Titel:
Städtebaulicher Vertrag, Vorbereitung der Umlegung, Freiwilliges Umlegungsverfahren, Verteilung nach Werten, Verteilung nach Verhältnis
Normenketten:
BauGB §§ 45 ff.
BauGB § 217
VwGO § 43
BayVwVfG Art. 60
Schlagworte:
Städtebaulicher Vertrag, Vorbereitung der Umlegung, Freiwilliges Umlegungsverfahren, Verteilung nach Werten, Verteilung nach Verhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17383
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, den sie mit der Beklagten zu 3.) geschlossen hat.
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Im Zuge der von der Klägerin geplanten Ortserweiterung „Ortsteil D.“ schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 3.) mit Angebot vom 3. Juni 2004/ 26. April 2005 und Annahme vom 13. Juli 2005 einen Vertrag betreffend das Grundstück der Beklagten FlNr. 2* … Gem. E. … (zuzüglich der zum Weg FlNr. 2* … Gem. E. … gezogenen Teilfläche). In der Vorbemerkung des Vertrags (Nr. 1 des Angebots vom 3. Juni 2004) ist ausgeführt, dass die über eine organische Nachverdichtung hinausgehende Ortserweiterung die Errichtung eines neuen Kindergartens mit Hort, von Spielplätzen, einer Grundschule für den gesamten Ortsteil sowie eines Friedhofs bzw. dessen Erweiterung einschließlich des Erwerbs der für diese Einrichtungen benötigten Grundstücksflächen durch die Klägerin erforderlich machen werde. Die Entwicklung des Gebiets solle abschnittsweise und unter Anwendung des sog. „E. … Grunderwerbsmodells“ erfolgen. Nach dem Zustandekommen von Kaufverträgen mit allen Grundstückseigentümern im betroffenen Gebiet beabsichtige die Klägerin, für das Gebiet einen Bebauungsplan aufzustellen und ein Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB mit Zustimmung aller betroffenen Grundstückseigentümer durchzuführen. Die Klägerin werde dabei nach § 46 Abs. 4 BauGB ihre Befugnis zur Durchführung der Umlegung auf das Vermessungsamt F. übertragen. Der Verteilungsmaßstab im Umlegungsverfahren werde das Verhältnis der Flächen sein. Gemäß Nr. 3.1 und 3.2 verkauft die Beklagte zu 3.) einen Miteigentumsanteil von 65/100 an die Klägerin, 30/100 („Öffentliche Bedarfsflächen“) auf der Basis von 26,00 Euro/m³ und 35/100 („Bauerwartungsfläche“) auf der Basis vom 51,00 Euro/m³ an die Klägerin. Der Kaufpreis wird nicht fällig, bevor (u.a.) die Klägerin einen Bebauungsplan beschlossen und bekannt gemacht hat und ein unanfechtbarer Umlegungsplan vorliegt (Nr. 3.2 Buchst. e) und f).). Dabei gehen Mitbesitz, Gefahr, anteilige Nutzungen und wiederkehrende Lasten ab dem Tage der Einleitung des Umlegungsverfahrens auf die Klägerin über (Nr. 3.3). Gemäß Nr. 2.3 bewilligt die Beklagte zu 3.) zugunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung an dem Grundstück. Gemäß Nr. 3.6 stimmt die Beklagte zu 3.) der Durchführung eines freiwilligen Umlegungsverfahrens gemäß §§ 45 ff. BauBG durch die Gemeinde unter Federführung des Vermessungsamts F. mit der Maßgabe zu, dass die Verteilungsmasse in dem Verhältnis verteilt wird, in dem die zu berücksichtigenden Eigentümer an deren Umlegung beteiligt sind, ein weiterer Flächenbeitrag nach § 58 Abs. 1 BauGB unterbleibt. In Nr. 3.7 sind zudem Regelungen zur Zuteilung von Bauparzellen und Gemeinbedarfsflächen getroffen.
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Mit notarieller Urkunde vom 13. Februar 2012 überließ die Beklagte zu 3.) das streitgegenständliche Grundstück den Beklagten zu 1.) und 2.) zum jeweils hälftigen Miteigentum. Im Gegenzug verpflichteten die Beklagten zu 1.) und 2.) sich, die Beklagte zu 3.) ab sofort von jeglichen Pflichten aus dem Vertrag der Beklagten zu 3.) mit der Klägerin freizustellen. Die beurkundende Notarin wurde gebeten, eine Abschrift der notariellen Urkunde an die Klägerin zu übersenden mit der Bitte, Korrespondenz künftig direkt an die Beklagten zu 1.) und 2.) zu richten. Zahlungsansprüche aus dem Vertrag mit der Klägerin sollen jedoch bei der Beklagten zu 3.) verbleiben.
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Nach Änderung des Flächennutzungsplans fasste die Klägerin am 1. Februar 2011 den Beschluss, den Bebauungsplan Nr. 69 „D. Süd-West – …“ aufzustellen. Im Entwurf vom 7. Juni 2016 wird das Plangebiet im überwiegenden Teil als allgemeines Wohngebiet festgesetzt, wobei ausweislich der Begründung Baurecht für 102 Einfamilienhäuser und ca. 116 Wohnungen im Geschosswohnungsbau entstehen soll. Für den Bereich des Grundstücks der Beklagten ist die Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus vorgesehen.
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Unter dem 3. Juli 2012 beschloss die Klägerin die Anordnung eines Umlegungsverfahrens für das Entwicklungsgebiet samt Übertragung der Durchführung des Umlegungsverfahrens gemäß § 46 Abs. 4 BauGB auf das Vermessungsamt F. Im Jahr 2016 beschloss die Klägerin, das Umlegungsverfahren in je ein Verfahren für die Gebiete D. Süd-West und D. Süd-Ost zu trennen. Am 6. Juli 2017 erfolgte eine förmliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung F. zur Übertragung der Befugnis zur Durchführung der Umlegung nach § 46 Abs. 4 BauGB für den Bebauungsplan D. Süd-West. Der Umlegungsplan für das Gebiet D. Süd-Ost ist seit Februar 2018 unanfechtbar.
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Am 4. August 2014 stellte das Vermessungsamt einen ersten Entwurf für eine Umlegung vor, welche nicht die Verteilung der Ausgabegrundstücke nach dem Verhältnis, sondern nach Werten vorsieht. Im Hinblick auf die unterschiedlichen im Bebauungsplanentwurf vorgesehenen Baurechte für Einfamilienhäuser einerseits und Mehrfamilienhäuser andererseits sei nur die Verteilung nach Werten gerecht. Hierzu verwies der Beklagte zu 1.) mit Schreiben vom 22. September 2014 auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag, der eine Verteilung der Ausgabegrundstücke in dem Verhältnis vorsehe, in dem die Eigentümer an der Umlegung beteiligt seien. Mit Verwirklichung des vom Vermessungsamt vorgeschlagenen Entwurfs verbliebe den Beklagten nurmehr ein Anteil von 29,65% der Ausgangsfläche, sodass ein Einverständnis mit dem Vorschlag nicht erteilt werde.
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Die Klägerin und der Beklagte bemühten sich in der Folge vergeblich um eine einvernehmliche Lösung. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2016 kündigten die Beklagten an, vom Vertrag zurücktreten zu wollen, sollte nicht in den nächsten 12 Monaten ein dem Vertrag entsprechender Umlegungsvorschlag zustande kommen. Nach dann über 13 Jahren sei ein weiteres Abwarten nicht mehr zumutbar. Nach weiteren Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Beklagten beschloss die Klägerin in nichtöffentlicher Sitzung vom 24. April 2018, den Beklagten im Umlegungsverfahren Parzellen zuzuteilen, mit denen der Zuteilungsanspruch aus ihrem Einlagewert („nach dem bisherigen Entwurf der Umlegung vom November 2014: 614 m² zum Wert vom 461,70 Euro = 283.484 Euro“) – bei im Übrigen vom Amt für Vermessung, Breitband und Digitalisierung beabsichtigter Zuteilung der restlichen Grundstücke im Wertverhältnis – erfüllt werden könne. Dies teilte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 30. Mai 2018 mit.
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Daraufhin erklärten die Beklagten mit Schreiben vom 22. Juni 2018 den „Rücktritt vom Vertrag“ und baten um Unterzeichnung der Löschungsbewilligung hinsichtlich der zugunsten der Klägerin im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung. Aufgrund des Schreibens vom 30. Mai 2018 stehe die endgültige Nichterfüllung des Vertrages fest.
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Nach weiterem Schriftverkehr hat die Klägerin mit am 4. April 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag, basierend auf dem Angebot auf Abschluss eines Vertrags in der Urkunde des Notars … … in F. …, UR-Nr, R …2004, vom 03.06.2004, dem Nachtrag in der Urkunde des Notars … … in F. …, UR-Nr. S …2005, vom 26.04.2005, und der Annahme in der Urkunde des Notars … … in F. …, UR-Nr. S …2005, vom 13.07.2005, weiterhin fortbesteht und der von den Beklagten im Schreiben vom 22.06.2018 erklärte Rücktritt unwirksam ist.
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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, insbesondere aus Nr. 3.7, keinen unbedingten Anspruch auf Zuteilung eines oder mehrerer Ausgabegrundstücke haben, die exakt auf dem Einlagegrundstück liegen müssen.
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3. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag einen Anspruch auf Zuerwerb aus Nr. 3.7. Abs. 2 nur dann hätten, wenn ihnen ohne Zukauf keine Parzelle zugeteilt werden könnte.
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Die Feststellungsklagen seien zulässig und begründet. Die Beklagten seien nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten, weil im Zusammenhang mit dem Umlegungsverfahren keine Pflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden seien, sodass es an einer fälligen, synallagmatischen Hauptleistungspflicht fehle. Auch sei nicht vom Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen. Zwar spreche manches dafür, dass Geschäftsgrundlage geworden sei, dass der Bebauungsplan aufgestellt werde und das Umlegungsverfahren durchgeführt und zum Abschluss gebracht werde. Jedenfalls sei diese Geschäftsgrundlage nicht weggefallen: Anhaltspunkte dafür, dass das Bebauungsplanaufstellungsverfahren nicht zum Abschluss gebracht werden könne, bestünden nicht; auch das Umlegungsverfahren könne weiterhin durchgeführt werden.
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Hinsichtlich der Zuteilung der Ausgabegrundstücke ergebe sich aus dem Vertrag, dass – im Hinblick die Vielzahl der bei der Verteilung zu berücksichtigenden Interessen – kein Anspruch auf Zuteilung der Bauzellen im Bereich des Einwurfgrundstücks bestehe, Nr. 3.7 sehe dementsprechend ausdrücklich vor, dass die Zuteilung „möglichst im Bereich des Einwurfgrundstücks“ erfolgen solle.
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Bei der Auslegung der Regelung zum Zuerwerb in Nr. 3.7 Abs. 2 sei zu berücksichtigen, dass das Umlegungsverfahren grundsätzlich nach den §§ 45 ff. BauGB erfolgen solle und damit auch der Grundsatz der wertgleichen Zuteilung zur gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung stehenden Grundfläche an alle Beteiligten Anwendung finden müsse. Insoweit müsse nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen die Regelung dahingehend ausgelegt werden, dass sie dem Verkäufer nur dann einen Anspruch auf Zuerwerb zugestehe, wenn sein 35%-iger Flächenanteil selbst eine einzige Parzellengröße unterschreite.
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Die Beklagten beantragen
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Bislang liege zu dem 2004/2005 geschlossenen Vertrag kein Entwurf einer Umlegungsvereinbarung oder eines Umlageplans vor, insbesondere kein Vorschlag der Klägerin für ein den vertraglichen Regelungen entsprechendes konkretes Ausgabegrundstück. Die Klägerin könne insoweit auch nicht einwenden, dass sie die Befugnis zur Durchführung des Umlegungsverfahrens vorbehaltlos auf das Amt für Breitband, Digitalisierung und Vermessung übertragen habe und dieses die Verteilung nach dem Verhältnis der Werte für sachgerecht halte. Sie müsse sich jedenfalls vorhalten lassen, bei der vorbehaltlosen Übertragung pflichtwidrig gehandelt zu haben. Dabei stelle der Vorschlag des Amts die Beklagten schlechter, als dies nach der vertraglichen Vereinbarung vorgesehen sei. Die Klägerin verletze mit ihrem Vorgehen vertragliche Nebenpflichten, indem sie nicht an der Umsetzung der Vereinbarung mitgewirkt habe. Ein Festhalten am Vertrag sei den Beklagten nicht mehr zuzumuten, da es keine Anzeichen gegeben habe, dass die Klägerin sich noch dazu anschickt, die vertraglichen Vereinbarungen umzusetzen. Die weiteren Anträge seien bereits unzulässig, weil es sich bei der Auslegung bestimmter vertraglicher Regelungen nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat, soweit sie zulässig ist, in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten haben sich wirksam vom Vertrag gelöst.
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Für den Rechtsstreit ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Es handelt sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist, § 40 Abs. 1 VwGO.
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Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich nicht um einen privatrechtlichen Kaufvertrag, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf dem Gebiet des Städtebaurechts, der die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse vorbereitet, § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Alt.1 BauGB, indem der Klägerin im Zusammenhang mit der von ihr beabsichtigten Ortserweiterung Miteigentumsanteile an dem Grundstück für öffentliche Bedarfsflächen und zur Realisierung eines Einheimischenmodells veräußert werden.
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Für die Streitigkeit besteht auch keine abdrängende Sonderzuweisung an die Kammer für Baulandsachen beim Landgericht nach § 217 Abs. 1 BauGB. Dieser bestimmt, dass Verwaltungsakte u.a. nach dem Vierten Teil des Ersten Kapitels des BauGB nur durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden können und zuständig hierfür das Landgericht, Kammer für Baulandsachen ist. Zwar ist die Reichweite dieser abdrängenden Sonderzuweisung weit zu fassen, sodass auch bei einem Streit über eine im Rahmen eines Umlegungsverfahrens geschlossene öffentlich-rechtlichen Vereinbarung die Baulandgerichte zu Entscheidung berufen sind (VG München, B.v. 24.10.2012 – M 2 K 11.6223 – juris Rn. 21). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine solche Vereinbarung, mit der Regelungen im Rahmen eines Umlegungsverfahrens getroffen werden. Vielmehr setzen die streitgegenständlichen Regelungen im Vorfeld eines Umlegungsverfahrens an, indem sie der Klägerin die Miteigentumsanteile an den Grundstücken sichern sollen.
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II. 1. Antrag Nr. 1, mit dem die Klägerin begehrt festzustellen, dass der Vertrag fortbesteht und die Beklagten nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten sind, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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1.1 Der Antrag ist als Feststellungsklage, § 43 Abs. 1 VwGO, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind alle Beklagten passivlegimiert in dem Rechtsstreit um das Fortbestehen des Vertrages.
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Zwar hat die Klägerin den streitgegenständlichen Vertrag allein mit der Beklagten zu 3.) geschlossen. Mit dem Überlassungsvertrag vom 13. Februar 2012 haben die Beklagten zu 1.) und 2.) jedoch formwirksam (§ 311 b Abs. 1 BGB) den Schuldbeitritt erklärt. Beim Schuldbeitritt wird eine Schuld in der Weise „übernommen“, dass der „Übernehmer“ – anders als bei der Schuldübernahme nach § 414 BGB nicht anstelle des Schuldners sondern – neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis eintritt (MüKo BGB, 9. Auflage 2022, Rn. 10 zu Vor § 414).
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Gemäß Nr. III. 3 des Überlassungsvertrags verpflichteten die Beklagten zu 1.) und 2.) sich nämlich, die Beklagte zu 3.) ab sofort von jeglichen Pflichten aus dem Vertrag der Beklagten zu 3.) mit der Klägerin freizustellen. Die beurkundende Notarin wurde gebeten, eine Abschrift der notariellen Urkunde an die Klägerin zu übersenden mit der Bitte, Korrespondenz künftig direkt an die Beklagten zu 1.) und 2.) zu richten. Zahlungsansprüche aus dem Vertrag mit der Klägerin sollen jedoch bei der Beklagten zu 3.) verbleiben. Mangels Genehmigung durch die Klägerin (§ 415 Abs. 1 BGB) liegt hierin keine Schuldübernahme i.S.v. § 414 BGB.
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1.2 Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Beklagten sich mit ihrer schriftlichen Erklärung vom 22. Juni 2018 wirksam vom Vertrag gelöst haben. Gemäß Art. 60 BayVwVfG steht ihnen das Recht zur Kündigung zu, weil in dem von der Klägerin initiierten Umlegungsverfahren entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht eine Verteilung der Ausgabegrundstücke nach dem Verhältnis vorgesehen ist und den Beklagten bislang ein diesem Verfahren entsprechendes, konkretes Ausgabegrundstück nicht angeboten worden ist, sodass ihnen ein Festhalten an dem im Jahr 2004/2005 geschlossenen Vertrag nicht mehr zuzumuten war.
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Haben sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung verlangen, oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen, Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Die Kündigung bedarf gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG der Schriftform. Der von der Beklagtenseite erklärte „Rücktritt“ ist dabei vom Empfängerhorizont gesehen als Kündigung auszulegen. Der zum Ausdruck gebrachte Wille, das Vertragsverhältnis beenden zu wollen, ist eindeutig.
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Für eine Anwendung des Art. 60 BayVwVfG müssen sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblichen Verhältnisse geändert haben. Unter den maßgeblichen Verhältnissen sind zunächst nur solche Umstände zu verstehen, die weder Vertragsinhalt geworden, noch bloßer Beweggrund geblieben sind, sondern die nach der Vorstellung der Parteien die gemeinsame und wesentliche Grundlage des Vertrages bilden. Ausreichend ist allerdings auch – unter der Voraussetzung, dass dies den anderen Vertragspartnern erkennbar war und von diesen nicht beanstandet wurde – wenn die fraglichen Umstände nur von einer Vertragspartei zugrunde gelegt wurden. Unerkennbare einseitige Erwartungen, die sich nicht erfüllen, sind dagegen keine Geschäftsgrundlage und begründen keinen Anspruch auf Vertragsänderung oder -aufhebung (BeckOK VwVfG, 62. Ed. 1.1.2024, Rn. 5 zu § 60).
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Nach diesen Maßstäben zählt zu den maßgeblichen Verhältnissen des Vertrages, dass im Fall eines Bebauungsplanaufstellungsverfahrens (zu dem sich die Gemeinde gemäß Nr. 1.3 angesichts § 2 Abs. 3 BauGB nicht verpflichtete) ein „freiwilliges Umlegungsverfahren gemäß §§ 45 ff. BauGB“ durchgeführt wird und zwar mit der Maßgabe, dass die Verteilungsmasse in dem Verhältnis verteilt wird, in dem die zu berücksichtigenden Eigentümer an deren Umlegung beteiligt sind; die Beklagten stimmten einer Teilnahme an einem solchen Verfahren zu, s. Nr. 3.6 des Vertrages.
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Hierbei handelt es sich aufgrund der engen Verknüpfung des Umlegungsverfahrens mit dem Bebauungsplan (s. § 45 Satz 2 BauGB), zu dessen Aufstellung sich die Klägerin weder verpflichtete noch im Hinblick auf § 2 Abs. 3 BauGB verpflichten konnte, nicht um eine Hauptleistungspflicht. Andererseits handelt es sich auch bloß nicht um eine unerkennbare Erwartung oder ein einseitiges Motiv der Beklagten, dass ein späteres Umlegungsverfahren nach diesem Verteilungsmaßstab durchgeführt werde. Vielmehr bildete dies die gemeinsame wesentliche Grundlage des Vertrags, mit dem sich die Beklagten verpflichteten, den überwiegenden Miteigentumsanteil von 65% an ihrem Grundstück an die Klägerin zu den im Vertrag bestimmten Preisen zu verkaufen. Nachvollziehbar haben die Kläger hierzu vorgetragen, dass sie ohne die Maßgabe, dass die Ausgabegrundstücke nach diesem Verhältnis zugeteilt werden, zum Verkauf eines derart großen Anteils ihres Grundstückes zu diesen Konditionen nicht bereit gewesen wären und sich vielmehr dem Risiko ausgesetzt hätten, dass die Klägerin zur Realisierung des Bebauungsplanes ein amtliches Umlegungsverfahren mit den mit einem solchen einhergehenden Flächenabzügen (§ 55 Abs. 2 BauGB) und Flächenbeiträgen (§ 58 Abs. 1 Satz 1 BauGB) angestrengt hätte. Dies war für die Klägerin nicht nur erkennbar – vielmehr hat sie diese Prämisse eigens in den von ihr vorformulierten Angebotsentwurf aufgenommen.
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Diese Geschäftsgrundlage hat sich geändert, indem im Hinblick auf die im Bebauungsplanentwurf vorgesehenen, unterschiedlich weitgehenden (Wohn-)Baurechte im „freiwilligen Umlegungsverfahren“ nun vorgesehen ist, die Ausgabegrundstücke im Verhältnis ihrer Werte aufzuteilen. Ein konkreter Verteilungsvorschlag im Umlegungsverfahren nach Flächen – wie im Vertrag vorgesehen – ist den Beklagten nie gemacht worden. Die Klägerin beruft sich hierzu darauf, dass sie wegen der Weisungsfreiheit des Vermessungsamtes auch keinen Einfluss mehr darauf habe. Damit kann aber dann aus Klägersicht eine „freiwillige“ Umlegung entsprechend dem Vertrag nicht mehr erreicht werden. Zudem ist ein Festhalten der Beklagten am Vertrag angesichts der inzwischen im Vergleich zu den Jahren 2004/2005 stark gestiegenen Grundstücksverkehrswerte nicht endlos möglich. Zum anderen ist die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks mit Bewilligung der Auflassungsvormerkung zugunsten der Klägerin unmittelbar nach Vertragsschluss extrem eingeschränkt. Unter solchen Bedingungen obliegt es der Klägerin, die Sache in angemessener Zeit zu einem vertragsgemäßen Abschluss zu bringen. Das ist hier nicht erfolgt. Die Annahme einer Bindungsfrist, die, wie hier, bis zur Kündigung deutlich über 10 Jahre betragen würde, ist unzumutbar. Dabei ist der verstrichene lange Zeitraum nicht den Beklagten anzulasten, sondern der Klägerin, die versucht hat, andere Vorstellungen durchzusetzen, die nicht dem Vertrag entsprachen.
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Die Beklagten brauchen sich auch nicht auf eine Anpassung des Vertrages verweisen zu lassen. Dies ist nicht zumutbar, weil die Entscheidung der Vermessungsverwaltung, den Verteilungsmaßstab zu ändern, allein auf den Entschluss der Klägerin als Bebauungsplangeberin zurück zu führen ist, im Plangebiet unterschiedlich weitgehendes (Wohn-)Baurecht zu schaffen. Es hätte vielmehr der Klägerin oblegen, durch Änderung des Bebauungsplanentwurfs die Voraussetzungen für eine Verteilung nach dem Verhältnis zu schaffen, oder aber bei Verfolgen geänderter bauplanerischer Ziele die abgeschlossenen Verträge mit den Grundstückseigentümern einvernehmlich zu ändern. Dies ist gescheitert, einen Anspruch darauf hat die Klägerin nicht.
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2. Die Anträge Nr. 2 und 3, die in der Sache darauf gerichtet sind, die Auslegung einzelner vertraglicher Regelungen rechtsverbindlich zu klären, sind bereits unzulässig, weil die in § 43 VwGO vorgesehene Feststellungsklage auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechtsverhältnissen oder selbstständigen Teilen von Rechtsverhältnissen (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 24 ff. zu § 43) gerichtet ist. Bloße Elemente und Vorfragen von Rechtsverhältnissen, also diejenigen Umstände, die für das Entstehen eines Rechts (oder einer diesem korrespondierenden Pflicht) Voraussetzung sind und für sich allein keine Rechte oder Pflichten begründen, sind hingegen nicht feststellungsfähig. Bei den von der Klägerin in den Anträgen Nr. 2 und 3 aufgeworfenen Rechtsfragen, die die Auslegung einzelner vertraglichen Regelungen zum Zuteilungsverfahren, zumal ohne Bezug zu einem konkreten Verteilungsvorschlag und ohne Bezeichnung eines konkreten Grundstücks, dessen Zuteilung an die Beklagten in Frage steht, beinhalten, handelt es sich lediglich um solche unselbstständigen Vorfragen. Im Übrigen gehen die Anträge nach der wirksamen Kündigung der Beklagten (s.o. 1.) ohnehin ins Leere, sodass kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben ist.
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3. Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Kostentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.