Inhalt

VG München, Urteil v. 17.04.2024 – M 18 K 19.1530
Titel:

Kostenerstattung (abgelehnt), Eingliederungshilfe, Schulbegleiter

Normenketten:
SGB VIII § 35a
SGB IX a.F. § 14
SGB IX § 16
SGB X § 104
Schlagworte:
Kostenerstattung (abgelehnt), Eingliederungshilfe, Schulbegleiter
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18283

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Der Kläger, ein Rehabilitationsträger, begehrt vom Beklagten, einem Jugendhilfeträger, die Erstattung von Kosten, die er für die Schulbegleitung der Leistungsempfängerin in den Schuljahren 2012/2013 bis 2017/2018 aufgewendet hat.
2
Laut Gutachten vom 10. Januar 2011 wurden bei der Leistungsempfängerin C., geboren am ... 2002, von der Kinderklinik G. auf Achse I die Diagnosen Prüfungsangst (ICD-10 F 40.2) sowie Emotionale Störung des Kindesalters (Ängstlichkeit, Vermindertes Selbstwertgefühl (ICD-10 F 93.8) und auf Achse II eine isolierte Lesestörung (ICD-10 F81.0) bei durchschnittlicher Intelligenz (Achse III) gestellt. Ein cerebrales Anfallsleiden (Achse IV) und aktuelle abnorme psychosoziale Umstände (Achse V) wurden ausgeschlossen. Auf Achse VI wurde eine leichte soziale Beeinträchtigung der schulischen Anpassung festgestellt. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die in der Schule auftretenden Konzentrationsschwierigkeiten nicht durch eine Konzentrationsstörung bedingt seien, sondern durch die Schwierigkeiten beim Lesen und durch die damit einhergehende emotionale Belastung. Es liege keine Mehrfachbehinderung vor. Es wurde eine schulexterne Teilleistungstherapie mit Kostenübernahme durch das Jugendamt empfohlen. Hinsichtlich der schulinternen Umsetzung bei Lesestörung wurden neben einem Nachteilsausgleich und ähnlichem unter anderem pädagogische Maßnahmen zum Abbau des Leistungsdruckes sowie allgemeine Hilfsmaßnahmen in allen Fächern, z.B. Vorlesen einer Aufgabe, empfohlen.
3
Am 28. März 2011 bescheinigte die zuständige Schulpsychologin eine isolierte Lesestörung (ICD-10 F 81.0) und empfahl die üblichen Förder- und Hilfsmaßnahmen zum Nachteilsausgleich.
4
Auf Antrag der Eltern der Leistungsempfängerin hin bewilligte der Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten vom 10. Januar 2011 und nach Einholung einer schulischen Stellungnahme mit Bescheid vom 6. Juli 2011 Eingliederungshilfe durch 40 Einheiten ambulante Therapie befristet bis 13. Juli 2012.
5
Im Folgenden kamen die Eltern wohl mit dem Wunsch nach einer Schulbegleitung für C. auf den Beklagten zu. Ein Antrag sowie eine Entscheidung hierüber sind den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmbar.
6
Aus einer Stellungnahme der Klassenleiterin der vierten Jahrgangsstufe vom 10. Juni 2012 ergibt sich im Wesentlichen, C. stehe unter dem Druck, sich beweisen zu wollen und neige aufgrund ihrer Überforderung zum Rückzug nach Misserfolgen. Sie verfüge über eine angemessene Anstrengungsbereitschaft, sei aber beim eigenständigen Lesen von Texten oder Aufgaben ständig auf Hilfe angewiesen. Schulinterne Maßnahmen seien ergriffen worden, ein Schulabschluss sei aber stark gefährdet. C. werde trotz ihrer Anstrengungsbereitschaft zu geringe Fortschritte erleben, wodurch ein erhöhtes Risiko einer emotionalen Störung bestehe. Mithilfe eines Schulbegleiters würde C. einen gewissen Ausgleich erfahren. Zudem hätte sie einen konstanten Partner an ihrer Seite, zu dem sie ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen könne.
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In einem Aktenvermerk zu einer Teambesprechung der sozialpädagogischen Fachkräfte beim Beklagten vom 12. Juni 2012 wurde als Ergebnis festgehalten, dass ein Schulbegleiter nicht geeignet sei, C. mehr zu integrieren. Der Schulbegleiter würde C. eher im Klassenverband desintegrieren. Die Eltern würden sich vorstellen, dass der Schulbegleiter C. die Texte und Aufgaben vorlesen solle. Dies entspreche eher einem „Hilfslehrer“ als tatsächlich einem Eingliederungshelfer. Die ambulante Therapie könne verlängert werden, ein Schulbegleiter könne jedoch nicht gewährt werden.
8
Mit dem Wechsel der Leistungsempfängerin in eine Ganztagsklasse wurde eine Verlängerung der ambulanten Therapie nicht beantragt.
9
Am 19. Juni 2012 beantragten die Eltern der Leistungsempfängerin unter Vorlage des Bescheids vom 6. Juli 2011 sowie der o.g. Befunde und Stellungnahmen beim Kläger die Bewilligung einer Schulbegleitung gemäß §§ 53, 54 SGB XII in der damals geltenden Fassung ab dem Schuljahr 2012/2013.
10
Ab dem Schuljahr 2012/2013 wurde eine Schulbegleitung eingesetzt.
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Am 4. Februar 2013 ging der Antrag erneut beim Kläger ein.
12
Laut Stellungnahme des sozialpädagogischen Fachdienstes Behindertenhilfe (im Folgenden: Fachdienst) beim Kläger vom 21. Februar 2013 konnten eine wesentliche körperliche und eine wesentliche geistige Behinderung ausgeschlossen werden. Es sei von einer drohenden seelischen Behinderung auszugehen. Damit sei die Zuständigkeit beim Jugendamt anzusiedeln. Aus fachlicher Sicht wäre die Begleitung durch einen Schulbegleiter mit der Qualifikation „Hilfskraft“ für 27 Zeitstunden pro Woche erforderlich.
13
Mit Bescheid vom 28. Februar 2013 gewährte der Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. Juli 2013 und vom 1. September 2013 bis 31. Juli 2014 Eingliederungshilfe in Form von ambulanter Hilfe zur angemessenen Schulbildung. C. erhalte einen Schulbegleiter in der Mittelschule P. mit einem Umfang von 27 Stunden pro Woche. Zur Begründung wurde ausgeführt, C. gehöre zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 SGB IX.
14
Am 15. April 2014 beantragten die Eltern der Leistungsempfängerin die Weiterbewilligung für das Schuljahr 2014/2015.
15
Die Stellungnahme des Fachdienstes beim Kläger vom 28. August 2014 empfahl die Einholung eines aktuellen Gutachtens und die erneute Prüfung der Zuständigkeit. Aufgrund der langen Bearbeitungsdauer könne aus fachlicher Sicht die Schulbegleitung für 27 Stunden pro Woche bis 13. Februar 2015 gewährt werden.
16
Mit Bescheid vom 1. September 2014 gewährte der Kläger für den Zeitraum vom 16. September 2014 bis zunächst 13. Februar 2015 Eingliederungshilfe in Form von ambulanter Hilfe zur angemessenen Schulbildung. C. erhalte einen Schulbegleiter in der Mittelschule P. mit einem Umfang von 27 Stunden pro Woche.
17
Laut Gutachten vom 4. Dezember 2014 wurden bei C. von der Kinderklinik G. auf Achse I die Diagnosen Emotionale Störung des Kindesalters (ICD-10 F 93.8) sowie Prüfungsangst, in Besserung begriffen (ICD-10 F 40.2) und auf Achse II eine umschriebene Lesestörung (ICD-10 F 81) bei durchschnittlicher Intelligenz (Achse III) gestellt. Eine neurologische Erkrankung (Achse IV) und aktuelle abnorme psychosoziale Umstände (Achse V) wurden ausgeschlossen. Auf Achse VI wurde eine leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung der schulischen Anpassung und im Umgang mit Gleichaltrigen festgestellt. Zusammenfassend wurde ausgeführt, es liege eine Lesestörung sowie eine daraus resultierende sekundäre Neurotisierung vor. Kostenträger und Ansprechpartner sei das Jugendamt nach § 35a SGB VIII, das prüfen möge, welche Maßnahme geeignet sei. Außerdem würden schulinterne Maßnahmen empfohlen.
18
Eine schulische Stellungnahme vom 5. Februar 2015 sprach sich für den Einsatz einer Schulbegleitung aus.
19
Am 13. Februar 2015 beantragten die Eltern der Leistungsempfängerin bei dem Kläger die Weiterbewilligung.
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In einem Aktenvermerk vom selben Tag stellte der Sachbearbeiter beim Kläger fest, dass die Zuständigkeit beim Jugendamt liege.
21
Die Stellungnahme des Fachdienstes beim Kläger vom 27. Februar 2015 wies darauf hin, dass eine wesentliche körperliche Behinderung oder eine wesentliche geistige Behinderung laut aktuellem Gutachten nicht gegeben seien. Aus fachlicher Sicht könne eine Schulbegleitung vom 13. Februar 2015 bis 28. Februar 2015 mit 27 Stunden pro Woche und vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 mit 24 Stunden pro Woche gewährt werden.
22
Mit Bescheid vom 3. März 2015 gewährte der Kläger vorläufig im Zeitraum 14. Februar 2015 bis 28. Februar 2015 Eingliederungshilfe in Form von ambulanter Hilfe zur angemessenen Schulbildung. C. erhalte einen Schulbegleiter mit einem zeitlichen Umfang von 27 Stunden pro Woche. Außerdem wurde die Schulbegleitung für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 im Umfang von 24 Stunden pro Woche gewährt. In der Begründung wurde ausgeführt, die sachliche Zuständigkeit des Klägers habe nicht eindeutig geklärt werden können. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Eingliederungshilfe habe aufgrund des ungeklärten Behinderungsbildes noch nicht festgestellt werden können.
23
Am selben Tag meldete der Kläger beim Beklagten einen Erstattungsanspruch für den Zeitraum 1. September 2012 bis 31. Juli 2015 gemäß Art. 53 Abs. 3 AGSG i.V.m. §§ 102 ff. SGB X an und wies darauf hin, dass eine seelische Behinderung und keine geistige und keine körperliche Behinderung gegeben sei.
24
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 29. Juli 2015 und die befürwortende schulische Stellungnahme vom 31. Juli 2015 hin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 8. September 2015 vorläufig die Schulbegleitung für den Zeitraum vom 15. September 2015 bis 29. Juli 2016 im Umfang von 24 Stunden pro Woche. Auf die aus Sicht des Klägers ungeklärte sachliche Zuständigkeit wurde hingewiesen.
25
Am 9. September 2015 erfolgte die Anmeldung des Erstattungsanspruchs beim Beklagten bezüglich des Zeitraums 1. September 2012 bis 29. Juli 2016.
26
In einem Telefonat mit dem Beklagten am 29. Februar 2016 teilte der Schulleiter laut Aktenvermerk mit, dass C. bestens integriert sei und ein Bedarf eigentlich nicht mehr vorhanden sei. Der Kläger habe auch immer mehr Stunden bewilligt als eigentlich erforderlich gewesen seien. Bei C. seien maximal zehn Wochenstunden ausreichend.
27
Am 30. Juni 2016 meldete der Kläger erneut den Erstattungsanspruch beim Beklagten bezüglich des Zeitraums 1. September 2012 bis 29. Juli 2016 an und wies auf den vorliegenden Folgeantrag für das Schuljahr 2016/2017 hin.
28
Am 18. Juli 2016 erwiderte der Beklagte, es sei nicht ersichtlich, wie der Kläger seine Entscheidung getroffen habe. Der Beklagte habe im Jahr 2012 eine Schulbegleitung als nicht geeignet angesehen. Der Kläger habe als unzuständiger Leistungsträger geleistet. Unter Verweis auf § 105 SGB X scheide eine Kostenerstattung bis zum Bekanntwerden (3. März 2015) aus. Zur Prüfung einer Kostenerstattung ab dem 3. März 2015 werde um Aktenvorlage gebeten. Laut Schulleiter sei C. bestens integriert und es bestehe kein Bedarf für eine Schulbegleitung. Der Kläger habe auch immer mehr Stunden bewilligt als von der Schule als erforderlich angesehen.
29
Auf Antrag der Eltern hin und entsprechend der fachlichen Stellungnahme bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 22. August 2016 vorläufig die Schulbegleitung für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 28. Februar 2017 im Umfang von 12,25 Stunden pro Woche mit dem Hinweis, dass die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Eingliederungshilfe aufgrund des Behinderungsbildes nicht eindeutig habe festgestellt werden können und der Kläger die Kosten vorläufig bis zur eindeutigen Klärung der Zuständigkeit übernehme.
30
Mit Bescheid vom 19. Januar 2017 bewilligte der Kläger die Schulbegleitung für den Zeitraum 1. März 2017 bis 31. Juli 2017 im Umfang von 12,25 Stunden pro Woche.
31
Am selben Tag meldete der Kläger beim Beklagten den Erstattungsanspruch für den Zeitraum 1. September 2012 bis 31. Juli 2017 an.
32
Mit Schreiben vom 25. Januar 2017 lehnte der Beklagte die Kostenerstattung bis 3. März 2015 mit der Begründung ab, der Kläger habe als unzuständiger Träger Leistungen erbracht. Ab dem 3. März 2015 könne eine Kostenerstattungszusage nur erfolgen, wenn die Hilfeleistung rechtmäßig gewesen sei. Im Juni 2012 habe der Beklagte festgestellt, dass der Schulbegleiter nicht die geeignete Maßnahme sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Prüfung hinsichtlich Geeignetheit und Bedarfsdeckung vorgenommen habe.
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Mit Bescheid vom 2. November 2017 bewilligte der Kläger auf Antrag der Eltern der Leistungsempfängerin hin vorläufig die Schulbegleitung im Umfang von 12,25 Stunden pro Woche für den Zeitraum 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 mit Hinweis auf die aus seiner Sicht ungeklärte Zuständigkeit.
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Mit Schreiben vom 2. November 2017 und 19. März 2018 bat der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die „Kooperationsvereinbarung im Rahmen der Eingliederungshilfe zur Klärung der sachlichen Zuständigkeit zwischen dem Kläger und den Landkreisen sowie den kreisfreien Städten in O. als örtliche Jugendhilfeträger“ erneut um Prüfung der Kostenerstattung und Fallübernahme, die vom Beklagten mit Schreiben vom 14. November 2017 und 9. April 2018 abgelehnt wurden.
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Im Aktenvermerk vom 21. Juni 2018 hielt der Kläger fest, ein Kostenerstattungsanspruch könne für den Zeitraum 1. September 2012 bis Dezember 2015 oder bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 nicht geltend gemacht werden, da die Kostenübernahme mit Kenntnis der Zuständigkeit des Jugendamtes in eigener Zuständigkeit erfolgt sei. Darüber hinaus seien die Ansprüche für die Jahre 2012 und 2013 verjährt. Leistungen für das Jahr 2014 würden am 31. Dezember 2018 verjähren. Bezüglich des Zeitraums ab dem Schuljahr 2012/2013 seien die vorgelegten Unterlagen der Schule nicht aussagekräftig, medizinische Unterlagen fehlten gänzlich. Es solle versucht werden, den Fall in einem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten zu klären.
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Auf Bitte des Klägers verzichtete der Beklagte mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche ab 1. Januar 2014 befristet bis 31. März 2019. Ein persönliches Gespräch wurde vom Beklagten abgelehnt.
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Am 28. März 2019 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,
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den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die für die Leistungsberechtigte C. in der Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Juli 2018 aufgewendeten Sozialleistungen in Höhe von 61.618,75 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
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Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 104 SGB X. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gingen Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen durch den Träger der Jugendhilfe denen der Sozialhilfe vor. Es sei ausschließlich eine wesentliche seelische Behinderung diagnostiziert worden. C. habe Unterstützung im Schulalltag in Form einer Schulbegleitung benötigt. Der Beklagte hätte in eigener Zuständigkeit über das Begehren entscheiden müssen.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19. August 2019
41
die Abweisung der Klage
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und erwiderte, der Kläger habe mit seiner Leistungsbewilligung bewusst und zielgerichtet in den Rechtskreis des Klägers eingegriffen und darüber hinaus weder die Eignung noch die Bedarfsdeckung seiner Maßnahme schlüssig nachgewiesen. Bereits im Vermerk vom 21. Februar 2013 sei festgehalten worden, dass weder eine körperliche noch eine geistige Behinderung vorliege. Dennoch sei ab 1. September 2012 für zwei Schuljahre vorbehaltlos eine Schulbegleitung eingerichtet worden. Der Kläger räume mit den Aktenvermerken vom 7. Juni 2017 und 21. Juni 2018 selbst ein, er habe ohne Rücksicht auf fremde Entscheidungskompetenzen und ohne hinreichend fundierte und schlüssig nachvollziehbare fachliche Aussagen über mehrere Jahre eine Schulbegleitung bewilligt.
43
Mit Schreiben vom 8. Februar 2024 bzw. vom 15. Februar 2024 haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
46
Die zulässige Leistungsklage (zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen vgl. LSG NW, U.v. 28.11.2019 – L 9 SO 478/17 – juris Rn. 47) hat in der Sache keinen Erfolg.
47
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (VGH BW – U.v. 23.2.2024 – 12 S 775/22 – juris Rn. 32). Hinsichtlich des materiellen Rechts ist daher maßgeblich auf die Rechtslage für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. September 2012 bis 31. Juli 2018 abzustellen (vgl. VG München, U.v. 20.7.22 – M 18 K 18.4606 – juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 19.10.2011 – 5 C 6/11 – juris Rn. 6, VGH BW, U.v. 23.2.2024 – 12 S 775/22 – Rn. 32 m.w.N.). Die in dem vorliegenden Verfahren maßgeblichen Normen haben zwar zum Teil – insbesondere mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) vom 23. Dezember 2016 (BTHG – BGBl. I 2016, 3234) – Abwandlungen bzw. neue Bezeichnungen erhalten, inhaltlich jedoch – soweit vorliegend relevant – keine Änderung erfahren (vgl. BayVGH, U.v. 2.12.2020 – 12 BV 20.1951 – juris Rn. 23, VG München, U.v. 17.7.2019 – M 18 K 17.2523 – juris Rn. 28). Das Gericht verzichtet daher aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit bei den nachfolgenden Bezugnahmen auf gesetzliche Regelungen auf den Zusatz der jeweils geltenden Fassung.
48
1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. (dem insoweit inhaltsgleichen) § 16 SGB IX in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung zu. Dies würde voraussetzen, dass es sich beim Kläger als Anspruchssteller um einen sog. zweitangegangenen Rehabilitationsträger handelt, den also eine Leistungspflicht allein aufgrund der Weiterleitung durch den erstangegangenen Träger trifft (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.7.2023 – B 10 K 21.1033 – juris Rn. 42 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
49
2. Der Kläger kann seinen Erstattungsanspruch überdies nicht aus § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I herleiten.
50
Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen.
51
Eine vorläufige Leistungsverpflichtung des Klägers i.S.d. § 43 Abs. 1 SGB I ergibt sich nicht daraus, dass dieser die Kosten für die Schulbegleitung z.T. formal mit dem Zusatz „vorläufig“ übernommen hat, vgl. Bescheide vom 3. März 2015, 8. September 2015, 22. August 2016 und 2. November 2017. Ein an den Berechtigten gerichteter bestandskräftiger (stattgebender) Leistungsbescheid entfaltet keine Tatbestands- oder Bindungswirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis zwischen den Kostenträgern. Vielmehr ist im Erstattungsverfahren selbstständig zu prüfen, ob der Leistungsträger, der Kostenerstattung begehrt, nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften materiell-rechtlich eine vorläufige Leistung im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB I erbracht hat (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.2012 – 5 C 3/11 – juris Rn. 15; BSG, U.v. 25.9.2014 – B 8 SO 7/13 R – juris Rn. 22).
52
Für eine vorläufige Leistung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I muss ein Anspruch auf Sozialleistungen gegen einen Leistungsträger bestehen, zwischen mehreren Leistungsträgern aber streitig sein, wer zur Leistung verpflichtet ist. Die Vorschrift setzt damit einen negativen Kompetenzkonflikt voraus, der nicht besteht, wenn beide Leistungsträger gegenüber dem Hilfeempfänger gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (VG Bayreuth, U.v. 25.7.2023 – B 10 K 21.1033 – juris Rn. 44; VG Saarland, U.v. 16.11.2018 – 3 K 2465/16 – juris Rn. 44, BVerwG, U.v. 9.2.2012 – 5 C 3/11 – BVerwGE 142, 18-29).
53
Die Leistungsempfängerin hatte jedoch – da unstreitig eine seelische Störung vorlag – auch gegen den Kläger nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31. Dezember 2020 bzw. dem insoweit inhaltsgleichen § 99 SGB IX in den ab 1. Januar 2020 bzw. 1. Juli 2021 geltenden Fassungen einen Leistungsanspruch, vgl. hierzu noch unten. Somit liegt kein negativer Kompetenzkonflikt vor und scheidet die Anwendbarkeit von § 102 SGB X aus.
54
3. Auch § 105 SGB X, den beide Beteiligte in Aktenvermerken teilweise herangezogen haben, kann aus denselben Gründen dem Kläger nicht als Anspruchsgrundlage dienen. Im Unterschied zur vorläufigen Leistung bei § 102 SGB X hat im Fall von § 105 SGB X ein von Anfang an unzuständiger Leistungsträger in der irrigen Annahme seiner Zuständigkeit mit der Absicht, endgültig und verbindlich zu leisten, Sozialleistungen erbracht. Auch diese Vorschrift ist jedoch nicht einschlägig, wenn es um konkurrierende Leistungsansprüche gegen zwei jeweils zuständige Träger geht.
55
4. Dem Kläger steht aber auch kein Anspruch nach der somit in der vorliegenden Konstellation allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 104 SGB X (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.7.2023 – B 10 K 21.1033 – juris Rn. 45; VG Saarland, U.v. 16.11.2018 – 3 K 2465/16 – juris Rn. 47) zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 104 SGB X sind zwar dem Grunde nach erfüllt (a). Dem Erfolg des Kostenerstattungsanspruchs steht jedoch entgegen, dass der Kläger das Weiterleitungsgebot nach. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. missachtet hat (b).
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a) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
57
Der Kläger war gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31. Dezember 2020 bzw. dem insoweit inhaltsgleichen § 99 SGB IX in den ab 1. Januar 2020 bzw. 1. Juli 2021 geltenden Fassungen zur Leistung verpflichtet. Nach diesen Vorschriften erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
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Gleichzeitig waren die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII erfüllt, so dass auch der Beklagte zur Leistung verpflichtet war. Kinder oder Jugendliche haben demnach Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
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Die Leistungsempfängerin war hier – zwischen den Parteien auch – unstreitig von einer seelischen Behinderung betroffen und in ihrer Teilhabe beeinträchtigt.
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Der Beklagte war auch im streitgegenständlichen Hilfezeitraum vorrangig zur Gewährung von Hilfe gemäß § 35a SGB VIII verpflichtet. Denn Leistungen der Jugendhilfe gehen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII grundsätzlich vor..
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b) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X ist jedoch ausgeschlossen, da der Kläger das Weiterleitungsgebot nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX missachtet hat.
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Das Gesetz trifft keine Regelung, in welchem Verhältnis § 14 SGB IX zu dem System der Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X steht.
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Nach der herrschenden Rechtsprechung muss das Ausgleichssystem der §§ 102 ff. SGB X und somit auch § 104 SGB X jedoch durch § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 16 SGB IX den speziellen Anforderungen des § 14 SGB IX a.F. bzw. § 16 SGB IX angepasst werden (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 12 B 11.1886 – juris Rn. 21 ff., 25). Denn der von diesen Vorschriften verfolgte Zweck der raschen Klärung von Zuständigkeiten zur Verhinderung von Nachteilen des gegliederten Sozialsystems für den behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen gilt für das Außenverhältnis (behinderter Mensch – Rehabilitationsträger). Im Innenverhältnis darf dies aber nicht zu einer Lastenverschiebung ohne Ausgleich führen, die die Grundlagen des gegliederten Sozialsystems in Fragen stellen würde. Mit der schnellen und strikten Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis zum Hilfebedürftigen unter Beibehaltung des gegliederten Sozialsystems korreliert deshalb ein umfassender Ausgleichsmechanismus, der sicherstellt, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit im Rahmen von § 14 SGB IX bejahen kann, ohne allein deshalb verpflichtet zu sein, diese Lasten auch endgültig tragen zu müssen. Denn dies hat der Gesetzgeber nicht bezweckt. Zwar ist der erstangegangene Träger anders als der zweitangegangene keiner „aufgedrängten Zuständigkeit“ aus § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX a.F. bzw. aktuelle Fassung ausgesetzt, sondern kann seine Zuständigkeit prüfen und verneinen. Es sind aber auch Fallkonstellationen denkbar, in denen sich der erstangegangene Rehabilitationsträger trotz des ihm eingeräumten Prüfungs- und Ablehnungsrechts einem Leistungszwang ausgesetzt sehen kann, der mit demjenigen des zweitangegangenen Trägers vergleichbar ist. Es ist daher danach zu unterscheiden, aus welchem Grund die Weiterleitung unterblieben ist. Hat der Träger geleistet, obwohl ein anderer Rehabilitationsträger nach dem Ergebnis seiner Prüfung zuständig war, kann er keine Erstattung beanspruchen, da er zielgerichtet in fremde Zuständigkeiten eingegriffen hat. Hat der Träger dagegen die Zuständigkeit geprüft und bejaht, muss er im Nachhinein zu einer Korrektur im Rahmen der Erstattung befugt sein. Sonst wäre er gehalten, schon bei geringstem Verdacht einen Rehabilitationsantrag weiterzuleiten, um die Zuständigkeitsproblematik ggf. im Erstattungsstreit austragen zu können und nicht automatisch von jeglicher Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein. Das widerspräche sowohl dem Regelungszweck, zu einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber dem behinderten Menschen zu kommen, als auch dem Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten. Auch in der weiteren Fallgruppe, dass die Prüfung des erstangegangenen Rehabilitationsträgers innerhalb der Frist nicht zu einem greifbaren Ergebnis geführt hat und der angegangene Träger deshalb im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des Rehabilitationsantrags unterlassen hat, ist insoweit Kostenerstattung zu erwägen (BayVGH, U.v. 30.7.2019 – 12 BV 16.2545 – juris Rn. 46; U.v. 30.7.2018 – 12 ZB 18.175 – juris Rn. 3, jeweils unter Verweis auf U.v. 7.10.2013 – 12 B 11.1886 – juris Rn. 21 ff.; vgl. BSG, U.v. 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R – juris Rn. 24 ff.; BSG, U.v. 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 15 f.; BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 5 C 30.12 – juris Rn. 30; auch LSG BW, U.v. 30.4.2021 – L 12 AL 3871/19 – juris Rn. 45)
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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX muss ein Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm feststellen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (…). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX muss er, wenn er bei der Prüfung feststellt, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zuleiten.
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Vorliegend hat der Kläger als erstangegangener Träger entweder den Antrag nicht weitergeleitet, obwohl seine Prüfung ergeben hatte, dass er nicht zuständig war, oder eine Zuständigkeitsprüfung schlichtweg unterlassen und somit zielgerichtet das Weiterleitungsgebot missachtet und in die fremde Zuständigkeit des Beklagten eingegriffen.
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Auf der Grundlage der Akten des Klägers muss davon ausgegangen werden, dass mit dem Antrag der Leistungsempfängerin beim Kläger am 19. Juni 2012 bzw. am 4. Februar 2013 auch der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 6. Juli 2011 über die ambulante Therapie vorlag. Er befindet sich direkt nach dem Antrag zu Beginn der Akten. Aus diesem Bescheid ist ersichtlich, dass der Beklagte davon ausging, dass § 35a SGB VIII erfüllt war, also die Leistungsempfängerin von einer seelischen Behinderung zumindest bedroht war und eine Teilhabebeeinträchtigung mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Der Kläger wusste somit von Anfang an, dass vom zuständigen Jugendhilfeträger Leistungen der Eingliederungshilfe in Form einer ambulanten Therapie erbracht wurden und dieser sich seiner vorrangigen Zuständigkeit bewusst war. Außerdem ist davon auszugehen, dass mit dem Antrag auch das Gutachten vom 10. Januar 2011 vorgelegt wurde. Das Gutachten besagt eindeutig, dass keine Mehrfachbehinderung vorlag, sondern eine seelische Behinderung und folglich eine Zuständigkeit des Jugendamtes. Warum beim Kläger trotz dieser eindeutigen Sachlage keine Weiterleitung des Antrags in die Wege geleitet wurde, bleibt ungeklärt. Die Antragsunterlagen wurden zwar beim Kläger zunächst wohl – ebenfalls aus nicht geklärten Gründen – nicht bearbeitet, bei der Weiterbearbeitung der Akten wurde jedoch eine Stellungnahme des eigenen Fachdienstes vom 21. Februar 2013 eingeholt, die klar darauf hinwies, dass die Zuständigkeit des Jugendamtes gegeben war. Dazu, ob und wann eine Zuständigkeitsprüfung stattfand bzw. warum sie nicht stattfand, findet sich in den Akten keinerlei Anhaltspunkt. Die einzig dokumentierte Prüfung beim Kläger ist die des Fachdienstes und diese kam zum eindeutigen Ergebnis, dass das Jugendamt zuständig war. Daraufhin leistete der Beklagte über mehrere Jahre hinweg. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte seine Zuständigkeit aufgrund eines Irrtums nicht geprüft oder angenommen hat (vgl. BayVGH, B. 30.7.2018 – 12 ZB 18.175 – juris: Kläger ging irrtümlich von einer Frühförderung aus, tatsächlich lag eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung vor) oder aufgrund Ablaufs der Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. von einer Weiterleitung abgesehen hat (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 12 B 11.1886 – juris: Kläger hatte Unzuständigkeit erkannt, sah sich aber aufgrund vermeintlichen Fristablaufs irrtümlich nicht mehr zur Weiterleitung in der Lage). Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum der Beklagte sich einem Leistungszwang ausgesetzt gesehen haben könnte und deshalb die rechtzeitige Zuständigkeitsprüfung und Weiterleitung in einer Weise unterlassen wurden, die ein Recht auf Erstattung rechtfertigen würde. Der Kläger hat die Prüfung der eigenen Zuständigkeit zunächst unterlassen und/oder trotz Feststellung der eigenen Unzuständigkeit von einer Weiterleitung abgesehen. Erklärende Ausführungen zu den näheren Umständen hierzu sind nie erfolgt. In beiden Konstellationen erscheint es nicht gerechtfertigt, den Kläger auf der Erstattungsebene zu entlasten. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch, dass der an sich vorrangig zuständige Beklagte die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Schulbegleitung seinerzeit geprüft und mit zwar spärlicher aber nachvollziehbarer Begründung verneint hat. Zwar hat er keinen formellen Ablehnungsbescheid erlassen, dies ist aber wohl dem Fehlen einer verbindlichen Antragstellung geschuldet.
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Ein Erstattungsanspruch besteht auch nicht etwa ab einem späteren Zeitpunkt, als der Kläger den Beklagten über den Fall in Kenntnis gesetzt hat (vgl. Anmeldungen des Erstattungsanspruchs am 3. März 2015 und später). Zum einen kann hierin keine Antragsweiterleitung i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IX a.F. gesehen werden, da der Kläger bereits Bewilligungsbescheide erlassen hatte und nur die Erstattung anmeldete. Zum anderen ging es zu diesem Zeitpunkt um bloße Verlängerungsanträge, die bei dem unverändert fortbestehenden Rehabilitationsbedarf nicht erneut die Frist des § 14 Abs. 1 SGB IX a.F. in Gang setzen konnten. Die einmal begründete sachliche und örtliche Zuständigkeit eines Trägers wegen Versäumung der Frist gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX bleibt, wenn sich keine wesentlichen Änderungen des Hilfebedarfs ergeben, bestehen (BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 12 ZB 18.175 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
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Die Frage, ob die Erstattungspflicht wegen Rechtswidrigkeit der Leistung entfällt, kann somit dahinstehen.
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Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
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Auf die Ausschlussfrist nach § 111 SGB X und Verjährung nach § 113 SGB X kommt es nicht an.
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Die Klage war somit abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.