Inhalt

VG München, Beschluss v. 12.06.2024 – M 9 SN 24.1888
Titel:

Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegen Neubau mit Spirituosenladen und Monteursapartments im allgemeinen Wohngebiet

Normenketten:
BauGB § 31 Abs. 1
BauNVO § 4, § 15 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Entscheidend für die ausnahmsweise Zulässigkeit eines Beherbergungsgewerbes im allgemeinen Wohngebiet ist das Gesamtbild des Betriebs in seiner konkreten Erscheinung; die Ausnahme für Beherbergungsbetriebe ist insbesondere nicht an das Erfordernis der Gebietsversorgung gebunden. Ein Betrieb mit vier Betten, verteilt auf drei Apartments, sprengt nicht den Rahmen der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Was sonstige nicht störende Gewerbebetriebe iSv § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind, orientiert sich daran, in welchem Umfang sie mit der Wohnnutzung vereinbar sind. Der Störgrad eines Betriebs ist grundsätzlich nicht anhand einer konkreten Betrachtung des Vorhabens, sondern durch eine (eingeschränkte) typisierende Betrachtung zu ermitteln. Zu prüfen ist, ob das Vorhaben generell geeignet ist, das Wohnen, zB in einem allgemeinen Wohngebiet, zu stören. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verpflichtung des Bauherrn, für eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen zu sorgen, entfaltet nur ganz ausnahmsweise drittschützende Wirkung, etwa, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr in großer Anzahl erheblich verschlechtern könnte. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Errichtung eines Gebäudes mit Unterkunft für Monteure und Spirituosenladen, Ausnahme, Nachbarantrag, Rücksichtnahmegebot, Baugenehmigung, Nachbar, Allgemeines Wohngebiet, Gebietserhaltungsanspruch, Beherbergungsgewerbe, nicht störender Gewerbebetrieb, An- und Abfahrtsverkehr, Gebot der Rücksichtnahme, Stellplätze
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17399

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren als Nachbarn die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung des Neubaus eines Gebäudes mit Spirituosenladen und einer Wohnung im Erdgeschoss sowie dreier Apartments für Beherbergung im Obergeschoss sowie Abstellraum mit Garage auf dem Grundstück Fl.-Nr. 1032/68 der Gemarkung G* … (im Folgenden: Vorhabengrundstück).
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Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1032/72 der Gemarkung G* …, das südlich und südöstlich an das Vorhabengrundstück angrenzt (im Folgenden: Nachbargrundstück). Das Nachbargrundstück ist nach Aktenlage mit einem Wohngebäude bebaut (Anwesen Holbeinstr. 8a in G* …*). Sowohl das Vorhabengrundstück als auch das Nachbargrundstück befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 6 Ä II „… …“ des Marktes G* …, zuletzt geändert am 21. Februar 2020. Dieser Bebauungsplan setzt für beide Grundstücke als zulässige Art der baulichen Nutzung „WA“ (Allgemeines Wohngebiet) fest.
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Laut Baubeschreibungen vom … November 2023 und … Februar 2024 (Bl. 61 der vorgelegten Behördenakte – BA) soll die Spirituosenhandlung nicht in Vollzeit, sondern nur eingeschränkt tage- bzw. stundenweise geöffnet werden. Die Beschäftigung von Angestellten ist nicht geplant, sondern der Vertrieb und die Verarbeitung sowie die anfallende Büroarbeit wird alleine durch die Betriebsleiterin erledigt. Die Spirituosen sollen in 5-Liter-Gebinden zugekauft, in kleinere Gefäße bzw. Flaschen abgefüllt und dann etikettiert werden. Die Zielgruppe sind Firmen, Zwischenhändler und Privatpersonen. Eine Verkostung und Auswahl erfolgt auf Termin oder zu den Öffnungszeiten. Die Apartments im Obergeschoss sind als Beherbergungsstätte für Monteure geplant und werden tageweise vermietet.
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Ausweislich der genehmigten Bauvorlagen, Bl. 73 ff. BA, erfolgt die Anfahrt zu den Stellplätzen und dem streitgegenständlichen Gebäude über die nördlich des Vorhabengrundstücks gelegene Holbeinstraße, Grundstück FlNr. 1032/31, Gemarkung G* … und eine auf dem Vorhabengrundstück zu errichtende gepflasterte Zufahrt, welche an ihrer schmalsten Stelle 2,75 m breit ist und entlang der östlichen Grundstücksgrenze des Nachbargrundstücks verläuft.
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Mit Bescheid vom … März 2024 (Az. 43-BV-Nr. 1 506-2023-8F) erteilte der Antragsgegner auf Bauantrag vom … November 2023 dem Beigeladenen die Baugenehmigung für die Neuerrichtung eines Gebäudes mit Spirituosenladen, einer Wohnung im Erdgeschoss, drei Apartments für Beherbergung im Obergeschoss sowie Abstellraum mit Garage auf dem Vorhabengrundstück. Es wurde eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für die drei Apartments als Betrieb des Beherbergungsgewerbes und für den Spirituosenladen als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb erteilt. Die Genehmigung wurde u.a. unter der Auflage erteilt, dass die Betriebsbeschreibungen vom … November 2023 und … Februar 2024 zum Bestandteil der Genehmigung erklärt werden (Nr. 3 der Auflagen). Weiter wurde festgesetzt, dass der Beurteilungspegel der von dem Betrieb der Gewerbeeinheit ausgehenden Geräusche, einschließlich des Be- und Entladeverkehrs, im umliegenden allgemeinen Wohngebiet auf den Flur-Nrn. 1032/67, 1032/71, 1032/72 und 1032/73 reduzierte Immissionsrichtwerte von 49 dB(A) tagsüber (06.00 bis 22.00 Uhr) und 34 dB(A) nachts (22.00 bis 06.00 Uhr) nicht überschreiten darf, wobei einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die nicht reduzierten Immissionsrichtwerte von tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) um nicht mehr als 30 dB(A) am Tag und um 20 dB(A) in der Nacht überschreiten dürfen (Nr. 10 der Auflagen). Zudem ist die Auflage enthalten, dass auf dem Baugrundstück sieben Pkw-Stellplätzen in geeigneter Beschaffenheit anzuordnen sind (Nr. 15 der Auflagen). Auf den Inhalt des Bescheids vom … März 2024 im Übrigen wird Bezug genommen.
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Der Markt G* … erteilte im Vorfeld der Genehmigung am … Dezember 2023 das gemeindliche Einvernehmen als laufende Angelegenheit, auch zu einer Ausnahme nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO für den Spirituosenhandel (Bl. 25 BA). Mit Beschluss vom 6. März 2024 erteilte der Markt G* … sein Einvernehmen zu einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO für das Beherbergungsgewerbe (Bl. 72 BA).
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Der Bescheid wurde den Antragstellern am … März 2024 zugestellt (Bl. 95 ff. BA).
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Mit am 11. April 2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10. April 2024 haben die Antragsteller Klage erhoben (M 9 K 24.1886) und beantragten zudem,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 11. April 2024 und 28. Mai 2024 (letzteren nur im Klageverfahren übersandt) im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB unzulässig sei, da es sich bei dem Gebiet, in dem der Beherbergungsbetrieb errichtet werden solle, um ein Wohngebiet handele, in welchem es keine Gewerbe- oder Beherbergungsbetriebe gebe, sondern das von Ein- und Zweifamilienhäusern bestimmt sei. Die geplante Tagesvermietung an Monteure führe dazu, dass jeden Tag An- und Abreiseverkehr mit Firmenfahrzeugen und Lastwagen erzeugt werde. Dies führe zu einer erheblichen und erhöhten Lärmbelästigung. Die Zufahrt führe über eine private Stichstraße von unter fünf Metern Breite, so dass bei Begegnungsverkehr auch mit Stauungen bzw. Rangierlärm zu rechnen sei. All dies habe der Antragsgegner bei seinem Ermessensgebrauch nicht berücksichtigt. Zudem seien die mit der Ankunft und Abfahrt von Fahrzeugen verbundenen Rangiergeräusche, das Schlagen von Türen, das Starten von Motoren oder Gespräche der ein- und aussteigenden Personen für die Nachbarschaft wahrnehmbar. Eine Lärmvorbelastung fehle, da das Vorhabengrundstück sonst keinen Durchgangsverkehr aufweise. Der gesamte Verkehr führe direkt und ohne jeden Abstand am Grundstück der Antragsteller vorbei. Die zu ertragenden Geräusche überstiegen bei Weitem die verfügte Lärmschutzauflage. Des Weiteren entstehe durch den Spirituosenladen zusätzlicher Lieferverkehr, wobei Stand- oder Rangierflächen für die Lieferfahrzeuge weder vorgesehen noch vorhanden seien. Zusätzlich sei aufgrund der nach der Beschreibung vom 20. Februar 2024 stattfindenden Verkostungstermine mit einem erhöhten Besucheraufkommen und Anfall von Kraftfahrzeugen zu rechnen, für welche keinerlei Platz vorhanden sei. Bei der am Vorhabengrundstück vorbeiführenden öffentlichen Straße handele es sich um eine reine Straße mit Siedlungscharakter, welche weder erhöhtes Verkehrs- noch Parkaufkommen verkraften könne. Zudem sei das Vorhaben gegenüber den Antragstellern rücksichtslos. Der Beigeladene habe zugesichert gehabt, eine Ringstraße als Privatstraße um das Vorhabengrundstück zu errichten. Die Ringstraße hätte den Antragstellern einen freien Zugang zum südlichen Gartenteil aus einem öffentlichen Weg ermöglicht. Dies habe der Beigeladene auch gegenüber dem Markt G* … zugesagt. Die Antragsteller hätten darauf vertraut und das Grundstück (gemeint wohl: vom Beigeladenen) erworben bzw. den Kaufvertrag über das Grundstück nicht widerrufen. Tatsächlich habe der Beigeladene nicht nur die zugesicherte private Ringstraße nicht errichtet, sondern darüber hinaus direkt an die Grenze ohne Abstand Garagen errichtet, die dem Garten insoweit den Zugang abschnitten. Zudem dürften in der Zufahrt, die als Rettungsweg diene, keine Stellplätze vorhanden sein. Auf die Schriftsätze im Übrigen wird Bezug genommen.
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Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 24. Mai 2024 beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 24. Mai 2024 und 10. Juni 2024 (letzteren nur im Klageverfahren übersandt) im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung der Ausnahme zum Betrieb der drei Apartments als Beherbergung sowie für einen nicht störenden Gewerbebetrieb vorlägen. Die Nachbarbelange seien bereits auf der Ebene der Planung hinreichend berücksichtigt, so dass sich der Nachbar auf die Erteilung der Ausnahmen grundsätzlich einstellen müsse. Um die durch die Erteilung der Ausnahme für die Nachbarn entstehenden möglichen Nachteile auf ein Mindestmaß zu beschränken, sei die streitgegenständliche Baugenehmigung mit Auflagen verbunden. Durch die Beschränkung der Immissionsrichtwerte unter Nr. 10 werde sichergestellt, dass auf den benachbarten Grundstücken durch den Betrieb der Gewerbeeinheit keine die Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet übersteigenden Lärmimmissionen verursacht würden. Zusätzlich sei die Genehmigung unter Nr. 13 mit einem Vorbehalt für Auflagen, welche sich aus immissionsschutzfachlicher Sicht ergeben sollten, verbunden, wodurch nachträglich nachgesteuert werden könne. Aufgrund der vorgelegten Betriebsbeschreibung und der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen würden keine Nachteile eintreten, die den Nachbarn billigerweise nicht mehr zuzumuten sei. Somit liege kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor. Der Betrieb des Beherbergungsgewerbes sowie der Spirituosenladen widersprächen nicht nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Gebiets. Insbesondere sei die Anzahl der ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nicht kritisch, da im näheren Umgriff des Vorhabengrundstück keine bekannten ausnahmsweise zulässigen Nutzungen und im gesamten Baugebiet des Bebauungsplans ca. zwei ausnahmsweise zulässigen Nutzungen vorhanden seien. Das allgemeine Wohngebiet drohe vorliegend nicht zu „kippen“. Die von den Antragstellern erwähnte Ringstraße sei nicht im Bebauungsplan als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzt, so dass diesbezüglich auch keine Befreiung erforderlich sei. Auf eine mögliche privatrechtliche Zusicherung des Beigeladenen könnten sich die Antragsteller öffentlich-rechtlich nicht berufen. Für die Wohnung seien gemäß der Anlage zur Stellplatzsatzung zwei, für den Spirituosenladen zwei und für die drei Beherbergungszimmer insgesamt drei Stellplätze erforderlich, welche vom Beigeladenen auch nachgewiesen seien. Auf die Schriftsätze im Übrigen wird Bezug genommen.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt mit Schriftsatz vom 4. Juni 2024,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass von dem Beherbergungsbetrieb keine wesentlichen unzulässigen Störungen ausgingen. Da Monteure zumeist auswärts seien, sei weder mit Stauungen noch Rangierlärm zu rechnen. Der Spirituosenladen sei ein nichtstörender Gewerbebetrieb. Der Lieferverkehr sei wesentlich untergeordnet, Verkostungstermine äußerst selten, sodass mit einem erhöhten Besucheraufkommen und erhöhten Anfahrten von Kraftfahrzeugen nicht zu rechnen sei. Ordnungsgemäße Stellplätze seien vorhanden, weitere würden nicht benötigt. Eine Zusicherung der Ausführung einer Ringstraße als Privatstraße habe der Beigeladene zu keinem Zeitpunkt abgegeben und dies könne er auch nicht, da diese über das Grundstück des Bruders des Beigeladenen – FlNr. 1032/67, Gemarkung G* … – geführt hätte. Auf den Schriftsatz im Übrigen wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren, Az. M 9 K 23.1886, und auf die vorgelegten Behördenakten samt genehmigter Bauvorlagen und vorgelegtem Bebauungsplan Bezug genommen.
II.
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I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller vom 11. April 2024 gegen die erteilte Baugenehmigung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier des Nachbarn, die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
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2. Gemessen hieran überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und des Beigeladenen gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller, da die Klage der Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass Nachbarn wie die Antragsteller eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden, subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20 m.w.N). Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 42 Rn. 89 ff.). Ferner ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO sind (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
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Solche Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch aller Voraussicht nach nicht verletzt. Weder ist der sogenannte Gebietserhaltungsanspruch verletzt (a), noch verstößt das Vorhaben gegen einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch bzw. gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (b) und schließlich liegt auch keine Verletzung des sogenannten Rücksichtnahmegebot, insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, vor (c).
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a) Die Antragsteller werden durch das Vorhaben nicht in einem ihnen zustehenden Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
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Der sogenannte Gebietserhaltungsanspruch gibt einem Grundstückseigentümer in einem wie hier durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unzulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen (vgl. nur BayVGH, B. v. 21.3.2023 – 2 ZB 22.639 – juris Rn. 7; B. v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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Eine den sogenannten Gebietserhaltungsanspruch verletzende bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung liegt durch die in der Hauptsache angefochtene Baugenehmigung nicht vor. Das Vorhaben ist im festgesetzten allgemeinen Wohngebiet hinsichtlich der Wohnung im Erdgeschoss gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig sowie hinsichtlich der drei Apartments für tageweise Vermietung an Monteure im Obergeschoss als Betrieb des Beherbergungsgewerbes gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO und hinsichtlich des Spirituosenladens im Erdgeschoss als sonstiger nichtstörender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.
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aa) Die drei Apartments sind aufgrund der laut Betriebsbeschreibung vom … November 2023 und … Februar 2024 tageweisen Vermietung an Monteure als Betrieb des Beherbergungsgewerbes i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO einzustufen. Der Begriff des Beherbergungsgewerbes ist ein eigenständiger Begriff des Bauplanungsrechts. Dem Beherbergungsgewerbe sind diejenigen Betriebe zuzuordnen, die einem ständig wechselnden Kundenkreis gegen Entgelt vorübergehend Übernachtungsmöglichkeiten bieten, ohne dass die Gäste ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43.89 – juris Rn. 17). Der Beigeladene beabsichtigt das Angebot entgeltlicher tageweiser Übernachtung in den drei Apartments und betreibt demnach ein Beherbergungsgewerbe.
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Entscheidend für die ausnahmsweise Zulässigkeit eines Beherbergungsgewerbes im allgemeinen Wohngebiet ist das Gesamtbild des Betriebs in seiner konkreten Erscheinung; die Ausnahme für Beherbergungsbetriebe ist insbesondere nicht an das Erfordernis der Gebietsversorgung gebunden. Auch ist die für das reine Wohngebiet nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO geltende Größenbeschränkung auf kleine Betriebe nicht vorgesehen, sodass auch größere Betriebe, aber keine Großbetriebe untergebracht werden können. Insoweit gilt, dass die Anzahl der Betten zwar ein wichtiger, aber keineswegs allein bestimmender Anhaltspunkt für die Zulässigkeitsbeurteilung ist (vgl. z.B. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, § 4 Rn. 68).
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Ausgehend davon ist der Beherbergungsbetrieb im vorliegenden Gebiet ausnahmsweise zulässig. Ein Betrieb mit vier Betten, verteilt auf drei Apartments, sprengt nicht den Rahmen der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets. Mit der Zulassung des Vorhabens ist keine gebietsunverträgliche, unzumutbare Störung der Wohnruhe zu besorgen. Insoweit ist auch im Hinblick auf etwaige Besonderheiten durch die Eigenschaft als tageweise Unterkunft für Monteure von keiner Gebietsunverträglichkeit auszugehen, da der Beherbergungsbetrieb mit seinen drei Apartments für maximal vier Personen von geringer Größe ist (vgl. zu Monteursunterkünften: z. B. OVG NRW, B.v. 31.1.2024 – 10 B 1456/23 – juris Rn. 10 ff.; B.v. 30.9.2022 – 10 B 980/22 – juris Rn. 7).
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Auch der durch die Gäste der Beherbergungsstätte entstehende An- und Abreiseverkehr steht der Zulässigkeit der Ausnahme nicht entgegen. Im Hinblick auf die Fahrbewegungen durch die Beherbergungsgäste ist entgegen der Antragsbegründung nicht davon auszugehen, dass es zu regelmäßigem An- und Abreiseverkehr mit Lastkraftfahrzeugen kommen wird, da ausweislich der genehmigten Bauvorlagen keine Stellplätze für Lastkraftfahrzeuge vorgesehen sind und Monteure für den Transport des erforderlichen Werkzeugs und Materials nicht typischerweise Lastkraftfahrzeuge nutzen und somit diese auch nicht vor und nach ihrer Tätigkeit vor der Beherbergungsstätte parken. Unabhängig davon führt auch die Anzahl der Fahrbewegungen durch die Monteure als Beherbergungsgäste zu keinem im Vergleich zu einer Wohnnutzung erhöhten Verkehrsaufkommen. Denn zum einen handelt es sich um einen Beherbergungsbetrieb von geringer Größe und zum anderen verlassen Monteure typischerweise morgens die Beherbergungsstätte für das Aufsuchen des jeweiligen Tätigkeitsorts und suchen diese abends wieder auf. Die Anzahl der Fahrbewegungen ist somit mit denen bei einer Wohnnutzung durch z. B. Arbeitnehmer vergleichbar. Nach alledem liegt insoweit ein erwartbarer Grad von Immissionen vor, der mit der Nutzung des Baugrundstücks als Wohnanlage vergleichbar ist.
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bb) Der Spirituosenladen ist als nicht störender Gewerbebetrieb einzustufen. Was sonstige nicht störende Gewerbebetriebe i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind, orientiert sich daran, in welchem Umfang sie mit der Wohnnutzung vereinbar sind (Decker in Jäde/Dirnberger, BauNVO, 10. Auflage 2022, § 4 Rn. 30 m.w.N.). Der Störgrad eines Betriebs ist grundsätzlich nicht anhand einer konkreten Betrachtung des Vorhabens, sondern durch eine (eingeschränkte) typisierende Betrachtung zu ermitteln. Zu prüfen ist, ob das Vorhaben generell geeignet ist, das Wohnen, z.B. wie hier in einem allgemeinen Wohngebiet, zu stören (Stock in EZBK, 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 4 Rn. 119 und Rn. 73). Bedeutsam für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit insofern sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung. Außerdem sind die Art und Weise der Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Betriebs zu berücksichtigen (Stock in EZBK, 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 4 Rn. 119 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung allein an Hand der (auch eingeschränkten) typisierenden Betrachtungsweise im Fall von Nutzungen wie hier, bei einem Betrieb, der zu einer Branche gehört, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufweisen, nicht sachgerecht sein kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2011 – 15 ZB 10.3134 – juris Rn. 13). Vielmehr sind demnach hier die konkreten Verhältnisse des Betriebes maßgeblich, da der mit dem Vorhaben genehmigte „Betrieb“ zu einer Branche gehört, bei der die Bandbreite des Störgrades der üblichen Betriebsformen vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden Betrieb reicht; auch hier ist die Prüfung des dem Betrieb innewohnenden Störpotentials jedoch auf das Ausmaß der typischerweise bei einer solchen Betriebsform auftretenden Störungen auszurichten (BayVGH, a.a.O.). Deswegen ist bei der anzustellenden typisierenden Betrachtung das konkrete Vorhaben zu berücksichtigen, soweit es um die konkrete Prägung der zu beurteilenden Nutzung geht und diese Unterschiede zu anderen denkbaren Erscheinungsformen eines Betriebs eines Spirituosenladens aufweist; dagegen spielen an dieser Stelle der Prüfung z.B. die verfügten Lärmauflagen keine Rolle.
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Vorhaben als nicht störender Gewebebetrieb einzustufen. Die geplante gewerbliche Nutzung als Spirituosenladen kommt ohne den Einsatz lärmintensiver Gerätschaften oder Anlagen aus und ist durch das Abfüllen von zugekauften Spirituosen in kleinere Gefäße und Flaschen sowie deren Etikettierung ohne Einsatz von Angestellten gekennzeichnet. Kundenkontakt durch den Verkauf und die Verkostung von Spirituosen, welcher auch nur tage- bzw. stundenweise erfolgt, soll ausschließlich in den Innenräumen des Gebäudes erfolgen. Dazu kommt, dass das Vorhaben von seinem Zuschnitt her und hinsichtlich des Umstands, dass sich unter Berücksichtigung der baulichen und räumlichen Gegebenheiten keine größeren Personenanzahlen gleichzeitig im Spirituosenladen aufhalten, keine große gewerbliche Einheit darstellt. Auch der Einzugsbereich des Vorhabens steht dem nicht entgegen. Dass das Vorhaben nicht nur das Bebauungsplangebiet versorgt, liegt aufgrund des in der Betriebsbeschreibung anvisierten Kundenkreis nahe, allerdings enthält § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gerade keine Beschränkung auf die bloße Gebietsversorgung. Gleichwohl kann jedoch ein zu großer Einzugsbereich dazu führen, dass die Annahme eines nicht störenden Gewerbebetriebs scheitert. Davon ist hier angesichts der konkreten Verhältnisse des Vorhabens, insbesondere der baulichen und räumlichen Gegebenheiten und dem fehlenden Einsatz von Personal, allerdings nicht auszugehen.
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Gleiches gilt im Hinblick auf den bei derartigen Anlagen notwendigerweise zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehr. Dieser wird über die Zeit gestreckt, da nicht alle Kunden auf einmal an- oder abreisen und entspricht im Wesentlichen dem Lärm, der von einer vergleichbar großen Wohnanlage zu erwarten wäre. Gleiches gilt für etwaigen Verkehr durch Lieferanten, da insoweit davon auszugehen ist, dass dieser, falls die Anlieferung der zugekauften Spirituosen nicht ohnehin bereits durch die Betriebsleitung selbst erfolgt, aus wenigen Fremdlieferungen pro Woche bestehen wird. Für den Betrieb des Spirituosenladens werden keinerlei Angestellte eingesetzt, so dass sich die Betriebsleitung gleichzeitig um den Zukauf der Spirituosen, deren Abfüllung in Flaschen, die Etikettierung und die Verkostung und den Verkauf sowie die anfallenden Bürotätigkeiten kümmern muss. Dies wirkt sich denklogisch einschränkend sowohl auf die Menge der durch die Betriebsleitung zugekauften Spirituosen und somit auf die Anzahl der Lieferungen aus als auch auf die Kapazität des Ladens hinsichtlich der Anzahl der gleichzeitig im Laden zu beratenden Kunden usw.
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b) Die Antragsteller können sich auch nicht auf eine Verletzung eines sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruchs berufen. Unabhängig davon, ob es einen solchen Anspruch überhaupt gibt (siehe hierzu BayVGH, B. v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris, Rn. 9 m.w.N.), liegt hier jedenfalls keine zu einer Verletzung dieses Anspruchs führende Gebietsunverträglichkeit aufgrund eines Widerspruchs zu der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets vor.
34
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. In geeigneten Fällen, etwa mit Rücksicht auf die verhältnismäßig geringe Größe eines zu beurteilenden Plangebiets, kann es geboten sein, zusätzlich auch noch die örtlichen Verhältnisse in der angrenzenden Umgebung heranzuziehen, um die besondere Eigenheit des konkreten Baugebiets genau zu bestimmen (König/Roeser/Stock, 5. Aufl. 2022, BauNVO § 15 Rn. 14).
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Die geplante Nutzung von Teilen des streitgegenständlichen Vorhabens für Beherbergungszwecke und für den Betrieb eines Spirituosenladens hält sich im Rahmen der Zweckbestimmung des Baugebiets. Dieses ist im Fall des Bebauungsplans Nr. 6 Ä II „… …, Markt G* …“ ausweislich der entsprechenden Festsetzung der Art der baulichen Nutzung vorwiegend von Wohnnutzung geprägt. Unabhängig davon, ob in der näheren Umgebung innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans bereits Beherbergungsbetriebe und Gewerbebetriebe vorhanden sind, was sich angesichts der Beschränkung des Antragsverfahrens auf die Auswertung der Aktenlage nicht abschließend feststellen lässt – vorgetragen ist allerdings nichts, obwohl das für diesen Fall Sache der Beteiligten wäre, und weiterhin unabhängig davon, ob und inwieweit hier auch die direkte Umgebung des Baugebiets ergänzend heranzuziehen ist, steht dem Vorhaben auch dann nichts entgegen, wenn (lediglich) auf die überwiegende Wohnnutzung im Bebauungsplangebiet abgestellt wird, da die ausnahmsweise zulässige, nicht störende gewerbliche Nutzung, unabhängig davon, wie wohnähnlich sie genau ist, keine Umstände beinhaltet, die hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen würden.
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Auch der geplante Umfang sowie die Lage des Vorhabens liegen nach der Aktenlage noch im Rahmen des durch die umgrenzenden Gebäude geprägten Bereichs. Der Baukörper des Vorhabens als Ganzes betrachtet ist im Vergleich zu anderen Gebäuden im Baugebiet nicht so exzeptionell, dass hier ein sogenanntes „Umschlagen von Quantität in Qualität“ (vgl. BverwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17) auch nur in Betracht kommt. Das gilt unabhängig davon, ob dafür auf in der näheren Umgebung des Vorhabens, aber außerhalb des Baugebiets liegende Gebäude abgestellt werden kann (insbesondere auf das Gebäude auf FlNr. 1032, I* … Str. 57), da nach Aktenlage auch im Baugebiet größere Gebäude vorhanden sind (z.B. die Anwesen D* … 3, 9 und 26).
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Schließlich ergibt sich nach Aktenlage eine Verletzung eines Gebietsprägungserhaltungsanspruchs auch nicht aus der Anzahl vergleichbarer Anlagen. Auch bei Errichtung des Vorhabens bleibt das Baugebiet von der Wohnnutzung geprägt und eine derartige Nutzung zu Beherbergungszwecken bzw. gewerbliche Nutzung stellt weiterhin eine Ausnahme dar.
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c) Auch aus dem Gebot der Rücksichtnahme, hier insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, können die Antragsteller keine Rechtsverletzung herleiten. Zwar gehören die Antragsteller als Eigentümer eines Nachbargrundstücks zum qualifiziert geschützten Personenkreis, jedoch liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht vor.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und anderseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 23). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
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Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist das Rücksichtnahmegebot, hier insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht verletzt.
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aa) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aufgrund der vom Vorhaben voraussichtlich verursachten Immissionen kann nicht bejaht werden. Im streitgegenständlichen Bescheid ist durch mehrere Auflagen der Fachstelle Technischer Umweltschutz des Landratsamts die Einhaltung der hier anzulegenden Immissionsrichtwerte vorgeschrieben (zur Zulässigkeit einer sogenannten zielorientierten Immissionsfestlegung, wenn wie hier nicht mit einer Überschreitung zu rechnen ist, vgl. VG München, B. v. 15.1.2019 – M 9 SN 18.4926 – juris Rn. 26 m.w.N.). Dass das Vorhaben zwingend zu einer Überschreitung der Richtwerte der TA Lärm führt, haben die Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Vielmehr ist aufgrund der Natur des geplanten Betriebs des Spirituosenladens insofern nicht mit einem erheblichen Lärmaufkommen zu rechnen. Dieser besteht laut Betriebsbeschreibungen vom … November 2023 und … Februar 2024, siehe die entsprechende Auflagennr.im Genehmigungsbescheid, aus dem Zukauf von Spirituosen in 5-Liter-Gebinden, dem Abfüllen der Spirituosen in kleinere Flaschen und Gefäßen, der Etikettierung und der Verkostung und des Verkaufs an Kunden zu nur eingeschränkten Öffnungszeiten und auf Terminvereinbarung auf einer Verkaufsfläche von lediglich 16,3 qm. Hinzu kommt, dass sich in dem für die Nutzung des Spirituosenladens geplanten Gebäudeteil im Erdgeschoss sich Fenster hin zum Nachbargrundstück befinden
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Gleiches gilt auch für den An- und Abfahrtsverkehr zu den geplanten Stellplätzen und der Garage. Dieser erfolgt über eine auf dem Vorhabengrundstück zu errichtende, gepflasterte Zufahrt, welche entlang der östlichen Grundstücksgrenze des Nachbargrundstücks verläuft. Die durch die Nutzung erforderlicher Stellplätze verursachten Störungen sind regelmäßig hinzunehmen (BayVGH, B.v. 15.9.2008 – 1 CS 08.2123 – juris). Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind in Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Bauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 23 m.w.N.).
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Das hiervon in diesem Fall eine Ausnahme zu machen wäre, ist nicht ersichtlich. Wie oben bereits, dargestellt wird der An- und Abfahrtsverkehr über die Zeit gestreckt und entspricht im Wesentlichen dem Lärm, der von einer vergleichbar großen Wohnanlage zu erwarten wäre.
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Insbesondere können sich aufgrund der vergleichsweise geringen Verkaufsfläche keine größeren Personenanzahlen gleichzeitig im Spirituosenladen aufhalten, was sich mindernd auf den zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehr auswirkt. Ebenfalls beschränkend ist zu berücksichtigen, dass sich aufgrund der eingeschränkten Öffnungszeiten und dem fehlenden Einsatz von Angestellten die Anzahl der täglichen Kunden sowie die Anzahl etwaiger Lieferungen durch Lieferanten und damit die Anzahl der täglichen Fahrbewegungen, welche durch den Spirituosenladen verursacht werden, in einem überschaubaren Rahmen halten.
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Im Hinblick auf die Fahrbewegungen durch die Beherbergungsgäste ist entgegen der Antragsbegründung nicht davon auszugehen, dass es zu einem im Vergleich zu einer Wohnnutzung wesentlich erhöhten Lärmaufkommen kommt. Wie oben bereits dargestellt, wird es nicht zu regelmäßigem An- und Abreiseverkehr mit Lastkraftfahrzeugen kommen und die Anzahl der Fahrbewegungen durch die Monteure als Beherbergungsgäste ist mit der bei einer Wohnnutzung durch „normale“ Arbeitnehmer vergleichbar.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Zufahrt zu den sechs Stellplätzen sowie der einen Garage an ihrer schmalsten Stelle 2,75 m breit ist. Insoweit ist entgegen des Vortrags der Antragspartei auch nicht von erheblichem Lärmaufkommen durch Begegnungsverkehr mit Stauungen und durch Rangierlärm auszugehen, da es angesichts der oben bereits dargestellten Anzahl der Fahrbewegungen durch die Kunden und Lieferanten des Spirituosenladens und die Beherbergungsgäste nur in absoluten Ausnahmefällen zu Begegnungsverkehr und Rangierlärm – was aber beides im sozialadäquaten Umfang ebenfalls zumutbar ist – kommen dürfte. Zudem ist die Zufahrt ausweislich der genehmigten Bauunterlagen in ihrer Länge und Ausgestaltung nicht so unübersichtlich, dass es für von der Holbeinstraße auf das Vorhabengrundstück einfahrende Fahrzeuge nicht möglich wäre, ausparkende und auf der Zufahrt fahrende Fahrzeuge zu sehen und zur Vermeidung von Begegnungsverkehr zu warten. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aus diesem Gesichtspunkt scheidet daher aus.
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bb) Soweit die Antragsteller vortragen, dass sie auf eine Zusicherung des Beigeladenen, eine Ringstraße als Privat straße um das Vorhabengrundstück zu errichten und ihnen einen freien Zugang zum südlichen Gartenteil ihres Grundstücks aus einem öffentlichen Weg zu ermöglichen, vertraut und ihr Grundstück deshalb von ihm erworben bzw. den Kaufvertrag über das Grundstück nicht widerrufen hätten, führt dies zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Denn ungeachtet der Tatsache, dass eine solche Zusicherung seitens der Antragspartei überhaupt nicht nachgewiesen wurde, könnte es sich allenfalls um eine privatrechtliche Vereinbarung des Beigeladenen mit den Antragstellern handeln. Ein etwaiges Recht aus einer solchen Vereinbarung ist aber nicht Gegenstand der baurechtlichen Prüfung. Dies ergibt sich bereits aus Art. 68 Abs. 5 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird.
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cc) Schließlich lässt sich auch aus der Schaffung der beabsichtigten Anzahl von Stellplätzen und aus der Erschließungssituation als solcher kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot herleiten.
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Die Verpflichtung des Bauherrn, für eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen zu sorgen, entfaltet nur ganz ausnahmsweise drittschützende Wirkung, etwa, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr in großer Anzahl erheblich verschlechtern könnte. Auch kann eine unzureichende Stellplatzzahl eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Grundstücke im Einzelfall ganz ausnahmsweise im bauplanungsrechtlichen Sinn rücksichtslos sein (BayVGH, B. v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 20). Auf eine ausreichende Beschaffenheit der Stellplätze und die zutreffende Berechnung der notwendigen Anzahl kommt es in einer Nachbarklage deswegen grundsätzlich nicht an (VG München, U.v. 5.9.2019 – M 11 K 18.614 – juris Rn. 24; VG München, B.v. 18.12.2020 – M 9 SN 20.1913 – juris Rn. 20).
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Unabhängig davon, dass eine Ausnahmesituation im soeben beschriebenen Sinn weder durch die Antragsteller in irgendeiner Form belegt oder auch nur plausibel gemacht ist, noch, dass eine solche sonst irgendwie ersichtlich wäre, bestehen hier auch keine Zweifel daran, dass der erforderliche Stellplatzbedarf, wie die Antragstellerpartei in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2024 selbst bestätigt, grundsätzlich richtig festgesetzt wurde, sodass unabhängig vom insoweit fehlenden Drittschutz auch deswegen eine bauplanungsrechtliche Rücksichtslosigkeit aus diesem Gesichtspunkt ausscheidet. Auch der Einwand der Antragspartei, dass in einer Zufahrt, die als Rettungsweg diene, keine Stellplätze vorhanden sein dürften, verfängt nicht, da dem Vorliegen funktionsfähiger Rettungswege keine nachbarschützende Wirkung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2018 – 9 ZB 17.1984 – juris Rn. 16).
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Soweit die Antragsteller rügen, die Baugenehmigung lasse ein Ermessensdefizit des Antragsgegners erkennen, verhilft auch dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn ein Grundstücksnachbar hat keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 29.3.2022 – 4 C 6.20 – juris Rn. 19 ff.; OVG NRW, U.v. 23.9.2019 – 10 A 1114/17 – juris Rn. 43, und U.v. 25.10.2010 – 7 A 1298/09 – juris Rn. 100).
II.
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Nach alledem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.7.1 sowie 1.5.