Inhalt

VG München, Beschluss v. 12.02.2024 – M 30 E 24.553
Titel:

Befangenheitsgesuch (rechtsmissbräuchlich), Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis wg. Rechtsmissbräuchlichkeit, Anordnungsgrund (verneint), Übersendung von gerichtlichem Geschäftsverteilungsplan

Normenketten:
VwGO § 123
VwGO § 54
ZPO § 42
ZPO § 44 Abs. 2
GVG § 21e
Schlagworte:
Befangenheitsgesuch (rechtsmissbräuchlich), Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis wg. Rechtsmissbräuchlichkeit, Anordnungsgrund (verneint), Übersendung von gerichtlichem Geschäftsverteilungsplan
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18299

Tenor

I. Die Ablehnungsgesuche vom 2. Februar 2023 wegen Besorgnis der Befangenheit werden als unzulässig verworfen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die Zurverfügungstellung von Geschäftsverteilungsplänen des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) sowie die Erteilung von Auskünften in Bezug auf eine dortige elektronische Aktenführung. Er verfolgt insoweit im Wesentlichen sein Begehren aus dem vorangegangenen Verfahren M 30 E 22.5756 als von ihm bezeichnete „Neuauflage“ weiter.
2
Mit Schreiben vom 25. Januar 2024 wandte sich der Antragsteller, der sich nach eigenen Angaben nicht an seiner Münchener Adresse, sondern in den Vereinigten Staaten aufhält, an das LSG und forderte die Überlassung der von ihm bereits in einem vorausgegangenen Verfahren verlangten Kopie der entsprechenden Geschäftsverteilungspläne nebst Änderungsbeschlüssen zur Vorbereitung einer Anhörungsrüge zum Bundessozialgericht (BSG) und einer Verfassungsbeschwerde. Wegen der kurzen Frist der Anhörungsrüge komme dabei nur eine Antwort bis einschließlich Montag, den 29. Januar 2024, in Betracht. Bei ergebnislosem Verstreichen der Frist müsse seinerseits ein Eilverfahren am Verwaltungsgericht in Gang gesetzt werden, wobei er einer wiederholten Rechtsbeugung durch Richter der 30. Kammer vorsorglich entgegentreten werde.
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Mit Schreiben des Präsidenten des LSG vom 29. Januar 2024 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass, wie ihm bereits wiederholt und ausführlich mitgeteilt worden sei, ein Recht zur Einsichtnahme am Ort des Gerichts bestehe und eine Übersendung der Geschäftsverteilungspläne nicht angezeigt sei. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass im betreffenden Zeitraum Akten in Papier geführt worden seien.
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Mit Schreiben vom 30 Januar 2024 trug der Antragsteller hierauf erwidernd gegenüber dem LSG unter anderem vor, eine Einsichtnahme vor Ort hätte ihm 2022 gewährt werden müssen und sei zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund seiner längeren Abwesenheit unzumutbar.
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Am 5. Februar 2024 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
„(1) Die Gerichtsverwaltung beim Bayerischen Landessozialgericht stellt mir für die wirksame Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes ihre öffentlichen Urkunden zur Verfügung. Dabei handelt es sich um die Geschäftsverteilung des Gerichts für die Jahre 2021-2022 und die interne Geschäftsverteilung des 5. Senats für die Jahre 2021-2022.
(2) Die Antragsgegnerin erteilt eine zutreffende Auskunft darüber, daß die beiden Münchner Sozialgerichte parallel zu den führenden Akten in Papierform auch elektronische Akten führen.
(3) Die Antragsgegnerin erteilt eine zutreffende Auskunft darüber, zu welchem Zeitpunkt die Parallelakten eingeführt wurden.
(4) Die Antragsgegnerin erteilt eine zutreffende Auskunft darüber, ob eine Funktion zur Volltextsuche besteht, die das Auffinden eines angeblich „verloren“ gegangenen Verfahrens – ich hatte es im ERV eingereicht – durch den 12. Senat entgegen einer Behauptung des Richters … … auf einfach Weise ermöglichte.
(5) Die Auskünfte sind für die rechtzeitige und vor allem wirksame Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes mit der Anhörungsrüge zu einem Rechtsmittelverfahren beim BSG auf einem elektronischen Weg zu erteilen. E-Mail oder Fax kommen in Betracht.“
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Der Antrag sei relevant für eine Anhörungsrüge zu einem Rechtsmittelverfahren an einem Bundesgericht und die Frist dafür der 8. Februar 2024, weshalb eine sofortige Entscheidung notwendig sei. Zudem befinde sich der Antragsteller ab dem 9. Februar 2024 auf einem Antarktisbesuch, wofür ein entsprechender Buchungsbeleg beigefügt werde. Er habe die Anfertigung von Kopien vor Ort, die der Gerichtspräsident des LSG zuvor verweigert habe, bereits während der Frist für die Begründung des Rechtsmittels beantragt. Den Erlass einer einstweiligen Anordnung habe die 30. Kammer des Verwaltungsgerichts München in der „rechtsbeugerischen“ Entscheidung mit dem Zeichen M 30 E 22.5756 abgelehnt. Der Antragsteller führt aus, dass im „gegenständlichen Eilverfahren freilich keine Rückkehr der bayerischen Justiz zu Rechtsstaatlichkeit zu erwarten [ist]. Es verbleibt der Zweck, die Widerwärtigkeit des Staates zu dokumentieren.“ Der Vorsitzende Richter der 30. Kammer werde wegen Befangenheit abgelehnt, da dieser „höchstwahrscheinlich den Betrug“ an dem Antragsteller versucht habe. Der Antragsteller nimmt insofern Bezug auf das Verfahren M 30 E 22.5756, in dem nach seiner Ansicht ein kammerinterner Beschluss zur Besetzung gefehlt habe, der bei einer überbesetzten Kammer jedoch unverzichtbar sei. Auch die Berichterstatterin, die zugleich Berichterstatterin im Verfahren M 30 E 22.5756 war, werde abgelehnt, da sie die Entscheidung im Verfahren M 30 E 22.5756 vorbereitet habe, einen Teil der Akten in diesem Verfahren unterdrückt und dem Antragsteller die Einsichtnahme in die interne Geschäftsverteilung der Kammer vor Ort verweigert habe. Dabei verweist der Antragsteller „zu den weiteren Tatgeschehnissen im Zusammenhang […] auf die öffentliche Berichterstattung zur Sache in der „W.““.
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Der Antragsgegner hat nach kurzfristiger Gelegenheit zur Äußerung keinen Antrag gestellt.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie im beigezogenen Verfahren M 30 E 22.5756 Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist wegen rechtmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Gerichts bereits unzulässig (2.), wäre jedoch auch unbegründet (3.).
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Über den Antrag kann aufgrund der Rechtsmissbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit bezüglich des Vorsitzenden Richters unter dessen Mitwirkung entschieden werden (1.)
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1. Die Ablehnungsgesuche vom 2. Februar 2024 sind als unzulässig zu verwerfen.
12
a. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1, 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr., vgl. BVerfG, B. v. 7.12.1976 – 1 BvR 460/72 – BVerfGE 43, 126; B. v. 5.4.1990 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 82, 30). Als Ausnahmeregelung zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, sind die Befangenheitsvorschriften jedoch eng auszulegen. Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des betroffenen Richters zu zweifeln (BVerwG, B. v. 28.5.2009 – 5 PKH 6.09 u. a. – NVwZ-RR 2009, 662 Rn. 4 m. w. N.). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (BVerwG, U. v. 5.12.1975 – VI C 129.74 – BVerwGE 50, 36). Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich ist ein Befangenheitsgesuch dann, wenn die Begründung dieses Gesuchs unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Ablehnung des Richters rechtfertigen kann und mit der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzwidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2017 – 8 PKH 1/17 – juris, Rn. 5; B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – juris Rn. 2, NVwZ 2013, 225; BayVGH, B.v. 9.2.2017 – 4 M 16.2335 – juris Rn. 2).
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b. Diese Voraussetzungen einer Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als rechtsmissbräuchlich sind hier in Bezug auf den Vorsitzenden Richter gegeben.
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Der Antragsteller begründet sein Ablehnungsgesuch ausschließlich mit Aspekten, die sich auf das ebenfalls von ihm geführte Verfahren M 30 E 22.5756 beziehen, über das bereits rechtskräftig entschieden wurde. Hierfür standen dem Antragsteller Ablehnungsgesuche sowie insbesondere das Rechtsmittel gegen die (End) entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Verfügung. Die vom Antragsteller zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs vorgebrachten, allesamt auf die Verfahrensführung und Entscheidungsfindung im Verfahren M 30 E 22.5756 bezogenen Aspekte können daher die Ablehnung des Vorsitzenden (und der Berichterstatterin) in diesem Verfahren nicht rechtfertigen. Andernfalls würde die Bindungswirkung erzeugende Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren M 30 E 22.5756 umgangen und die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gesetzlichen Richters durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur unterlaufen, sondern vielmehr zur Disposition eines Antragstellers, der mit vorausgegangen Entscheidungen desselben Spruchkörpers nicht einverstanden ist, gestellt. Insbesondere kann die Unterstellung rechtsbeugenden oder betrügerischen Verhaltens ohne jeglichen objektiven Anknüpfungspunkt nicht dazu führen, dass der gesetzliche Richter über das Instrument des Befangenheitsgesuchs an der Entscheidung gehindert und damit umgangen wird. Über die antragstellerseitig vorgetragenen Aspekte wurde bereits im Verfahren M 30 E 22.5756 entschieden.
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c. Mangels Mitwirkung an der vorliegenden Entscheidung geht das Ablehnungsgesuch bezüglich der Berichterstatterin des vorangegangenen Verfahrens M 30 E 22.5756 ins Leere.
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d. Da sich die Ablehnungsgesuche deshalb als unzulässig erweisen, kann ohne die vorherige Einholung von Stellungnahmen der betroffenen Richterinnen und Richter und abweichend von § 54 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO über die Ablehnungsgesuche durch die für das Verfahren zuständige Kammer unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden Richters entschieden werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.8.2020 – 8 PKH 5.20 – juris Rn. 2; BVerwG B.v. 21.8.2017 – 8 PKH 1.17 – juris Rn. 5; B.v. 14.6.2016 – 1 A 5/16 – juris Rn. 4; B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – NVwZ 2013, 225, juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 9.2.2017 – 4 M 16.2335 – juris Rn. 2).
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist bereits unzulässig. Dem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine (erneute) Entscheidung über das im Hinblick auf das Verfahren M 30 E 22.5756 weitgehend vergleichbare Antragsbegehren. Dem liegt zugrunde, dass der Antragsteller durch seine Ausführungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, vom als „korrupt“ bezeichneten Gericht nur eine weitere „Rechtsbeugung“ und „Widerwärtigkeit“ zu erwarten. Erkennbar geht es dem Antragsteller nicht ernsthaft um eine gerichtliche Entscheidung in der Sache, sondern seinen eigenen Worten darum, „die Widerwärtigkeit des Staats zu dokumentieren“. Er missbraucht damit das Prozessrecht zu verfahrensfremden Zwecken, nämlich der Fortführung und Vertiefung seiner im Internet verbreiteten Vorhaltungen gegenüber dem Landesozialgericht, dem Verwaltungsgericht bis zum Bundesverfassungsgericht in der von ihm betriebenen Angelegenheit. Der Antragsteller, der somit seinen eigenen Ausführungen zufolge eine weitere „Widerwärtigkeit“ und eine „Rechtsbeugung“ des aus seiner Sicht „korrupten“ Gerichts erwartet, hat daher kein rechtlich geschütztes Interesse an einer Sachentscheidung.
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3. Das antragstellerische Begehren wäre zudem – falls man es trotz der oben genannten Ausführungen des Antragstellers noch als zulässig erachten würde – jedenfalls unbegründet. Der Antragsteller hat weder die besondere Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung noch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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a. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder die einstweilige Anordnung aus anderen Gründen nötig erscheint, etwa um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Der Begriff des Anordnungsanspruches meint dabei den materiellen Anspruch bzw. das subjektive Recht, das im Hauptsacheverfahren geltend gemacht wird. Er ist glaubhaft gemacht, wenn es im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen wird. Für das Bestehen des Anordnungsgrundes ist entscheidend, ob dem Antragsteller im Einzelfall unter Berücksichtigung seines Anspruches auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG das Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumutbar ist. Dabei sind die betroffenen Interessen des Antragstellers, aber auch entgegenstehende öffentliche Interessen und Interessen Dritter zu würdigen. Es ist ferner zu berücksichtigen, ob der Antragsteller die Dringlichkeit der Sache und die zu befürchtenden Nachteile durch eigenes vorwerfbares Verhalten herbeigeführt hat bzw. alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um diese abzuwenden (vgl. zum Ganzen Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 123 Rn. 20). Das allgemeine Interesse an einer beschleunigten gerichtlichen Entscheidung genügt nicht (vgl. VGH BW, U.v. 8.11.1966 – OS I 67/66 – NJW 1967, 219; BayVGH, B.v. 3.7.1980 – 7 CE 80 A.825 – BayVBl. 80, 536); es müssen sich darüberhinausgehende Belastungen feststellen lassen, die die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten (vgl. Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Zweiter Teil, Rn. 129).
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b. Dies zugrunde gelegt, fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
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Zwar ist anerkannt, dass bei zeitlich gebundenen Begehren trotz des Wortlauts in § 123 VwGO, wonach eine „einstweilige“ Anordnung zur Regelung eines „vorläufigen“ Zustands getroffen werden kann, angesichts von Art. 19 Abs. 4 GG in gewissen Fällen auch eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen kann und muss. Gerade dann ist aber vom Antragsteller zu verlangen, dass er die Umstände, aus welchen sich die zeitliche Bindung ergibt, glaubhaft macht. Daran fehlt es hier mangels entsprechenden Vortrags des Antragstellers.
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Zwar gibt der Antragsteller an, dass er die von ihm geforderten Unterlagen bzw. Auskünfte bis zum 8. Februar 2024 für eine Anhörungsrüge zu einem Rechtsmittelverfahren zum BSG benötige. Aus den Ausführungen des Antragstellers geht jedoch bereits nicht hervor, ob sich diese Frist aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung des BSG ergibt, oder vielmehr aus dem Umstand, dass sich der Antragsteller ab 9. Februar 2024 in der Antarktis aufhält. Zudem hat der Antragsteller schon nicht dargetan, weshalb es ihm nicht bereits vor dem Schreiben vom 25. Januar 2024 ausreichend lange möglich gewesen sein sollte, sein entsprechendes (erneutes) Begehren gegenüber dem LSG anzubringen bzw. das Einsichtsgesuch vor Ort wahrzunehmen. Schließlich führt der Antragsteller nun nicht erstmalig die Geschäftsverteilungspläne des LSG ins Feld, um darauf seine Rügen gegenüber der sozialgerichtlichen Entscheidung zu stützen.
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Dass der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde, geht zu Lasten des Antragstellers (§ 86 VwGO; vgl. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 123 VwGO, Rn. 51, 52). Dies gilt vorliegend in besonderer Weise, als das antragstellerische Begehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
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Der Antragsteller hat die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Dringlichkeit auch in Bezug auf Nrn. 2 bis 5 seines Antrags nicht glaubhaft gemacht.
25
c) Hinsichtlich seines durch Nr. 1 des Antrags geltend gemachten Begehrens hat der Antragsteller überdies das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht.
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Sowohl der Präsident des LSG als auch das für die Überprüfung seiner Entscheidung zuständige Verwaltungsgericht hätten im Falle veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände (vgl. die analog auf § 123 VwGO anzuwendende Regelung in § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, Kuhla in BeckOK VwGO, 67. Edition Stand 1.7.2023, § 123 Rn. 182 f.) (erneut) über das Begehren des Antragstellers zu entscheiden.
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Über das Begehren des Antragstellers an sich ist insoweit bereits im Verfahren M 30 E 22.5756 entschieden worden. Der Antragsteller führt selber aus, dass es sich bei seinem jetzigen Antrag um eine „Neuauflage“ handle. Der Antragsteller begehrt die Geschäftsverteilungspläne zur Geltendmachung in einem Rechtsmittelverfahren – soweit sie nicht eigentlich vorrangig zu seiner Verwertung im Internet in der von ihm intensiv betriebenen Angelegenheit gedacht sind -. Dass dies dem Vortrag des Antragstellers nach nunmehr für eine Anhörungsrüge benötigt wird, verändert die bisherige Sachlage nicht.
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Soweit sich der Antragsteller nicht mehr in Deutschland aufhält, handelt es sich hingegen um einen veränderten Umstand. Insoweit verkennt die Kammer die Rechtsprechung nicht, derzufolge eine Übermittlung von Ablichtungen in Betracht kommt, falls dem Betreffenden die Einsichtnahme vor Ort nicht zumutbar ist (vgl. OLG Jena, B.v. 16.07.2013 – 2 VA 1/13; OLG Frankfurt a.M., B.v. 23.02.2006 – 3 VAs 13/06; BGH, B.v. 25.09.2019 – IV AR(VZ) 2/18). Allerdings hatte der Antragsteller zuvor genügend Zeit, eine Einsichtnahme in die von ihm begehrten Geschäftsverteilungspläne vor Ort um- und durchzusetzen. Warum ist dies nicht möglich gewesen wäre, hat der Antragsteller weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Die vom Antragsteller herbeigeführte Sachlagenänderung durch nunmehrige Ortsabwesenheit führt damit nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null bei der Entscheidung über die Einsichtnahme in Geschäftsverteilungspläne nach § 21e Gerichtsverfassungsgesetz. Folglich war es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Präsident des LSG seine verweigernde Haltung der Überlassung von Ablichtungen nicht aufgrund der derzeitigen Ortsabwesenheit des Antragstellers aufgegeben hat.
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Im Übrigen wird auf die vorangegangene Entscheidung des Gerichts Bezug genommen.
30
Soweit über das Begehren des Antragstellers nach Nrn. 2 ff. seines Antrags im Verfahren M 30 E 22.5657 nicht entschieden wurde, ist schon nicht glaubhaft gemacht, woraus sich ein Anspruch des Antragstellers, Auskunft über eine etwaige hybride Aktenführung beim LSG zu erhalten, ergeben sollte. Zudem hat der Antragsteller durch das Schreiben des Präsidenten des LSG vom 28. Januar 2024 eine Antwort erhalten, deren Überprüfung auf Richtigkeit nicht Aufgabe in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO ist.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. den Empfehlungen in der Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) unter Berücksichtigung, dass die Entscheidung die Hauptsache vorwegnimmt.