Titel:
Erfolglose Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Cannabiskonsums
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
VwGO § 86
Leitsätze:
1. Da maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist (hier: Erlass des Widerspruchsbescheides) und zu diesem Zeitpunkt das Cannabisgesetz noch nicht in Kraft getreten war, entfällt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. die Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum, ohne dass es auf ein etwaiges Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren ankommt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelmäßiger Cannabiskonsum in diesem Sinne liegt bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis vor. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Äußerungen des Betroffenen zur Häufigkeit seines Cannabiskonsums im Strafverfahren unterliegen selbst im Falle einer Fehlerhaftigkeit oder bei gänzlich unterbliebener Beschuldigtenbelehrung im Verwaltungsverfahren keinem Verwertungsverbot. Mit dem Recht der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden in jedem Fall an der Berücksichtigung strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse gehindert wären. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Regelmäßiger Cannabiskonsum führt ohne weitere Tatbestandselemente zum Wegfall der Fahreignung. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage, regelmäßiger Cannabiskonsum, eigene Angaben des Klägers, Cannabisgesetz, Ungleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit, Sachverständigengutachten
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.10.2024 – 11 ZB 24.1246
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17403
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L.
2
1. Am 12. Juni 2023 kam es gegen 8:25 Uhr es mit einem vom Kläger geführten Wohnmobil auf der Staats straße … zu einem Unfall, bei dem das Fahrzeug ca.150 m nach der Ortschaft P* … von der Fahrbahn nach rechts in den Straßengraben abkam. Ausweislich des Berichts der Polizeiinspektion G* … vom 15. August 2023 sei der Kläger zunächst kaum ansprechbar gewesen. Die Rettungswagenbesatzung habe mitgeteilt, dass bei ihm ein Blutzuckerwert von 47 mg/dl festgestellt worden sei, was einem Unterzucker entspreche. Ein normaler Wert liege bei 100 bis 140 mg/dl. Zwischenzeitlich sei die Konzentration sogar bei 27 mg/dl gewesen. Im Kühlschrank des Wohnmobils seien Diabetesmedikamente aufgefunden worden. Weiterhin habe man ein ärztliches Attest vom 17. April 2023 gefunden, aus dem hervorgehe, dass der Blutzuckerwert beim Kläger mindestens 90 mg/dl betragen müsse, um fahrtüchtig zu sein. Nach der Erstversorgung sei ein freiwilliger Alkoholtest durchgeführt worden, der negativ gewesen sei. Des Weiteren habe man in dem Fahrzeug Cannabisgeruch festgestellt und eine Dose mit 3,1 g Cannabis auffinden können.
3
Eine um 12:41 Uhr am selben Tag durchgeführte Blutentnahme ergab einen THC Wert von 0,8 ng/ml, einen 11-Hydroxy-THC-Wert von 0,5 ng/ml sowie einen THC-Carbonsäure (THC-COOH) Wert von 17 ng/ml.
4
Am 18. Juli 2023 fand sich der Kläger gegen 8:20 Uhr in der Polizeiinspektion A* … ein, um Anzeige zu erstatten. Ausweislich des Polizeiberichts vom 7. August 2023 stellte der aufnehmende Polizeibeamte aus seiner Sicht drogentypische Ausfallerscheinungen (unaufhörlicher Redefluss, deutlich und unnatürlich gerötetes Augenweiß) beim Kläger fest. Im Rahmen einer im Folgenden durchgeführten Beschuldigtenvernehmung gab der Kläger an, er rauche aufgrund von Schmerzen jeden Abend Marihuana, da er ansonsten überhaupt nicht schlafen könne. Er sei am Morgen mit seinem PKW zur Polizeiinspektion gefahren, habe sich dabei aber nicht berauscht gefühlt.
5
Eine am selben Tag um 9:22 Uhr durchgeführte Blutprobe ergab einen Wert von 0,5 ng/ml THC, einen negativen Befund auf 11-Hydroxy-THC und einen Wert von 10 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH).
6
Ein von der Staatsanwaltschaft A* … angefordertes rechtsmedizinisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität W* … vom 3. November 2023 kam zu dem Ergebnis, dass sich hinsichtlich des Vorfalls am 18. Juli 2023 zwar ein Cannabiseinfluss annehmen lasse, jedoch könne eine cannabisbedingte Fahruntüchtigkeit zum Tatzeitpunkt aus rechtsmedizinischer Sicht nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit belegt werden.
7
Mit Verfügung vom 10. November 2023 stellte die Staatsanwaltschaft A* … das aufgrund des Vorfalls vom 18. Juli 2023 eingeleitete Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 170 Abs. 2 StPO ein und gab das Verfahren zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde ab.
8
Im wegen des Vorfalls am 12. Juni 2023 eingeleiteten Strafverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft An* … vom 14. Dezember 2023 nach § 31a Abs. 1 BtMG von der Verfolgung abgesehen und das Verfahren zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde abgeben.
9
Mit Schreiben vom 29. Januar 2024 hörte die Fahrerlaubnisbehörde am Landratsamt Miltenberg (in der Folge: Fahrerlaubnisbehörde) den Kläger zu der beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an.
10
Der Kläger ließ hierzu mit Schreiben vom 8. Februar 2024 ausführen, dass mit der Entziehung der Fahrerlaubnis kein Einverständnis bestehe, da die der Fahrerlaubnisbehörde vorliegende Ermittlungsakte nicht geeignet sei, die Vorwürfe hinreichend zu belegen. Gegen einen Bußgeldbescheid vom 3. Januar 2024 sei Einspruch eingelegt worden. Es müsse geklärt werden, ob die Beobachtungen des Polizeibeamten hinsichtlich der Ausfallerscheinungen tatsächlich auf den Genuss von Betäubungsmitteln zurückzuführen seien. Hieran bestünden erhebliche Zweifel. Der Redefluss und Konzentrationsmangel sei für den Kläger typisch und der schwankende Gang Folge von Krankheiten, bei denen der Kläger die chronischen Schmerzen von Fall zu Fall durch das Rauchen von Cannabis zu lindern versucht habe. Es sei weiter darauf hinzuweisen, dass nur eine sehr niedrige Konzentration des Wirkstoffs THC im Blut festgestellt worden sei.
11
Mit Bescheid vom 21. Februar 2024 – dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 23. Februar 2024 – entzog das Landratsamt Miltenberg dem Kläger die Fahrerlaubnis (Ziffer I des Bescheides) und forderte ihn auf, seinen am 25. November 2011 ausgestellten Führerschein für die Klasse A und BE und die darin enthaltenen Klassen unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheides, beim Landratsamt Miltenberg zurückzugeben (Ziffer II). Für den Fall, dass der Kläger der Verpflichtung aus Ziffer II nicht fristgerecht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziffer III). Die sofortige Vollziehung der Ziffern I und II wurde angeordnet (Ziffer IV) und dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer V) und eine Gebühr in Höhe von 160,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 7,34 EUR festgesetzt (Ziffer VI).
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen angegeben: Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis seien § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV. Erweise sich danach jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so habe ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Kläger habe in der Beschuldigtenvernehmung am 18. Juli 2023 zugegeben, dass er regelmäßig Cannabis konsumiere. Eine Person, die regelmäßig Cannabis konsumiere, sei nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für die Fahrerlaubnisbehörde stehe fest, dass der Kläger regelmäßiger Cannabiskonsument sei und sie sei daher nach § 11 Abs. 7 FeV von seiner Nichteignung überzeugt. Es seien auch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die die Regelannahme der Anlage 4 zur FeV entkräften würden. Im Regelfall bestehe die Fahreignung erst wieder, wenn der Kläger eine einjährige Abstinenz nachweise. Ein Ermessen stehe der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Die Pflicht zur Rückgabe des Führerscheins ergebe sich aus §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und 47 Abs. 1 FeV. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 29 und 36 VwZVG.
13
Am 23. Februar 2024 ließ der Kläger per Telefax Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Februar 2024 erheben und die Aussetzung der sofortigen Vollziehung bzw. des Widerspruchsverfahren beantragen, da sich der Kläger bis Mitte April 2024 in Spanien aufhalte und für seinen Bevollmächtigten nicht erreichbar sei. Insofern sei es auch nicht möglich, den Führerschein innerhalb der gesetzten Frist abzugeben.
14
Das Landratsamt Miltenberg lehnte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab, half dem Widerspruch nicht ab und legte diesen mit Schreiben vom 28. Februar 2024 der Regierung von Unterfranken zur Entscheidung vor.
15
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2024 – dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 14. März 2024 – änderte die Regierung von Unterfranken den Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024 in Ziffer II dahingehend ab, dass das Datum des abzuliefernden Führerscheins auf den 10. Oktober 2022 und die Klassen auf A, BE und C1E und die darin enthaltenen Klassen geändert wurden (Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Ziffer 2). Dem Kläger wurden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt (Ziffer 3) und eine Gebühr in Höhe von 160,00 EUR sowie Auslagen laut beigefügter Kostenrechnung (Ziffer 4).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der zulässige Widerspruch sei unbegründet, da der Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024 rechtmäßig sei und den Kläger nicht seinen Rechten verletze (§ 113 Abs. 1 VwGO analog). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Auf eine sich möglicherweise künftig geänderte Rechtslage durch Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 oder später komme es daher nicht an und es sei auch nicht angezeigt, das Widerspruchsverfahren so lange auszusetzen, bis der Kläger von seinem Spanienaufenthalt zurückkomme. Bei geplanter längerer Abwesenheit gehöre es zu den Sorgfaltspflichten des Klägers, für die Kenntnis eingehender wichtiger Post zu sorgen. Zudem sei er durch seinen Bevollmächtigten erreichbar. Dass im Innenverhältnis eine Erreichbarkeit nicht sichergestellt sei, spiele keine Rolle. Im Übrigen habe sich der Kläger aufgrund des eingeräumten regelmäßigen Cannabiskonsums als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Er müsse sich an seiner Aussage im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung am 18. Juli 2023 festhalten lassen. Dass der Klägerbevollmächtigte dies im Schreiben vom 8. Februar 2024 anders darstelle, sei unbeachtlich, denn die Aussage des Klägers sei entsprechend nachgewiesen und durch seine Unterschrift bestätigt. Dass der Kläger nach seinen Angaben das Cannabis aufgrund einer Schmerzerkrankung einnehme, ändere hieran nichts, so lange er es nicht ärztlich verordnet bekomme, was er gegenüber der Polizei verneint habe. Andere Erkenntnisse lägen hierzu nicht vor. Dass gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt worden sei, sei für die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Belang. Sperrwirkung bestehe nach § 3 Abs. 3 StVG nur im Falle eines Strafverfahrens, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht komme. Zudem liege der Entziehung der Fahrerlaubnis ein anderer Tatbestand, nämlich der eingeräumte regelmäßige Cannabiskonsum zu Grunde, der ohne das Hinzutreten weiterer Tatsachen bereits zum Verlust der Fahreignung führe. Das Führen eines Kraftfahrzeugs unter THC-Einfluss und die dokumentierten Ausfallerscheinungen seien für die Entscheidung nicht maßgeblich gewesen. Anhaltspunkte für die Wiedererlangung der Fahreignung bestünden nicht. Der Kläger habe keine Abstinenzbehauptung aufgestellt und auch sonst nichts dahingehend vorgetragen, dass sich an seinem Drogenkonsum etwas geändert habe. Es könne daher nach § 11 Abs. 7 FeV weiterhin von der Ungeeignetheit ausgegangen werden. Die Ziffer II des Ausgangsbescheids sei hinsichtlich der offensichtlichen Unrichtigkeit im Führerscheindatum und der Fahrerlaubnisklassen nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG zu ändern gewesen. Die gesetzte Frist sei angesichts der Dringlichkeit der Einziehung des Führerscheins grundsätzlich angemessen gewesen. Die Verpflichtung sei auch nicht aufgrund des Auslandsaufenthalts des Klägers unerfüllbar. Dass ihn sein Bevollmächtigter offenbar nicht habe erreichen können, habe der Kläger selbst zu vertreten. Der Kläger hätte zudem seinen Führerschein unverzüglich aus dem Ausland übersenden können. Eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abgabe werde nicht gesehen, zumal die Frist auch hätte verlängert werden können, allerdings nicht zu den Bedingungen wie im Widerspruchsschreiben aufgezeigt.
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2. Am 12. April 2024 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024, Geschäftszeichen … * …, wird in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 11. März 2023, Geschäftszeichen …, aufgehoben.
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Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben, da man offensichtlich in Erwartung des mittlerweile in Kraft getretenen Cannabis-Gesetzes den Versuch unternommen habe, Fakten zu schaffen und die Neuregelung zu umgehen. Auch wenn auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen sei, sei die Vorgehensweise missbräuchlich und rechtswidrig, sodass der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt werde. Es handele sich bei den angefochtenen Entscheidungen letztlich um die kritiklose Übernahme von Feststellungen eines übereifrigen Polizeibeamten. Es lasse sich aus der Beschuldigtenvernehmung vom 18. Juli 2023 nicht entnehmen, dass der Kläger ordnungsgemäß belehrt worden sei. Zwischen den Feststellungen des Polizeibeamten und dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung gebe es offensichtliche Ungereimtheiten. Die festgestellten Werte lägen zudem beträchtlich unter dem alten Grenzwert von 1,0 ng/ml. Die Feststellungen im rechtsmedizinischen Gutachten ließen sich mit den Angaben des Klägers in der Beschuldigtenvernehmung nicht in Einklang bringen. Diese seien objektiv falsch. Der Kläger sei zudem psychisch labil und es sei fraglich, unter welchen Umständen die Angaben in der Beschuldigtenvernehmung zustande gekommen seien. Es sei zudem im Endergebnis nur von geringfügigem Cannabiseinfluss und nicht von einer cannabisbedingten Fahruntüchtigkeit ausgegangen worden. Das Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden, genau wie das Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die Ausgangsbehörde habe grob sachwidrig versucht, den Inhalt der Ermittlungsakte völlig einseitig zu Ungunsten des Klägers auszulegen. Wenn dieser tatsächlich jeden Abend Cannabis geraucht hätte, gebe es keine Erklärung für die Messwerte, die sich aus der Blutprobe ergäben. Die gezeigten Ausfallerscheinungen hätten eine krankheitsbedingte Ursache, was hätte überprüft werden müssen. Der Kläger sei chronischer Schmerzpatient. Die Betrachtungsweise der Polizei, die nur an der Dingfestmachung eines angeblichen Straftäters interessiert gewesen sei, werde ungeprüft und unkritisch sowohl im Ausgangs- als auch im Widerspruchsbescheid übernommen. Es handele sich um bloße Annahmen und Vermutungen soweit sie die angebliche Nichteignung des Klägers zur Teilnahme am Straßenverkehr beträfen. Zur Klärung des Sachverhaltes hätte es aber eine Anordnung von Aufklärungsmaßnahmen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bedurft. Die schlichte Begründung, man sei von der Nichteignung des Klägers überzeugt, vermöge dem Sachverhalt in keiner Weise gerecht zu werden, da das Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens offenbar nicht verstanden worden sei, sondern stattdessen die Privatmeinung eines Polizeibeamten ungeprüft übernommen worden sei. Der Kläger habe bei seiner Fahrt zur PI A* … die Grenzwerte für THC nicht überschritten und sei daher vergleichbar mit einer Person, die weniger als 0,5 Promille Alkohol im Blut habe. Der Kläger werde ohne sachlichen Grund schlechter behandelt als eine Person, die jeden Abend vor dem Zubettgehen Alkohol zu sich nehme, was eklatant in die verfassungsmäßigen Rechte des Klägers eingreife. Die Argumentation des Beklagten stelle allein auf formale Gesichtspunkte ab anstatt sich mit sachlichen Gründen auseinanderzusetzen. Offensichtlich gehe es dem Landratsamt darum, die finanziellen Folgen des Fehlverhaltens des Polizeibeamten vom Beklagten abzuwenden.
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Das Landratsamt Miltenberg beantrag für den Beklagten:
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Die Klage wird abgewiesen.
22
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid ausgeführt: Der regelmäßige Cannabiskonsum des Klägers stehe aufgrund seiner Einlassung gegenüber der Polizei für den Beklagten fest. Es sei völlig unerheblich, ob die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt habe und die Tat nun als Ordnungswidrigkeit geahndet werde. Maßgeblich sei nur der vom Kläger eingeräumte regelmäßige Konsum von Cannabis.
23
3. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
24
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 11. März 2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat dem Kläger seine Fahrerlaubnis zu Recht wegen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides fehlender Fahreignung aufgrund regelmäßigen Cannabiskonsums entzogen und die Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins angeordnet. Auch die übrigen im Bescheid getroffenen Entscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
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1. Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 16. Mai 2024 (Beklagter) und 5. Juni 2024 (Kläger) entsprechende Erklärungen abgegeben.
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2. Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024, in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 11. März 2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die zutreffende Begründung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids und macht sich diese aus eigener Überzeugung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner abweichenden Sichtweise.
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Ergänzend ist auszuführen:
32
a.) Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt – der Bescheid des Landratsamtes Miltenberg vom 21. Februar 2024 – in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 11. März 2024 gefunden hat. Mithin ist die Ziffer II des Ausgangsbescheides in der Fassung, welche sie durch die Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides erhalten hat, Gegenstand der vorliegenden Klage und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins bezieht sich auf das dort näher bezeichnete Dokument. Die Widerspruchsbehörde ist zur Änderung des Ausgangsbescheids befugt (vgl. ausführlich: BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 8 C 5.15 – juris Rn. 22 m.w.N.) und konnte damit die in Ziffer II des Ausgangsbescheids enthaltene offensichtliche Unrichtigkeit hinsichtlich Ausstelldatum des Führerscheins und der Fahrerlaubnisklassen nach Maßgabe von Art. 42 Satz 1 BayVwVfG ohne Weiteres berichtigen.
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b.) Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig erfolgt.
34
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides (st. Rspr.; zuletzt etwa: BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – juris Rn. 13; U.v. 11.4.2019 – 3 C 14/17 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.9.2023 – 11 C 23.1298 – juris Rn. 12).
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Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Steht die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, hat die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu unterbleiben (§ 11 Abs. 7 FeV; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.163 – juris Rn. 15). Unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG kommt es im Rahmen des § 11 Abs. 7 FeV nicht auf das konkrete Vorstellungsbild der Behörde hinsichtlich der Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers an, sondern darauf, ob die Nichteignung bei Berücksichtigung aller vorliegenden Tatsachen objektiv feststeht (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2023 – 11 CS 23.78 – juris Rn. 23).
36
Gemessen hieran stand die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides aufgrund des regelmäßigen Konsums von Cannabis nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung (FeV a.F.) fest und die vom Beklagten getroffene Wertung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
37
Maßgeblich ist – wie oben dargestellt – die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Zu diesem Zeitpunkt war das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vom 27. März 2024, in Kraft seit 1. April 2024 (BGBl. I, Nr. 109) noch nicht in Kraft getreten. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. entfiel zu diesem Zeitpunkt die Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum, ohne dass es auf ein etwaiges Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren ankam. Regelmäßiger Cannabiskonsum in diesem Sinne lag bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis vor (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 18; U.v. 26.2.2009 – 3 C 1.08 – juris Rn. 15 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 55 m.w.N. zur Rspr.). Der Beklagte war nicht gehalten, das Inkrafttreten der Rechtsänderungen des CanG abzuwarten, da gerade im Bereich des Gefahrenabwehrrechts ein erhebliches öffentliches Interesse an einer raschen behördlichen Entscheidung besteht, zumal bei nach der zu diesem Zeitpunkt relevanten Rechtslage feststehender Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ein missbräuchliches Verhalten des Beklagten vermag die Kammer insoweit ebenfalls nicht zu erkennen.
38
Ausgehend hiervon war der Kläger aufgrund seiner am 18. Juli 2023 gegenüber der Polizei im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung gemachten Angaben, er rauche jeden Abend aufgrund von Schmerzen Cannabis, ohne dies ärztlich verordnet zu bekommen, als regelmäßiger Cannabiskonsument im obigen Sinne anzusehen.
39
Der Kläger muss sich insoweit an seinen eigenen Angaben gegenüber der Polizei im Rahmen der nach einer strafprozessualen Belehrung erfolgten Beschuldigtenvernehmung vom 18. Juli 2023 festhalten lassen (so auch: BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 12; B.v. 20.6.2016 – 11 CS 16.806 – juris Rn. 13). Der Kläger hat nichts vorgetragen, was die Richtigkeit seiner damaligen Angaben substantiiert in Zweifel zieht bzw. nicht bestritten, diese Aussage getätigt zu haben. Soweit der Klägerbevollmächtigte eine nicht ordnungsgemäße Beschuldigtenbelehrung rügt, ist anhand der Aktenlage bereits nicht nachvollziehbar, inwieweit diese fehlerhaft erfolgt sein sollte. Aus dem Vernehmungsprotokoll (Bl. 33 f. der Behördenakte) ergibt sich, dass eine Belehrung erfolgt ist. Im Übrigen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Belehrung ordnungsgemäß war, da selbst im Falle einer Fehlerhaftigkeit oder bei gänzlich unterbliebener Belehrung die Äußerungen des Klägers zur Häufigkeit seines Cannabiskonsums im Verwaltungsverfahren keinem Verwertungsverbot unterliegen. Denn die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis stellt eine Maßnahme der Gefahrenabwehr zum Schutz der Allgemeinheit und keine Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dar. Mit dem Recht der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden in jedem Fall an der Berücksichtigung strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse gehindert wären (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2009 – 11 CS 08.3046 – juris Rn. 17 f. m.w.N.).
40
Der Annahme eines regelmäßigen Cannabiskonsums i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. stehen auch die Ergebnisse der am 12. Juni und 18. Juli 2023 genommenen Blutproben nicht entgegen.
41
Zwar erreichen die dort festgestellten Werte von 17 ng/ml THC-COOH (12. Juni) und 10 ng/ml THC-COOH nicht den Wert von 150 ng/ml THC-COOH ab dem ohne weiteres gesichert von einem regelmäßigen Cannabiskonsum ausgegangen werden kann (vgl. hierzu etwa: BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 11 C 23.363 – juris Rn. 19 m.w.N.). Gleichwohl bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum nur bei Erreichen dieses Wertes angenommen werden könnte und er ansonsten ausgeschlossen ist. Es gibt keinen Grundsatz, dass regelmäßiger Cannabiskonsum allein anhand der Ergebnisse von Blutproben bewiesen werden kann (vgl. auch: OVG LSA, B.v. 25.4.2024 – 3 L 64/24.Z – BeckRS 2024, 9613 Rn. 16). Die festgestellten Blutwerte stehen zudem nicht im Widerspruch zur Annahme, es liege ein regelmäßiger Cannabiskonsum im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. vor. Denn wie oben ausgeführt, kommt es hierbei allein auf die Regelmäßigkeit des Konsums (täglich oder nahezu täglich) und nicht die jeweilige Dosierung oder Konsummenge an. Auch wenn der Kläger beispielsweise jeden Abend lediglich eine geringe Menge Cannabis konsumiert hat, ist sein Konsum dennoch als regelmäßig anzusehen und schließt seine Fahreignung aus. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die von ihm gemachten Angaben zu seinen Konsumgewohnheiten tatsächlich nicht der Wahrheit entsprechen, sondern sich lediglich darauf zurückgezogen, die festgestellten Werte ließen sich mit einem regelmäßigen Cannabiskonsum nicht in Einklang bringen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Beklagten vorgenommene Würdigung nicht zu beanstanden.
42
Auch das weitere Vorbringen des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Regelmäßiger Cannabiskonsum führte ohne weitere Tatbestandselemente zum Wegfall der Fahreignung (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2016 – 11 CS 16.806 – juris Rn. 12). Auf ein etwaiges Trennungsvermögen kommt es daher nicht an. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung im rechtsmedizinischen Gutachten der Universität Würzburg vom 3. November 2023, dass eine cannabisbedingte Fahruntüchtigkeit am 18. Juli 2023 nicht festgestellt werden könne, sowie die Einstellung der gegen den Kläger eingeleiteten Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im hiesigen Verfahren nicht von Relevanz. Im Übrigen ist zwischen der (momentanen) Fahruntüchtigkeit und der (dauerhaften) Fahrungeeignetheit zu trennen. Ferner stellt der streitgegenständliche Bescheid nicht auf ein Fahren des Klägers unter Cannabiseinfluss ab. Wegen des klaren Wortlauts von § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG („Strafverfahren“) war der Beklagte trotz des Umstands, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides das Ordnungswidrigkeitenverfahren betreffend den Vorfall am 18. Juli 2023 noch nicht abgeschlossen war, nicht von Rechts wegen an einer Entscheidung gehindert, zumal eine etwaige Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG ohnehin nicht zur strafrechtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2015 – 11 CS 15.1682 – juris Rn. 17; Will in BeckOK, Straßenverkehrsrecht, 20. Edition, Stand: 15.4.2023, § 3 StVG Rn. 85).
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Da nach obigen Ausführungen die Ungeeignetheit des Klägers zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nach § 11 Abs. 7 FeV feststand, hatte die Anordnung einer ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Begutachtung zu unterbleiben (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.163 – juris Rn. 15).
44
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bestanden auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger seine Fahreignung wiedererlangt haben könnte. Er hat vielmehr nicht einmal die Behauptung aufgestellt, nicht mehr regelmäßig Cannabis zu konsumieren.
45
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne nach der vor dem 1. April 2024 geltenden Rechtslage moniert, führt dies zu keiner abweichenden Sichtweise. Der Gesetzgeber war anerkanntermaßen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr gleich zu behandeln. Die unterschiedliche Behandlung war vor dem Hintergrund unterschiedlicher Dosis-Wirkung-Beziehungen sachlich gerechtfertigt (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 51; BayVGH B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 18; jeweils unter Verweis auf BVerfG, B.v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 – juris Rn. 15). Die nunmehr getroffene abweichende gesetzgeberische Entscheidung – jedenfalls im Hinblick auf § 13 und § 13a FeV – ändert hieran nichts.
46
Zuletzt stellt sich die Fahrerlaubnisentziehung unter Berücksichtigung der zum 1. April 2024 erfolgten Änderung der Rechtslage durch das CanG nicht als unverhältnismäßig und rechtswidrig dar. Denn es ist nicht offensichtlich, dass dem Kläger im Falle eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis diese nach der jetzt gültigen Rechtslage ohne Weiteres (wieder) erteilt werden müsste. Es kann dabei dahinstehen, ob aufgrund der Angabe des Klägers aufgrund von Schmerzen jeden Abend Cannabis zu konsumieren, da er sonst überhaupt nicht schlafen könne (Bl. 34 der Behördenakte), Tatsachen vorliegen, die die Annahme einer Cannabisabhängigkeit begründen und damit die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 13a Satz 1 Nr. 1 FeV n.F. im Falle eines Neuerteilungsverfahrens rechtfertigen würden. Denn jedenfalls aufgrund des Vorfalls am 12. Juni 2023 bestünden hinreichende Anhaltspunkte zur Abklärung der Fahreignung im Hinblick auf eine Diabetes-Erkrankung (Nr. 5 der Anlage 4 zur FeV).
47
Nach alledem stellt sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig dar.
48
Einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung durch die Kammer bedurfte es nicht. Einen förmlichen Beweisantrag unter Formulierung einer konkreten und individualisierten Tatsache im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO entsprechend, über den das Gericht zu entscheiden hätte, hat der Kläger nicht gestellt. Soweit er zu diversen Aspekten Beweisanregungen zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vorbringt, brauchte dem auch vor dem Hintergrund der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO) nicht nachgekommen werden, da es auf diese Aspekte nicht entscheidungserheblich ankommt.
49
Ob die von der Polizei festgestellten Ausfallerscheinungen möglicherweise krankheitsbedingt waren und der Kläger chronischer Schmerzpatient ist, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der auf den regelmäßigen Cannabiskonsum des Klägers gestützten Fahrerlaubnisentziehung nicht von Belang.
50
Soweit der Klägerbevollmächtigte anregt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um festzustellen, dass die Angaben des regelmäßigen Cannabiskonsums im Hinblick auf die festgestellte THC-Konzentration objektiv falsch gewesen seien, braucht dem nach obigen Ausführungen ebenfalls nicht näher nachgegangen werden. Es liegen – wie bereits dargestellt – keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Kläger gegenüber der Polizei getätigte Äußerung nicht den Tatsachen entsprach.
51
c.) Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in der Fassung, die sie durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
52
Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53
Die Fristsetzung von fünf Tagen ab Zustellung des Bescheides ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine tatsächliche Unmöglichkeit der Rückgabe bestand trotz der urlaubsbedingten längeren Abwesenheit des Klägers nicht. Gerade bei derartigen längeren Abwesenheiten ist es Sache des Klägers dafür zu sorgen, dass er erreichbar ist. Die fehlende Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch seinen Bevollmächtigten geht zu seinen Lasten und betrifft allein das Innenverhältnis zu diesem.
54
d.) Die übrigen getroffenen Entscheidungen (Zwangsgeldandrohung, Kostenentscheidung) sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Derartige Gründe sind auch sonst nicht ersichtlich.
55
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Für die beantragte Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren ist kein Raum, da der Kläger nach der Kostengrundentscheidung vollständig unterliegt und ihm daher kein Kostenerstattungsanspruch zusteht (Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2022, § 162 Rn. 17).
56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.