Titel:
Vereinfachtes Kindesunterhaltsverfahren – Antragsrücknahme bei Leistungsunfähigkeit
Normenketten:
FamFG § 113 Abs. 1, §§ 249 ff.
ZPO § 269 Abs. 3
UnterhVG § 7a
Leitsätze:
1. Die Rücknahme des Antrags im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren auf Durchführung des streitigen Verfahrens kann als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags ausgelegt werden. (Rn. 2 – 3)
2. § 7a UVG steht der gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen durch den UVG-Leistungsträger entgegen, wenn der in Anspruch genommene Elternteil neben SGB II – Leistungen lediglich noch Einkünfte für erbrachte häusliche Pflegeleistungen aus dem von der zu pflegenden Person erhaltenem Pflegegeld bezieht und die Pflege ihren Grund in einer anzuerkennenden sittlichen Pflicht hat. Dies kann bei der Pflege des Elternteils des eigenen Lebensgefährten der Fall sein. (Rn. 5 – 7)
Schlagworte:
Rücknahme des Antrages auf Durchführung des streitigen Verfahrens bei vereinfachtem Kindesunterhaltsfestsetzungsverfahren, weitergeleitetes Pflegegeld bei der Einkommensermittlung beim Unterhaltsregress des UVG-Leistungsträgers, vereinfachtes Kindesunterhaltsverfahren, Antragsrücknahme, Leistungsunfähigkeit
Vorinstanz:
AG Bamberg, Endbeschluss vom 07.02.2024 – 0217 F 866/23
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1788
BeckRS 2024, 17737
LSK 2024, 17737
NJW-RR 2024, 1518
Tenor
1. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.973,38 € festgesetzt. Auf denselben Betrag wird die Festsetzung des Verfahrenswerts erster Instanz mit Endbeschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 07.02.2024, Ziffer 6, von Amts wegen abgeändert.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1 ZPO. Der Antrag auf Zahlung übergegangener Ansprüche auf Kindesunterhalt ist im Beschwerdeverfahren zurückgenommen worden. Gründe, die Antragsgegnerin ganz oder teilweise mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, sind nicht gegeben.
2
a) Der Antrag auf Zahlung gemäß § 7 UVG übergegangener Ansprüche auf Kindesunterhalt vom 10.02.2023 ist im Beschwerdeverfahren zurückgenommen worden. Die mit Schriftsatz vom 20.06.2024 beim Beschwerdegericht eingereichte Erklärung des Antragstellers, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vom 27.06.2023 zurückzunehmen, ist als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags vom 10.02.2023 auszulegen. Beim vereinfachten Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder und dem auf Antrag durchzuführenden streitigen Verfahren handelt es sich um ein einheitliches Verfahren, dessen Rechtshängigkeit sich mit der Zustellung des Festsetzungsantrags ergibt (vgl. § 255 Abs. 3 FamFG). Eine Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens ist damit nicht möglich (vgl. Feskorn in Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 255 FamFG Rn 2 a.E.). Der mit Verfügung des Beschwerdegerichts vom 24.06.2024 angekündigten Auslegung der Erklärung der Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags vom 10.02.2023 ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
3
Die Antragsgegnerin hat der Antragsrücknahme mit Schriftsatz vom 27.06.2024, eingegangen beim Beschwerdegericht am selben Tag, zugestimmt. Damit ist der Antrag wirksam zurückgenommen worden (vgl. §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1 und 2 S. 1 ZPO). Das Verfahren ist als nicht anhängig geworden anzusehen. Der angefochtene Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 07.02.2024 ist wirkungslos geworden (vgl. §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 1 ZPO).
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b) Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 27.06.2024 sind dem Antragsteller gemäß §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Es gilt der Grundsatz der Kostenhaftung des Antragstellers bei Antragsrücknahme. Der Ausnahmefall einer ganz oder teilweisen Kostenhaftung der Antragsgegnerin aus einem anderen Grund nach §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 2 2. HS ZPO ist auf prozessuale Kostenerstattungsansprüche beschränkt (vgl. Bacher in BeckOK ZPO, 53. Edition, § 269 ZPO Rn 12) und hier nicht gegeben.
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Eine Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ist nicht zu treffen, da keine Antragsrücknahme wegen Erledigung vor Rechtshängigkeit (vgl. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO) vorliegt. Die Regelung des § 7a UVG, welcher vorliegend einschlägig ist (vgl. Verfügung des Beschwerdegerichts vom 07.05.2024), ist bereits zum 01.07.2017 in Kraft getreten. § 7a UVG steht vorliegend schon vor der Anhängigkeit und seither durchgehend der Geltendmachung der übergegangenen Unterhaltsansprüche entgegen (vgl. BGH, 31.05.2023, FamRZ 2023, 1287).
6
Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin (vgl. Schriftsätze vom 25.07.2023) steht diese seit Beginn des Unterhaltszeitraums durchgehend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II ohne weiteres zu berücksichtigendes Einkommen. Die seitens der Antragsgegnerin für die gewährte häusliche Pflege als Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten erhaltenen Leistungen der Mutter ihres Lebensgefährten (vgl. Angaben im Termin vom 20.12.2023) sind im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO nicht als Einkommen zu qualifizieren (§§ 7a UVG, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II). Die Antragsgegnerin bezieht insoweit durch die Finanzierung der häuslichen Einkäufe seitens der pflegebedürftigen Person Einkommen aus deren Pflegegeldbezug. Die Pflegeleistungen werden vorliegend aufgrund einer anzuerkennenden engen persönlichen Beziehung im Rahmen einer bestehenden sittlichen Pflicht (vgl. hierzu BFH, 29.08.1996 – III R 4/95, DB 1997, 356) erbracht, weshalb die daraus resultierenden Einnahmen gem. § 3 Nr. 36 EStG einkommensteuerfrei und nach §§ 7a UVG, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO kein neben dem Bürgergeldbezug zu berücksichtigendes Einkommen sind. Der Festsetzungsantrag vom 10.02.2023 bezüglich übergegangener Unterhaltsansprüche ab dem 15.11.2021 ist daher von Anfang an unbegründet gewesen.
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Ob der Antragsteller die Auslegung des § 7a UVG als Titulierungshindernis, nicht nur als Vollstreckungshindernis, wie vom Bundesgerichtshof erst mit Beschluss vom 31.05.2023 entschieden (vgl. XII ZB 190/22, FamRZ 2023, 1287) bei Verfahrenseinleitung kennen konnte (vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 20.06.2024), ist daher unerheblich.
8
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG auf 8.973,38 € ausgehend vom Festsetzungsantrag vom 10.02.2023 festzusetzen, da die Antragsgegnerin die erstinstanzliche Entscheidung, welche dem Festsetzungsantrag entsprochen hat, insgesamt angreift. Der Betrag von 8.973,38 € errechnet sich mit dem Jahresbetrag des nach Antragseinreichung geforderten Betrags (vgl. Ziffer 2: 338 € ab März 2023) zuzüglich der Rückstände, die mit 4.917,80 € beziffert worden sind.
9
Auf denselben Betrag ist die Festsetzung des Verfahrenswerts für das erstinstanzliche Verfahren in Ziffer 6 des angegriffenen Endbeschlusses von Amts wegen gemäß § 55 Abs. 3 FamGKG herabzusetzen. In die Festsetzung des Verfahrenswerts des Amtsgerichts mit 9.087,80 € ist hinsichtlich des Jahreswerts des laufenden Unterhalts die Erhöhung des übergegangenen Unterhalts ab 01.01.2024 auf 395 € für zwei Monate eingeflossen (vgl. Endbeschluss vom 07.02.2024, S. 7). Maßgeblich ist jedoch ausschließlich der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung Antrags geltenden Mindestunterhalts gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 FamGKG. Die Erhöhung ab 01.01.2024 bleibt mithin unberücksichtigt, so dass sich der oben erläuterte Gesamtbetrag von 8.973,38 € ergibt.
10
3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (vgl. §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 5, 574 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO).