Titel:
Keine Wiederaufnahme des Asylverfahrens
Normenkette:
§ 33 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5, § 34
Leitsätze:
1. "Untergetaucht" ist ein Asylbewerber, der zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden kann, wenn sein Aufenthaltsort unbekannt ist, weil er die ihm zugewiesene Aufenthaltseinrichtung verlassen hat und "innerhalb einer Woche" nicht zurückgekehrt ist und nicht unverzüglich nachgewiesen hat, dass das Untertauchen auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hat. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das bloße Wiederauftauchen des Ausländers widerlegt die gesetzliche Vermutung nach § 33 Abs. 2 S. 2 AsylG nicht. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, irakischer Staatsangehöriger, Einstellung des Asylverfahrens wegen „Untertauchens“, „Wiederauftauchen“ im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, Irak, Abschiebungsandrohung, Einstellung des Asylverfahrens, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Untertauchen, einstweiliger Rechtsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17201
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wird für das Antrags- und das Klageverfahren abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung in den Irak bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat infolge der Einstellung seines Asylverfahrens.
2
Der am ... in, Irak, geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimisch-sunnitischen Glaubens. Er wurde am 11. August 2022 nach illegaler Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen und in Abschiebehaft genommen. Da aufgrund eines Eurodac-Treffers für Bulgarien Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass ein anderer Mitgliedstaat zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet ist, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 12. August 2022 ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden, dem diese mit Schreiben vom 20. August 2022 zustimmten.
3
Am 30. August 2022 stellte der Antragsteller einen Asylantrag und wurde schriftlich und in seiner Landessprache über seine Mitwirkungspflichten und die Folgen etwaiger Verstöße belehrt. Im Rahmen der Prüfung zur Zulässigkeit seines Asylantrags gab der Antragsteller an, den Irak im Jahr 2018 verlassen zu haben. Er habe dann drei Jahre in der Türkei gelebt. In Bulgarien habe er einen Monat in einem Camp in ... verbracht, habe aber von Anfang an nach Deutschland reisen wollen.
4
Mit Bescheid vom 6. September 2022 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, die Abschiebung nach Bulgarien wurde angeordnet, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf elf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Gz. ...). Am 5. Oktober 2022 wurde der Antragsteller aus der Haft nach Bulgarien überstellt.
5
Am 25. November 2022 stellte der Antragsteller in der Erstaufnahmeeinrichtung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in ... erneut einen Asylantrag.
6
Am 17. Februar 2023 wurde der Antragsteller zur Zulässigkeit des (weiteren) Asylantrags angehört. Er gab bei der Anhörung an, sich nach seiner Abschiebung nach Bulgarien dort 16 Tage lang auf gehalten zu haben. Er habe auf der Straße gelebt. Seine Familie habe ihm Geld geschickt, um wieder nach Deutschland kommen zu können. Nach seiner Überstellung habe er am Flughafen Papiere unterschrieben und ihm sei gesagt worden, er könne gehen. Er habe in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt, weil Iraker dort nicht akzeptiert würden und dort keine Aufenthaltserlaubnis erhalten würden.
7
Aufgrund der Angaben des Antragstellers richtete das Bundesamt am 21. Februar 2023 ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden, dass diese mit Schreiben vom 2. Februar 2023 ablehnten, da der Antragsteller am 3. November 2022 ausweislich eines Eurodac-Treffers in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Da die Frist für ein Übernahmeersuchen an Italien mittlerweile abgelaufen war, übernahm das Bundesamt am 20. März 2023 die Entscheidung über den Asylantrag im nationalen Verfahren.
8
Mit Schreiben vom 14. August 2023, gerichtet an den Bevollmächtigten des Antragstellers, wurde dieser zur persönlichen Befragung gemäß § 51 VwVfG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Asylgesetz am 13. September 2023 geladen. Im Rahmen der Anhörung zu seinen Fluchtgründen gab der Antragsteller an, er sei von den Milizen der Al Haschd-Schabi bedroht worden. Diese hätten seine Autowerkstatt angezündet. Die Miliz habe seit dem 16. Oktober 2017 die Stadt ... erobert und habe seitdem die Kurden schlecht behandelt. Die Werkstatt sei im Mai 2022 angezündet worden, er sei am 15. Mai 2022 ausgereist. Die Niederschrift über die Anhörung wurde am 18. September 2023 den Bevollmächtigten des Antragstellers übersandt.
9
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 teilte der Bevollmächtigte dem Bundesamt die aktuelle Adresse des Antragstellers,,, mit.
10
Am 24. Januar 2024 informierte die zuständige Ausländerbehörde das Bundesamt darüber, dass der Antragsteller seit dem 1. Dezember 2023 unbekannt verzogen sei.
11
Mit Schreiben vom 16. März 2024 teilte die Bundespolizeidirektion dem Bundesamt mit, dass der Antragsteller am 10. Januar 2024 mit einer gefälschten Aufenthaltsgestattung und einem Deutschlandticket, das nicht auf ihn ausgestellt war, in einem Regionalzug von ... nach ... aufgegriffen worden sei. In der Anzeige war für den Antragsteller die Adresse,, vermerkt.
12
Mit Bescheid des Bundesamts vom 7. Mai 2023 (Gz.: ...) wurde das Asylverfahren eingestellt (Nr. 1 des Bescheids). Nr. 2 des Bescheids bestimmt weiter, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. In Nr. 3 des Bescheids wurde der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Antragsteller die Abschiebung in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 4 des Bescheids ordnet das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristet es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
13
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass der Antragsteller nach den Erkenntnissen des Bundesamtes untergetaucht sei. Daher werde gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG vermutet, dass er das Verfahren nicht betreibt. Ein Nachweis, dass die oben genannte Handlung auf Umstände zurückzuführen war, auf die der Antragsteller keinen Einfluss hatte, sei bis zur Entscheidung nicht eingereicht worden. Das Verfahren werde daher gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG eingestellt. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 38 Abs. 2 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen.
14
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 7. Mai 2024 wird ergänzend verwiesen. Der Bescheid wurde am 8. Mai 2024 an den Bevollmächtigten des Antragstellers mittels Einschreiben versandt.
15
Mit Schreiben vom 16. Mai 2024, gerichtet an das Bundesamt, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers gemäß § 33 AsylG die Wiederaufnahme des Verfahrens.
16
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat gegen den Bescheid am 27. Mai 2024 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg eingegangenem Schreiben Klage erhoben (Az. Au 9 K 24.30467) über die noch nicht entschieden worden ist.
17
Ebenfalls am 27. Mai 2024 wurde beantragt,
18
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom 7. Mai 2024 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
19
Zur Begründung wird ausgeführt, das Bundesamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller seit dem 1. Dezember 2023 untergetaucht sei. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 sei dem Bundesamt mitgeteilt worden, dass der Antragsteller unter der Anschrift,, wohnhaft sei. Mit Schreiben vom 16. Mai 2024 sei das Bundesamt erneut um Aufnahme des Verfahrens gebeten worden. Der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Die zur Einstellung des Asylverfahrens herangezogenen Argumente seien nicht richtig. Im Übrigen werde auf den Inhalt der Asylakte und die persönliche Anhörung des Antragstellers Bezug genommen.
20
Eine weitere Begründung wurde nach Akteneinsicht angekündigt, erfolgte bis Beschlussfassung jedoch nicht.
21
Mit gleichem Schriftsatz wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Antragsverfahren beantragt.
22
Das Bundesamt hat dem Gericht am 28. Mai 2024 die einschlägigen Verfahrensakten vorgelegt und beantragt,
23
den Antrag abzulehnen.
24
Am 28. Mai 2024 wurden die Behördenakten dem Bevollmächtigten des Antragstellers zur Einsicht übersandt.
25
Auf Anfrage des Gerichts teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 3. Juni 2024 mit, dass bislang noch kein wirksamer Antrag nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG gestellt worden sei, da dieser persönlich bei der Außenstelle des Bundesamts zu stellen sei, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der der Ausländer vor der Einstellung des Verfahrens zu wohnen verpflichtet war. Eine Zusage hinsichtlich des Absehens von der Vollziehung der Abschiebungsandrohung könne von Seiten des Bundesamts nicht gegeben werden, da für die Abschiebung die Ausländerbehörde, hier das Landratsamt, zuständig sei.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verfahrensakten (Gz. ... und ...) verwiesen.
27
I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Bundesamts vom 7. Mai 2024 (Gz.: ...), mit dem das Asylverfahren eingestellt und dem Antragsteller die Abschiebung in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde, ist rechtmäßig. Da der Antragsteller seit dem 1. Dezember 2023 und noch bei Erlass des Bescheids unbekannten Aufenthalts war, greift nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG die gesetzliche Vermutung, dass das Asylverfahren nicht betrieben wird. Das Bundesamt hat daher zutreffend das Asylverfahren nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG eingestellt und nach Aktenlage festgestellt, dass kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegt.
28
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
29
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 7. Mai 2024 ist statthaft, da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG Klagen gegen ablehnende Asylentscheidungen nur in Fällen einer einfachen Ablehnung i.S.v. § 38 Abs. 1 AsylG sowie in Fällen der §§ 73, 73b und 73c AsylG aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat das Bundesamt das Asylverfahren eingestellt, die Abschiebung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG angedroht und eine einwöchige Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 2 AsylG gesetzt. Es liegt somit kein Fall des § 38 AsylG vor, in dem der Klage aufschiebende Wirkung zukommt.
30
Der Antrag wurde auch fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Klage- und Antragsfrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gestellt.
31
Da die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrags nach § 33 Abs. 5 AsylG im Vergleich zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einstellung des Asylverfahrens in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht gleichwertig ist, ist für den vorliegenden Antrag auch ein Rechtsschutzinteresse anzuerkennen (vgl. hierzu VG Ansbach, B.v. 25.3.2020 – AN 4 S 20.30214 – juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 15.1.2020 – W 8 S 20.30022 – juris Rn. 13).
32
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
33
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des vorliegend aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG folgenden gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ist die Klage in der Hauptsache im Rahmen einer summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtwidrigen Bescheids bestehen. Andererseits kann der Antragsteller kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Rechtslage geboten, aber auch ausreichend.
34
Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende gerichtliche Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt, da die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage keinen Erfolg haben wird. Die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 7. Mai 2024 nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist voraussichtlich rechtmäßig und der Antrag somit unbegründet.
35
a) Nach summarischer Prüfung ist die Einstellung des Asylverfahrens des Antragstellers (Nr. 1 des Bescheids vom 7. Mai 2024) im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) rechtlich nicht zu beanstanden.
36
aa) Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. In § 33 Abs. 2 Satz 1 AsylG werden Fallgruppen genannt, bei denen vermutet wird, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. So tritt die gesetzliche Vermutungswirkung des Nichtbetreibens ein, wenn der Ausländer untergetaucht ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG). Diese Vermutung gilt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG dann nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Untertauchen auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hat.
37
Untergetaucht ist der Ausländer, wenn er für die staatlichen Behörden nicht auffindbar ist (Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/7538 S. 17; BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 4 B 18.30514 – juris Rn. 18).
38
bb) Aus der vorgelegten Behördenakte ergibt sich, dass der Antragsteller nach den Erkenntnissen der zuständigen Ausländerbehörde am 1. Dezember 2023 nach Unbekannt fortgezogen ist. Dieses wurde dem Bundesamt mit Schreiben vom 24. Januar 2024 mitgeteilt. Der tatsächliche Aufenthaltsort des Antragstellers war den für die Durchführung des Asylverfahrens und für die Unterbringung zuständigen Behörden nicht bekannt, der Antragsteller war in diesem Zeitraum unauffindbar. Soweit der Bevollmächtigte darauf hinweist, dass dem Bundesamt mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 die aktuelle Adresse in ... mitgeteilt wurde, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Aufenthaltsort des Antragstellers ab dem 1. Dezember 2023 den Behörden unbekannt war. Erst am 10. Mai 2024 erfolgte der Wiederzuzug in die dem Antragsteller zugewiesene Unterkunft. Der Antragsteller war somit über einen Zeitraum von über fünf Monaten für die zuständigen Behörden nicht auffindbar. Der Antragsteller war nicht bloß vorübergehend für wenige Nächte abwesend, sondern war an einem den staatlichen Behörden unbekannten Ort für eine gewisse Dauer untergekommen. Die Verpflichtung eines Asylbewerbers, sich für die Durchführung des Verfahrens jederzeit bereit zu halten, schließt ein wochenlanges unangemeldetes Fernbleiben vom zugewiesenen Aufenthaltsort aus. Zur Konkretisierung des für den Begriff des „Untertauchens“ regelmäßig erforderlichen Mindestzeitraums kann die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Nr. 2 AsylG herangezogen werden, wonach ein Ausländer zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden kann, wenn sein Aufenthaltsort unbekannt ist und er die Aufenthaltseinrichtung verlassen hat und „innerhalb einer Woche“ nicht zurückgekehrt ist (BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 4 B 18.30514 – juris Rn. 19; VG Arnsberg, B.v. 11.4.2022 – 9 L 227/22 – juris Rn. 46).
39
Der Antragsteller war daher im Sinn von § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG untergetaucht.
40
cc) An dieser Bewertung ändert es auch nichts, dass der Antragsteller in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG entscheidungserheblichen Zeitpunkt sich in der ihm zugewiesenen Unterkunft wieder angemeldet hatte. Die Vermutung des Nichtbetreibens nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG setzt nicht einmal voraus, dass der Zustand des Untergetauchtseins auch dann noch vorliegt, wenn das Bundesamt seine Einstellungsentscheidung trifft. Nach dem Wortlaut der Vorschrift, tritt die Vermutungs- und Fiktionswirkungen des § 33 Abs. 1 und 2 AsylG unmittelbar kraft Gesetzes ein, sobald die für ein „Untertauchen“ begriffsnotwendige (einwöchige) Mindestdauer des unbekannten Aufenthalts erreicht ist (BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 4 B 18.30514 – juris Rn. 21).
41
Diese zu § 33 AsylG in der bis zum 31. Dezember 2022 gültigen Fassung ergangene Rechtsprechung ist auf § 33 Abs. 1 AsylG in der seit 1. Januar 2023 gültigen Fassung übertragbar (VG Augsburg, B.v. 29. April 2024 – Au 5 S 24.30374). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Neufassung des § 33 Abs. 1 AsylG die Möglichkeit bieten, den Asylantrag in den Fällen des Nichtbetreibens des Verfahrens auch inhaltlich abzulehnen (BT-Drs. 20/4327, S. 38). Daher wurde mit der Neuregelung auf die alternativlose gesetzliche Rücknahmefiktion verzichtet – weil in diesem Fall eine inhaltliche Entscheidung ausscheidet – und eine (alternative) Verpflichtung zu Verfahrenseinstellung angeordnet (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, Stand: Juli 2023, § 33 Rn. 6). Als Rechtsfolge des – gesetzlich vermuteten – Nichtbetreibens ist dem Bundesamt ein Handlungsspielraum nur insoweit eingeräumt, als es entscheiden kann, das Verfahren entweder einzustellen oder nach angemessener inhaltlicher Prüfung über den Asylantrag zu entscheiden.
42
Taucht der Betroffene nach Eintritt der Vermutung wieder auf, so kann das die Vermutung nicht mehr aus der Welt schaffen (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, Stand: Juli 2023, § 33 Rn. 74). Die gesetzliche Vermutung kann nach § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur widerlegt werden, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Einstellungsentscheidung nachweist, dass das „Untertauchen“ auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte (Wittmann in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 15.2.2024, AsylG § 33 Rn. 33). Dass ein „Wiederauftauchen“ keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des deklaratorischen Einstellungsbescheids haben kann, liegt auf der Hand. In diesem Fall führt ein „Wiederauftauchen“ – trotz der Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG – nicht dazu, dass sich die Einstellungsentscheidung des Bundesamts nachträglich als rechtswidrig erweist.
43
Da der Tatbestand des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG erfüllt ist und der Antragsteller die Vermutung des Nichtbetreibens bis Beschlussfassung nicht mit Tatsachen belegt hat, dass das Untertauchen auf Umständen beruht, auf die er keinen Einfluss hatte (§ 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG) war das Bundesamt berechtigt, das Asylverfahren mit Bescheid vom 7. Mai 2024 einzustellen.
44
dd) Der Antragsteller wurde auch nach § 33 Abs. 4 AsylG belehrt.
45
Ausweislich der vorgelegten Behördenakte (Gz. ...) wurde dem Antragsteller gegen Empfangsbestätigung durch das Bundesamt das Dokument „Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Allgemeine Verfahrenshinweise“ in der von ihm angegebenen Sprache Arabisch übergeben. In diesem Dokument wurde er schriftlich u.a. darauf hingewiesen, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, wenn er das Verfahren nicht betreibt. Es werde vermutet, dass er das Asylverfahren nicht betreibt, wenn er untertaucht. Er wurde ferner darüber belehrt, dass die Vermutung des Nichtbetreibens dann nicht gilt, wenn er dem Bundesamt nachweist, dass sein Versäumnis oder seine Handlung auf Umstände zurückzuführen ist, auf die er keinen Einfluss hatte. Im Ergebnis wurde der Antragsteller somit sinngemäß auf die Vermutung aus § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG, auf die Voraussetzungen der Nichtgeltung der Vermutung aus § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG, auf die Folge der Verfahrenseinstellung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG) und die Entscheidung nach Aktenlage über das Vorliegen von Abschiebungsverboten (§ 33 Abs. 1 Satz 2 AsylG) hingewiesen.
46
Die Einstellung des Verfahrens auf Grundlage von § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.
47
b) Auch die Entscheidung des Bundesamts, dass im Fall des Antragstellers die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iraks nicht gegeben ist, ist nach Aktenlage rechtlich nicht zu beanstanden.
48
Im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch zu prüfen, ob das Bundesamt das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zurecht abgelehnt hat. Denn der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung steht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
49
Relevante zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind im Rahmen der auf eine summarische Prüfung von Sach- und Rechtslage beschränkten gerichtlichen Überprüfung im Eilverfahren jedoch nicht erkennbar und wurden vom Antragsteller auch nicht vorgebracht.
50
c) Die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids folgt damit aus § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von einer Woche ergibt sich aus § 38 Abs. 2 AsylG.
51
3. Da die vorzunehmende Interessenabwägung wegen der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung zugunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses ausfällt, war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
52
Da der Bescheid vom 7. Mai 2024 nach summarischer Überprüfung somit rechtmäßig ist, konnte dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht entsprochen werden.
53
Denn gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend mangels Erfolgsaussichten des Klage- und des Antragsverfahrens nicht erfüllt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).