Titel:
Dublin-Verfahren (Zielstaat Belgien, Herkunftsstaat Afghanistan), Abschiebungsanordnung, Erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in Belgien, „Aufnahmekrise“, Systemische Mängel im belgischen Asylsystem hinsichtlich der richtlinienwidrigen Nichtunterbringung alleinstehender Männer (bejaht), Regelhaftes „Einhergehen“ der Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GRCh aufgrund dieses Mangels (verneint)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 34a Abs. 1 S. 1
VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 Buchst. d
RL 2013/33/EU (Aufnahme-RL) Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1
RL 2013/33/EU Art. 20 Abs. 1 Buchst. c
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
Schlagworte:
Dublin-Verfahren (Zielstaat Belgien, Herkunftsstaat Afghanistan), Abschiebungsanordnung, Erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in Belgien, „Aufnahmekrise“, Systemische Mängel im belgischen Asylsystem hinsichtlich der richtlinienwidrigen Nichtunterbringung alleinstehender Männer (bejaht), Regelhaftes „Einhergehen“ der Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GRCh aufgrund dieses Mangels (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18272
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Weg des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die angeordnete Überstellung nach Belgien im Rahmen des sogenannten „Dublin-Verfahrens“.
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Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am .. Juli 2019 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am .. Juli 2019 schriftlich Kenntnis erlangt hat. In der Folge wurde dem Bundesamt am … September 2019 von der Regierung von ... mitgeteilt, dass der Antragsteller unbekannt verzogen sei. Am … April 2024 reiste der Antragsteller erneut in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt am .. Mai 2024 schriftlich Kenntnis erlangt hat.
3
Die EURODAC-Ergebnismitteilung vom .. Mai 2024 weist insgesamt drei Treffermeldungen der Kategorie 1 auf („GR1[…]“ vom 22.8.2018, „DE1[…]“ vom 5.7.2019 und „BE1[…]“ vom 18.7.2019). Am 24. Juni 2024 richtete das Bundesamt ein auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Belgien, welches die dortigen Behörden unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO akzeptierten. Ein früheres, von Belgien angestoßenes Wiederaufnahmeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin im September 2019 scheiterte im März 2020, nachdem die sechsmonatige Überstellungfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen war.
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Im persönlichen Gespräch gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin III-VO vom … Juni 2024 trug der Antragsteller vor, dass sein Asylantrag in Belgien abgelehnt worden sei. Er sei in einem Camp für geflüchtete Menschen untergebracht gewesen, dann habe er bei einem Freund gewohnt. Das Camp habe der belgische Staat bezahlt, die spätere Unterkunft habe er privat bezahlt. Er habe in Belgien bis zur Ablehnung seines Asylantrags arbeiten können.
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Mit Bescheid vom … Juni 2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), verneinte das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Belgien an (Nr. 3). Das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Der Antragsteller hat am 3. Juli 2024 über seine Bevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom … Juni 2024 erhoben (mit dem neben der Aufhebung des Bescheids unter anderem auch die Zuerkennung internationalen Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Afghanistan beantragt werden) und beantragt zugleich,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 9. Juli 2024 vorgetragen, dass der Antragsteller befürchtete, bei einer Rückkehr nach Belgien keine Unterkunft zu erhalten. Er könne sich dort nicht selbst sein Existenzminimum sichern, weil er sich dort nicht registrieren könne, demnach keinen Ausweis und keine Arbeitserlaubnis erhalten würde. Es handele sich nicht um einen schutzberechtigten Flüchtling, der sich noch im Asylverfahren befinde, sondern um einen abgelehnten Asylbewerber, der vermutlich nicht abgeschoben werde, aber wohl keinen Ausweis erhalten würde, der einer Duldung nach deutschem Recht entspräche. Dem Antragsteller drohe daher bei einer Rückkehr nach Belgien ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh, weil er dort seine elementarsten Bedürfnisse nicht würde befriedigen können.
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Das Bundesamt beantragt mit Schriftsatz vom 4. Juli 2024,
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den Antrag abzulehnen.
11
Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 K 24.50707, sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG) – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
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2. Gemessen an diesen Maßstäben geht die Interessenabwägung im vorliegenden Fall zu Lasten des Antragstellers aus. Nach summarischer Prüfung sind die Erfolgsaussichten seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid als gering anzusehen. Die Abschiebungsanordnung erweist sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, da der Asylantrag zutreffend nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG als unzulässig abgelehnt worden ist.
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a) Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO ist Belgien für das Asylverfahren des Antragstellers zuständig bzw. nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO zu seiner Rückübernahme verpflichtet. Dies haben die belgischen Behörden in ihrer Antwort auf das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts so auch zum Ausdruck gebracht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurden die jeweiligen Fristen im Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO und Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO eingehalten.
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b) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen.
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Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Der Begriff des Vertrauens meint im konkreten Rechtskontext in einer Situation des Nichtwissens das Bestehen von Normkonformitätserwartungen des überstellenden Staates an den Zielstaat, was im Grundsatz mit Kontrollverzichten und Unbeachtlichkeitsregeln einhergeht (vgl. Lübbe, NVwZ 2017, 674/676). In diesem Sinn reicht Vertrauen so weit, bis es von entgegenstehenden Realitäten erschüttert wird (vgl. Lübbe, a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt insoweit die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. Regelverstöße, die Betroffene schicksalhaft treffen, sind nicht vorhersehbar und lassen sich – anders als bei regelhaft vorkommenden Rechtsverstößen – nicht verlässlich prognostizieren (vgl. Lübbe, ʹ‘Systemic Flaws’ and Dublin Transfers: Incompatible Tests before the CJEU and the ECtHR?ʹ in International Journal of Refugee Law 2015, 135/137 f.). An die Feststellung systemischer Mängel sind daher hohe Anforderungen zu stellen. Systemische Schwachstellen bzw. Mängel, die eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO unmöglich machen, liegen nur dann vor, wenn Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhafte Defizite aufweisen und als Folge davon (auch) im konkreten Fall dem Asylbewerber im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss daraus die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung droht (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 57 ff. = ZAR 2024, 171 ff. m. Anm. Pfersich; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18 ff.; BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41; grundlegend EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, „Abdullahi“ – NVwZ 2012, 417, Rn. 80 ff.). Hiermit geht grundsätzlich ein zweistufiges Prüfprogramm einher: Die Frage des Vorliegens systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat einerseits (1. Stufe) sowie die beachtlich wahrscheinliche Gefahr einer Verletzung des Rechts aus Art. 4 GRCh andererseits (2 . Stufe), die jeweils (grundsätzlich) kumulativ vorliegen müssen (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 59-62). Daher machen selbst schwerwiegende Schwachstellen oder Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen, die nicht nur vereinzelt vorkommen (und damit „systemisch“ sind), eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht unmöglich, wenn sich daraus im konkret zu entscheidenden Einzelfall keine Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung entgegen Art. 4 GRCh ableiten lässt (vgl. NdsOVG, U.v. 11.10.2023 – 10 LB 18/23 – juris Rn. 28; vgl. für den Fall des Vorliegens einer konkreten Garantieerklärung durch den Dublin-Zielstaat bei ansonsten vorliegenden systemischem Mangel: BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 24 ZB 22.50056 – juris Rn. 13). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der systemischen Schwachstellen nicht notwendigerweise gesamtbezogen auf das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im Überstellungsstaat zu verstehen ist, sondern auch Teilbereiche hiervon erfasst sein können, die lediglich bestimmte Personengruppen betreffen (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – juris Rn. 70 ff. = NVwZ 2017, 691 ff. m. Anm. Hruschka; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18). Andererseits kann auch die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 GRCh eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO unmöglich machen, wenn diese Rechtsverletzung nicht die Konsequenz aus der Existenz systemischer Schwachstellen im Überstellungsstaat ist (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – juris Rn. 91-95 = NVwZ 2017, 691/695 m. Anm. Hruschka). Der rechtliche Bezug zu Art. 4 GRCh setzt dabei in jedem Fall das Erreichen einer besonders hohen Erheblichkeitsschwelle voraus. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit ist (auch) erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass sich eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Bedürfnissen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 62 f.; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 „Ibrahim“ u.a. – juris Rn. 89 ff. und C-163/17, „Jawo“ – juris Rn. 91 ff.).
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In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei geklärt, dass es ungeachtet des europarechtlichen Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten sowohl verfassungsrechtlich als auch europa- und konventionsrechtlich geboten sein kann, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor der Rückführung eines Asylsuchenden in einen anderen Staat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen müssen (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 16 m.w.N.). Soweit entsprechende Erkenntnisse und Zusicherungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorliegen und nicht eingeholt werden können, ist es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes geboten, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 16). Dies gilt jedenfalls in solchen Fällen, in denen die Auskunftslage im Eilverfahren nicht hinreichend eindeutig erscheint und eine weitere Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren naheliegt (vgl. BVerfG, B.v. 21.4.2016 – 2 BvR 273/16 – juris Rn. 14). Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Ablehnung des Antrags nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ungeachtet sich stellender komplexer Rechts- oder Tatsachenfragen im Hauptsacheverfahren die Rechtsweggarantie eines Antragstellers aus Art. 19 Abs. 4 GG in rechtlich unzulässiger Weise abschneiden kann (BVerfG, B.v. 20.11.2018 – 2 BvR 80/18 – juris Rn. 8, mit Verweis auf § 80 AsylG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei geklärt, dass der verwaltungsgerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) besonders dann verfassungsrechtliches Gewicht zukommt, wenn hinreichend substantiierte Behauptungen von Schutzsuchenden oder andere für das Verfahren relevante Erkenntnisse auf Umstände zielen, die, ihr Vorliegen unterstellt, für die Verwirklichung hochrangiger grundrechtlicher Gewährleistungen von ausschlaggebender Bedeutung sind. So kann im Einzelfall ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur umfassenden und hinreichend aktuellen Sachaufklärung und erschöpfenden Ausnutzung prozessualer Aufklärungsmöglichkeiten eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes begründen, wenn das Gericht eine im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt durchführbare Aufklärungsmaßnahme, die zudem eine Vielzahl von Fällen betrifft, unterlassen hat. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn nicht nur aussichtsreiche Aufklärungsmöglichkeiten seitens des Gerichts unterblieben sind, sondern dabei auch spezifische institutionalisierte Quellen, die den Gerichten gerade für die Aufklärung asylrechtlicher Sachverhalte aufbereitet und bereitgestellt werden, außer Acht gelassen werden (vgl. dazu BVerfG, B.v. 2.8.2023 – 2 BvR 593/23 – juris Rn. 11).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die bislang vom erkennenden Einzelrichter vertretene Rechtsauffassung, es gebe „keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel im belgischen Asylsystem oder hinsichtlich der dortigen Aufnahmebedingungen, aus denen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte […] aus Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK erwachsen könnte“ (so noch VG München, B.v. 19.10.2023 – M 10 S 23.51033 – juris Rn. 23), unter Berücksichtigung der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur sogenannten „Aufnahmekrise“ in Belgien und der zwischenzeitlichen Entwicklung der Erkenntnismittellage (vgl. AIDA, Country Report Belgium, Update 2023; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Belgien, Gesamtaktualisierung 19.12.2023) dahingehend zu präzisieren, dass hinreichende Anhaltspunkte für systemische Schwachstellen hinsichtlich der Aufnahmebedingungen in Belgien bezüglich alleinstehender männlicher Asylsuchender vorliegen, hiermit aber nicht zwangsläufig im konkreten Einzelfall eine Verletzung des Rechts aus Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK einhergeht (vgl. etwa VG Düsseldorf, B.v. 12.4.2024 – 29 L 776/24.A – juris Rn. 37 ff. u. 78 ff.; ähnlich auch VG München, B.v. 21.5.2024 – M 22 S 24.50543 – juris/milo Rn. 26; VG Göttingen, B.v. 17.5.2024 – 4 B 133/24 – juris/milo; Überstellungsrelevanz der angenommenen systemischen Mängel konkret bejaht von VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 14 S 24.50065 – juris Rn. 43; B.v. 2.1.2024 – AN 14 S 23.50884 – juris Rn. 41 ff.; VG Arnsberg, B.v. 9.2.2024 – 6 L 1243/23.A – juris Rn. 64). Angesichts der Tatsache, dass Belgien offenbar seit geraumer Zeit seiner sekundärrechtlichen Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2013/33/EU (Aufnahme-RL) hinsichtlich der Unterbringung alleinstehender männlicher Asylsuchender nicht ausreichend nachkommt und in diesem Zusammenhang selbst Entscheidungen seiner eigenen Gerichte ignoriert hat (vgl. EGMR, U.v. 18.7.2023 – Camara/Belgien, Nr. 49255/22 – HUDOC; vgl. auch Pressemitteilung des EGMR vom 18.7.2023, ECHR 229 [2023]), muss man in diesem Zusammenhang wohl von einem systemisch auftretenden Mangel, auch wenn er nicht das belgische Asylsystem als Ganzes oder die Aufnahmebedingungen insgesamt betrifft, ausgehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte damals in 1.350 Fällen auch einstweilige Anordnungen (interim measures) gemäß Art. 39 EGMR-VerfO erlassen, die zwischenzeitlich aber wieder aufgehoben wurden, nachdem die Betroffenen keine Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK erhoben hatten (vgl. Pressemitteilung vom 1.6.2023 – https://www.echr.coe.int/w/interim-measures-lifted-concerning-belgium – aufgerufen am 10.7.2024). Im oben zitierten Urteil im Fall Camara/Belgien hatte der Gerichtshof mit Blick auf die Nichtumsetzung belgischer Gerichtsurteile, mit denen der belgische Staat zur Unterbringung alleinstehender männlicher Asylsuchender verpflichtet wurde, eine Verletzung von Art. 6 EMRK durch Belgien festgestellt. Dieser systemische Mangel führt jedoch weder zwangsläufig noch automatisch zu einer Verletzung der Rechte aus Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK, es kommt vielmehr auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (so auch VG Düsseldorf, B.v. 12.4.2024 – 29 L 776/24.A – juris Rn. 37 ff. u. 78 ff.; VG München, B.v. 21.5.2024 - M 22 S 24.50543 – juris/milo Rn. 26). Allein die Annahme eines systemischen Mangels solchem hinsichtlich der Aufnahmebedingungen – hier die unzureichende Umsetzung der Vorgabe aus Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2013/33/EU durch Belgien – führt nicht automatisch dazu, dass dieser auch in einer die Überstellung hindernden Weise im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO beachtlich wäre (vgl. auch BVerwG, B.v. 12.9.2018 – 1 B 50.18 – juris Rn. 12).
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Das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung hat zwar die Konsequenz, dass nicht durch „reflexhaften“ bzw. „schematischen“ Rekurs auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (das heißt ohne nähere Prüfung) unterstellt werden darf, der Antragsteller (als Betroffener der oben genannten Personengruppe) würde richtlinienkonform in Belgien Zugang zu einer Unterkunft bekommen. Die allgemeine Gefahr der Obdachlosigkeit für eine hinreichend abgrenzbare Personengruppe (wie hier alleinstehenden männlichen Asylsuchenden in Belgien) führt umgekehrt ohne Hinzutreten weiterer erschwerender Umstände nicht automatisch bzw. zwangsläufig zu einer mit Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK unvereinbaren Situation im konkreten Einzelfall (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2023 – 24 B 23.30525 – juris Rn. 32; B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris Rn. 31; B.v. 25.5.2023 – 24 B 22.30954 – juris Rn. 31; OVG RhPf, U.v. 27.3.2023 – 13 A 10948/22.OVG – juris Rn. 59 ff.). Da Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK die gleiche inhaltliche Tragweite haben (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh), ist bereits für die (tatsächliche) Frage, ob infolge der beschriebenen „Aufnahmekrise“ dem Antragsteller in Belgien Obdachlosigkeit droht, zunächst der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit heranzuziehen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 14 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh nicht beachtlich wahrscheinlich ist, wenn die betroffene Person ihr wirtschaftliches Existenzminimum durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit (wozu auch Tätigkeiten im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ zählen sollen) sichern kann (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 17). Nur wenn der Antragsteller das wirtschaftliche Existenzminimum nicht durch eigene Arbeit sichern könnte und er trotz Zuwendungen Dritter (z.B. durch nichtstaatliche oder karitative Einrichtungen) und weiterer erschwerender Umstände (z.B. vorliegende Vulnerabilität) in eine Situation der dauerhaften bzw. unabsehbaren Wohnlosigkeit geraten würde, in welcher er elementare Grundbedürfnisse nicht befriedigen könnte, wäre die rechtliche Erheblichkeitsschwelle des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK erreicht.
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Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geht das Gericht nicht davon aus, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr nach Belgien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine mit Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK unvereinbare Situation gerät. Als abgelehnter Asylbewerber stünde es dem Antragsteller nach einer Rückkehr nach Belgien frei, dort einen Folgeantrag zu stellen, der zunächst hinsichtlich seiner Zulässigkeit geprüft würde (vgl. EUAA [24.4.2023], Information on procedural elements and rights of applicants subject to Dublin transfer to Belgium, Rn. 2). Hinsichtlich des (absehbaren) Zeitraums der Prüfung der Zulässigkeit des Folgeantrags ist allerdings einzuräumen, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der verfügbaren Erkenntnismittel (wohl) nicht gelingen dürfte, Zugang zu einer staatlich betriebenen Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende zu bekommen. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Prüfung der Zulässigkeit des Folgeantrags um einen absehbaren Zeitraum handelt, dürften der Verweis auf die Inanspruchnahme zivilgesellschaftlicher und karitativer Hilfeleistungen grundsätzlich zumutbar sein, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass dies mit erheblichen Anstrengungen für den Antragsteller verbunden sein wird (vgl. etwa auch VG München, B.v. 21.5.2024 – M 22 S 24.50543 – juris/milo Rn. 26; VG Trier, B.v. 27.2.2024 – 2 L 623/24.TR – juris/milo). Soweit dagegen eingewandt wird, dass etwa auch Obdachlosenunterkünfte überlastet und nach einer Wartezeit lediglich kurzfristig eine Unterkunft bieten würden (so VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 14 S 24.50065 – juris Rn. 34), dürfte es in der Natur der Sache liegen, dass Obdachloseneinrichtungen generell nicht als längerfristige Unterkunft fungieren (können), unabhängig davon, dass damit ein Umstand beschrieben wird, der so nicht nur in Belgien vorkommen dürfte. Unabhängig davon ist anzumerken, dass der Antragsteller im persönlichen Gespräch gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin III-VO angegeben hat, Belgien verlassen zu haben, weil dort sein Asylantrag abgelehnt worden sei. Insoweit drängt sich (zunächst) eher der Eindruck auf, dass der Antragsteller Belgien verlassen hat, weil er sich in Deutschland bessere Chancen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung seines Asylantrags versprochen hat (vgl. ähnlich auch VG Göttingen, B.v. 17.5.2024 – 4 B 133/24 – juris/milo BA S. 3). Soweit er sich im gerichtlichen Verfahren nunmehr auf die in Belgien herrschende „Aufnahmekrise“ bezieht, sind wie oben ausgeführt in erster Linie seine persönlichen Umstände, und nicht diejenigen anderer Asylsuchender in Belgien zu berücksichtigen. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die in Belgien herrschende „Aufnahmekrise“ bestimmte Personen teils besonders hart trifft und diese auf der Straße schlafen (müssen), mit teils erheblichen gesundheitlichen Folgen, trifft dies nicht unterschiedslos auf alle alleinstehenden männlichen Asylsuchenden zu. Beim Antragsteller handelt es sich um eine Person, die bereits längere Zeit in Belgien gelebt und gearbeitet hat, demnach mit den dortigen Gegebenheiten vertraut sein muss. Nach eigener Aussage hat er, nachdem er im Dezember 2023 das Camp verlassen musste, für einige Wochen bei verschiedenen Freunden gewohnt, ab Januar 2024 sogar für drei Monate in der Wohnung eines Freundes. Das Gericht übersieht nicht, dass ein derartiger Zustand von erheblicher Unsicherheit für den Antragsteller geprägt ist, gleichwohl belegt dies aber auch, dass er sich nach dem Auszug aus der staatlichen Unterkunft im Dezember aus eigener Kraft zurechtfinden und sein Existenzminimum sichern konnte.
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Im Ergebnis ist damit zu konstatieren, dass der Antragsteller als Asylfolgeantragsteller zwangsläufig für einen absehbaren Zeitraum mit erheblichen Einschränkungen in der staatlichen Versorgung konfrontiert wäre, es ihm aber möglich und zumutbar ist, dies durch eigenen Einsatz und die Inanspruchnahme von Kontakten und zivilgesellschaftlicher Hilfen zu kompensieren. Ebenso erscheint es für das Gericht nicht zwangsläufig, dass abgelehnte und arbeitsfähige Asylsuchende wie der Antragsteller mit unüberwindlichen Hürden konfrontiert wären, sich in Belgien zum Beispiel mit Gelegenheitsarbeiten oder ähnlichem durchzuschlagen, um das Existenzminimum zu sichern (vgl. etwa VG Osnabrück, B.v. 18.6.2024 – 5 B 53/24 – juris/milo BA S. 6). Wie oben ausgeführt, verlangt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der vorzunehmenden Gefahrenprognose, dass derartige Möglichkeiten mitberücksichtigt werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 17).
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Dass Belgien von der in Art. 20 Abs. 1 Buchst. c RL 2013/33/EU statuierten Befugnis Gebrauch macht (vgl. EUAA, a.a.O., Rn. 1.4), die materielle Versorgung von Folgeantragstellenden einzuschränken oder zu entziehen, ist im Übrigen vom überstellenden Mitgliedstaat grundsätzlich hinzunehmen und kann daher für sich genommen nicht die beachtlich wahrscheinliche Gefahr einer Verletzung des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen. Sollte ein gestellter Asylfolgeantrag vom Antragsteller tatsächlich als unzulässig bzw. negativ von Belgien verbeschieden werden, wäre anzumerken, dass er sich dann ohne Aufenthaltsrecht in Belgien aufhalten würde und ausreisepflichtig wäre. Der Umstand, dass sein Asylantrag in Belgien abgelehnt worden ist, ist dabei vom überstellenden Mitgliedstaat ebenso hinzunehmen bzw. zu respektieren (vgl. EuGH, U.v. 30.11.2023, C-228/21, C-254/21, C-297/21, C-315/21 u. C-328/21 – juris Rn. 140 = ZAR 2023, 423/428). Erst recht kann nach der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht verlangt werden, dass die Gerichte des überstellenden Mitgliedstaats in eine dezidierte rechtliche Prüfung eintreten, ob das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats den Asylantrag der zu überstellenden Person juristisch zutreffend anhand der Kriterien der Anerkennungs-RL (RL 2011/95/EU) geprüft hat. Dem Antragsteller stünde im Übrigen auch unter Wahrung der verfahrensrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit offen, Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erheben (vgl. Art. 34 EMRK), sollte er mit den belgischen Gerichtsentscheidungen zu seinem Asylantrag nicht einverstanden sein. Sollte sich der Antragsteller trotz abgelehnten Asylfolgeantrags (und hiergegen erfolglos gebliebener gerichtlicher Verfahren) dazu entschließen, sich weiter unerlaubt in Belgien aufzuhalten, kann nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass ihn in diesem Zusammenhang treffende tatsächliche Umstände (auch) die vorhersehbare Folge seines eigenen Verhaltens wären.
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Nach allem folgt daher das Gericht mit der vorliegenden Bewertung nicht der oben zitierten, gegenläufigen Rechtsprechung der 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach und des Verwaltungsgerichts Arnsberg. Abgesehen davon, dass die Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles mit denen der genannten Verwaltungsgerichte nicht ohne Weiteres auf der Hand liegt, erscheint es jedenfalls denkbar, dass unter Berücksichtigung der oben genannten dargestellten Gefahrenmaßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 14 ff.) auch die gegenläufigen Bewertungen der beiden Gerichte in ihren konkreten Einzelfallen jedenfalls nicht zwingend (im Sinn eines einzig vertretbaren Ergebnisses) erscheinen.
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c) Individuelle in der Person des Antragstellers wurzelnde Umstände, welche die Antragsgegnerin zwingend zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO hätten veranlassen müssen (vgl. näher dazu BayVGH, B.v. 13.12.2023 – 24 ZB 23.50020 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 22 ff.), sind vom Antragsteller nicht dargelegt worden bzw. liegen nach Aktenlage auch nicht vor.
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3. Gründe, dass die Abschiebung nicht im Sinn von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchgeführt werden könnte, sind derzeit ebenso nicht ersichtlich, da im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt weder zielstaatsbezogene noch inländische Abschiebungshindernisse vorliegen (vgl. diesbezüglich zur Prüfungskonzentration beim Bundesamt: BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11). Insbesondere folgt angesichts der Tatsache, dass Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK die gleiche inhaltliche Tragweite haben (Art. 52 Abs. 3 GRCh), dass nach den obigen Ausführungen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Belgien vorliegt. Die Befristung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 18 Monate begegnet nach summarischer Prüfung ebenso keinen ernsthaften rechtlichen Bedenken (§ 114 Satz 1 VwGO).
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4. Das Gericht weist schon jetzt darauf hin, dass die weitergehenden Verpflichtungsanträge in Nummer 2 der Klageanträge allesamt unstatthaft sind. Nach ständiger Rechtsprechung sind die im vorliegenden Bescheid ergangenen Entscheidungen mit der Anfechtungsklage anzugreifen (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris Rn. 13). Ein „Durchentscheiden“ zur Begründetheit des Asylantrags (§ 13 Abs. 1 AsylG) ist im vorliegenden Verfahrensstadium, in dem es ausschließlich um die Zulässigkeit des Asylantrags des Antragstellers geht, asylverfahrensrechtlich nicht vorgesehen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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6. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylG).