Titel:
Unzulässige Klage gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 1
BayVwZVG Art. 21, Art. 26
Leitsätze:
1. Es besteht kein Feststellungsinteresse für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, welcher durch die Behörde bereits aufgehoben und dies dem Kläger und dem Drittschuldner mitgeteilt worden ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestehen keine Zweifel an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland, den Bundesländern und der Beklagten sowie an der Wirksamkeit des Grundgesetzes und der (einfachgesetzlichen) Rechtsordnung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Klage, kein qualifiziertes Feststellungsinteresse, Vollstreckung eines Gewerbesteuerbescheides, erledigter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, keine Nichtigkeit der Gesetze der Bundesrepublik, Deutschland, Feststellungskkage, Feststellungsinteresse, Zulässigkeit, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, Gewerbesteuerbescheid, Existenz der Bundesrepublik Deutschland, Nichtigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1715
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über eine Gewerbesteuerforderung.
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1. Mit Gewerbesteuerbescheid vom 4. Januar 2023 setzte die beklagte Stadt gegenüber dem Kläger eine Gewerbesteuer für das Jahr 2021 i. H. v. 802,90 EUR mit Fälligkeitsdatum 9. Februar 2023 und für das Jahr 2023 i. H. v. insgesamt 800,00 EUR, mit vierteljährlichen Fälligkeitsdaten (15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November 2023) fest.
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Hiergegen wandte sich der Kläger mit einem undatierten Schreiben und trug vor, dass die Forderung für 2021 sowie die erste Vorauszahlung für das 1. Quartal 2023 mit dem 10-fachen Betrag der Forderung ausgeglichen werde, sodass die diesbezüglichen Aktiva und Passiva auf null zu setzen seien. Da sich der Ausgleich in GERMANY schwierig gestalte, habe er den Ausgleich direkt an den Lizenzgeber der Beklagten weitergeleitet. Die Bundesbank werde diesen dann verbuchen. Er verweise darauf, dass die UNCITRAL durch GERMANY ratifiziert sei und dadurch die Möglichkeit des Ausgleichs per Akzept begründet sei.
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In der Folge zahlte der Kläger die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2021 sowie die erste Vorauszahlung der Gewerbesteuer 2023 nicht.
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Mit Datum vom 3. April 2023 erstellte die Beklagte ein vollstreckbares Ausstandsverzeichnis über die Gewerbesteuerforderung für 2021, die erste Vorauszahlung der Gewerbesteuer 2023 sowie Säumniszuschläge und Mahngebühren i. H. v. insgesamt 1.032,90 EUR.
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Am 19. April 2023 erließ die Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über diese Forderungen sowie weitere Säumniszuschläge, Pfändungsgebühren und Auslagen i. H. v. insgesamt 1.075,04 EUR.
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Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Drittschuldnerin am 21. April 2023 zugestellt und dem Kläger mit Schreiben vom 26. April 2023 übersandt. Nach Angaben des Klägers ging er ihm am 27. April 2023 zu.
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Die Drittschuldnerin gab am 28. April 2023 eine Drittschuldnererklärung gegenüber der Beklagten ab.
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2. Mit Schreiben vom 24. Mai 2023, bei Gericht eingegangen am 25. Mai 2023, erhob der Kläger hiergegen Klage. Zur Begründung trug er mit Schreiben vom 29. Juni 2023 im Wesentlichen vor, der Verwaltungsakt sei nichtig, da die Forderungen gegen ihn als natürliche Person „K* …, U* …“ oder gegen seine Meldeobligation „Herrn U* … K* …“ erhoben worden seien, gemäß beigefügtem Personalausweis jedoch nur die öffentlich versicherte Person „K* … U* … J* …“ vom Staat „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“ herausgegeben worden sei. Weiter würde der Beschluss vom 19. April 2023 und das Anschreiben vom 26. April 2023 nicht die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches hinsichtlich der Anforderungen einer rechtskräftigen Willenserklärung erfüllen. Der Verwaltungsakt sei darüber hinaus nichtig, da keine mit einem individualisierten Dienstsiegel von einem Urkundsbeamten beurkundete Ausfertigung oder die originale öffentliche Urkunde des Beschlusses und der Forderungsaufstellung zugestellt worden sei. Auch sei nicht ersichtlich aufgrund welcher gültigen Rechtsgrundlage die Beklagte eine hoheitliche Behörde sei und als hoheitliche Behörde handeln dürfe und weshalb die Haager Landkriegsordnung, insbesondere die Art. 46 und Art. 47, nicht beachtet worden sei. Ferner sei die Aufhebung des Gewerbesteuergesetzes durch das französische Gerichtsurteil vom 6. Januar 1947 nicht beachtet worden.
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Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2023 erwiderte die Beklagte im Wesentlichen, die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger schulde der Beklagten laut Gewerbesteuerbescheid vom 4. Januar 2023 Gewerbesteuer für die Kalenderjahre 2021 und 2023 in Höhe von 1.602,90 EUR. Die aktuelle Forderungshöhe belaufe sich auf insgesamt 1.095,04 EUR, inkl. bereits fälliger Nebenforderungen (Mahngebühren und Säumniszuschläge). Der Kläger sei mit Schreiben vom 10. März 2023 hinsichtlich der fälligen Forderungen gemahnt worden. Am 3. April 2023 sei ein vollstreckbares Ausstandsverzeichnis erstellt worden, welches dem Kläger am 4. April 2023 auf dem Postweg übersandt worden sei. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. April 2023, dem Kläger übersandt am 26. April 2023, sei eine Pfändung gegen die B. Bausparkasse AG eingeleitet worden. Diese habe am 28. April eine Drittschuldnererklärung abgeben. Aufgrund vorrangiger Forderungen der Drittschuldnerin habe bislang keine Auskehrung stattfinden können. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. April 2023 sei rechtmäßig aufgrund Art. 26 VwZVG i.V.m. §§ 828 ff. ZPO ergangen und verletzte den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten. Die Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 30 VwZVG. Die Vollstreckungsvoraussetzungen gem. Art. 18, 19 und Art. 23 VwZVG seien erfüllt. Des Weiteren werde auf die Art. 24 und 26 VwZVG verwiesen.
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Mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 teilte die Beklagte der Drittschuldnerin mit, dass sich der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. April 2023 über 1.075,04 EUR aufgrund vollständiger Zahlung der offenen Forderungen erledigt habe und sie dem Kläger eine Kopie dieser Aufhebung zugesandt habe Mit weiterem Schreiben vom 23. Oktober 2023 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. April 2023 für erledigt erklärt worden sei und dass sie dem Drittschuldner eine Kopie der Aufhebung zugesandt habe.
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Mit Schreiben vom 2. November 2023 teilte die Beklagte dem Gericht mit, dass sich der streitgegenständliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erledigt habe, da die offenen Forderungen durch andere Vollstreckungsmaßnahmen (Durchsuchung der Geschäftsräume mit anschließender Kassenpfändung) vollständig beigetrieben hätten werden können. Der Kläger könne somit wieder voll über seinen Anspruch verfügen.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2024 beantragte der Kläger,
festzustellen, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Stadt S* … vom 19. April 2023 nichtig ist.
14
Der Beklagtenvertreter beantragte,
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Die Beteiligten machten Ausführungen zur Sache.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig.
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Für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ist erforderlich, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (vgl. § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO). Als Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.1990 – 7 B 71.90 – juris Rn. 4). Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des jeweiligen Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. st. Rspr. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 5 C 40.84 – juris Rn. 28; U.v. 25.10.2017 – 6 C 46.16 – juris Rn. 20; B.v. 20.12.2017 – 6 B 14.17 – juris Rn. 13). Ein derartiges Interesse kann grundsätzlich auch in einem Interesse des Klägers an der Planbarkeit wirtschaftlicher Dispositionen bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2001 – 3 C 2.01 – juris Rn. 12; VGH Kassel, U.v. 17.12.1985 – 9 UE 2162.85 – juris Rn. 58; BayVGH, B.v. 10.7.2006 – 22 BV 05.457 – juris Rn. 34). Trotz identischer Begrifflichkeit – „berechtigtes Interesse“ – stellt § 43 Abs. 1 VwGO grundsätzlich höhere Anforderungen an das Feststellungsinteresse als § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an das sogenannte Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.1974 – IV B 25.74 – juris Rn. 3; U.v. 20.1.1989 – 8 C 30.87 – juris Rn. 9; U.v. 8.12.1995 – 8 C 37.93 – juris Rn. 24 m.w.N.). Das Vorliegen eines berechtigten Interesses hat der Kläger substantiiert darzulegen.
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Gemessen hieran fehlt es vorliegend an dem erforderlichen qualifizierten Feststellungsinteresse. Die durch den Kläger begehrte Feststellung der Nichtigkeit des streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Gericht würde der Feststellung seiner Unwirksamkeit entsprechen, vgl. § 43 Abs. 3 BayVwVfG. Da die Beklagte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für erledigt erklärt und aufgehoben hat und dies dem Kläger und der Drittschuldnerin (vgl. Art. 26 Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 836 Abs. 2 ZPO) jeweils mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 mitgeteilt hat, ist die Unwirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – vgl. § 43 Abs. 2 BayVwVfG – jedoch bereits festgestellt. Das klägerische Begehren kann daher durch die Klage nicht mehr erreicht werden. Der Kläger kann durch eine gerichtliche Entscheidung keine weitergehenden Vorteile in der Sache erlangen.
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Auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er wolle die Summe, die die Beklagte durch andere Vollstreckungsmaßnahmen (Durchsuchung der Geschäftsräume mit anschließender Kassenpfändung) vollständig beigetrieben hat, wieder zurückerhalten, liegt kein qualifiziertes Feststellungsinteresse vor. Da die Sachpfändung unabhängig von dem streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfolgt ist, könnte er aus einer gerichtliche Nichtigkeitserklärung diesbezüglich nichts ableiten.
21
Der Kläger hat seinen Antrag trotz gerichtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung nicht auf eine Fortsetzungsfortsetzungsklage umgestellt.
22
Die Weiterverfolgung des Klagebegehrens ist damit objektiv sinnlos geworden.
23
Die Klage wäre im Übrigen jedenfalls auch unbegründet. Es bestehen keine Zweifel an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland, den Bundesländern und der Beklagten sowie an der Wirksamkeit des Grundgesetzes und der (einfachgesetzlichen) Rechtsordnung (vgl. hierzu ausführlich: VG Köln, B.v. 26.8.2019 – 20 L 1605/19 – juris Rn. 24 ff., FG Münster, U.v. 14.04.2015 – 1 K 3123/14 F – juris, Rn. 35 ff.; sowie grundsätzlich: BVerfG, U.v, 31.7.1973 – 2 BvF 1/73 – BVerfGE 36, 1-37 m.w.N.; BVerfG, B.v. 21.10.1987 – 2 BvR 373/83 – BVerfGE 77, 137-170; BVerfG, U.v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55 – BVerfGE 6, 309-367). Insbesondere konnte die Beklagte den streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gem. Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 BayVwZVG erlassen. Auch das klägerische Vorbringen, das Gewerbesteuergesetz, auf dessen Grundlage die durch den streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gepfändeten Forderung festgesetzt wurde, sei als „Nazigesetz“ aufgehoben worden und unwirksam, ist unzutreffend. Zunächst ist dieses Vorbringen als Einwendung gegen den vollstreckbaren Anspruch im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Vollstreckung bereits unzulässig, da die insoweit geltend gemachten Gründe nicht erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind, Art. 21 Satz 1 VwZVG. Das Gewerbesteuergesetz ist jedoch ohnehin wirksam. Auch wenn es ursprünglich aus dem Jahr 1936 und somit aus vorkonstitutioneller Zeit stammt, gilt es gem. Art. 123 Abs. 1 GG fort. Insbesondere wurde es weder durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht vom 20. September 1945 noch anderweitig aufgehoben, noch bestehen angesichts der seit 1945 mehrfach erfolgten Änderungen und Neubekanntmachungen des Gewerbesteuergesetzes und des damit fehlenden Bezugs des aktuellen Gesetzes zur Gesetzgebung des Dritten Reichs sowie angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in der es augenscheinlich von einer Wirksamkeit des Gewerbesteuergesetzes ausgeht (vgl. statt vieler BVerfG, B.v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04 – juris), sonstige Zweifel an seiner Wirksamkeit.
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Weitergehende Ausführungen erübrigen sich, weil die Klage schon als unzulässig abzuweisen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.