Inhalt

VG München, Urteil v. 04.07.2024 – M 27 K 22.3189
Titel:

Erster Abschnitt der Ärztlichen, Prüfung, Wichtiger Grund für den Rücktritt von der Prüfung, Rücktritt aufgrund Erkrankung, Rücktritt aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme, Unverzüglichkeit der Mitteilung der Gründe für den Rücktritt, Keine Beendigung des Prüfungsrechtsverhältnisses durch Exmatrikulation, Berichtigung offenbarer Unrichtigkeit

Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
BayVwVfG Art. 42 Satz 1
ÄApprO § 18 Abs. 1 Satz 1
ÄApprO § 18 Abs. 1 Satz 3
ÄApprO § 18 Abs. 1 Satz 4
ÄApprO § 21 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte:
Erster Abschnitt der Ärztlichen, Prüfung, Wichtiger Grund für den Rücktritt von der Prüfung, Rücktritt aufgrund Erkrankung, Rücktritt aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme, Unverzüglichkeit der Mitteilung der Gründe für den Rücktritt, Keine Beendigung des Prüfungsrechtsverhältnisses durch Exmatrikulation, Berichtigung offenbarer Unrichtigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18298

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 56-jährige Klägerin begehrt die Aufhebung eines Prüfungsbescheids, mit dem ihr das endgültige Nichtbestehen des Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung mitgeteilt wurde, sowie die Genehmigung eines Rücktritts von der zweiten Wiederholungsprüfung des mündlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.
2
Die Klägerin schrieb sich zum Wintersemester 2010/2011 an der … im Studienfach „Humanmedizin“ ein. Am 5. März 2018 bestand sie den mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung mit der Note „nicht ausreichend“ nicht. Am 4. April 2018 bestand die Klägerin den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung. Am 2. August 2018 bestand sie den ersten Wiederholungsversuch des mündlich-praktischen Teils mit der Note „nicht ausreichend“ nicht. Mit E-Mail vom 1. Februar 2019 gab die Klägerin dem Prüfungsamt zur Durchführung der Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte der … (Prüfungsamt) ihre Exmatrikulation vom selben Tag bekannt und gab an, dass sie sich zum Sommersemester 2019 an der Universität Augsburg immatrikuliert habe. Mit E-Mail vom selben Tag teilte das Prüfungsamt mit, dass durch die Exmatrikulation die Pflicht zur Wiederholung der begonnenen Prüfung nicht unterbrochen werde. Mit Schreiben vom 5. Februar 2019 wurde die Klägerin zur Zweiten Wiederholungsprüfung am 22. Februar 2019 geladen. Mit Bescheid des Prüfungsamtes vom 15. Februar 2019 wurde erstmals ein Rücktritt von der Prüfung wegen eines akuten Infekts genehmigt und der Klägerin die Auflage erteilt, dass zukünftig im Falle eines krankheitsbedingten Rücktritts neben der unverzüglichen Vorlage eines schriftlichen Rücktrittsgesuchs ein amtsärztliches Attest des zuständigen Gesundheitsamtes vorzulegen sei. Im Zeitraum August 2019 bis August 2021 wurden fünf weitere Rücktrittsgesuche der Klägerin wegen eines akuten Migräneanfalls, eines chronischen Infekts der Atemwege, zwei Mal wegen Sorge vor einer Infektion mit Covid-19 und zuletzt wegen starken Hustens und Fieber genehmigt. Die letzte Rücktrittsgenehmigung des Prüfungsamtes enthielt wiederum die Auflage, bei zukünftigen Rücktrittsgesuchen ein amtsärztliches Attest vorzulegen.
3
Mit Schreiben vom 15. Februar 2022 wurde die Klägerin zur streitgegenständlichen zweiten Wiederholungsprüfung „des mündlich-praktischen Teils“ des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (Prüfung) am 4. März 2022 per Einschreiben geladen. Die Ladung wurde auf Wunsch der Klägerin vom Prüfungsamt mit E-Mail vom 21. Februar 2022 nochmals elektronisch an die in Österreich wohnhafte Klägerin übermittelt, die deren Erhalt bestätigte. Der Ladung beigefügt waren „Hinweise zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Februar/März 2022“, die Informationen zum Umgang mit pandemiebedingten Besonderheiten enthielten. Mit E-Mail vom 22. Februar 2022 wandte sich die Klägerin mit Rückfragen zu diesen Hinweisen an das Prüfungsamt. Diese Rückfragen beantwortete das Prüfungsamt mit E-Mail vom 25. Februar 2022, teilte mit, dass sich aus der Nachricht der Klägerin keine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Teilnahme an der Prüfung ergebe, und verband die Ladung mit weiteren „individuellen Auflagen“. Mit E-Mail vom 3. März 2022 erklärte die Klägerin, dass sie sich aufgrund der pandemiebedingten rechtlichen Unklarheiten nicht in der Lage sehe, an der Prüfung teilzunehmen. Hierauf teilte das Prüfungsamt am selben Tag mit, dass Österreich kein Hochrisikogebiet mehr sei und daher kein wichtiger Rücktrittsgrund ersichtlich sei.
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Am 4. März 2024 erschien die Klägerin nicht zum Prüfungstermin. Um 8:51 Uhr teilte sie über das Funktionspostfach des Prüfungsamtes ihren Rücktritt von der Prüfung aufgrund Erkrankung mit und kündigte an, eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung baldmöglichst nachzureichen. Am 7. März 2024 ging eine schriftliche Rücktrittserklärung der Klägerin vom 4. März 2024 beim Prüfungsamt ein, die wiederum einen Rücktritt aufgrund Erkrankung beinhaltete. Als Anlage beigefügt war dem Rücktrittsgesuch eine E-Mail der österreichischen Bezirkshauptmannschaftsärztin Dr. R. vom 3. März 2022 mit der Mitteilung, dass es nicht vorgesehen sei, dass der dortige Amtsarzt ein Prüfungsunfähigkeitsgutachten erstelle, sowie ein ärztliches Attest des Hausarztes der Klägerin Dr. T. vom 4. März 2022 mit der Aussage, dass die Klägerin starken Husten und Fieber habe und daher nicht in der Lage sei, an einer Prüfung teilzunehmen.
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Mit E-Mail vom 23. März 2022 bat das Prüfungsamt die Klägerin um Stellungnahme, wie es insbesondere im Hinblick auf die erteilten Auflagen zu der plötzlichen Erkrankung habe kommen können. Mit Stellungnahme vom 29. März 2022, beim Prüfungsamt eingegangen am 6. April 2022, teilte die Klägerin mit, dass sie die zuständige Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft V. bereits am 2. März 2022 wegen eines Termins kontaktiert habe. Da die zuständige Juristin der Bezirkshauptmannschaft ihr am 3. März 2022 mitgeteilt habe, dass ein Amtsarzt in Österreich keine Prüfungsunfähigkeit bescheinige, habe sie sich dies per E-Mail bestätigen lassen und sei zum Hausarzt gegangen. Das Nichteinbringen eines amtsärztlichen Zeugnisses habe nicht mehr in ihrer Verantwortung gelegen. Zusätzlich sei auch die Rechtslage – insbesondere der Zutritt zum Prüfungsraum mit respiratorischen Symptomen – unklar gewesen. Sie sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, verlängert am 21. Februar 2022, Nr. 2.5 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Wissenschaft und Kunst und für Gesundheit und Pflege vom 3. Dezember 2021 sowie einem Hinweis in den allgemeinen Informationen der … zum Coronavirus von der Teilnahme an der Prüfung ausgeschlossen gewesen. Rechtliche Hindernisse seien ein Grund im Sinne des § 18 ÄApprO.
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Mit Prüfungsbescheid vom 8. Juni 2022 wurde dem Antrag der Klägerin auf Rücktritt von der zweiten Wiederholung des „schriftlichen Teils“ des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nicht stattgegeben und festgestellt, dass die zweite Wiederholung des schriftlichen Prüfungsteils als nicht bestanden gilt (Nr. 1). Ferner wurde festgestellt, dass eine weitere Wiederholung auch nach erneutem Medizinstudium nicht zulässig ist und der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung damit endgültig nicht bestanden ist (Nr. 2). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das ärztliche Gesundheitszeugnis vom 4. März 2022 nicht geeignet sei, um nochmals eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit als wichtigen Grund für den Rücktritt von der Prüfung, zu der sie am 15. Februar 2022 geladen worden sei, zu rechtfertigen. Die Beweislast für eine Prüfungsunfähigkeit liege beim Prüfling. Das Prüfungsamt könne im Falle einer Krankheit die Vorlage eines amtsärztlichen Attests verlangen. Der Rücktrittsgrund sei zudem nicht unverzüglich geltend gemacht worden. Die Klägerin sei ausweislich ihrer Stellungnahme bereits am 2. März 2022 krank gewesen, habe dies dem Prüfungsamt gegenüber aber erst am 4. März 2022 angezeigt. In der E-Mail vom 3. März 2022 habe sie diesen Sachverhalt verschwiegen. Das vorgelegte Attest ihres Hausarztes Dr. T. vom 4. März 2022 entspreche nicht den Anforderungen eines qualifizierten ärztlichen Attestes und lasse nicht erkennen, ob eine Untersuchung stattgefunden habe. Außerdem sei es – abgesehen vom Ausstellungsdatum – identisch zu einem Attest vom Herbst 2021.
7
Dagegen hat die Klägerin am 22. Juni 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und sinngemäß beantragen lassen,
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1. den Bescheid vom 8. Juni 2022 aufzuheben,
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2. den Beklagten zu verpflichten, den Rücktritt der Klägerin vom mündlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung am 4. März 2022 aus wichtigem Grunde zu genehmigen und das Prüfungsverfahren fortzusetzen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe sich bereits ab dem 2. März 2022 krank und nicht reisefähig gefühlt. Die Versuche einen Termin bei der Amtsärztin der österreichischen Bezirkshauptmannschaft V. zu erhalten seien für die gesundheitlich angeschlagene Klägerin nicht erfolgreich gewesen. Zu dieser Zeit habe die Corona-7-Tage-Inzidenz für Österreich und Oberösterreich den zweithöchsten Wert seit Beginn der Corona-Pandemie erreicht. Die Amtsärztin in V. habe sich geweigert, die Klägerin zu empfangen oder ein Attest auszustellen. Auch die Rücksprache mit der zuständigen Juristin habe keinen Erfolg gebracht. Der Klägerin sei nicht klar gewesen, ob sie mit deutlichen Krankheitssymptomen überhaupt die Reise nach Deutschland habe antreten dürfen. Zudem sei ihr bekannt gewesen, dass für Personen mit Krankheitssymptomen ein Betretungsverbot der … bestand. Die Klärung dieser Unklarheiten habe die gesundheitlich erheblich beeinträchtigte Klägerin überfordert. Nachdem sie in der Nacht vom 3. März auf den 4. März 2022 deutlich an Fieber und Husten gelitten habe, habe sich die Klägerin am Morgen des 4. März 2022 prüfungsunfähig gemeldet. Anschließend habe sie ihren Hausarzt aufgesucht. Der Ablehnungsbescheid sei rechtswidrig. Die Klägerin sei noch vor Beginn der Prüfung am 4. März 2024 zurückgetreten und habe das ärztliche Attest unverzüglich nachgereicht. Die Tatsache, dass die Klägerin keinen Termin bei der Amtsärztin an ihrem Wohnort erhalten habe, sowie der Umstand, dass sie mit Symptomen den Prüfungssaal nicht habe betreten dürfen, seien von der Klägerin nicht verschuldet und könnten ihr auch nicht zugerechnet werden.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. August 2022 die Behördenakte vorgelegt und beantragt
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die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Notwendigkeit der Vorlage eines amtsärztlichen Attests sowie die Anforderungen an ein solches seien der Klägerin regelmäßig in der jeweiligen Ladung zur Prüfung sowie in den Genehmigungsbescheiden mitgeteilt worden. Der Rücktrittsgrund sei nicht unverzüglich geltend gemacht worden und es sei kein amtsärztlicher Nachweis der Prüfungsunfähigkeit vorgelegt worden. Die Klägerin mache wiederholt respiratorische Beschwerden geltend, sodass eine Dauererkrankung nicht auszuschließen sei.
14
Mit Schreiben vom 25. August 2022 setzte das Prüfungsamt die Bevollmächtigte der Klägerin darüber in Kenntnis, dass es sich bei der Bezeichnung „schriftlicher Prüfungsteil“ in Nr. 1 des Bescheids vom 8. Juni 2022 um eine offensichtliche Unrichtigkeit handele. Mit weiterem Schriftsatz vom 29. August 2022 führte der Beklagte aus, dass er die offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des Art. 42 BayVwVfG jederzeit berichtigen könne. In den Gründen des Bescheids werde der Studienverlauf der Klägerin geschildert. Es werde deutlich, dass sie den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung bereits im Jahr 2018 bestanden habe, den mündlich-praktischen hingegen noch nicht. Die Ladung vom 15. Februar 2022 betreffe außerdem den mündlich-praktischen Teil, auf die sich auch der Rücktritt der Klägerin beziehe.
15
Mit Schriftsatz vom 9. März 2023 nahm die Bevollmächtigte der Klägerin dahingehend Stellung, dass das hausärztliche Attest vorliegend die Erkrankung der Klägerin belege. Auf Nachfrage der Klägerin habe der behandelnde Arzt das Attest vom 4. März 2022 mit einem am 3. Januar 2023 beigefügten Zusatz übersandt. Darin bestätige dieser die Richtigkeit seiner am 4. März 2022 ausgestellten ärztlichen Bescheinigung.
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Das Gericht hat am 4. Juli 2024 mündlich zur Sache verhandelt. Von der Beklagtenpartei ist niemand erschienen. Die Bevollmächtigte der Klägerin wies auf die pandemiebedingten Regelungen zur Einreise und zum Betreten der Universität im Frühjahr 2022 sowie den schweren Verlauf einer Erkrankung der Klägerin an COVID-19 im Jahr 2020 hin.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Nach § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch ohne Erscheinen eines Vertreters des Beklagten verhandelt und entschieden werden, da die Beteiligten im jeweiligen Ladungsschreiben hierauf hingewiesen worden waren.
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Prüfungsamtes vom 8. Juni 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung ihres Rücktrittsgesuchs vom zweiten Wiederholungsversuch des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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1.1. Der Prüfungsbescheid vom 8. Juni 2022 ist formell rechtmäßig. Die fehlerhafte Bezeichnung als „schriftlicher Prüfungsteil“ in Nr. 1 des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids konnte vom Prüfungsamt jederzeit als offenbare Unrichtigkeit nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG berichtigt werden. Aus der Begründung des Bescheids ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung bereits im Jahr 2018 bestanden hatte. Geladen war die Klägerin zum zweiten Wiederholungsversuch des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung, auf den sich auch ihr Rücktrittsgesuch bezog.
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1.2 Die Klägerin wurde mit Ladung vom 15. Februar 2022 auch ordnungsgemäß zum zweiten Wiederholungsversuch des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung geladen, § 17 ÄApprO. Insbesondere bestand das zwischen der Klägerin und der … begründete Prüfungsrechtsverhältnis auch nach der Exmatrikulation der Klägerin vom 1. Februar 2019 fort. Durch die Zulassung zur Prüfung wird ein Prüfungsrechtsverhältnis begründet, das nicht durch antragsgemäße Exmatrikulation nach – noch nicht endgültigem – Nichtbestehen der Prüfung oder von Prüfungsteilen beendet werden kann. Der Prüfungsteilnehmer hat nicht die Möglichkeit, durch Exmatrikulation aus dem Prüfungsverfahren „auszusteigen“ (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2009 – 7 CE 09.2035 – juris Rn. 13 m.w.N.). Das nach § 9 Satz 3 ÄApprO zuständige Prüfungsamt hatte die Klägerin daher zur Wiederholung der Prüfung im nächsten Prüfungstermin von Amts wegen zu laden, § 20 Abs. 2 Satz 1 ÄApprO.
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1.3 Die Prüfung gilt nach § 18 Abs. 2 ÄApprO als nicht bestanden. Denn die Klägerin hat weder aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme (1.3.1) noch aufgrund einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit (1.3.2) einen Anspruch auf Genehmigung ihres Rücktrittsgesuchs vom 4. März 2022.
24
Tritt ein Prüfling nach seiner Zulassung von einem Prüfungsabschnitt oder einem Prüfungsteil zurück, so hat er die Gründe für seinen Rücktritt unverzüglich dem Prüfungsamt mitzuteilen, § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO. Genehmigt das Prüfungsamt den Rücktritt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO, so gilt der Prüfungsabschnitt oder der Prüfungsteil als nicht unternommen. Die Genehmigung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO nur zu erteilen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Prüfungsamt kann im Falle einer Krankheit die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch durch einen von ihr benannten Arzt verlangen, § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO. Wird die Genehmigung für den Rücktritt nicht erteilt, so gilt der Prüfungsabschnitt oder Prüfungsteil als nicht bestanden, § 18 Abs. 2 ÄApprO.
25
1.3.1 Grundsätzlich können rechtliche Hindernisse an der Prüfungsteilnahme einen wichtigen Grund für einen Prüfungsrücktritt i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO darstellen. Vorliegend kann sich die Klägerin aber aufgrund der Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit infolge Erkrankung nicht auf eine rechtliche Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme berufen.
26
Unter einem wichtigen Grund sind alle Gesichtspunkte zu verstehen, die dagegensprechen, dass die Prüfung oder der Prüfungsabschnitt rechtlich – mit allen daran geknüpften Rechtsfolgen – gewertet wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 119.81 – juris Rn. 10).
27
In dem Hinweisblatt zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Februar/März 2022 M1, das dem Ladungsschreiben beigefügt war, wurde im Rahmen eines Hygienekonzepts für die mündlich-praktischen Prüfungen Prüflingen mit Krankheitszeichen, insb. solche mit Symptomen einer Atemwegserkrankung oder mit unspezifischen Allgemeinsymptomen, die Prüfungsteilnahme verboten. Zwar bestand ausweislich des zweiten Satzes die Möglichkeit, gegenüber dem Vorsitzenden der Prüfungskommission eine schriftliche Versicherung vorzulegen, dass sich der betroffene Prüfling gesund fühle, was wohl dazu führen sollte, dass eine Prüfungsteilnahme ausnahmsweise doch zulässig gewesen sein sollte. Grundsätzlich bestand hiernach aber ein Verbot für Prüflinge mit Krankheitssymptomen, an der Prüfung teilzunehmen. Aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung i.d.F. d. Bek. vom 4. März 2022 (BayMBl. Nr. 151) ergab sich ein solches Betretungsverbot des Prüfungsraums hingegen nicht. Hiernach durfte der Zugang zu Hochschulen durch Besucher, die im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung geimpft, genesen oder getestet waren, erfolgen. Aus Nr. 2.5 des Rahmenkonzepts für Hochschulen in der Corona-Pandemie i.d.F. d. Bek. vom 3. Dezember 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 840) ergab sich jedoch ebenfalls, dass Personen mit COVID-19 assoziierten Symptomen, grundsätzlich am Hochschulbetrieb vor Ort nicht teilnehmen und die Hochschule nicht betreten durften. Es ist daher grundsätzlich anzunehmen, dass der Klägerin der Zutritt zum Prüfungsraum am Prüfungstag mit entsprechenden Symptomen verboten und somit rechtlich unmöglich war.
28
Ein wichtiger Grund für das Rücktrittsgesuch ergibt sich hieraus jedoch nicht, da die Klägerin selbst vorträgt, am Prüfungstag krankheitsbedingt prüfungsunfähig gewesen zu sein. Die Nichtteilnahme beruht daher nicht auf der rechtlichen Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme, sondern auf tatsächlichen Gründen. Mit der Geltendmachung krankheitsbedingter Gründe hat sich die Klägerin auf eine Prüfungsunfähigkeit festgelegt, sodass die rechtliche Unmöglichkeit nicht zum Tragen kommt.
29
Grundsätzlich sind Umstände denkbar, in denen ein Prüfling zwar respiratorische Symptome hat, diese aber nicht zur krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit führen und der Prüfling in tatsächlicher Hinsicht in der Lage und willens ist, an der Prüfung teilzunehmen. In diesem Fall kann die Teilnahme an der Prüfung rechtlich unmöglich sein und sich hieraus ein wichtiger Grund für einen Rücktritt i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO ergeben. Hat der Prüfling jedoch solche respiratorischen Symptome, die eine Prüfungsteilnahme bereits aus tatsächlichen Gründen nicht erlauben, da sie zur krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit führen, kann die rechtliche Unmöglichkeit der Prüfungsteilnahme keinen wichtigen Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO darstellen. In diesem Fall beruht die Nichtteilnahme nicht kausal auf dem rechtlichen Hindernis, sondern auf der tatsächlichen Prüfungsunfähigkeit aufgrund Erkrankung. Das rechtliche Hindernis kommt nicht zum Tragen, da eine Prüfungsteilnahme unabhängig von der Rechtslage aus tatsächlichen Gründen ohnehin nicht erfolgen konnte. Außerdem ist eine Berufung auf ein rechtliches Hindernis in diesem Fall rechtsmissbräuchlich und verstößt gegen Treu und Glauben. Die besonderen Bestimmungen des krankheitsbedingten Rücktritts, wie vorliegend die individuelle Auflage, ein amtsärztliches Attest vorzulegen, müssen im Fall der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit aus Gründen der Chancengleichheit stets Anwendung finden. Diese besonderen Vorgaben können durch die Berufung auf ein – nicht zum Tragen kommendes – rechtliches Hindernis nicht umgangen werden. Missbräuchliches Verhalten zum Zwecke des Rücktritts von der Prüfung führt zu keinem anerkennenswerten Rücktrittsgrund (vgl. OVG NRW, B.v. 23.3.2021 – 14 B 277/21 – juris Rn. 5).
30
Hieran gemessen ist die Berufung der Klägerin auf ein rechtliches Hindernis der Prüfungsteilnahme ausgeschlossen. Sowohl die elektronische Rücktrittserklärung vom 4. März 2022 als auch die am 7. März 2022 eingegangene schriftliche Rücktrittserklärung enthielten lediglich ein Rücktrittsgesuch aufgrund Erkrankung. Aus dem vorgelegten Attest vom 4. März 2022 ergibt sich, dass die Klägerin starken Husten und Fieber hatte und daher nicht in der Lage war, an einer Prüfung teilzunehmen. Die Klägerin war nach eigenem Vortrag prüfungsunfähig erkrankt. Hieran ist sie festzuhalten.
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1.3.2 Eine Erkrankung kann zwar grundsätzlich einen wichtigen Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO darstellen. Unabhängig davon, ob die Klägerin diesen Grund unverzüglich i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO mitgeteilt hat, da sie sich nach eigenem Vortrag bereits am 2. März 2022 krank und nicht reisefähig gefühlt hat, dies aber trotz anderweitiger Korrespondenz mit dem Prüfungsamt am 3. März 2022 erst am Morgen des 4. März 2022 mitgeteilt hat, besteht bereits deswegen kein Anspruch auf Genehmigung des Rücktrittsgesuchs aus krankheitsbedingten Gründen, da die Klägerin kein amtsärztliches Attest zum Nachweis einer Erkrankung vorgelegt hat.
32
Der Klägerin war vom Prüfungsamt mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Februar 2019 und nach Aussetzung dieser Verpflichtung im Zuge der Covid-19-Pandemie erneut mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. August 2021 auferlegt worden, zukünftig im Falle eines krankheitsbedingten Rücktritts ein amtsärztliches Attest vorzulegen. Der Erlass dieser Auflage war nach § 18 Abs. 1 Satz 4 ÄApprO möglich. An diese Auflage wurde die Klägerin im Rahmen ihrer E-Mail-Korrespondenz mit dem Prüfungsamt am 25. Februar 2022 nochmals erinnert. Ein solches amtsärztliches Attest hat die Klägerin nicht vorgelegt. Das vorgelegte hausärztliche Attest des Dr. T. vom 4. März 2022 auch mit beigefügtem Zusatz vom 3. Januar 2023 genügt diesen Anforderungen nicht.
33
Auf das Erfordernis der Vorlage eines amtsärztlichen Attests kann auch nicht ausnahmsweise im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Klägerin nach Art. 12 Abs. 1 GG verzichtet werden. Eine Ausnahme hiervon kommt angesichts des Ziels der Wahrung der Chancengleichheit nur in Betracht, wenn es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar war, ein solches Attest vorzulegen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass den Prüfling Mitwirkungspflichten im Prüfungsverfahren treffen. Unterlässt es der Prüfling im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anzeige einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit, ein von ihm verpflichtend gefordertes amtsärztliches Attest vorzulegen, versäumt er zudem, die Behörde darüber zu informieren, dass und warum es ihm unmöglich ist, die von ihm geforderte amtsärztliche Stellungnahme zeitnah beizubringen, verletzt er Obliegenheiten, die ihren Rechtsgrund im Grundsatz von Treu und Glauben haben. Die Prüfungsbehörde trifft weder die Verpflichtung, den Prüfling auf das Fehlen des amtsärztlichen Attests hinzuweisen, noch hat sie den Prüfling nach § 18 Abs. 1 Satz 4 ÄApprO erneut aufzufordern, sich einer amtsärztlichen Begutachtung oder der Untersuchung durch einen von ihr benannten Arzt zu unterziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Prüfling hierdurch seinen Prüfungsanspruch endgültig verliert (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – juris Rn. 33). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Bevollmächtigten der Klägerin zitierten Rechtsprechung des NdsOVG (U.v. 16.5.2019 – 2 LB 369/19 – juris). In dieser Entscheidung wird keine Aussage über das Erfordernis der Beibringung eines amtsärztlichen Attests getroffen, sondern lediglich über die Anforderungen einer einfachen ärztlichen Bescheinigung.
34
Es hätte daher der Klägerin oblegen, das Prüfungsamt über die erfolglosen Bemühungen um einen Termin bei der zuständigen Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft V. am 3. März 2022 bzw. spätestens am Tag der Prüfung zu informieren. Die Klägerin wies auf diese Problematik jedoch trotz Kontakts zum Prüfungsamt weder am 3. März noch am 4. März 2022 hin, sondern teilte in ihrem Rücktrittsgesuch lediglich mit, dass eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung baldmöglichst nachgereicht würde. Erst mit Eingang der schriftlichen Rücktrittserklärung samt Unterlagen setzte sie das Prüfungsamt darüber in Kenntnis, dass keine amtsärztliche Untersuchung stattgefunden hatte. Die Vorlage der E-Mail der zuständigen Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft V. ist jedoch nicht ausreichend. Aufgrund des zeitlichen Abstandes zum Prüfungstag war eine Begutachtung der Prüfungsfähigkeit der Klägerin am Prüfungstag nicht mehr möglich, sodass dem Prüfungsamt insofern keinerlei Reaktionsmöglichkeiten verblieben. Hätte die Klägerin das Prüfungsamt jedoch bereits am 3. oder 4. März 2022 über die Schwierigkeiten informiert, hätte sie das Prüfungsamt in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, ob versucht werden sollte, im Wege der Amtshilfe eine Begutachtung zu ermöglichen. Aus den E-Mails der Bezirkshauptmannschaft V. ergibt sich nämlich nicht, dass Begutachtungen zur Prüfungsfähigkeit generell nicht vorgenommen wurden und eine solche auch nicht im Wege der Amtshilfe durchgeführt worden wäre. Der Klägerin wäre es möglich und zumutbar gewesen, das Prüfungsamt bereits am 3. oder spätestens am 4. März 2022 auf die Schwierigkeiten hinzuweisen. Denn die Klägerin stand am 3. März 2022 mit dem Prüfungsamt in Austausch und war offensichtlich gesundheitlich in der Lage, per E-Mail mit dem Prüfungsamt in Kontakt zu treten. Zudem war sie bereits früher mehrfach aus gesundheitlichen Gründen gegenüber dem Prüfungsamt von Prüfungen zurückgetreten.
35
Da die Mitteilung an das Prüfungsamt einem vernünftig handelnden Prüfling in der Situation der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt zumutbar gewesen wäre, liegt in diesem Fall trotz des endgültigen Verlusts des Letztversuchs der Klägerin kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG vor.
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1.3.3 Im Übrigen kann dahinstehen, ob das Vorliegen eines wichtigen Grundes auch deswegen ausgeschlossen wäre, da die Klägerin nicht dargelegt hat, die mit E-Mail vom 25. Februar 2022 nachträglich mit der Ladung verbundenen „individuellen Auflagen“ des Prüfungsamtes erfüllt zu haben. Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei den Bestimmungen überhaupt um verbindliche Auflagen i.S.v. Art. 36 BayVwVfG handelt und ob solche – zumal in elektronischer Form – überhaupt erteilt werden durften. Auch aus der pandemiebedingt komplexen Rechtslage von Einreise- und Betretensbestimmungen ergibt sich aufgrund der vorrangigen Prüfungsunfähigkeit infolge Erkrankung ebenso wenig eine Unzumutbarkeit der Teilnahme an der Prüfung und kein wichtiger Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO.
37
1.4 Da der zweite Wiederholungsversuch am 4. März 2022 nach § 18 Abs. 2 ÄApprO als nicht bestanden gilt und der Klägerin nach § 20 Abs. 1 ÄApprO kein weiterer Wiederholungsversuch zusteht, ist der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung endgültig nicht bestanden, § 21 Abs. 2 Satz 1 ÄApprO. Eine weitere Wiederholung ist auch nach erneutem Medizinstudium nicht zulässig, § 20 Abs. 1 ÄApprO.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.