, dass wegen des Verhaltens der Eltern der Antragsteller eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne des Art. 11 Abs. 2 BayKiBiG zwischen der Kindertagesstätte und dem Elternhaus nicht mehr möglich wäre.
62
Darüber hinaus und völlig unabhängig von der Frage, ob tatsächlich die Tatbestandsvoraussetzung der Unmöglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit gegeben ist, erweist sich der angegriffene Bescheid auch deshalb als fehlerhaft, weil der Antragsgegner nicht das erforderliche Ermessen ausgeübt hat.
63
Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessenfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sogenannter Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (sogenannte Ermessensüberschreitung) oder wenn sie die Bandbreite ihrer Handlungsmöglichkeiten unterschätzt, also irrtümlich bestimmte Anordnungen für unzulässig gehalten hat (Ermessensunterschreitung). Ein Ermessensfehler liegt zudem dann vor, wenn die Behörde nicht alle nach Lage des Falls betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung einstellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat und schließlich wenn sie von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, die Behörde sich also von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder einen Belang willkürlich falsch gewichtet hat (sogenannter Ermessensfehlgebrauch) (vgl. Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 114 Rn. 14 ff.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 16 ff.).
64
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln (Ruthig, a.a.O., Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessenausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt. Fehlt in einer gegebenen Begründung ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht dies für die Annahme, dass dieser Punkt auch tatsächlich übersehen wurde (Schübel-Pfister, a.a.O., § 114 Rn. 23).
65
Ist eine Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid vorhanden, ist sie allerdings defizitär, kann die Verwaltungsbehörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Voraussetzung für ein derartiges Nachschieben von Ermessenerwägungen im Gerichtsverfahren ist, dass die nachgeschobene Erwägung Umstände berücksichtigt, die bereits bei Bescheiderlass vorlagen, dass die nachgeschobene Erwägung den Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert und dass durch die Berücksichtigung der nachgeschobenen Erwägung im Prozess die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (Schübel-Pfister, a.a.O., § 114 Rn. 89 m.w.N.).
66
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angegriffenen Bescheid, dass der Antragsgegner keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat. Vielmehr ist er davon ausgegangen, dass er keinerlei Ermessenspielraum hat, sondern dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Dies ergibt sich aus der Formulierung im angegriffenen Bescheid „… sehen wir uns daher leider gezwungen vom § 9 Abs. 2 Ziffer b unserer Benutzungssatzung Gebrauch zu machen und ihre Kinder von dem weiteren Besuch unserer Kindertagesstätte mit sofortiger Wirkung auszuschließen“. Damit ist der Antragsgegner seiner Pflicht, Ermessenserwägungen anzustellen, nicht nachgekommen. Ein Nachschieben von Ermessensgründen im Gerichtsverfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO ist damit ausgeschlossen.
67
Aus alledem ergibt sich, dass der angegriffene Bescheid vom 17. Juni 2024, soweit es den Antragsteller betrifft, in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 materiell rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
68
bb) Ist aber – wie oben festgestellt – der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtswidrig und verletzt er die Antragsteller in ihren Rechten, so kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides bestehen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass bei der derzeit bestehenden offensichtlichen formellen Rechtswidrigkeit die dem Bescheid anhaftenden Fehler in Bezug auf seine Begründung und auf die vorherige Anhörung zumindest theoretisch noch nach Art. 45 BayVwVfG geheilt werden können; allerdings ist der Bescheid auch materiell rechtswidrig, dies zum einen deshalb, weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs. 2 Buchst. b Kindertagesstättensatzung nicht erfüllt ist und weil zum anderen ein vollständiger nicht nachholbarer Ermessensausfall vorliegt.
69
Argumente dafür, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides dennoch ausnahmsweise die privaten Interessen der Antragsteller überwiegen könnte, sind nicht erkennbar. Zwar hat der Antragsgegner der Sache nach darauf hinweisen lassen, dass der weitere störungsfreie Betrieb der Kindertagesstätte im öffentlichen Interesse liege und dieser durch einen hohen, durch das Verhalten der Eltern der Antragstellerseite verursachten Krankenstand bei den Mitarbeitenden der Kindertagesstätte und entsprechende Kündigungen beeinträchtigt sei; allerdings ist – wie oben ausgeführt – nicht einmal klar erkennbar, dass der Krankenstand und die Kündigungen auf das Verhalten der Eltern der Antragstellerseite zurückzuführen sind. Vielmehr ist diesbezüglich unklar, welche Rolle ein Konflikt innerhalb des Teams spielt. Demgegenüber sprechen auch die Interessen der Antragsteller daran, ihnen vielfältige und entwicklungsangemessene Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten zu verschaffen, um für sie beste Bildungs- und Entwicklungschancen zu gewährleisten (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG) für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2024 in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024. Zudem ist den Antragstellern daran gelegen, die in der Kindertagesstätte zu anderen Kindern geknüpften Beziehungen und Freundschaften aufrechtzuerhalten und zu vertiefen und damit am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Zudem entspricht es auch ihrem Interesse, trotz der Arbeitsbelastung ihrer Eltern eine angemessene Betreuung zu erfahren, die nur in der Kindertagesstätte und nicht zu Hause stattfinden kann.
70
Damit geht die Ermessenentscheidung des Gerichts zu Lasten des Antragsgegners aus.
71
c) Darüber hinaus ist die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in der Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 formell fehlerhaft. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht hinreichend gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
72
Nach dieser Vorschrift muss in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründet werden. Die in § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO festgehaltenen Ausnahmen von dieser Regel sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung muss damit mit einer auf den konkreten Fall abstellenden und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes versehen werden (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84). Aus der besonderen Begründung für den Sofortvollzug muss hinreichend deutlich hervorgehen, dass und warum die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält (BayVGH, B.v. 15.12.2010 – 6 CS 10.2697 – juris). In diesem Sinn ist eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht ausreichend. Allerdings dürfen andererseits nicht allzu hohe Anforderungen an die Begründung gestellt werden (Hoppe in Eyermann, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Die Begründungspflicht soll unter anderem der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl. 1999, 465).
73
Im vorliegenden Fall wird zwar – wie oben dargestellt – im Bescheid vom 17. Juni 2024 die sofortige Vollziehung angeordnet; allerdings findet sich nicht einmal ansatzweise eine diesbezügliche Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
74
d) Aus alledem ergibt sich die Entscheidung des Gerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 20. Juni 2024 im Verfahren W 3 K 24.1125 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 wiederherzustellen.
75
2. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung hat Erfolg. Er ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
76
Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist begründet. Das Gericht kommt nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 176 und Rn. 151) zu dem Ergebnis, dass die Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO anzuordnen ist. Hierbei handelt es sich um die vorläufige Sicherung eines Folgebeseitigungsanspruches im Sinne der Rückgängigmachung der erfolgten Vollziehungshandlungen bzw. der unmittelbaren Folgen von Vollziehungshandlungen (W.-R. Schenke, a.a.O., Rn. 176).
77
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist der Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2024, im Fall des Antragstellers in Gestalt des Bescheides vom 21. Juni 2024 über den (teilweisen) Ausschluss der Antragsteller aus der Kindertagesstätte bereits vollzogen worden und die Antragsteller dürfen die Kindertagesstätte nicht mehr besuchen. Nur durch die Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen durch unverzügliche vollumfängliche Wiederaufnahme der Antragsteller in die Kindertageseinrichtung lassen sich die Nachteile für die Antragsteller aus dem bereits erfolgten Vollzug des jeweils streitgegenständlichen Bescheides abwenden.
78
3. Damit war dem Antrag in vollem Umfang stattzugeben.
79
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und 18.07.2013 beschlossenen Änderungen.
80
Das Verfahren ist nicht nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO gerichtskostenfrei. Denn es kommt nicht entscheidungserheblich auf jugendhilferechtliche Vorschriften an, die Begründung und Beendigung des Nutzungsverhältnisses zur gemeindlichen Kindertageseinrichtung richtet sich nach kommunalrechtlichen Bestimmungen, hier insbesondere Art. 21 GO.
81
4. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, macht das Gericht beide Parteien auf Art. 11 Abs. 2 BayKiBiG aufmerksam. Hiernach arbeiten Eltern und pädagogisches Personal partnerschaftlich bei der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zusammen. Dies erfordert schon weit im Vorfeld der Frage nach der Unmöglichkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gegenseitige Wertschätzung und gegenseitige Achtung voreinander, dies zugunsten der Kinder, deren Wohl im Mittelpunkt allen Handelns sowohl der Eltern als auch des pädagogischen Personals zu stehen hat. Dies gilt insbesondere beim Umgang mit – möglicherweise auch nur vermeintlichen – Unzulänglichkeiten der jeweils anderen Seite. Das Gericht empfiehlt daher insbesondere mit Blick auf das kommende Kindergartenjahr der Antragstellerin beiden Parteien im Rahmen des Hauptsacheverfahrens W 3 K 24.1125 die Durchführung eines gerichtlichen Mediationsverfahrens vor einem Güterichter des Verwaltungsgerichts Würzburg.