Titel:
Rechtsschutzdeckung für eine Diesel-Klage: Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
Normenkette:
ARB 2010 § 3a
Leitsatz:
Für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht des Deckungsschutzanspruchs eines Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung ist der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht maßgeblich (unter Hinweis auf BGH BeckRS 2024, 13989, hier allerdings zu einem Fall, in dem das Oberlandesgericht im Rechtsstreit, für den der Versicherungsnehmer um Deckung nachsucht, von einer zunächst beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand genommen hat). (Rn. 14 und 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Deckungsschutz, Dieselverfahren, Abgasskandal, hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung
Vorinstanz:
AG Kitzingen, Endurteil vom 25.09.2023 – 1 C 53/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 17085
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kitzingen vom 25.09.2023, Az. 1 C 53/23, abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, Az.: 24 U 159/22, Deckungsschutz zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.214,45 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte, seine Rechtsschutzversicherung, zur Abgabe einer Deckungszusage für das Berufungsverfahren des Klägers gegen die M… AG, die er in einem der sog. Abgasfälle in Anspruch nimmt, verpflichtet ist.
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Das Amtsgericht Kitzingen hat durch Endurteil vom 25.09.2023 die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Kitzingen (1 C 53/23) wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, Az.: 24 U 159/22, Deckungsschutz zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Nach Zustimmung der Parteien wurde mit Beschluss vom 13.05.2024 als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 07.06.2024 bestimmt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung gem. § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung bestimmt.
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Die Berufung des Klägers erweist sich als zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte zur Abgabe einer Deckungszusage verpflichtet ist.
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1. Zutreffend stellt das Erstgericht fest, dass die begehrte Feststellung nicht bereits deshalb auszusprechen ist, weil die Fiktion des § 128 S. 3 VVG eingetreten oder die Ablehnung der Deckung entgegen § 17 Abs. 2 der als Anlage K1 vorgelegten Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: VRB) nicht unverzüglich erfolgt wäre. Die Kammer nimmt insoweit auf die Ausführungen des Erstgerichts unter Ziffern 1. und 2. der Entscheidungsgründe Bezug.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.11.2021, Az.: 30 O 61/21, hat hinreichende Erfolgsaussichten i.S.d. § 17 Abs. 1 VRB.
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Nach dieser Vorschrift kann der Versicherer den Rechtsschutz ganz oder teilweise ablehnen, soweit die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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a) Im Hauptsacheverfahren hatte das Oberlandesgericht Stuttgart zwar mit Beschluss vom 27.05.2022 angekündigt, hinsichtlich der Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.11.2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren. Allerdings hat das Oberlandesgericht seine Meinung zumindest insoweit revidiert, dass es mit Verfügung vom 26.07.2022 mitgeteilt hat, jedenfalls bis zur Entscheidung des EuGH im Vorlageverfahren des Landgerichts Ravensburg, Az. C-100/21, keine Entscheidungen im schriftlichen Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu treffen, auch nicht in Verfahren, in denen bereits ein Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt worden ist.
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Dadurch wird deutlich, dass das Oberlandesgericht den Ausgang des Rechtsstreits durchaus als offen ansieht. Dies bedingt unmittelbar hinreichende Erfolgsaussichten der Berufung i.S.d. § 17 Abs. 1 ARB.
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b) Ob die Berufung des Klägers bereits zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hinsichtlich der Deckungszusage erfolgversprechend war, kann dahinstehen.
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Zwar ist zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen (OLG Hamm, Urteil vom 12.06.2023 – 6 U 22/23 –, Rn. 126, juris).
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Allerdings hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 05.06.2024 (Az. IV ZR 140/23, PM Nr. 124/2024) entschieden, dass für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht des Deckungsschutzanspruchs eines Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht maßgeblich ist.
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Mit Beschluss vom 13.05.2024 wurde im vorliegenden Verfahren als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, der 07.06.2024 bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt ist nach Mitteilung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 23.01.2024 der Stand des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart seit der dortigen Verfügung vom 26.07.2022 noch immer unverändert. Dies bedeutet, dass die oben dargelegten hinreichenden Erfolgsaussichten nach wie vor bestehen.
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3. Der Kläger hat somit Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte zur Abgabe einer Deckungszusage verpflichtet ist. Das Ersturteil war auf die Berufung des Klägers daher entsprechend abzuändern.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.