Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 10.07.2024 – AN 17 S 24.30990
Titel:

rechtmäßige Abschiebungsandrohung bzgl. mehrerer Länder

Normenketten:
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 8, § 34
AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Oppositionelle Aktivitäten eines beninischen Staatsangehörigen in Togo begründen keine asylrelevante Verfolgung in Benin. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist die Abschiebung ausdrücklich in mehrere Länder angedroht, sind Abschiebungsverbote in Bezug auf jedes dieser Länder zu prüfen, auch wenn die Staatsangehörigkeit für diese Länder nicht gegeben sein sollte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylantragsteller mit beninischer Staatsangehörigkeit, Offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Vortrag, der nicht von Belang ist (Gefahr, die vom Staat Togo ausgeht bei einer Asylprüfung in Bezug auf Benin), Abschiebungsandrohung auch nach Nigeria und Niger – alternative Abschiebungsandrohungen auch möglich, wenn keine Bindung zu diesem Staat besteht, Kein Folgeantrag bei (später, aber erster) inhaltlichen Entscheidung über Asylantrag nach negativem Dublin-Verfahren, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Benin, Probleme mit dem Staat Togo, Abschiebungsandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17930

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der 1992 geborene Antragsteller stellte am 20. Dezember 2021 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und gab dabei an, beninischer Staatsangehöriger von der Volkszugehörigkeit Dendi und Moslem und in … (Niger) geboren zu sein. Als Land seines gewöhnlichen Aufenthalts gab er Benin an.
2
Aus der VIS-Datenbank ergibt sich, dass der Antragteller einen beninischen Reisepass, gültig vom 10. Februar 2017 bis 10. Februar 2023 hatte und vom französischen Konsulat ein Schengen-Visum, gültig vom 30. September 2021 bis 2. Januar 2022, erhalten hatte. Bei den Befragung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 20. Dezember 2021 und 25. Januar 2022 gab der Antragsteller an, von Benin am 2. November nach Paris geflogen zu sein und sich dort ca. eine Woche aufgehalten zu haben. Daraufhin erging nach Durchführung eines Aufnahmeverfahrens mit der Republik Frankreich durch das Bundesamt am 28. März 2022 ein auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO gestützter Unzulässigkeitsbescheid mit Abschiebungsanordnung nach Frankreich. Der Antragsteller tauchte in Folgezeit unter, sodass die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO ablief.
3
Bei seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 25. Januar 2022 gab der Antragsteller an, dass er sich die letzten sieben Monate vor seiner Ausreise aus Benin in … (Süd-Benin) bei einem Freund aufgehalten habe, zuvor bis März 2021 bei seinem Bruder in … (Nord-Benin) und davor von Dezember 2017 bis Ende Januar 2020 in … in Togo, wo seine Mutter lebe. Bis 2017 sei er zwölf Jahre lang in die Schule in … (Benin) gegangen. Er habe ca. zwei Jahre lang als selbständiger Elektriker gearbeitet. Zu seinen Asylgründen trug er vor, dass er Probleme mit dem Staat Togo habe, weil er „Militant“ der togoischen Partei PNP sei und die politischen Gruppe Tigre Revolution, die z.B. Verwüstungen organisiere, ihn ohne seine Zustimmung aufgenommen habe. Politisches Ziel sei gewesen, die Wahlen in Togo zu boykottieren. 2019 habe die Partei eine Demonstration in Togo organisieren wollen, die aber verboten worden sei. Am 26. Januar 2020 seien togoische Polizisten zu ihm gekommen und hätten ihn gewaltsam holen wollen. Er sei verdächtigt worden, Verwüstungen angerichtet zu haben. Er sei verletzt und mitgenommen worden, habe aber aus dem PKW flüchten können. Er sei darauf hin zu seinem Bruder nach … und von dort aus, weil die togoischen Polizisten auch dort nach ihm gesucht hätten, nach … Aus Benin ausgereist sei er, weil er von einem Freund erfahren habe, dass die togoische Polizei ca. einen Monat vor seiner Ausreise nach … gekommen sei, dort nach ihm gesucht habe und ihn habe verhaften wollen. Um sein Visum habe sich ein Freund gekümmert. Mit der beninischen Polizei oder einer beninischen Partei habe er keine Schwierigkeiten gehabt. Schutz durch die beninischen Behörden habe er nicht angefordert.
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Am 15. März 2024 nahm der Antragsteller – weil sein Zurückkommen auf seinen Asylantrag nach seinem Wiederauftauchen vom Bundesamt als Asylfolgeantrag gewertet worden ist – noch einmal schriftlich zu seinem Asylbegehren Stellung. Er machte dabei Angaben zu den politischen Verhältnissen und Ereignissen in Togo.
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Mit Bescheid vom 14. April 2024 hob das Bundesamt den Bescheid vom 28. März 2022 auf (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2). Ebenso wurden die Anträge auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 3 und 4). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 5) und drohte dem Antragsteller die Abschiebung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides – in erster Linie – in die Republik Benin, in die Republik Niger oder in die Bundesrepublik Nigeria an, falls er nicht freiwillig ausreise und setzte dabei den Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist aus, im Falle der fristgerechten Antragstellung darüber hinaus bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des gerichtlichen Eilantrags (Ziffer 6). Es ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7).
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein weiteres Asylverfahren nach § 71 Abs. 1 AsylG durchgeführt worden sei. Für den Antragsteller komme sowohl die beninische, als auch die nigrische und die nigerianische Staatsangehörigkeit, die der Antragsteller gegenüber den französischen Behörden angegeben habe, in Betracht. Unter Bezugnahme auf § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG und einen vom Antragsteller gestellten Folgeantrag wird ausgeführt, dass sich aus seinem Vorbringen keine Anhaltspunkte ergäben, dass ihm von beninischen, nigrischen oder nigerianischen Behörden asylrelevante Maßnahmen oder Gefahren drohen. Das Vorbringen des Antragstellers sei auch nicht von Belang im Sinne von „§ 30 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 31 Abs. 8 lit. a) Asylverfahrens-RL“, weil nicht ersichtlich und vorgetragen sei, dass die Staaten Benin, Nigeria und Niger nicht vor Angriffen togoischer Behörden schützen würden.
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Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 26. April 2024 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgerichts Ansbach (AN 17 K 24.30991), über die noch nicht entschieden ist, und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und „dem Kläger“ Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigte zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 29. April 2024,
den Antrag abzulehnen.
9
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024 wies die Antragstellerseite darauf hin, dass der Antragsteller allein die beninische Staatsangehörigkeit habe. Er sei in Niger geboren, wo sich seine togoische Mutter und sein beninischer Vater bei seiner Geburt aufgehalten hätten. Dass das Bundesamt fälschlicherweise von der nigerianischen Staatsangehörigkeit ausgehe, liege wohl an einem Übersetzungsfehler. Dem französischen Visum sei ein beninischer Pass zugrunde gelegen. Der Antragsteller habe sich während seines Untertauchens durchgehend in Deutschland aufgehalten. Im März 2024 sei die Aufhebung des Dublin-Bescheids und die Wiederaufnahme des Asylverfahrens beantragt worden, aber kein Folgeantrag gestellt worden. § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG greife deshalb nicht ein. Sein Vorbringen sei auch nicht ohne Belang im Sinne von „§ 30 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 31 Abs. 8 Nr. 1 Asylverfahrens-RL“. Die Frage, ob der Antragsteller in Benin vor togoischen Sicherheitskräften geschützt sei, müsse im Hauptsacheverfahren geprüft werden. Ein unsubstantiiertes Vorbringen genüge für eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet nicht. Eine Abschiebung nach Nigeria scheide aus, weil der Antragsteller keinen Bezug zu Nigeria habe. Der Bescheid vom 14. April 2024 sei im Wege der Aktenübermittlung am 19. April 2024 bekannt geworden und per Einschreiben am 23. April zugestellt worden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 14. April 2024 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, nachdem der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt, sondern die Abschiebungsandrohung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Der Antrag ist auch binnen Wochenfrist nach Bescheidsbekanntgabe (§§ 74 Abs. 1 Halbs. 2, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG), die frühestens am 19. April 2024 war, gestellt worden.
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2. Der damit zulässige Antrag ist jedoch unbegründet, da ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung im Ergebnis – trotz einiger Unzulänglichkeiten im Bundesamtsbescheid – nicht bestehen. Der Antrag des Antragstellers auf Asylanerkennung, auf Flüchtlingsschutz und subsidiären Schutz wurde im Ergebnis zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt, Abschiebungsverbote liegen in Bezug auf Benin, Niger und Nigeria nicht vor, die Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist von einer Woche nach § 36 Abs. 1 AsylG erging somit aller Voraussicht nach rechtmäßig.
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a) Die Prüfung des internationalen Schutzes hat in Bezug auf den Staat zu erfolgen, dessen Staatsangehörigkeit eine Person hat, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2a AsylG. Für den Antragsteller kann und muss die Prüfung somit in Bezug auf den Staat Benin, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, erfolgen. Der Antragsteller hat selbst angegeben, beninischer Staatsangehöriger zu sein, einen beninischen Vater gehabt zu haben, überwiegend und auch zuletzt in Benin gelebt zu haben, wo auch sein Bruder wohne. Es ist damit plausibel, dass er trotz seiner togoischen Mutter und trotz seiner Geburt in Niger tatsächlich – jedenfalls auch – die beninische Staatsangehörigkeit hat. Aus der VIS-Datenbank ergibt vor allem auch, dass der Antragsteller zur Beantragung des französischen Visums einen beninischen Reisepass, gültig von 10. Februar 2017 bis 10. Februar 2023 vorgelegt hat. Die beninische Staatsangehörigkeit ist damit ausreichend nachgewiesen.
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Ob es sich dabei um die einzige Staatsangehörigkeit des Antragstellers handelt, kann dahinstehen, da der Antragsteller – vgl .im Folgenden unter b) – nach Benin zurückkehren kann und dort vor asylrelevanten Gefahren sicher ist. Eine Entscheidung zum internationalen Schutz kann nur einheitlich ergehen. Kann ein Antragsteller in einen Staat seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren, entfällt aufgrund des Prinzips der Subsidiarität internationaler Schutz insgesamt (BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C 13/7 u.a. – juris Rn. 9; VG Ansbach, B.v. 1.12.2023 – AN 17 S 23.31518). Ein Schutzstatus kann also auch dann nicht gewährt werden, wenn die Rückkehr in einen anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit er innehat, nicht möglich wäre.
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Offenbleiben kann damit, ob der Antragsteller wirklich die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt und ihm bei einer Rückkehr nach Nigeria eine Gefahr nach § 3 oder § 4 AsylG drohen würde. Für das Bestehen der nigerianischen Staatsangehörigkeit bestehen nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Antragsteller entsprechende Angaben gegenüber den französischen Behörden gemacht habe, wie das Bundesamt im Bescheid ausführt, kann der Akte nicht entnommen werden. Es handelt sich dabei um eine nicht nachvollziehbare Annahme des Bundesamtes, aller Voraussicht nach eine Fehlannahme. Ein Asylverfahren wurde für den Antragsteller nach Aktenlage in Frankreich nämlich nicht durchgeführt, da es zu keiner Überstellung nach Frankreich im Aufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO gekommen ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine freiwillige Ausreise des Antragstellers nach Frankreich. Auch hat dieser dort – soweit aus der Akte ersichtlich ist – bei seiner Durchreise durch Frankreich im Jahr 2021 keinen Asylantrag gestellt; ein EURODAC-Treffer für Frankreich liegt nämlich nicht vor. Auch im Visumsverfahren hat der Antragsteller keine nigerianische Staatsangehörigkeit angegeben. Die Annahme des Bundesamtes ist damit rätselhaft und wohl falsch, aber auch unerheblich.
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Auch für das zusätzliche Bestehen der nigrischen Staatsangehörigkeit bestehen – außer seiner Geburt in Niger – keine ausreichenden Anhaltspunkte; auch dies kann aber, da er jedenfalls nach Benin zurückkehren kann, offenbleiben.
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b) Der Antragsteller leitet seine Verfolgungsangst ausschließlich vom togoischen Staat ab bzw. aus Umständen, die allein im Zusammenhang mit seinem – vermeintlichen – oppositionellen Tun in Togo stehen. Hieraus ergibt in Bezug auf den Staat Benin keine asylrelevante Gefahr. Er gibt zwar an, dass er von togoischen Sicherheitskräften gesucht und verletzt worden sei – wobei unklar ist, ob dies in Benin oder in Togo passiert ist –, er dann zu seinem Bruder nach … und anschließend nach … gegangen sei und er schließlich, weil auch in … nach ihm gefragt worden sei, Benin verlassen habe. Dieses – sehr unwahrscheinliche – Geschehen als wahr unterstellt, begründet es keine Verfolgungsgefahr oder eine Gefährdung nach § 4 AsylG durch den beninischen Staat. Ein Tätigwerden des beninischen Staats gegen ihn liegt nicht vor, auch kein Unterlassen des beninischen Staates, da der Antragsteller den Schutz der beninischen Sicherheitsbehörden nach seinem Vorbringen gar nicht gesucht hat. Es fehlt damit gänzlich an einem anknüpfbaren staatlichen Verhalten Benins. Es spricht auch nichts dafür, dass ein Schutz des Antragstellers, wenn er sich an die beninischen Sicherheitskräfte gewendet hätte, nicht möglich gewesen wäre.
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(1) Der Vortrag des Antragstellers ist damit auch ohne Belang i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG der aktuellen Fassung, die richtigerweise anzuwenden ist, weil über den Asylantrag des Antragstellers nach dem 26. Februar 2024 entschieden worden ist (vgl. zur Anwendbarkeit der Offensichtlichkeitstatbestände nach § 30 AsylG n.F. ab 27.2.2024 § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG n.F./Fassung nach Inkrafttreten des Rückführungsverbesserungsgesetzes vom 21.2.2024). Dass das Bundesamt den Offensichtlichkeitsausspruch auf § 30 Abs. 1 AsylG a.F. i.V.m. Art. 31 Abs. 8 lit a) Asylverfahrens-RL gestützt hat, ist zwar nicht richtig, materiell-inhaltlich entsprechen sich § 30 Abs. 1 AsylG a.F. in der Auslegung nach Art. 31 Abs. 8 lit a) Asylverfahrens-RL und § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG n.F. aber vollständig, so dass die Rechtsgrundlage ausgetauscht werden kann und kein auf das Ergebnis durchschlagender Fehler vorliegt.
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Nicht von Belang ist ein Vortrag dann, wenn aus diesem auch bei Wahrunterstellung, also unabhängig von einer Glaubhaftigkeitsprüfung, rechtlich klar kein Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG folgt (VG Ansbach, B.v. 24.11.2023 – AN 17 S 23.31446 – juris Rn. 20; B.v. 18.6.2024 – AN 17 S 24.31192). Für den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darf das Bundesamt die Glaubhaftigkeit des Vortrags nicht in Zweifel ziehen, sondern ist der Vortrag wie erfolgt als wahr, aber auch als vollständig zugrunde zu legen. Kommt eine Anerkennung rechtlich dann nicht in Betracht, ist der Vortrag nicht von Belang. Das ist hier der Fall. Eine fehlende Schutzbereitschaft des beninischen Staates (gegen eine Verfolgung des Antragstellers durch togoische Sicherheitskräfte) als alleiniger Anknüpfungspunkt für eine Gefahr durch den Staat Benin wurde vom Antragsteller nicht geltend gemacht und ist auch aus den Erkenntnismitteln zur allgemeinen Lage keinesfalls anzunehmen. Die Lage in Benin stellt sich wie folgt dar:
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Der Staat Benin ist seit Anfang der 1990er Jahren eine Republik mit demokratischen Strukturen, parlamentarischen Präsidialsystem und Volksouveränität, freien und geheimen Wahlen, Parteienpluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung [Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Benin, Gesamtaktualisierung vom 4.11.2029, letzte Informationen hinzugefügt am 27.4.2020 (Länderinformationsblatt), S. 5]. Benin ist eine der stabilsten Demokratien im subsaharischen Afrika (BFA, S. 5). Die Verfassung und Gesetze gewährleisten eine unabhängige Justiz (BFA, S. 7), Meinungs- und Pressefreiheit (BFA, S. 10), Religionsfreiheit (BFA, S. 12), Bewegungsfreiheit (BFA, S. 16), Gleichberechtigung von Männern und Frauen (BFA, S. 14) und verbieten Folter, unmenschliche Behandlung (BFA, S. 9) und Genitalverstümmelung (BFA, S. 15). Der Missbrauch durch Sicherheitskräfte steht unter Strafe. Wenn auch Korruption, tatsächliche Straffreiheit von Staatvertretern, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen für Straftäter und unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstranten vorkommen und ein Problem darstellen (BFA, S. 9 – 11), ist eine gezielte politische Verfolgung in Benin nicht zu erwarten und zu befürchten, auch nicht für ethnische oder religiöse Minderheiten (BFA, S. 12-14) oder wegen der sexueller Orientierung (BFA, S. 16).
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Von einer grundsätzlichen Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der beninischen Behörden ist damit auszugehen.
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(2) Nicht begründbar ist die Ablehnung des Asylbegehrens als offensichtlich unbegründet – wie das Bundesamt meint – allerdings nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG (der Art. 31 Abs. 8 lit. f) Asylverfahrens-RL entspricht). Danach ist das Offensichtlichkeitsurteil veranlasst, wenn aufgrund eines Folgeantrags nach § 71 Absatz 1 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a Absatz 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, das Asylbegehren aber abzulehnen ist. Einen Folgeantrag, der sich dadurch auszeichnet, dass nach einem abgeschlossenen ersten negativen Asylantrag ein weiterer Asylantrag gestellt wird (vgl. Art. 2 lit. q) Asylverfahrens-RL und § 71 Abs. 1 AsylG), hat der Antragsteller zu keiner Zeit gestellt, nur den Antrag vom 20. Dezember 2021, über den mit Bescheid vom 14. April 2024 erstmals inhaltlich entschieden wurde. Einer Wiederaufgreifensentscheidung durch das Bundesamt hat es nicht bedurft. Da die Prüfung durch das Bundesamt fortgesetzt worden ist, wirkt sich dies zwar nicht auf die Frage aus, ob ein Schutzstatus zu erteilen ist, der Offensichtlichkeitstatbestand nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG ist jedoch nicht erfüllt. Zu einem Folgeantrag kommt auch nicht unter Berücksichtigung des Dublin-Verfahrens. Mit dem Dublin-Bescheid vom 28. März 2022 wurde nämlich nicht in der Sache über das Asylbegehren entschieden, sondern nur über die Zuständigkeit für das Asylverfahren. Insoweit lag gerade kein neuer, sondern der gleiche Asylantrag vor, der nach Abschluss des Dublin-Verfahrens nunmehr, wenn auch spät, in der Sache entschieden worden ist. Da allerdings, wie vorstehend dargelegt, der Offensichtlichkeitstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gegeben ist, ist die zusätzliche fehlerhafte Heranziehung von § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG unerheblich.
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c) Es liegt für den Antragsteller auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
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(1) Für Benin besteht ein solches nicht. Zwar sind die humanitären Verhältnisse in Benin, einem der ärmsten Länder der Welt, für einen Teil der Bevölkerung sehr schlecht. Es leben etwa 40% der beninischen Bevölkerung in extremer Armut und die Grundversorgung der Bevölkerung wird nur durch den informellen Sektor gesichert. Außer Korruption und Gewalt belasten auch Analphabetismus, Bildungsschwäche und rasches Bevölkerungswachstum (BFA, S. 17) die Wirtschaft des Landes und können für den Einzelnen zu großer Armut führen. Auf Armut und in humanitärer Hinsicht prekäre Verhältnisse hat sich der Antragsteller jedoch nicht berufen. Der Antragsteller ist gesund und arbeitsfähig, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er in Benin für sich selbst sorgen kann, wie dies – nach seinem Vortrag – auch in der Vergangenheit der Fall war. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können rechtlich nur ganz ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 8 ZB 18.33221 – juris Rn. 11) und führen - schon wegen der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG – auch nur im Ausnahmefall zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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(2) Ein Abschiebeverbot liegt auch hinsichtlich Nigeria und Niger nicht vor. Da dem Antragsteller im Bescheid vom 14. April 2024 nicht nur die Abschiebung nach Benin, sondern alternativ auch nach Nigeria und Niger angedroht worden ist, ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch im Hinblick auf diese Staaten zu prüfen. Die Abschiebungsandrohung ist nur dann rechtmäßig, wenn die Abschiebung auch dorthin nicht zu beanstanden ist. Ist die Abschiebung ausdrücklich in mehrere Länder angedroht, ist mit einer Abschiebung in diese Länder grundsätzlich zu rechnen (VG Cottbus, U.v. 1.3.2019 – 6 K 272/17.A – juris; VG Augsburg, U.v. 3.4.2019 – Au 6 K 19.30157 – juris Rn. 38) und sind deshalb Abschiebungsverbote in Bezug auf diese Länder zu prüfen, auch wenn die Staatsangehörigkeit für diese Länder nicht gegeben sein sollte. Ob eine Anknüpfung für eine Abschiebung in das angedrohte Land besteht und eine Abschiebung in das angedrohte Land auch realistisch ist, spielt hingegen keine Rollte. Eine fehlende Verbindung des Betroffenen zu diesen Staaten macht die Abschiebungsandrohung dorthin nicht rechtswidrig. Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, er soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Übernahme verpflichtet sei. Daraus wird geschlossen, dass auch die Androhung der Abschiebung in mehrere Staaten alternativ möglich ist und zwar auch unabhängig davon, ob der Antragsteller eine Bindung zu diesen Staat hat und ob eine Bereitschaft des angedrohten Staates zur Aufnahme besteht (BeckOK, Ausl/Pietzsch AsylG § 34 Rn. 31 und 31a m.w.N.). Die Grenze liegt jedoch dort, wo feststeht, dass eine Abschiebung in diesen Staat auf unabsehbare Zeit nicht möglich sein wird, wenn also eine reine „Androhung auf Vorrat“ vorliegt (BeckOK, Ausl/Pietzsch AsylG § 34 Rn. 31 und 31a m.w.N.). Dies kann aber weder für Nigeria noch für Niger festgestellt werden. Zum Staat Niger hat der Antragsteller durch seine Geburt eine Verbindung, die ihm eventuell – was aber ungeklärt ist – auch die nigrische Staatsangehörigkeit vermittelt. Zum Nachbarland Nigeria besteht für den Antragsteller als Zugehöriger der Volksgruppe der Dendi, die ihren Siedlungsraum auch in Teilen von Nigeria haben, eine (mögliche) Beziehung, auch wenn für das Vorliegen der nigerianischen Staatsangehörigkeit entgegen der Ausführungen des Bundesamts keine Hinweise bestehen. Eine Ausreise nach Nigeria und der mögliche Verbleib für den Antragsteller dort, ist jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen.
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(aa) Bei Nigeria handelt es sich um ein in wirtschaftlicher Hinsicht prekäres Land, in dem die Bevölkerung zum Teil in großer Armut lebt. Als erwachsener und gesunder Mann, der der Volksgruppe der Dendi angehört, die insbesondere im Südwesten des Landes (entlang der Grenze zu Benin) ihr Siedlungsgebiet hat und dort auch nicht von den schwierigeren politischen Verhältnissen im Norden des Landes betroffen ist, kann dem Antragsteller eine Einreise bzw. Niederlassung in Nigeria durchaus zugemutet werden und erwartet werden, dass er angesichts seiner schulischen und beruflichen Bildung dort ein menschenwürdiges Auskommen finden würde. Auch für Nicht-Staatsangehörige bestehen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel (insbes. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria, Stand Okt. 2022; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Nigeria, Version 10 vom 22.11.2023) keine Anhaltspunkte dafür, dass dort – kurz- oder langfristig – eine unmenschliche Behandlung oder Situation droht. Sollte dem Antragsteller in Nigeria mangels Staatsangehörigkeit ein Daueraufenthalt nicht möglich sein, steht es ihm frei, in das Nachbarland und sein Heimatland Benin auszureisen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
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(bb) Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit dem Staat Niger. Nach dem Militärputsch Ende Juli 2023 befindet sich Niger in einem politischen Umbruch (Konrad Adenauer Stiftung, Länderbericht: Niger nach dem Putsch – Sollte Europa mit den Militärs zusammenarbeiten? von Oktober 2023); die Lage ist politisch unübersichtlich, die Grenzen zu Benin sind geschlossen. Es herrscht insbesondere in der Hauptstadt Niamey erhöhte Kriminalität (Auswärtiges Amt, Reise- und Sicherheitshinweise zu Niger, abgerufen am 9.7.2024). Von einer gravierenden Verschlechterung der humanitären Lage, die einer Niederlassung dort auch für gesunde und arbeitsfähige Personen entgegenstünde und die reale Gefahr von unmenschlichen Lebensbedingungen für den Antragsteller als Dendi, einer Volksgruppe, die auch in Niger beheimatet ist, mit sich bringt, kann aktuell jedoch nicht ausgegangen werden. Auch der Antragsteller bringt insoweit nichts vor.
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d) Die Abschiebungsandrohung leidet auch nicht unter einem sonstigen Fehler. Insbesondere hat das Bundesamtes durch die Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsandrohung bis zu einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 19.6.2018 – C 181/16 „Gnandi“ – NVwZ 2018, 1625) Rechnung getragen. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG. Inlandsbezogene Abschiebungshindernis sind nicht ersichtlich.
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Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bestehen damit im Ergebnis nicht.
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3. Die Kostenfolge des im Ergebnis damit abzulehnenden Antrags ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
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4. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten wird auch der – nach Auslegung auch für das Eilverfahren gestellte – Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren abgelehnt § 166, §§ 114 ff. ZPO, ohne dass es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers kommt.
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5. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.