Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 19.06.2024 – AN 16 K 23.294
Titel:

Rückforderung überzahlter Dienstbezüge

Normenketten:
BBesG § 12 Abs. 2
BGB § 194 Abs. 1, § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, § 214 Abs. 1, § 812 Abs 1 S. 1, § 818 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4
Leitsätze:
1. Auf Grund der ihm obliegenden Treuepflicht ist der Empfänger von Bezügen verpflichtet, einen Festsetzungsbescheid oder eine ihm sonst zugeleitete aufgeschlüsselte Berechnungsgrundlage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Offensichtlich ist der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheids dann, wenn dem Empfänger auf Grund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass diese fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen oder es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelmäßig genügt es der Billigkeit, wenn dem Verpflichteten Rückzahlungsraten eingeräumt werden, deren Höhe zum einen dem insgesamt zu erstattenden Betrag und zum anderen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des bereicherten Besoldungsempfängers angemessen Rechnung tragen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Dienstherr ist nicht gehalten, im Rahmen der Verjährungsfrist oder anlässlich der Besoldungsänderungen eine anlassunabhängige Kontrolle der übrigen Besoldungsparameter vorzunehmen. (Rn. 32 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung überzahlter Bezüge, Verjährung nach zehnjähriger Verjährungshöchstfrist, kein Organisationsverschulden des Dienstherrn, Rückforderung, überzahlte Bezüge, Verjährung, zehnjährige Verjährungshöchstfrist, Organisationsverschulden, Dienstherr, ungerechtfertigte Bereicherung, Entreicherung, grob fahrlässige Unkenntnis, Billigkeitsentscheidung, Höhe, Teilzeitanteil, Rückzahlungsraten, Verjährungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17929

Tenor

1. Ziffer 1 des Bescheides vom 15. August 2022, Az. …, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2023 wird aufgehoben, soweit der Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum Januar 2008 bis einschließlich August 2012 ohne Rechtsgrund zu viel gezahlte Besoldung zurückfordert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der / Die jeweilige Vollstreckungsschuldner / in kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der / die jeweilige Vollstreckungsgläubiger / in vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Dienstbezüge.
2
Die Klägerin steht als Oberbahnsekretärin im Dienst des Beklagten und ist bei der … eingesetzt.
3
Mit Schreiben vom 29. April 2021 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass im Zusammenhang mit der Genehmigung ihres Antrags auf Verlängerung der Teilzeitbeschäftigung vom 3. März 2021 aufgefallen sei, dass sie seit 1. Januar 2008 einen Teil ihrer Besoldung ohne rechtlichen Grund erhalten habe. Es sei für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. März 2021 ein Gesamtbetrag von 29.073,03 EUR überbezahlt worden. Der Klägerin werde die Gelegenheit gegeben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.
4
Die Klägerin teilte mit, ihr sei zu keiner Zeit bewusst gewesen, dass sie zu viel Geld bekommen habe. Sie berufe sich auf den Wegfall der Bereicherung und bitte um Prüfung, ob nicht ohnehin ein Teil der Rückforderung verjährt sei, insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass dem Beklagten die Reduzierung ihrer Arbeitszeit von Anfang an bekannt gewesen sei. Ihre persönlichen Verhältnisse sähen wie folgt aus: Sie wohne mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einer Mietwohnung, ihr Ehemann habe einen Nettoverdienst von rund … EUR und befinde sich noch bis Ende Juli 2022 in Kurzarbeit. Der Sohn werde im Herbst ein Studium beginnen und habe keinen eigenen Nebenverdienst. Sie selbst habe keine Geldanlagen oder andere besondere Werte. Sie habe monatliche wiederkehrende Abgänge von ca. … EUR, dazu allgemeine Lebenshaltungskosten von ca. … EUR. Die Zugänge lägen bei … EUR (… EUR Gehalt, … EUR Kindergeld, … EUR Anteil zur Miete von ihrem Ehemann). Am Monatsende gehe es immer etwa „Null auf Null“ auf. Sie könne monatlich höchstens zwischen 50,00 und 100,00 EUR zurückzahlen.
5
Mit Bescheid vom 15. August 2022 forderte der Beklagte für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich März 2021 Besoldung in Höhe von 28.513,47 EUR in Raten von 212,00 EUR von der Klägerin zurück. Für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich März 2021 habe sich eine Überzahlung in Höhe von 29.073,03 EUR brutto ergeben. In diesem Zeitraum habe die Klägerin eine Besoldung für eine Teilzeitbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden 0 Minuten (56%) erhalten, obwohl ihre tatsächlich genehmigte Teilzeitbeschäftigung seit 1. Januar 2008 nur 20 Stunden 30 Minuten (50%) betragen habe. Gleichzeitig habe die im Rahmen der festgestellten Überzahlung erfolgte Kontrolle der Besoldungsmitteilungen ergeben, dass auch für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 die Besoldung nicht gemäß dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang erfolgt sei. Die Klägerin habe lediglich Besoldung für einen Beschäftigungsumfang von 50% erhalten, so dass ihr für diese vier Monate eine zu geringe Besoldung von insgesamt 559,56 EUR ausgezahlt worden sei. Der exakte Auslöser für die Falschzahlungen vom 1. September 2007 bis 31. März 2021 sei letztlich nicht mehr zu ermitteln gewesen. Vermutlich sei im Zusammenhang mit der befristeten Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 eine fehlerhafte Eingabe in das Computerprogramm für die Besoldung erfolgt, was sowohl die Ursache für die Minderzahlungen als auch für die anschließenden langjährigen Überzahlungen gesetzt habe. Erst durch die Verlängerung der Teilzeitbeschäftigung im März 2021 und die damit erforderlichen Eingaben sei im Abrechnungssystem die Falschzahlung offensichtlich geworden.
6
Die Rückforderungsansprüche seien noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Dienstherr von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (Besoldungsempfänger) Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Bei Behörden sei entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zuständige Stelle mit Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt habe. Das für die Rückforderung zuständige Sachgebiet 11 des Beklagten habe erst im März 2021 von dem Überzahlungstatbestand erfahren. Die Verjährungsfrist für die gesamte Überzahlung beginne somit erst mit Ablauf des 31. Dezember 2021.
7
Die Klägerin könne sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da sie die Überzahlung hätte erkennen müssen und wegen Offensichtlichkeit der Falschzahlungen verschärft hafte. Sie hätte auf Grund der befristeten Erhöhung ihrer Teilzeitbeschäftigung im Jahr 2007 ihre damaligen Bezügemitteilungen besonders daraufhin überprüfen müssen, ob die Änderung ihrer Arbeitszeit auch bei der Besoldung Berücksichtigung gefunden habe. Hierfür sei keinerlei besoldungsrechtliches Spezialwissen erforderlich. Dass die Bezüge bei Teilzeitbeschäftigung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt werden, gehöre zu den Grundprinzipien des Besoldungsrechts und sei besoldungsrechtliches Grundwissen, das von der Klägerin auf Grund ihrer Kenntnisse als Beamtin des mittleren Dienstes erwartet werden könne. Sie sei auch in den Genehmigungsschreiben der … auf dieses Prinzip hingewiesen worden. Auf jeder Bezügemitteilung sei ihr Beschäftigungsumfang in Stunden und Minuten pro Woche angegeben. Schon alleine der Blick auf die angegebenen Wochenstunden wäre ausreichend gewesen, um zu erkennen, dass die Bezügezahlung auf Grundlage eines falschen Beschäftigungsumfanges erfolgt sei. Es wären keinerlei Berechnungen nötig gewesen, um bereits dadurch die Falschzahlungen zu bemerken. Es hätte sich der Klägerin aber auch zusätzlich anhand der angegebenen Höhe der Bruttobesoldung aufdrängen müssen, dass es nicht korrekt sein könne, dass sie in den Monaten September 2007 bis Dezember 2007 trotz Erhöhung ihres Teilzeitumfanges von 50 auf 56% weiterhin Besoldung in gleichbleibender Höhe erhalten habe. Ebenso hätte die Klägerin bemerken müssen, dass im Monat Januar 2008 die Höhe der Besoldung gegenüber dem Vormonat angestiegen sei, obwohl sie ihre tatsächliche Wochenarbeitszeit wieder reduziert habe. Innerhalb des Zeitraumes 09/2007 bis 03/2021 hätten außerdem sehr viele besoldungsrelevante Änderungen stattgefunden, die darüber hinaus auch Anlass für eine genauere Überprüfung der Bezügemitteilungen gegeben hätten (z.B. 17 Besoldungserhöhungen, Aufstiege in der Dienstaltersstufe). Wäre die Klägerin ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen, hätten die langanhaltenden Überzahlungen verhindert werden können. Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 im Zusammenhang mit einer anderen Rückforderung explizit auf ihre Pflicht hingewiesen worden sei, Bezügemitteilungen auf deren Richtigkeit zu überprüfen.
8
Es bestehe der gesetzliche Grundsatz der Rückforderung. Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG könne aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Bei der Festsetzung des zurückzufordernden Betrages habe der Beklagte berücksichtigt, in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden der Klägerin bzw. des Beklagten für die Überzahlung ursächlich gewesen sei. Der Beklagte habe vermutlich durch eine fehlerhafte Eingabe in das Besoldungssystem die Ursache für die Falschzahlung gesetzt. Derartige Fehler ließen sich im Rahmen der Massenverwaltung nicht gänzlich vermeiden, so dass das Verschulden des Beklagten nur als gering zu bewerten sei. Demgegenüber stehe die in den Abrechnungsmonaten Januar 2008 bis März 2021 verletzte Pflicht der Klägerin, die Bezügemitteilungen auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Das Verschulden der Klägerin an der Höhe der Überzahlung sei als überwiegend zu bewerten. Da von einer Rückforderung der Überzahlung nur dann teilweise abgesehen werden könne, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden Verantwortung der Behörde liege, sei vorliegend der Überzahlungsbetrag in voller Höhe zurückzufordern. Zu Gunsten der Klägerin werde jedoch berücksichtigt, dass sie auf Grund ihrer unterlassenen Prüfung auch nicht bemerkt habe, dass sie für die Monate September 2007 bis Dezember 2007 559,56 EUR zu wenig Besoldung erhalten habe. Zwar sei ihr Anspruch auf Nachzahlung bereits verjährt, in Abwägung der Umstände werde die Rückforderungssumme von 29.073,03 EUR jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht um diesen Betrag reduziert, so dass der rückgeforderte Betrag noch 28.513,47 EUR betrage. Auf die Erhebung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz werde verzichtet.
9
Bei den Modalitäten der Rückzahlung des Rückforderungsbetrages seien die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin und ihre aktuellen von ihr mitgeteilten Lebensumstände berücksichtigt worden. Bei der Ermittlung des angemessenen Ratenbetrages sei auch das Pfändungsrecht/Insolvenzrecht berücksichtigt worden. Hierbei ergebe sich bei einer fiktiven Vollzeitbeschäftigung der Klägerin ein zu berücksichtigendes Nettoeinkommen in Höhe von … EUR und ein pfändbarer Betrag von 212,13 EUR. Zwar habe die Klägerin angegeben, dass sie maximal 50,00 EUR bis 100,00 EUR monatlich zurückzahlen könne, jedoch habe sie die Möglichkeit, auf Antrag ihren Beschäftigungsumfang soweit zu erhöhen, dass sie die zusätzliche finanzielle Belastung aus der monatlichen Rückzahlungsrate durch ein erhöhtes Einkommen wieder vollständig ausgleichen könne. Bei dem seitens der Klägerin vorgeschlagenen Ratenbetrag wäre eine Rückzahlung des Überzahlungsbetrages nur über einen extrem langen Zeitraum von mindestens 23 Jahren möglich und würde sich sogar weit bis in ihren Ruhestand hineinziehen. Dem Interesse des Beklagten an einer angemessenen Dauer für die Rückzahlung werde dadurch nicht ausreichend Rechnung getragen. Bei Rückforderungen werde in der Regel ein Rückzahlungszeitraum als angemessen erachtet, der etwa dem Überzahlungszeitraum entspreche. Dieser habe hier 13 Jahre und 3 Monate betragen. Die monatliche Überzahlung habe im Überzahlungszeitraum zwischen 148,00 EUR und 212,00 EUR gelegen. Die festgesetzte Ratenhöhe liege im Bereich der monatlichen Überzahlung, so dass der Rückzahlungszeitraum in etwa dem Überzahlungszeitraum entspreche.
10
Mit Schreiben des Bevollmächtigten hat die Klägerin am 29. August 2022 Widerspruch gegen den Bescheid erhoben.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2023 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
12
Über ihren Bevollmächtigten hat die Klägerin am 13. Februar 2023 Klage erheben lassen. Sie berufe sich auf den Einwand der Entreicherung. Die einzelnen Beträge, die die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum angeblich zu Unrecht erhalten habe, würden monatlich nicht den Betrag von 250,00 EUR übersteigen, so dass ohne weitere Ausführungen davon auszugehen sei, dass das erhaltene Geld bereits verbraucht sei und sich nicht mehr in ihrem Vermögen befinde. Im Rahmen der Anhörung habe die Klägerin glaubhaft erklärt, dass sie keine Möglichkeit habe, Geld anzusparen und auch sonst keinerlei finanzielle Rücklagen vorlägen. Es liege keine verschärfte Haftung vor. Insbesondere könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden, dass sie den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung gekannt habe oder dass die Fehlerhaftigkeit der Bezügemitteilungen so offensichtlich gewesen sei, dass sie dies hätte erkennen müssen. Die Klägerin habe insoweit auch nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass es zu den Sorgfaltspflichten von Beamtinnen und Beamten gehöre, ihre Bezügemitteilungen auf deren Richtigkeit zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten. Demgegenüber stehe allerdings die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wonach auch er dafür verantwortlich sei, dass der jeweilige Beamte in gesetzlicher Höhe besoldet bzw. im Ruhestand versorgt werde. Hieraus resultiere letztlich auch die Pflicht des Dienstherrn, die Besoldung und Versorgung korrekt zu berechnen. Der Beamte dürfe sich auch darauf verlassen, da es hierfür Fachleute in den Besoldungsämtern gebe. Wie der Beklagte selbst ausführe, sei es in dem streitgegenständlichen Überzahlungszeitraum zu zahlreichen Änderungen der Besoldung der Klägerin gekommen. Es habe damit also auch seitens des Beklagten viele Möglichkeiten gegeben, die Richtigkeit der Bezüge der Klägerin zu überprüfen und gegebenenfalls eine Anpassung vorzunehmen. Des Weiteren sei es mit Bescheid vom 28. November 2017 zu einer Rückforderung zu viel erstatteter Krankenversicherungsbeiträge gekommen, auch dieser Vorgang habe genügend Anlass gegeben, die Bezüge der Klägerin zu überprüfen. Da es dem Beklagten nicht aufgefallen sei, dass eine Überzahlung vorliege, könne dies auch der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Insbesondere könne sich der Beklagte nicht dadurch von einer weit überwiegenden Verantwortlichkeit freisprechen, indem er erkläre, es handele sich bei den Bezügezahlungen um massenhafte Zahlungsvorgänge.
13
Hilfsweise erhebe die Klägerin die Einrede der Verjährung. Die Verjährung habe nicht erst am 31. Dezember 2021 zu laufen begonnen. Da es bereits in der Vergangenheit zu zahlreichen Anpassungen der Bezüge der Klägerin gekommen sei, hätte infolge dieser auffallen müssen, dass es zu einem Fehler gekommen sei, der dazu geführt habe, dass ab Januar 2008 eine Überzahlung vorgelegen habe. Es sei dem Beklagten daher zumindest vorzuwerfen, dass die den Rückforderungsanspruch begründenden Kenntnisse grob fahrlässig nicht erlangt worden seien.
14
Die Klägerin beantragt,
Den Bescheid vom 15. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2023 aufzuheben.
15
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
16
Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 150 Bezügemitteilungen erhalten; es wären keinerlei Berechnungen notwendig gewesen, um die Falschzahlungen zu erkennen. Im Zusammenhang mit der Rückforderung von Krankenversicherungsbeiträgen habe nur geringer Anlass bestanden zu prüfen, ob die Teilzeit der Klägerin korrekt umgesetzt worden sei. Es handele sich um völlig unterschiedliche besoldungsrelevante Parameter. Innerhalb des Zeitraums 09/2007 bis 03/2021 hätten zwar sehr viele besoldungsrelevante Änderungen stattgefunden, die für die Klägerin Anlass für eine genauere Überprüfung der Bezügemitteilungen gewesen wären, bei dem Beklagten sei in diesem Zusammenhang jeweils überprüft worden, ob z.B. die Besoldungserhöhung prozentual korrekt umgesetzt oder die Erfahrungsstufe berücksichtigt worden seien. Mangels Änderung der Teilzeithöhe bei der Klägerin sei diese dabei jedoch nicht zusätzlich auf Richtigkeit überprüft worden. Bei regelmäßig über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden besoldungsrelevanten Parametern, z.B. der Steuerklasse, der Erfahrungsstufe oder des Teilzeitanteils, könne nicht bei jeder Besoldungsmitteilung eine eingehende Prüfung der Richtigkeit aller Parameter erfolgen, sondern erst bei deren Änderung. Es bestehe insbesondere auf Grund der Masse der Besoldungs- und Versorgungszahlungen des Beklagten auch keine Pflicht, bei der Änderung eines Besoldungsbestandteils alle übrigen besoldungsrelevanten Parameter, die Einfluss auf die Besoldung haben könnten, auf potentielle Fehler zu überprüfen. Der Beklagte betreue ca. 16.700 aktive Beamtinnen und Beamte sowie ca. 131.000 Versorgungsempfänger und Versorgungsempfängerinnen. Der Beklagte wende bei der Besoldungs- und Versorgungsberechnung und deren Auszahlung trotz der großen Zahl an Vorgängen höchste Sorgfalt an. Der Einsatz von Fachleuten verhindere weder mögliche versehentliche Eingabefehler in Computersysteme noch entbinde er die Klägerin von ihrer Pflicht zur Prüfung ihrer Besoldungsmitteilungen. Bei im Rahmen der Massenverwaltung erfolgenden Überzahlungen, deren Ursache – wie hier – in einem Fehler des behördlich verwendeten Computersystems oder in einem Eingabefehler lägen, sei ohne Hinzutreten verschärfender Umstände allenfalls von einem ganz geringen Verschulden auf Seiten der Behörde auszugehen, weil es sich bei derartigen Fehlern um im Rahmen der Massenverwaltung auch bei Anwendung größter Sorgfalt nicht gänzlich zu vermeidende Fehler handele. Die Klägerin habe ihre Sorgfalt vorliegend in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen und hafte folglich verschärft, so dass sie sich auf den Einwand der Entreicherung nicht berufen könne. Der Auffassung der Klägerin, die Verjährung habe nicht erst mit Ablauf des 31. Dezember 2021 zu laufen begonnen, sei nicht zu folgen. Das für die Rückforderung zuständige Sachgebiet 11 (Beamten- und Laufbahnrecht) habe erst im März 2021 von dem Überzahlungstatbestand erfahren. Das Sachgebiet 11 sei nicht für die Umsetzung von Besoldungsänderungen auf Grund von regelmäßigen Besoldungserhöhungen, Aufstieg in Dienstaltersstufen o.ä. zuständig. Diese Besoldungsanpassungen würden vom Sachgebiet 35 (Bezügeabrechnung, Pfändungen) in eigener Zuständigkeit durchgeführt. Sie würden keinerlei Mitwirkung des Sachgebiets 11 erfordern. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass das Sachgebiet 11 weder die Pflicht noch die technischen Möglichkeiten und Zugriffsrechte habe, um im Rahmen der Massenverwaltung die korrekte Umsetzung von Besoldungsänderungen zu prüfen. Bei Änderungen des Teilzeitumfanges erteile das Sachgebiet 11 an das Sachgebiet 35 eine Kassenanweisung, ab welchem Zeitpunkt die Besoldung in welchem prozentualen Umfang zu zahlen sei. Die Kassenanweisung anlässlich der Genehmigung der befristeten Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 sei seitens des Sachgebiets 11 nachweislich mit Schreiben vom 7. September 2007 – … – korrekt erteilt und von dem zuständigen Sachbearbeiter des Sachgebiets 35 abgezeichnet worden. Auch die Eingabe in das System sei seitens des Sachgebiets 11 mit den korrekten Zeiträumen und dem korrekten Beschäftigungsumfang erfolgt. Dass die Kassenanweisung fehlerhaft umgesetzt worden sei, sei dem Sachgebiet 11 bis März 2021 nicht bekannt gewesen. Dem für den Rückforderungsanspruch zuständigen Sachgebiet 11 könne demnach keine grobe fahrlässige Unkenntnis angelastet werden.
17
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. Juni 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen die Rückzahlung bereits verjährter Rückzahlungsansprüche des Beklagten für Januar 2008 bis einschließlich August 2012 wendet, im Übrigen ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
19
1. Die Klage ist erfolgreich, soweit sich die Klägerin gegen die Rückzahlung zu viel erhaltener Besoldung im Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich August 2012 wendet. Diese Rückforderungsansprüche des Beklagten sind gemäß § 194 Abs. 1 i.V.m. § 199 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verjährt. Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2023 ist insoweit aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung von überzahlten Bezügen liegen dem Grunde nach vor (vgl. im Folgenden a) bis c)), allerdings ist ein Teil der Rückforderungsansprüche des Beklagten (Januar 2008 bis einschließlich August 2012) bereits verjährt, sodass die Klägerin die Rückzahlung insoweit verweigern kann (vgl. im Folgenden d)).
21
a) Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor.
22
Vom 1. Januar 2008 bis 31. März 2021 gewährte der Beklagte der Klägerin ohne Rechtsgrund Bezüge in Höhe von 29.073,03 EUR. Obwohl die seitens der Klägerin ausgeübte Teilzeitbeschäftigung seit 1. Januar 2008 lediglich 20 Stunden 30 Minuten (50%) betragen hat, erhielt die Klägerin von Januar 2008 bis einschließlich bis 31. März 2021 Besoldung für eine Teilzeitbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden 0 Minuten (56%). Die Berechnung der Überzahlung ist zwischen den Beteiligten unstreitig und rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB hat die Klägerin das rechtsgrundlos Erlangte herauszugeben bzw. gemäß § 818 Abs. 2 BGB den (Geld-)Wert des Erlangten zu ersetzen.
23
b) Die Klägerin kann sich gegen den Herausgabeanspruch nicht auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB, d.h. den Einwand, sie habe das erlangte Geld bereits verbraucht, berufen.
24
Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes gemäß § 818 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Gemäß § 818 Abs. 4 BGB haftet der Empfänger von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an nach den Allgemeinen Vorschriften. Gemäß Ziffer 12.2.8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) vom 19. November 2020 kann sich der Besoldungsempfänger auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen, wenn er verschärft haftet, u.a. deshalb, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des der Zahlung zugrundeliegenden Bescheids beim Empfang der Bezüge kannte oder ihn nachträglich erfuhr. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Gemäß Ziffer 12.2.8.4 Satz 2 BBesGVwV ist das dann der Fall, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheids nur deswegen nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat, er mithin den Fehler etwa durch Nachdenken, logische Schlussfolgerung oder sich aufdrängende Erkundigungen hätte erkennen müssen (grob fahrlässige Unkenntnis, BVerwG, U.v. 28.6.1990 – 6 C 41.88, U.v. 9.5.2006 – 2 C 12.05). Gemäß Ziffer 12.2.8.4 Satz 3 bis 8 BBesGVwV ist dabei insbesondere auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers zur Prüfung der ihm zuerkannten Bezüge abzustellen. Ob die für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung der Bezüge zuständige Stelle selbst die ihr obliegende Sorgfalt verletzt hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich; dies kann allenfalls im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG von Bedeutung sein. Auf Grund der ihm obliegenden Treuepflicht ist der Empfänger von Bezügen verpflichtet, einen Festsetzungsbescheid oder eine ihm sonst zugeleitete aufgeschlüsselte Berechnungsgrundlage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Offensichtlich ist der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheids dann, wenn dem Empfänger auf Grund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass diese fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen oder es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11).
25
Nach diesen Maßgaben hätte die Klägerin den Mangel des rechtlichen Grundes der Überzahlungen von 1. Januar 2008 bis 31. März 2021 erkennen müssen, da die Fehlerhaftigkeit der Zahlungen sich aus den jeweiligen Bezügemitteilungen offensichtlich ergeben hat. Auf den Bezügemitteilungen, die die Klägerin in dem Überzahlungszeitraum monatlich erhalten hat, war die Höhe des Teilzeitanteils („Laufender Monat Dienstbezüge wegen Teilzeit (23 Std: 0Min/ Woche)“) jeweils offensichtlich erkennbar falsch ausgewiesen. Ohne jegliche Kenntnisse vom Besoldungsrecht hätte die Klägerin erkennen können, dass der auf den Bezügemitteilungen erhaltene Teilzeitanteil nicht mir ihrer tatsächlich ausgeübten und genehmigten Teilzeit übereinstimmt. Sie hätte dies ohne weitere Berechnungen oder Nachfragen selbst erkennen können. Ihr hätte auffallen müssen, dass der ausgewiesene Teilzeitanteil auf Grund der geänderten Teilzeit zum 1. Januar 2008 bis einschließlich 31. März 2021 nicht stimmt und statt 23 Stunden lediglich 20 Stunden 30 Minuten beträgt. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Bezügemitteilungen und die Rechtsgrundlosigkeit der erhaltenen Zahlungen nur deswegen nicht erkannt hat, weil sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat, indem sie ihre Bezügemitteilungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht im Ansatz überprüft hat.
26
c) Die gemäß Ziffer 12.2.12 BBesGVwV vor einer Rückforderung zwingend zu treffende Billigkeitsentscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
27
Die Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den bereicherten Besoldungsempfänger tragbare Lösung zu erreichen. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des herausgabepflichtigen Besoldungsempfängers maßgeblich zu berücksichtigen. Dabei ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und dabei vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung (z.B. Stundung) und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des bereicherten Besoldungsempfängers abzustellen (Angaben aus Anhörung). Entscheidend ist dabei die Lage des Besoldungsempfängers im Zeitpunkt der Rückabwicklung. Regelmäßig genügt es der Billigkeit, wenn dem Verpflichteten Rückzahlungsraten eingeräumt werden, deren Höhe zum einen dem insgesamt zu erstattenden Betrag und zum anderen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des bereicherten Besoldungsempfängers angemessen Rechnung tragen. Ist die Überzahlung auf Grund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens des Besoldungsempfängers entstanden, so kann im Rahmen der Billigkeitsentscheidung grundsätzlich nicht von der Rückforderung abgesehen werden. Bei der Durchführung der Billigkeitsprüfung sind zunächst die Billigkeitsgründe zu erfassen und anschließend eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. zu alledem: Ziffern 12.2.12.1 ff. BBesVwV). Während die Erfassung der Billigkeitsgründe der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung selbst lediglich eine Ermessensfehlerkontrolle gemäß § 114 VwGO stattfinden (vgl. Ziffer 12.2.13.1 BBesVwV; May in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht – Kommentar, 2.6.2.5 Billigkeitsentscheidung Rn. 173).
28
Nach diesen Maßgaben ist die im Bescheid vom 15. August 2022 getroffene Billigkeitsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sämtliche seitens der Klägerin mitgeteilten (Lebens-)Umstände in die Billigkeitsentscheidung eingestellt. Berücksichtigt wurden insbesondere die familiäre Situation sowie die Einkommensverhältnisse der Klägerin. Die auf dieser Grundlage getroffene Ermessensentscheidung ist fehlerfrei ergangen. Gemäß § 114 VwGO überprüft das Gericht Ermessensentscheidungen dahingehend, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall; die Klägerin macht dies auch nicht geltend. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte vor dem Hintergrund der jahrelang unterbliebenen Kontrolle der Bezügemitteilungen durch die Klägerin von einem überwiegenden Verschulden der Klägerin an der Überzahlung ausgegangen ist und daher von einem Verzicht auf die Rückforderung abgesehen hat. Gleichwohl hat der Beklagte zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie auf Grund der unterlassenen Überprüfung der Bezügemitteilungen auch nicht bemerkt habe, dass sie für die Monate September 2007 bis Dezember 2007 559,56 EUR zu wenig Besoldung erhalten habe. Zwar sei ihr Anspruch auf Nachzahlung bereits verjährt, in Abwägung der Umstände werde die Rückforderungssumme von 29.073,03 EUR jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht um diesen Betrag reduziert, so dass der zurückzufordernde Betrag noch 28.513,47 EUR betrage. Darüber hinaus kam der Beklagte der Klägerin im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch insoweit entgegen, als er auf die Erhebung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzichtet und ihr Ratenzahlung eingeräumt hat.
29
d) Die Rückforderungsansprüche des Beklagten sind jedoch für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich August 2012 nach der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB verjährt. Gemäß § 214 Abs. 1 BGB hat die Klägerin die Rückzahlung insoweit zu Recht verweigert.
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Für Rückforderungsansprüche nach § 12 Abs. 2 BBesG gilt grundsätzlich die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (vgl. Ziffer 12.2.15 BBesGVwV). Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Bei Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierbei auf die Kenntnis der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen. Verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei diejenigen Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – juris Rn. 21).
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Vorliegend begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2021 (31. Dezember 2021) zu laufen, da der Beklagte in Form des für Rückforderungen zuständigen Sachgebietes 11 im März 2021 von der Tatsache, dass der Teilzeitanteil für die Bezügeabrechnung der Klägerin auf Grund einer nicht bzw. fehlerhaft umgesetzten Kassenanweisung falsch festgesetzt worden war, Kenntnis erlangt hat.
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Ein früherer Beginn der Verjährungsfrist scheidet mangels Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Beklagten von der Überzahlung an die Klägerin bzw. den den Anspruch begründenden Umständen aus. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können. Dies ist etwa der Fall, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen und leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Hierbei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (vgl. BGH, U.v. 22.7.2010 – III ZR 99/09 – juris Rn. 16; U.v. 27.9.2011 – VI ZR 135/10 – juris Rn. 10 jeweils m.w.N.). Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann sich auch aus einem Organisationsverschulden ergeben. Sind organisatorische Vorkehrungen getroffen, um die unverzügliche Berücksichtigung besoldungsrelevanter dienstlicher Veränderungen sicherzustellen, so kommt ein Organisationsverschulden nur in Betracht, wenn sich herausstellt, dass das vorhandene System lückenhaft oder fehleranfällig ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – juris Rn. 16).
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Dass die seitens des Beklagten getroffenen Vorkehrungen zur Sicherstellung einer unverzüglichen und korrekten Berücksichtigung besoldungsrelevanter dienstlicher Veränderungen (vgl. Vorlage und Ausführungen auf Nachfrage des Gerichts Bl. 76 ff. der Gerichtsakte, u.a. „DS 355 Vorschrift über die Abrechnung der Bezüge der Beamten“) lückenhaft oder fehleranfällig wären, hat weder die Klägerin substantiiert vorgebracht, noch ist dies sonst erkennbar. Aus den Ausführungen inkl. der vorgelegten Verwaltungsanweisung lässt sich vielmehr die Schlussfolgerung ziehen, dass auf Seiten des Beklagten grundsätzlich taugliche Vorkehrungen in Form von Prozess(anweisung) en getroffen worden sind, um Besoldungsänderungen zeitnah und verlässlich umzusetzen. Maschinell und manuell erfasste Daten würden zudem von unterschiedlichen Sachgebieten und Sachbearbeitern anhand von Tagesprotokollen und monatlichen „Protokollen und Fehlertexten“ kontrolliert. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen insgesamt – über wenige Einzelfälle hinaus – fehleranfällig sein könnten, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Beklagte hat diesbezüglich vorgetragen, dass es im Falle der Klägerin zu einem nicht mehr nachvollziehbaren Eingabefehler in das Computersystem gekommen sei, obwohl die Kassenanweisung an das Sachgebiet 35 nachweislich korrekt erfolgt sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzt, dass es vor dem Hintergrund der bestehenden Regelungen sehr selten zu Rückforderungsansprüchen komme. Es sei nicht erklärlich, wie es im Fall der Klägerin gleich mehrmals zu Fehlern gekommen sei.
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Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten von den Rückforderungsansprüchen gegen die Klägerin folgt auch nicht daraus, dass er die Parameter für die Besoldung nicht regelmäßig (z.B. alle drei Jahre vor dem Hintergrund der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist) auf zumindest grobe Fehler überprüft hat oder es im Zuge der zahlreichen Besoldungsänderungen bei der Klägerin unterlassen hat, den Teilzeitanteil zu überprüfen. Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wäre eine solche regelmäßige „händische“ Revision im Rahmen der Massenverwaltung offensichtlich keine leicht zugängliche Informationsquelle, sondern verursache ganz im Gegenteil erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, insbesondere Personalkosten. Es obliege den Dienstherren gerade nicht, im Interesse ihrer Besoldungsempfänger an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist aufwendige Nachforschungen zu betreiben (vgl. OVG NRW, B.v. 21.7.2022 – 1 A 3929/19 – juris Rn. 34 f. m.w.N.). Danach war der Beklagte nicht gehalten, im Rahmen der Verjährungsfrist oder anlässlich der Besoldungsänderungen bei der Klägerin eine anlassunabhängige Kontrolle der übrigen Besoldungsparameter, hier des Teilzeitanteils, vorzunehmen.
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Im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes am 15. August 2022 waren die Ansprüche des Beklagten auf Rückforderung nach der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 194 Abs. 1, § 195, § 199 Abs. 1 BGB mithin noch nicht verjährt. Die Rückforderungsansprüche sind jedoch nach der zehnjährigen Höchstfrist gemäß § 199 Abs. 4 BGB für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich August 2012 verjährt.
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Gemäß der Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB verjähren Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Entstanden sind die Rückforderungsansprüche für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich August 2012 jeweils (spätestens) am 1. des jeweiligen Monats im Zeitpunkt des bereits bestehenden Anspruchs auf Besoldung (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 BBesG). Beginn der Verjährungsfrist ist gemäß § 187 Abs. 1 BGB jeweils der 2. des jeweiligen Monats. Fristende ist gemäß § 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB jeweils der 1. des jeweiligen gleichlautenden Monats zehn Jahre später. Der Rückforderungsanspruch für Januar 2008 ist nach diesen Maßgaben am 1. Januar 2008 entstanden, die zehnjährige Verjährungshöchstfrist hat am 2. Januar 2008 zu laufen begonnen, sodass der Rückforderungsanspruch zehn Jahre später am 1. Januar 2018 verjährt ist. Mit dieser Berechnung sind die Rückforderungsansprüche für die Jahre 2008 bis 2011 vollständig verjährt. Die Rückforderungsansprüche für das Jahr 2012 sind danach von Januar bis einschließlich August 2012 (Fristbeginn für die Ansprüche aus August 2012 am 2.8.2012, Fristende am 1.8.2022) verjährt; die Klägerin konnte die Zahlung gemäß § 214 BGB zu Recht verweigern, der Bescheid vom 15. August 2022 ist insoweit rechtswidrig. Eine über August 2012 hinausgehende Verjährung der Rückforderungsansprüche scheidet aus, da durch den Erlass des Rückforderungsbescheides gemäß § 53 Abs. 1 VwVfG die Verjährung gehemmt wurde. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder bis zum Ablauf von sechs Monaten nach seiner anderweitigen Erledigung.
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Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Kosten werden auf Grund des teilweisen Obsiegens der Klägerin verhältnismäßig zwischen den Beteiligten geteilt.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.