Inhalt

OLG München, Beschluss v. 15.02.2024 – 34 Wx 36/24 e
Titel:

Recht des Pflichtteilsberechtigten auf Einsicht in eine grundbuchrechtliche Kostenrechnung

Normenketten:
GBO § 12 Abs. 3, § 12c Abs. 4 S. 2, § 71 Abs. 1
GBV § 46 Abs. 1, Abs. 3 S.
BGB § 2303 Abs. 1, § 2314 Abs. 1 S. 1, § 2325 Abs. 1
Leitsatz:
3. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Hinblick auf den daraus ersichtlichen Gegenstandswert ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Abschrift der Kostenrechnung bezüglich einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Akteneinsicht, Einsicht in Grundakten, Erteilung von Abschriften, berechtigtes Interesse, Pflichtteilsberechtigter, Geheimhaltungsinteresse, Kostenrechnung, Übertragungsvertrag
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1976
FDErbR 2024, 017457
LSK 2024, 17457
BeckRS 2024, 17457
ZEV 2024, 642

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 30.11.2023 aufgehoben, soweit der Antrag auf Erteilung einer Abschrift der Kostenrechnung vom 26.3.2019 aus den Grundakten Blatt 3… des Amtsgerichts München von Trudering zurückgewiesen wurde.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, dem Beteiligten eine unbeglaubigte Abschrift der in Ziffer I. genannten Kostenrechnung zu erteilen.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert für den erfolglosen Teil der Beschwerde wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beteiligte begehrt die Erteilung von Abschriften aus der Grundakte.
2
H. H. war als Inhaberin von Miteigentum, dieses verbunden mit Sondereigentum, im Wohnungsgrundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 13.3.2019, URNr. 4XX, übertrug sie ihren Anteil im Wege einer teilentgeltlichen Schenkung ihrem Sohn D. H. Am ...2023 verstarb H. H.
3
Mit Schreiben vom 16.5.2023 bat der Beteiligte, ein weiterer Sohn der H. H., das Grundbuchamt unter Verweis auf den Tod seiner Mutter und seine Stellung als zumindest Pflichtteilsberechtigter um eine Kopie des Notarvertrags URNr. 4XX, eine Kopie des Grundbuchauszugs und Mitteilung der Größe der Wohnung sowie des Baujahrs der Wohnanlage.
4
Nach Erhalt eines Grundbuchauszugs und einer Kopie des betreffenden Vertrags erbat der Beteiligte mit Schreiben vom 18.7.2023 Kopien der Notarverträge zu Auflassungen vom 31.3.2008 und 19.2.2014.
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Das Grundbuchamt teilte dem Beteiligten mit Schreiben vom 19.7.2023 mit, dem Pflichtteilsberechtigten könne aus der Grundakte lediglich, wie bereits geschehen, der Vertrag URNr. 4XX ausgehändigt werden. Hieraus könne er sein Recht gegenüber dem letzten Eigentümer geltend machen. Der Wert der Immobilie ergebe sich aus der Bewilligung, die von dem Notar angegeben worden sei. Die Erwerbsurkunden des Eigentümers als Käufer oder als Übertragender an andere Personen würden kein berechtigtes Interesse nach § 12 GBO darstellen.
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Da das Notariat eine Übersendung der Bewilligung ablehnte, wandte sich der Beteiligte mit Schreiben vom 9.8.2023 erneut an das Grundbuchamt mit der Bitte um Überlassung von Kopien der Bewilligung und der Kostenrechnung im Hinblick auf den Wert der Immobilie.
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Das Grundbuchamt lehnte das Begehren mit Beschluss vom 30.11.2023 ab. Zur Prüfung möglicher Ansprüche als Pflichtteilsberechtigter sei nur die Veräußerungsurkunde vom 13.3.2019 relevant. Durch Grundbucheinsicht könne in Erfahrung gebracht werden, ob der Grundbesitz zum fiktiven Nachlass gehört und ob möglicherweise eine unentgeltliche Verfügung vorliegt. Frühere Veräußerungen sowie der Kauf durch die Erblasserin seien nicht relevant. Für diese Urkunden liege damit kein berechtigtes Interesse vor. Eine Abschrift der gerichtlichen Kostenrechnung zur Veräußerung durch die Erblasserin dürfe, da der Antragsteller nicht der Kostenschuldner sei, nicht übersandt werden. Der Wert des Grundbesitzes sei durch den Antragsteller selbst zu ermitteln. Die Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten solle ihm lediglich die Möglichkeit geben, die für eine Wertermittlung notwendigen Daten zu ermitteln. Sollten sich weder aus dem Grundbuch noch aus den Grundakten genügend Informationen ergeben, werde auf § 2314 BGB verwiesen, der eine Anspruchsgrundlage zur Feststellung des Nachlasses beinhalte.
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Mit am 16.1.2024 beim Oberlandesgericht eingegangenem Telefax hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt. Mit den Ausführungen in seinem Antrag vom 9.8.2023 beschäftige sich der Beschluss überhaupt nicht, auch nicht mit dem Antrag „Kopie der Bewilligung“. Er beantrage, das Amtsgericht zu verpflichten, ihm Kopien der Bewilligung und der Kostenrechnung des Notarvertrags vom 13.3.2019, URNr. 4XX, zu senden.
9
Das Grundbuchamt hat mit weiterem Beschluss vom 25.1.2024 nicht abgeholfen. Die Begründung des Beschlusses vom 30.11.2023 bleibe aufrechterhalten. Die geforderte Bewilligung habe der Beteiligte bereits in Kopie erhalten. Die Kostenrechnung könne er nicht erhalten, da er hier nicht der Kostenschuldner sei.
II.
10
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
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1. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist, wie sich aus dem Beschwerdeantrag ergibt, lediglich die Erteilung von Abschriften der Bewilligung und der Kostenrechnung zu der Veräußerung durch den Vertrag vom 13.3.2019, nicht aber sonstige Begehren des Beteiligten, die sich aus seinen vorangegangenen Schreiben an das Grundbuchamt möglicherweise ergeben.
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2. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 12c Abs. 4 Satz 2, 71 Abs. 1 GBO statthaft. Das Schreiben vom 9.8.2023 ist als Erinnerung gegen die ablehnende Entscheidung vom 19.7.2023 auszulegen, der durch den Beschluss vom 30.11.2023 nicht abgeholfen wurde.
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3. In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg.
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Nach § 12 Abs. 3 GBO i.V.m. § 46 Abs. 1 GBV ist die Einsicht in Grundakten jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt, auch soweit es sich nicht um die in § 12 Abs. 1 Satz 2 GBO bezeichneten Urkunden handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 GBV kann, soweit die Einsicht gestattet ist, eine Abschrift verlangt werden.
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a) Das Begehren des Beteiligten auf Erteilung einer Abschrift der Kostenrechnung vom 26.3.2019 erweist sich danach als begründet.
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Ein berechtigtes Interesse i.S. von § 46 Abs. 1 GBV ist – wie bei § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO – gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann. Dabei genügt nicht jedes beliebige Interesse; vielmehr muss die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden und die Kenntnis vom Grundbuchstand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen. Da die in den Grundakten enthaltenen Informationen allerdings nicht zu dem Grundbuchinhalt gehören, auf dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO zielt, ist bei der Einsicht in diese mit Rücksicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eine besonders sorgfältige und strenge Prüfung des berechtigten Interesses erforderlich, zumal die eingetragenen Berechtigten vor der Einsichtsgewährung nicht angehört werden und ihnen auch kein Beschwerderecht gegen diese zusteht (OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Karlsruhe ZEV 2013, 621/622; Senat ZEV 2011, 389/390).
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Nach dieser Maßgabe ist hier ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an der Erteilung einer Abschrift der genannten Kostenrechnung zu bejahen. Als Pflichtteilsberechtigter hat der Beteiligte nach dem Tode der Erblasserin H. H. grundsätzlich ein Einsichtsrecht, das aus seiner auf § 2303 Abs. 1 BGB fußenden Gläubigerstellung gegenüber den Erben folgt. Zwar hat die Erblasserin das Grundstück noch zu Lebzeiten veräußert, dem Beteiligten kann jedoch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen, da die Übertragung im Wege einer teilentgeltlichen Schenkung erfolgte (vgl. OLG Karlsruhe ZEV 2013, 621/622). Zwar ergibt sich Letzteres schon aus der dem Beteiligten in Abschrift überlassenen notariellen Urkunde. Der Beteiligte hat aber darüber hinaus ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse, den Wert des veräußerten Grundstücks zu erfahren, da nach den genannten Bestimmungen hiervon die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs abhängt. Um diesen – ggf. auch gerichtlich – korrekt geltend zu machen, ist die Kenntnis des Grundstückswerts erforderlich (vgl. OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18). Dass der der Kostenrechnung zugrundegelegte Gegenstandswert insoweit nicht verbindlich ist, steht dem berechtigten Interesse des Beteiligten nicht entgegen. Denn er liefert zumindest einen tragfähigen Anhaltspunkt. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Erwerbers an der Geheimhaltung des Gegenstandswerts besteht demgegenüber nicht. Insbesondere ist damit keine Offenbarung seiner finanziellen oder sonstigen persönlichen Verhältnisse verbunden. Keine Rolle spielt auch, dass der Beteiligte gegen ihn einen Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB hat. Denn § 12 GBO ist eine Einschränkung des Einsichtsrechts auf Fälle, in denen die benötigte Auskunft nicht anderweitig – etwa durch Einholung der Auskünfte Dritter – erlangt werden kann, nicht zu entnehmen. Zudem kann der Pflichtteilsberechtigte gerade ein berechtigtes Interesse daran haben, die Richtigkeit einer ihm erteilten Auskunft durch eigene Einsichtnahme zu überprüfen (OLG Zweibrücken FGPrax 2020, 272/273; OLG Karlsruhe ZEV 2013, 621/622).
18
b) Soweit der Beteiligte darüber hinaus eine Kopie der Bewilligung zu dem notariellen Vertrag fordert, ist sein Begehren unbegründet. Unabhängig davon, ob ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Abschrift speziell der Bewilligung besteht, befindet sich diese auf Seite 7 der Vertragsurkunde, von der dem Beteiligten aber bereits eine Abschrift überlassen wurde. Das insoweit wiederholte Begehren hat das Grundbuchamt somit zu Recht zurückgewiesen.
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4. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, da der Beteiligte als Rechtsmittelführer diese gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG zunächst schon von Gesetzes wegen trägt und seine diesbezügliche Haftung im Umfang des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG wiederum von Gesetzes wegen erloschen ist.
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5. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2 GNotKG.
III.
21
Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO besteht nicht.