Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 09.02.2024 – 101 W 169/23
Titel:

Unbegründeter Anspruch auf Kompensation eines behaupteten Wertverlusts von Genossenschaftsanteilen infolge der Verschmelzung von eingetragenen Genossenschaften

Normenketten:
SpruchG § 2, § 8 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 1 S. 1, § 15
UmwG § 15 Abs. 1 S. 1, § 85
GenG § 73, § 91
GG Art. 14 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
Leitsätze:
1. Aus dem verfassungsrechtlichen Recht auf rechtliches Gehör folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. (Rn. 21 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Frage, ob ein Spruchverfahren statthaft ist, handelt es sich um eine von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Zulässigkeitsfrage. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit „Geschäftsguthaben“ ist bei § 85 UmwG der Nominalwert des Geschäftsguthabens gemeint; eine Bewertung der Geschäftsguthaben erfolgt nicht; der innere Wert wird nicht berücksichtigt. (Rn. 34 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 85 UmwG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Angesichts des Wesens der Genossenschaft steht das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. GG der Regelung nicht entgegen. (Rn. 52 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Aktiengesellschaft und die eingetragene Genossenschaft folgen als Rechtsformen unterschiedlichen Leitbildern. Während die Aktiengesellschaft dem Kapital den Vorrang vor der Person einräumt, präferiert die Genossenschaft die Person vor dem Kapital. (Rn. 58 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Spruchverfahren, Genossenschaft, Aktiengesellschaft, Verschmelzung, Auseinandersetzung, rechtliches Gehör, Mitgliedschaft, Vermögenswert, „DAT/Altana“-Entscheidung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 10.11.2022 – 1 HK O 7642/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2025 – II ZB 7/24
Fundstellen:
ZIP 2024, 1316
ZIP 2024, 1600
NWB 2024, 1696
BeckRS 2024, 1702
NZG 2024, 733
LSK 2024, 1702

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. November 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Eine Erstattung der dem Beschwerdeführer erwachsenen außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000,00 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: Antragsteller) begehrt Kompensation eines behaupteten Wertverlusts von Genossenschaftsanteilen infolge der Verschmelzung von eingetragenen Genossenschaften.
2
1. Im Jahr 2021 verschmolzen die eingetragenen Genossenschaften … eG in … (im Folgenden auch: übertragende Genossenschaft) und die … eG im Wege der Aufnahme auf die … eG.
3
Der Antragsteller war neben … weiteren Mitliedern einfaches Mitglied der übertragenden Genossenschaft und hielt an ihr zwei Geschäftsanteile zu je 125,00 €. Die Vertreterversammlung der übertragenden Genossenschaft stimmte am … mit einer Dreiviertelmehrheit für die Verschmelzung auf die … eG. An der Verschmelzung nahm als weitere übertragende Genossenschaft die … teil. Die Eintragung der Verschmelzung erfolgte beim Amtsgericht … am …. Parallel wurde die Löschung der … veröffentlicht. Der Antragsteller gehörte der Vertreterversammlung nicht an. Nach Namensänderung firmiert die verbleibende Genossenschaft unter dem Namen der Beschwerdegegnerin (im Folgenden auch: Antragsgegnerin). Im Verschmelzungsvertrag wurden als wirtschaftlicher Sitz … und als juristischer Sitz … vereinbart. Die künftige Höhe des einzelnen Geschäftsanteils wurde auf 25,00 € festgesetzt (§ 4 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags). Der Verschmelzungsvertrag enthält unter § 3 Abs. 2 die Regelung: „Jedes Mitglied der … eG und der … eG ist mit mindestens einem und im Übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der … eG beteiligt, wie durch Anrechnung ihrer Geschäftsguthaben bei der … eG und der … eG als voll eingezahlt anzusehen sind, zusätzlich einem weiteren Geschäftsanteil für ein etwa verbleibendes Geschäftsguthaben. Für die Feststellung des Geschäftsguthabens ist die Schlussbilanz der übertragenden Genossenschaft maßgebend.“ Im Zuge der Verschmelzung wurden die beiden vom Antragsteller voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250,00 € umgetauscht in je zehn Geschäftsanteile der … eG bzw. der Antragsgegnerin zu je 25,00 € (also insgesamt ebenfalls 250,00 €).
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2. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 stellte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth „Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Spruchgesetzverfahren“ und beantragte, „dass der Antragsgegner an den Antragsteller zur Kompensation des durch die Fusion entstandenen Wertverlustes seiner beiden Genossenschaftsanteile einen Betrag in Höhe von 1.063,00 € zahlt“.
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Im Wesentlichen vertrat er die Auffassung, dass Mitglieder einer übertragenden Genossenschaft für den Wertverlust ihrer Anteile infolge der Verschmelzung eine Kompensation erhalten müssten. Der Umtausch seiner beiden Geschäftsanteile sei im Verhältnis 1:1 erfolgt, eine weitergehende Beteiligung am Vermögen der durch die Fusion aufgelösten … eG habe nicht stattgefunden. Bei der Verschmelzung habe der „innere Wert“ seiner beiden Geschäftsanteile 2.662,00 € betragen, nach der Verschmelzung nur noch 1.599,00 €. Der innere Wert der Anteile sei bei der Fusion zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Hilfsweise begehrte der Antragsteller den Betrag von 1.063,00 € als Schadensersatz.
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Die Antragsgegnerin vertrat dagegen insbesondere die Ansicht, § 85 Abs. 1 UmwG schließe de lege lata eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses aus, wenn das Geschäftsguthaben bei den Genossenschaften vor und nach der Verschmelzung identisch sei, wie es beim Antragsteller der Fall sei. Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Anspruch auf bare Zuzahlung gemäß § 15 UmwG, der im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 des Gesetzes über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz – SpruchG) geltend gemacht werden könne, durch die Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG erheblich eingeschränkt sei und hier nicht bestehe. Selbst bei einer – nicht gegebenen – Anwendbarkeit der Regelungen der § 85 Abs. 1, § 15 UmwG bestehe allenfalls ein Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen den beiden Geschäftsguthaben. Eine analoge Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes komme vorliegend nicht in Betracht.
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Das Landgericht Nürnberg-Fürth bestellte am 31. Januar 2022 einen gemeinsamen Vertreter der nicht am Verfahren beteiligten Anteilseigner. Dieser vertrat insbesondere die Auffassung, dass das Spruchverfahren statthaft sei. Das Verfahren habe „auch rechtspolitische Bedeutung“. Zwar sei der Anwendungsbereich des § 1 SpruchG vom Wortlaut her nicht eröffnet. Die Regelung sei jedoch nicht abschließend. § 85 UmwG sei nicht verfassungskonform und im Wege der teleologischen Reduktion eng auszulegen. Der Antrag des Antragstellers sei auch begründet.
8
Wegen des weiteren Vorbringens des Antragstellers, der Antragsgegnerin und des gemeinsamen Vertreters wird auf die jeweiligen Schriftsätze im Ausgangsverfahren und den angegriffenen Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. November 2022 Bezug genommen.
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3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 10. November 2022 verwarf das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag als unzulässig.
10
Die Unzulässigkeit ergebe sich zwar nicht daraus, dass die vorliegende Konstellation in § 1 SpruchG nicht genannt sei, denn die Aufzählung in § 1 SpruchG sei nicht abschließend. Die Unzulässigkeit folge aber daraus, dass nach geltendem Recht für die vorliegende Verschmelzung der Genossenschaften auf die Antragsgegnerin eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Werts der Beteiligung gerade nicht vorgesehen sei. Eine solche Zuzahlung lasse sich auch nicht über eine teleologische oder anderweitige Auslegung der geltenden Normen erreichen. Eine Analogie zur Auflösung der Genossenschaft lasse sich vorliegend ebenfalls nicht ziehen mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Eine Abfindung, die sich am tatsächlichen Wert der Beteiligung orientiere, sei auch im Hinblick auf den Zweck einer Genossenschaft nicht geboten. Soweit der Antragsteller hilfsweise Schadensersatz begehre, sei eine Entscheidung nicht veranlasst, weil insoweit kein wirksamer Antrag vorliege. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss des Landgerichts NürnbergFürth vom 10. November 2022 Bezug genommen.
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4. Gegen den vorgenannten Beschluss legte der Antragsteller am 14. Dezember 2022 Beschwerde ein. Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Landgericht zum einen gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoßen habe, weil es seine Verwerfungsentscheidung völlig überraschend ohne vorhergehenden Hinweis erlassen und zudem keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Zum anderen sei die Verwerfung zu Unrecht erfolgt, weil dem Antragsteller durch die Verschmelzung eine Benachteiligung dadurch entstanden sei, dass der innere Wert seines Geschäftsguthabens an der übertragenden Genossenschaft nun in der fusionierten Genossenschaftsbank – durch Aufgehen des Vermögens in der aufnehmenden Genossenschaft – geringer sei als in der ursprünglichen Genossenschaft. Die landgerichtliche Entscheidung beruhe im Wesentlichen auf einer zweifelhaften Anwendung bzw. Auslegung des § 85 Abs. 1 UmwG. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 14. Dezember 2022 und 9. Februar 2023 Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin beantragte Zurückweisung der Beschwerde. Wegen der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 22. Februar und 3. April 2023 Bezug genommen.
13
Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 2. Juni 2023 nicht ab. Die Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Eine mündliche Verhandlung sei ebenso wenig geboten gewesen wie ein Hinweis des Gerichts auf die mögliche Verwerfung des Antrags als unzulässig. Auch inhaltlich griffen die Argumente des Antragstellers nicht durch.
14
5. Gegenüber dem Beschwerdegericht vertrat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. August 2023 weiterhin die Auffassung, dass er einen Ausgleich für den von ihm geltenden gemachten Wertverlust seiner Genossenschaftsanteile infolge der Verschmelzung durch bare Zuzahlung verlangen könne. Er sei Mitglied einer übertragenden Genossenschaft nach § 85 Abs. 1 UmwG, sodass dahinstehen könne, ob die nach Einreichung der erstinstanzlichen Antragsschrift eingetretene Rechtsänderung (Einfügung von § 85 Abs. 1 UmwG) relevant sei. Wegen des nach der Verschmelzung geringeren inneren Werts seiner beiden Genossenschaftsanteile in der übernehmenden Genossenschaft sei der Wert seines Geschäftsguthabens in der übernehmenden Genossenschaft im Sinne des § 85 Abs. 1 UmwG a. F., Abs. 2 UmwG n. F. geringer als in der übertragenden, durch Verschmelzung untergegangenen Genossenschaft. Damit könne er den Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 15 UmwG unter den dortigen Voraussetzungen geltend machen, die ebenfalls vorlägen. Wegen des erlittenen Wertverlusts seiner Geschäftsanteile sei es im Sinne des § 15 UmwG unangemessen, wenn er in der übernehmenden Genossenschaft nur Geschäftsanteile geringeren Werts erhalte und der Wertverlust nicht ausgeglichen werde. Da der ursprüngliche Wert seiner beiden Genossenschaftsanteile durch die Verschmelzung von 2.662,00 € auf 1.599,00 € gesunken sei, begehre er im Spruchverfahren eine Nachzahlung in Höhe von 1.063,00 €, wobei die Höhe der Nachzahlung auch in das Ermessen des Gerichts gestellt werde. Die Zuzahlungspflicht folge aus dem Wesen der Genossenschaft und deren gemäß § 1 GenG bestehenden gesetzlichen Zweckbindung an die Förderung der Mitglieder. Bei einer Verschmelzung nach § 2 UmwG handle es sich um eine Auflösung der übertragenden Genossenschaft. Die Aufzählung in § 1 SpruchG sei nicht abschließend. Im Kern beruhe die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Auslegung von § 85 UmwG i. V. m. § 15 UmwG dahingehend, dass das Geschäftsguthaben im Sinne des § 85 Abs. 1 UmwG a. F., § 85 Abs. 2 UmwG n. F. mit dem nominellen Genossenschaftsanteil gleichzusetzen sei, weshalb das Mitglied einer übertragenden Genossenschaft einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 15 UmwG nur dann mit Erfolg geltend machen könne, wenn das Mitglied in der übernehmenden Genossenschaft nominell weniger Geschäftsguthaben erhalte, als es in der übertragenden Genossenschaft, die durch Verschmelzung zum Erlöschen gekommen sei, gehabt habe. Bei Zugrundelegung der Ansicht des Landgerichts hätte § 85 UmwG i. V. m. § 15 UmwG im Ergebnis keinen praktischen Anwendungsbereich. Die erstinstanzliche Auslegung des Begriffs „Geschäftsguthaben“ in § 85 UmwG sei nach der Systematik des Genossenschaftsgesetzes und des Umwandlungsgesetzes und nach den dort zugrunde gelegten Prinzipien nicht nachvollziehbar. § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG, der regle, dass ausscheidende Mitglieder keinen Anspruch auf Vermögen und Rücklagen der Genossenschaft geltend machen könnten, also auf ihren Nominalwert verwiesen würden, gelte ausdrücklich nur im Fall des Ausscheidens aus einer fortbestehenden Genossenschaft. Auf eine Verschmelzung könne diese Bestimmung nicht zutreffen, da bei einer Verschmelzung die übertragende Genossenschaft gerade nicht fortbestehe, sondern nach § 2 UmwG unbestreitbar aufgelöst werde. Die übertragende Genossenschaft werde folgerichtig im Zuge einer Verschmelzung im Genossenschaftsregister gelöscht. Den Erläuterungen des Gesetzgebers in der Bundestagsdrucksache 12/6699 vom 1. Februar 1994 sei eindeutig zu entnehmen: „Im Ersten Teil des Zweiten Buches sollen die Vorschriften zusammengefaßt werden, die für alle Fälle der Verschmelzung gelten, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Rechtsform die beteiligten Rechtsträger haben.“ Das Landgericht habe festgestellt, dass bei der Verschmelzung die übertragende in der aufnehmenden Genossenschaft weiterlebe. Würde dies allerdings zutreffen, müsste es auch für alle anderen Rechtsformen gelten. § 2 UmwG sage jedoch eindeutig aus, dass Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden könnten. Diese Bestimmung gelte unmissverständlich für alle im Umwandlungsgesetz genannten Rechtsformen. Für die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft könne nichts anderes gelten. § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG sei damit auf eine im Wege der Verschmelzung erlöschende Genossenschaft nicht anwendbar. Da der Verweis auf den Nominalwert der Anteile nach der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG nur für das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Genossenschaft gelte, müsse im Umkehrschluss gefolgert werden, dass im Fall des Erlöschens einer Genossenschaft – sei es als übertragende Genossenschaft im Wege einer Verschmelzung, sei es auf andere Weise – eine Verteilung des Vermögens nach allgemeinen Grundsätzen, wie es insbesondere in § 91 GenG geregelt sei, erfolge. In § 91 GenG sei allerdings „Geschäftsguthaben“ nicht so zu verstehen, wie die erstinstanzliche Entscheidung den gleichen Begriff „Geschäftsguthaben“ in § 85 UmwG verstehe. § 91 GenG meine mit „Geschäftsguthaben“ nicht den nominellen Genossenschaftsanteil, sondern berücksichtige den inneren Wert des jeweiligen Anteils, der bei der Auseinandersetzung nach Erlöschen der Genossenschaft Berücksichtigung finden solle. Selbst wenn man der erstinstanzlichen Entscheidung in der – jedenfalls nicht zwingenden – Ansicht folge, dass die Liquidation einer Genossenschaft nach § 91 GenG nicht komplett mit dem Erlöschen einer Genossenschaft infolge einer Verschmelzung gleichgesetzt werden könne, so bleibe doch festzuhalten, dass der Fall der Auflösung einer übertragenden Genossenschaft im Wege der Verschmelzung dem Fall der Auflösung durch Liquidation mit der Folge der Berücksichtigung des inneren Werts der Anteile nach § 91 GenG jedenfalls näher stehe als den Fällen, in denen nach § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG bei jeweils fortbestehender Genossenschaft ein Genossenschaftsmitglied allein auf den Nominalwert seines Anteils verwiesen werde. Seine Auffassung ergebe sich auch aus einem Fall der Verschmelzung einer Genossenschaft und einer Aktiengesellschaft, bei dem die Aktionäre in voller Höhe abgefunden worden seien. Zudem hält der Antragsteller daran fest, dass es „in einem Verfahren, bei dem es sich ersichtlich um das erste Spruchverfahren im Genossenschaftsbereich überhaupt [handle] und zu dem es noch keine Rechtsprechung“ gebe, „eines ausführlichen Vortrags in einer mündlichen Verhandlung bedurft“ hätte. Eine mündliche Verhandlung sei vom Landgericht zwar angekündigt, dann aber in dem die Instanz abschließenden Beschluss wieder verworfen worden, womit dem Antragsteller das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Daher werde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz beantragt.
15
Die Antragsgegnerin bekräftigte mit Schriftsatz vom 11. September 2023 ihre Auffassung, dass ein Spruchverfahren unzulässig sei, weil nach geltendem Recht für die vorliegende Verschmelzung der Genossenschaften auf die Antragsgegnerin eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Werts der Beteiligung nicht vorgesehen sei. Es möge sein, dass die übertragende Genossenschaft als juristische Rechtspersönlichkeit infolge der Verschmelzung erlösche und aus dem Genossenschaftsregister beseitigt werde. Das führe aber nicht dazu, dass § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG Anwendung finde. Die übertragende Genossenschaft bzw. deren Vermögen und die Geschäftsguthaben der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft lebten in der aufnehmenden Genossenschaft weiter. Warum bei diesem Weiterleben in der aufnehmenden Genossenschaft das Mitglied der übertragenden Genossenschaft nun mit dem inneren Wert beteiligt werden solle, sei vollkommen unverständlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei die Liquidation einer Genossenschaft nicht mit einer Verschmelzung zweier Genossenschaften gleichzusetzen. Schon begrifflich sei die Liquidation auf die Beendigung einer Genossenschaft gerichtet. Bei der Verschmelzung lebe die übertragene Genossenschaft in der aufnehmenden weiter. Zwar bestehe für die übertragende Genossenschaft die Wirkung der Verschmelzung darin, dass sie zu Gunsten der übernehmenden Genossenschaft ihre Rechtspersönlichkeit und damit ihre Existenz als juristische Person verliere. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Substanz der übertragenden Genossenschaft in der übernehmenden Gesellschaft weiter existiere und sich eben nicht auflöse. Entgegen der Auffassung des Antragstellers könne auch aus § 91 GenG keine andere Auffassung hergeleitet werden. In § 91 Abs. 1 GenG heiße es wörtlich: „Die Verteilung des Vermögens unter die einzelnen Mitglieder erfolgt bis zum Gesamtbetrag ihrer auf Grund der Eröffnungsbilanz ermittelten Geschäftsguthaben nach dem Verhältnis der letzteren.“ Mit dem Geschäftsguthaben sei nur ein Teil des Relationsgefüges – Verteilung des Vermögens unter den einzelnen Mitgliedern – gemeint. Es sei also hier nur eine Rechengröße, inwieweit die einzelnen Mitglieder am Gesamtvermögen beteiligt seien, nämlich im Verhältnis der Geschäftsguthaben der Mitglieder zueinander. Aus diesem Text könne der Antragsteller also nichts herleiten. § 91 GenG sei ein Bestandteil des sechsten Abschnitts des Genossenschaftsgesetzes, betreffend die Auflösung und die Nichtigkeit der Genossenschaft. Zwar werde formaljuristisch die Genossenschaft bei der Verschmelzung beendet, jedoch lebe die Beteiligung des einzelnen Mitglieds der übertragenden Genossenschaft in der aufnehmenden Genossenschaft – anders als bei der Auflösung nach §§ 78 ff. GenG – weiter. Auch ein Vergleich mit dem – hier nicht vorliegenden – Fall einer Verschmelzung von Genossenschaft und Aktiengesellschaft führe nicht weiter, weil das Wesen der Aktiengesellschaft von dem der Genossenschaft wesentlich differiere. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben. Die Beschwerde sei zurückzuweisen.
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Der gemeinsame Vertreter hält sowohl die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als auch – im Fall der Antragsabweisung – die Zulassung der Rechtsbeschwerde für geboten. Das Spruchverfahren sei statthaft, insbesondere § 1 SpruchG nicht abschließend. Die Antragsgegnerin habe die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens „konkludent unstreitig“ gestellt, indem sie gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters keine Einwände erhoben habe. Das Landgericht habe ein Spruchverfahren für statthaft gehalten, was sich schon daran zeige, dass es einen gemeinsamen Vertreter bestellt habe. Dem Antragsteller und dem gemeinsamen Vertreter sei vom Landgericht die in Aussicht gestellte mündliche Verhandlung verwehrt worden.
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Auf die zwischen den Beteiligten im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2024 nebst Schriftsatz des gemeinsamen Vertreters vom 6. Februar 2024 wird ergänzend Bezug genommen.
II.
18
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Sie ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 SpruchG statthaft. Da der Antragsteller die Durchführung eines Spruchverfahrens begehrt, sind seine Anträge und Rechtsmittel in förmlicher Hinsicht an den für ein Spruchverfahren geltenden Vorschriften zu messen (OLG München, Beschluss vom 24. Juni 2008, 31 Wx 83/07, juris Rn. 9). Der Statthaftigkeit der durch Anwaltsschriftsatz eingelegten Beschwerde steht daher nicht entgegen, dass das Landgericht den Antrag auf Durchführung des Spruchverfahrens bereits als unstatthaft abgelehnt hat (vgl. z. B. auch OLG Bremen, Beschluss vom 12. Oktober 2012, 2 W 25/12, juris Rn. 23; Drescher in BeckOGK, Stand: 1. Oktober 2023, SpruchG § 1 Rn. 32; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, SpruchG § 1 Rn. 27). Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt, denn er war im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung Mitglied der übertragenden Genossenschaft. Die einmonatige Rechtsmittelfrist, § 17 Abs. 1 SpruchG, § 63 Abs. 1 FamFG, ist eingehalten und der nach § 17 Abs. 1 SpruchG, § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von mehr als 600,00 € erreicht. Er ergibt sich aus dem Ausgleichsbetrag durch bare Zuzahlung, den der Beschwerdeführer für sich erstrebt. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 12 Abs. 2 SpruchG i. V. m. § 26 Abs. 2 GZVJu das Bayerische Oberste Landesgericht. Eine anwaltliche Vertretung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich (§ 17 Abs. 3 SpruchG).
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2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
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a) Soweit mit der Beschwerde eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch das Ausgangsgericht gerügt wird, greift diese Rüge nicht durch.
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aa) Selbst wenn eine Überraschungsentscheidung vorgelegen und dies einen Gehörsverstoß des Landgerichts begründet hätte, wäre dieser jedenfalls durch die ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs im Rechtsmittelzug geheilt (vgl. zu dieser Möglichkeit z. B. BVerfG, Beschluss vom 15. November 2010, 2 BvR 1183/09, juris Rn. 24; BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003, V ZB 34/03 [KG], BGHZ 156, 279 [283] = NJW 2003, 3550 [3551, juris Rn. 11 ff.] m. w. N.). Im Beschwerdeverfahren bestand hinreichend Gelegenheit, zu den entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen umfassend Stellung zu nehmen. Da das Landgericht, ebenso wie vorliegend der Senat, nur über Rechtsfragen entschieden hat, wurde den Beteiligten auch keine Tatsacheninstanz genommen.
24
bb) Eine mündliche Verhandlung war in erster Instanz nicht zwingend geboten. Aus dem verfassungsrechtlichen Recht auf rechtliches Gehör folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2022, 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413 Rn. 30 m. w. N.). Die vom Beschwerdeführer eingeforderte „Gelegenheit […], auch rechtliche Argumente unter Berücksichtigung des Rechtsstandpunkts des Gerichts weiter auszutauschen“ bzw. das vom gemeinsamen Vertreter eingeforderte Recht auf „Einräumung der Möglichkeit […], sich vor Erlass gerichtlicher Entscheidungen tatsächlich und rechtlich zur Sache zu äußern, d. h. Ausführungen zu machen und Anträge zu stellen“, kann nicht nur in einer mündlichen Verhandlung, sondern auch in einem schriftlichen Verfahren gewährt werden.
25
§ 8 Abs. 1 Satz 1 SpruchG enthält lediglich eine Sollvorschrift. Grund dafür, dass der Gesetzgeber die mündliche Verhandlung dem Gericht nicht völlig freistellte, war, dass es ansonsten „zu Streitigkeiten wegen des Rechts auf rechtliches Gehör führen k[ö]nnte (vgl. BVerfG NJW 1998, 2273 für den Anspruch auf mündliche Erörterung des Sachverständigengutachtens)“; zudem könne „ein gut vorbereiteter mündlicher Termin sehr viel effektiver dazu dienen […], wesentliche Fragen aufzuklären, als dies lediglich durch den Austausch von Schriftsätzen möglich [sei], weshalb die „Regelung zur Verfahrensbeschleunigung beitragen“ könne (jeweils BT-Drs. 15/371 S. 15). Eine solche Konstellation lag hier aber nicht vor. Weder war in erster Instanz ein Sachverständigengutachten zu erörtern (im Übrigen weist das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung ausdrücklich auch darauf hin, dass „es verfassungsrechtlich nicht unter allen Umständen geboten [sei], dem Antrag [eines Beteiligten] nachzukommen und die Gutachter mündlich anzuhören“, BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1998, 1 BvR 909/94, NJW 1998, 2273 [2274]), noch ist ersichtlich, dass und warum die Beteiligten in der konkreten Situation nicht in der Lage gewesen sein sollten, ihre Argumente zur maßgeblichen Rechtsfrage schriftlich vorzutragen und warum eine mündliche Verhandlung der Verfahrensbeschleunigung gedient hätte. Vielmehr kann – wovon das Landgericht Gebrauch gemacht hat – von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn nur über die Zulässigkeit eines Antrags entschieden werden muss und keine weitere Aufklärung nötig ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Februar 2015, 20 W 8/14, juris Rn. 60; Drescher in BeckOGK, SpruchG § 8 Rn. 27). Das war hier der Fall. Das Absehen von einer nicht obligatorischen mündlichen Verhandlung ist insbesondere dann in der Regel nicht zu beanstanden, wenn lediglich über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist und die Beteiligten zu dieser schriftlich Stellung nehmen konnten.
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b) Auch inhaltlich ist die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Durchführung eines Spruchverfahrens in der vorliegenden Konstellation nicht zulässig ist. Das Spruchverfahrensgesetz ist nicht anwendbar.
27
aa) Das Landgericht hat – zutreffend – bereits die Statthaftigkeit eines Spruchverfahrens verneint. Soweit der Antragsteller meint, es sei „unstreitig, dass ein Spruchverfahren im hiesigen Fall statthaft“ sei, bzw. der gemeinsame Vertreter sich darauf beruft, das Landgericht habe die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens bejaht, ist das unzutreffend. Zwar hat das Landgericht das Spruchverfahren nicht ausdrücklich als unstatthaft bezeichnet. Es hat jedoch ausgeführt, die Unzulässigkeit des Antrags ergebe sich daraus, dass nach dem geltenden Recht für die vorliegende Verschmelzung der Genossenschaften auf die Antragsgegnerin eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Werts der Beteiligung gerade nicht vorgesehen sei. Die Frage, ob § 1 SpruchG – unmittelbar oder analog – anwendbar und im Grundsatz ein Spruchverfahren durchzuführen ist, ist eine Frage der Statthaftigkeit (vgl. dazu z. B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2015, 20 W 7/14, NZG 2015, 629 Rn. 35; OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2008, 31 Wx 62/07, NZG 2008, 755 [juris Rn. 10]). Dass das Landgericht vor der Verwerfung des Antrags einen gemeinsamen Vertreter bestellt hatte (§ 6 Abs. 1 SpruchG), hinderte die Abweisung des Antrags wegen Unstatthaftigkeit nicht.
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Entgegen der Auffassung des gemeinsamen Vertreters ergibt sich die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens nicht daraus, dass diese von der Antragsgegnerin „konkludent unstreitig“ gestellt worden sei, indem gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters keine Einwände erhoben worden seien. Davon abgesehen, dass die Antragsgegnerin schon in ihrem ersten Schriftsatz (vom 27. Januar 2022, noch vor Bestellung eines gemeinsamen Vertreters am 30. Januar 2022) Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags geltend gemacht hatte, weil de lege lata eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses ausscheide, können lediglich Tatsachen unstreitig gestellt werden. Bei der Frage, ob ein Spruchverfahren statthaft ist, handelt es sich dagegen um eine von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Zulässigkeitsfrage (vgl. z. B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2015, 20 W 7/14, NZG 2015, 629 Rn. 34; OLG München, Beschluss vom 28. Januar 2015, 31 Wx 292/14, NZG 2015, 556 [557]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. September 2014, I-26 W 20/12, NZG 2015, 518 Rn. 21); die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens steht nicht zur zivilrechtlichen Disposition der Parteien, sondern richtet sich allein nach den gesetzlichen Vorschriften (BVerfG, Beschluss vom 5. November 2015, 1 BvR 1667/15, NZG 2016, 61 Rn. 26).
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bb) Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass die Aufzählung in § 1 SpruchG nicht abschließend ist (vgl. z. B. BVerfG, Urt. v. 11. Juli 2012, 1 BvR 3142/07 u. a., NJW 2012, 3081 Rn. 86 m. w. N.; Koch in Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, SpruchG § 1 Rn. 6; Simons in Hölters/Weber, AktG, SpruchG § 1 Rn. 13). Allerdings fällt die vom Antragsteller begehrte Kompensation eines etwaigen Wertverlusts von Genossenschaftsanteilen infolge einer Verschmelzung von Genossenschaften vorliegend nicht in den Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes. Wo weder eine spezialgesetzliche Verweisung noch eine tragfähige Analogiegrundlage existieren, ist der Antrag auf Einleitung eines Spruchverfahrens als unzulässig zurückzuweisen (Krenek in Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl. 2023, SpruchG § 1 Rn. 1). Für eine (entsprechende) Anwendung des Spruchverfahrens muss ein ähnlicher Sachverhalt zu beurteilen sein, wie er den in § 1 SpruchG aufgelisteten Fällen zugrunde liegt, d. h. ein Fall, in dem eine Beeinträchtigung des Anteilseigentums durch Fehler im Preisbildungsprozess ausgeglichen werden soll (Drescher in BeckOGK, SpruchG § 1 Rn. 17). Das Spruchverfahren dient der Bestimmung angemessener Ausgleichszahlungen bzw. Abfindungen bei verschiedenen Strukturmaßnahmen von Unternehmen (BT-Drs. 15/371 S. 11). Es ist daher nicht durchzuführen, wenn derartige Ausgleichszahlungen bzw. Abfindungen von vornherein nicht in Betracht kommen. So geht auch der Bundesgerichtshof von der Unzulässigkeit eines Spruchverfahrens aus, wenn ein Anspruch auf eine Abfindung nicht bestehen kann (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2013, II ZB 26/12, NJW 2014, 146 Rn. 2). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (BT-Drs. 20/3822), der zur jüngsten Änderung des § 85 UmwG führte, heißt es (S. 81): „§ 85 Absatz 1 UmwG-E schließt die Durchsetzung des Anspruchs auf bare Zuzahlung im Spruchverfahren gemäß § 15 UmwG-E für die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft aus.“ Ein Fall, in dem von vornherein ein Anspruch auf Abfindung ausscheidet, liegt auch hier vor. Zwar ist nach § 1 Nr. 4 SpruchG der Anspruch auf Zuzahlung nach § 15 UmwG im Spruchverfahren geltend zu machen. Die Anwendung von § 15 UmwG – und damit auch von § 1 SpruchG – ist aber nach der gesetzlichen Regelung (§ 85 UmwG) von vornherein ausgeschlossen bei der Verschmelzung von Genossenschaften, wenn – wie hier – das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft nicht niedriger ist als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft. cc) § 15 UmwG ist vorliegend nicht anwendbar. Das ergibt sich aus § 85 UmwG.
30
Hierbei ist nicht entscheidend, wie § 85 UmwG rechtspolitisch zu bewerten ist. Wenn der gemeinsame Vertreter darauf hinweist, dass das Verfahren auch „rechtspolitische“ Bedeutung habe und § 85 UmwG teilweise als „verfehlte Regelung“ bezeichnet werde, die „alsbaldig korrigiert“ werden sollte, ändert das nichts daran, dass die Gerichte die Regelung des Gesetzgebers grundsätzlich hinzunehmen und ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (vgl. zur verfassungsrechtlichen Bewertung von § 85 UmwG noch unten). Die Auffassung des Antragstellers und des gemeinsamen Vertreters entspricht nicht dem geltenden Recht (so ausdrücklich im Zusammenhang mit der Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth z. B. auch Schulteis, EwiR 2023, 523 [524]).
31
Gemäß § 14 Abs. 2 UmwG kann ein in Bezug auf den Wert seines Anteils benachteiligter Anteilsinhaber einen Verschmelzungsbeschluss nicht mit der Begründung anfechten, „daß das Umtauschverhältnis der Anteile zu niedrig bemessen ist oder daß die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger kein ausreichender Gegenwert für die Anteile oder die Mitgliedschaft bei dem übertragenden Rechtsträger ist“ (Gesetzesfassung bis 28. Februar 2023) bzw. darauf „dass das Umtauschverhältnis der Anteile nicht angemessen ist oder dass die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger kein angemessener Gegenwert für die Anteile oder die Mitgliedschaft bei dem übertragenden Rechtsträger ist“ (Gesetzesfassung seit 1. März 2023). Vielmehr kann der Anteilsinhaber in diesen Fällen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 UmwG grundsätzlich von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich verlangen. Eine Sonderregelung hierzu enthält allerdings § 85 UmwG.
32
§ 85 UmwG (Verbesserung des Umtauschverhältnisses) in der bis zum 28. Februar 2023 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) lautete:
(1) Bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander ist § 15 nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist.
(2) Der Anspruch nach § 15 kann auch durch Zuschreibung auf das Geschäftsguthaben erfüllt werden, soweit nicht der Gesamtbetrag der Geschäftsanteile des Mitglieds bei der übernehmenden Genossenschaft überschritten wird.
33
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22. Februar 2023 (BGBl. I. Nr. 51) wurde den bisherigen beiden Absätzen des § 85 UmwG ein neuer Absatz 1 vorangestellt. Seit dem 1. März 2023 (im Folgenden: n. F.) lautet § 85 UmwG:
(1) § 14 Absatz 2 und § 15 sind nicht anzuwenden auf Mitglieder einer übernehmenden Genossenschaft.
(2) Bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander ist § 15 nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist.
(3) Der Anspruch nach § 15 kann auch durch Zuschreibung auf das Geschäftsguthaben erfüllt werden, soweit nicht der Gesamtbetrag der Geschäftsanteile des Mitglieds bei der übernehmenden Genossenschaft überschritten wird.
34
Die vorliegende Konstellation fällt de lege lata unter § 85 UmwG.
35
(1) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 1 UmwG a. F. (Abs. 2 n. F.). Dieser ist eindeutig. Die ausdrückliche Anordnung der Nichtanwendbarkeit des § 15 UmwG (Verbesserung des Umtauschverhältnisses) lässt klar erkennen, dass der Gesetzgeber (schon vor dem 1. März 2023) bei einer Verschmelzung von Genossenschaften gerade keine Bestimmung der Zuzahlung durch das Gericht nach den Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes zulassen wollte, wenn das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft nicht niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Bei der Abweichung von § 15 UmwG handelt es sich um eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers, was selbst Kritiker der Regelung anerkennen (vgl. z. B. Hörtnagl/Ollech in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, UmwStG, 9. Aufl. 2020, UmwG § 85 Rn. 1: „eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers“; Bayer in Lutter, UmwG, 6. Aufl. 2019, § 85 Rn. 7: „Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwG […] nach der eindeutigen Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG nur gegeben, wenn und soweit das bisher bei der übertragenden eG bestehende Geschäftsguthaben unterschritten wird.“).
36
Mit „Geschäftsguthaben“ ist bei § 85 UmwG der Nominalwert des Geschäftsguthabens gemeint; eine Bewertung der Geschäftsguthaben erfolgt nicht; der innere Wert wird nicht berücksichtigt (Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 207. EL Stand: August 2023, § 15 UmwG 1995, Rn. 4; Schöpflin in Kölner Kommentar zum UmwG, 2009, § 85 Rn. 3; Schulte in Lang/Weidmüller, GenG, 34. Aufl. 2005, § 1 Rn. 3 und 11; Dehmer in UmwG, UmwStG, 2. Aufl. 1996, § 85 Rn. 2).
37
(2) Eine dem entgegenstehende Auslegung der Vorschrift ist nicht veranlasst. Eine solche ergibt sich weder aus dem systematischen Zusammenhang noch der Historie noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
38
(a) Der Antragsteller vertritt zwar die Auffassung, dass der Begriff „Geschäftsguthaben“ nicht auf den Nominalwert des Anteils beschränkt sei; vielmehr komme es im Rahmen einer Fusion nicht auf den Nominalwert, sondern auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Mitgliederanteils an. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in § 85 UmwG den Begriff „Geschäftsguthaben“ in diesem Sinn verwenden wollte. Die Geschäftsguthaben repräsentieren bei einer Genossenschaft das „gezeichnete Kapital“ (Geschäftsanteile) der Genossenschaft (Spanier in Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2020, § 337 Rn. 1). Das Geschäftsguthaben eines Mitglieds stellt den Betrag dar, der tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt ist (Spanier in Münchener Kommentar zum HGB, § 337 Rn. 4).
39
In der Gesetzesbegründung zum ursprünglichen § 85 UmwG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210) heißt es (BT-Drs. 12/6699 S. 108): „Die Erfüllung des Nachbesserungsanspruchs nach § 15 kann bei der Verschmelzung von Genossenschaften dazu führen, daß dem Genossen aus Anlaß der Verschmelzung eine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft zuwächst, die er nicht hätte, wenn er aus der Genossenschaft ausschiede (durch Kündigung gemäß den §§ 93k ff. GenG oder durch Ausschlagung gemäß den §§ 90 ff. des Entwurfs – vgl. § 93m Abs. 1 Satz 3 GenG, § 93 Abs. 2 des Entwurfs), und die er auch bisher nicht hatte. Deshalb soll der Nachbesserungsanspruch für die rein genossenschaftliche Verschmelzung auf den Fall begrenzt werden, daß nach dem Verschmelzungsvertrag dem Genossen bei der übernehmenden Genossenschaft ein geringeres Geschäftsguthaben zustehen soll als bei der übertragenden Genossenschaft.“ In § 93m Abs. 1 Satz 3 GenG war damals geregelt: „Der kündigende Genosse kann die Auszahlung seines Geschäftsguthabens verlangen; an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft hat er vorbehaltlich des § 73 Abs. 3 [betrifft eine abweichende Satzungsregelung] keinen Anteil, auch wenn sie bei der Verschmelzung den Geschäftsguthaben der Genossen der übertragenden Genossenschaft zugerechnet werden.“ In § 93 Abs. 2 GenG-E war vorgesehen: „Dieser Genosse kann die Auszahlung des Geschäftsguthabens, das er bei der übertragenden Genossenschaft hatte, verlangen; an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft hat er vorbehaltlich des § 73 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften keinen Anteil, auch wenn sie bei der Verschmelzung den Geschäftsguthaben anderer Genossen, die von dem Recht zur Ausschlagung keinen Gebrauch machen, zugerechnet werden.“ Die aktuelle Fassung des Genossenschaftsgesetzes entspricht in § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG inhaltlich dem damaligen § 93m Abs. 1 Satz 3 GenG („Auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft hat das Mitglied vorbehaltlich des Absatzes 3 [betrifft eine abweichende Satzungsregelung] keinen Anspruch.“). Der damalige § 93 Abs. 2 GenG-E hat seine Entsprechung nun in § 93 Abs. 2 UmwG („Dieses Mitglied kann die Auszahlung des Geschäftsguthabens, das es bei der übertragenden Genossenschaft hatte, verlangen; an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft hat es vorbehaltlich des § 73 Abs. 3 des Genossenschaftsgesetzes keinen Anteil, auch wenn sie bei der Verschmelzung den Geschäftsguthaben anderer Mitglieder, die von dem Recht zur Ausschlagung keinen Gebrauch machen, zugerechnet werden.“). Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck war (und ist) demnach, das Mitglied aus Anlass der Verschmelzung nicht besser zu stellen, als wenn es aus der weiterbestehenden Genossenschaft ausschiede. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 GenG ist bei Beendigung der Mitgliedschaft das Geschäftsguthaben des Mitglieds in der Regel binnen sechs Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft auszuzahlen. Auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft hat das Mitglied (vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung in der Satzung nach Absatz 3) ausdrücklich keinen Anspruch (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG). Dass bei § 73 GenG der Begriff des „Geschäftsguthabens“ keine Beteiligung an Rücklagen und sonstigem Vermögen erfasst, entspricht allgemeiner Meinung. Die Auseinandersetzung nach § 73 GenG findet vielmehr auf der Grundlage der Handelsbilanz statt, welche insbesondere die stillen Reserven nicht erfasst (vgl. zu § 73 GenG a. F.: BGH, Urt. v. 13. Oktober 2008, II ZR 26/08, juris Rn. 12; zur aktuellen Fassung z. B. auch Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, GenG § 73 Rn. 3; Bertram in Saenger u. a., Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2021, § 6 Rn. 998). Der gesetzliche Regelfall ist daher, dass ein ausscheidendes Mitglied nur sein Geschäftsguthaben erhält. Auch im Fall einer Ausschlagung nach § 90 Abs. 2 UmwG kann das Mitglied nur „die Auszahlung des Geschäftsguthabens, das es bei der übertragenden Genossenschaft hatte, verlangen“; an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft hat es vorbehaltlich einer anderen Satzungsregelung keinen Anteil (§ 93 Abs. 2 Satz 1 UmwG).
40
Da der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 85 UmwG selbst eine Parallele zwischen der Verschmelzung und der Auseinandersetzung mit einem ausgeschiedenen Mitglied gezogen hat, ist es mangels anderweitiger Anhaltspunkte fernliegend, dass er in § 85 UmwG mit „Geschäftsguthaben“ etwas anderes bezeichnen wollte als in § 73 GenG. In § 73 GenG versteht man unter Geschäftsguthaben aber allgemein den auf alle Geschäftsanteile des ausgeschiedenen Mitglieds gezahlten Gesamtbetrag, vermehrt um zugeschriebene Gewinnanteile und gegebenenfalls Verzinsungen nach § 21a GenG und vermindert um abgeschriebene Verlustanteile (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GenG § 73 Rn. 3; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 73 Rn. 6). In § 37 der Satzung der übertragenden Genossenschaft ist das „Geschäftsguthaben“ definiert als „[d]ie auf den Geschäftsanteil geleisteten Einzahlungen zuzüglich sonstiger Gutschriften und abzüglich zur Verlustdeckung abgeschriebener Beträge“.
41
Zwar ist § 73 GenG, der dazu führt, dass eine Beteiligung ausscheidender Mitglieder an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der Genossenschaft grundsätzlich ausgeschlossen ist, im Fall einer Verschmelzung nicht unmittelbar anwendbar. Dies ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 85 UmwG ausdrücklich gerade eine vergleichbare Rechtslage für die Verschmelzung wie bei einem Ausscheiden durch Kündigung (damals: § 93m Abs. 1 GenG; jetzt: § 73 Abs. 2 GenG) herbeiführen wollte und herbeigeführt hat. Dem Antragstellervertreter ist zwar zuzustimmen, dass § 73 Abs. 2 GenG einen anderen Fall regelt als eine Verschmelzung zweier Genossenschaften. Die weitere Annahme, dass „aus dieser Norm keine Grundsätze für eine Verschmelzung entnommen werden [könnten]“, geht aber fehl, denn der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zu § 85 UmwG (vgl. dazu bereits oben, BT-Drs. 12/6699 S. 108) diese Grundsätze ausdrücklich zur Begründung herangezogen und klargestellt, dass zwar ohne § 85 UmwG eine „Verschmelzung von Genossenschaften dazu führen [könnte], daß dem Genossen aus Anlaß der Verschmelzung eine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft zuwächst, die er nicht hätte, wenn er aus der Genossenschaft ausschiede“ (damals: § 93m Abs. 1 GenG; jetzt: § 73 Abs. 2 GenG), dass der Nachbesserungsanspruch aber „für die rein genossenschaftliche Verschmelzung auf den Fall begrenzt werden [solle], daß nach dem Verschmelzungsvertrag dem Genossen bei der übernehmenden Genossenschaft ein geringeres Geschäftsguthaben zustehen soll als bei der übertragenden Genossenschaft.“
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Daher gibt das „Geschäftsguthaben“ – auch und gerade in der Verwendung des Begriffs in § 85 UmwG – nicht den vollen Vermögenswert der Mitgliedschaft wieder (Fronhöfer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 206. EL Stand: Juni 2023, § 85 UmwG 1995, Rn. 25) und spiegelt den Wertanteil am Genossenschaftsvermögen nur sehr begrenzt wider (Beuthien, NZG 2022, 1323 [1326]). § 85 UmwG verhindert, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt (vgl. dazu oben), dass den Genossen der übertragenden Genossenschaft anlässlich der Verschmelzung eine Besserstellung in Form der Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft zuwächst, auf die sie ansonsten bei Ausscheiden keinen Zugriff und an denen sie kein Beteiligungsrecht hätten (Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 15 UmwG 1995, Rn. 158). Selbst wenn – wie hier nicht – das Geschäftsguthaben bei der übernehmenden Genossenschaft niedriger als bei der übertragenden ist, besteht ein etwaiger Anspruch nur bis zur Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Geschäftsguthaben (Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 85 Rn. 14 m. w. N.). Der Einwand, dass § 85 UmwG i. V. m. § 15 UmwG bei der vorgenannten Auslegung im Ergebnis keinen praktischen Anwendungsbereich hätte, trifft nicht zu. Der Anwendungsbereich des § 15 UmwG wird durch § 85 UmwG lediglich eingeschränkt. Die Vorschrift kommt zur Anwendung, „wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist“. Der Fall mag „praktisch äußerst selten“ sein (so z. B. Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG § 85 Rn. 13); gleichwohl kann es Fälle geben, in denen auch bei der Verschmelzung von Genossenschaften ein Anspruch auf bare Zuzahlung besteht (Scholderer, a. a. O.).
43
Eine andere Auslegung des § 85 UmwG ist auch durch die jüngere Gesetzesgeschichte nicht geboten. Das Gegenteil ist der Fall (so z. B. auch Schulteis, EwiR 2023, 523 [525]). Bei Einführung von § 1 Nr. 6 SpruchG (Anwendbarkeit des Spruchverfahrensgesetzes auf Bestimmung der Zuzahlung an Mitglieder bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft) hat der Gesetzgeber noch einmal ausdrücklich auf den „genossenschaftlichen Grundsatz“ hingewiesen, „dass einem Mitglied auch bei seinem Ausscheiden kein Anspruch auf Beteiligung an dem inneren Wert der Genossenschaft unter Einbeziehung stiller Reserven zusteht“, und die „Regelung des § 85 Abs. 1 [UmwG] in Verbindung mit § 15 UmwG […] auch auf den Fall erstreckt […], dass die übernehmende Genossenschaft als Europäische Genossenschaft ihren Sitz im Ausland hat“ (BT-Drs. 16/1025 S. 55). Auch in der Gesetzesbegründung zu dem neuen Absatz 1 von § 85 UmwG heißt es (BT-Drs. 20/3822 S. 81): „§ 85 Absatz 1 UmwG-E schließt die Durchsetzung des Anspruchs auf bare Zuzahlung im Spruchverfahren gemäß § 15 UmwG-E für die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft aus. Eine Anfechtung nach allgemeinen Regeln bleibt möglich. Der neue § 85 Absatz 1 UmwG-E soll – im Gegensatz zu § 85 Absatz 1 UmwG gegenwärtiger Rechtslage – nicht auf Verschmelzungen von Genossenschaften miteinander beschränkt sein, sondern auch auf die Verschmelzung von Rechtsträgern anderer Rechtsform auf eine Genossenschaft Anwendung finden. Die geänderte Nummerierung der Absätze 1 und 2 ist eine redaktionelle Folgeänderung zur Einfügung des neuen Absatz 1. Inhaltliche Änderungen der bisherigen Bestimmungen ergeben sich daraus nicht.“ § 85 UmwG-E wurde in der Entwurfsfassung verabschiedet. Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die bisherige Rechtslage bei der Verschmelzung von Genossenschaften nicht nur für gültig und angemessen hielt, sondern er hat den Geltungsbereich der Regelung sogar noch ausgeweitet.
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(b) Auch der Umstand, dass § 91 GenG im Fall der Liquidation eine weitergehende Verteilung des Vermögens vorsieht, gebietet keine abweichende Auslegung von § 85 UmwG oder eine analoge Anwendung von § 91 GenG im Fall der Verschmelzung. Vielmehr zeigt der Vergleich der §§ 73, 91 GenG, § 85 UmwG, dass der Gesetzgeber bewusst für verschiedene Konstellationen verschiedene Vermögensverteilungen bzw. Ansprüche vorsehen wollte. Er hat die Möglichkeit der Beteiligung der Mitglieder am inneren Wert der Genossenschaft offensichtlich gesehen, im Fall des § 85 UmwG aber bewusst ausschließen wollen. Im Übrigen zeigen § 91 Abs. 3, § 92 GenG, dass selbst im Fall der Liquidation einer Genossenschaft die Beteiligung der Mitglieder am inneren Wert nach Auffassung des Gesetzgebers jedenfalls nicht zwingend ist. Wenn der gemeinsame Vertreter sich darauf beruft, dass „die Fusion von mehreren Genossenschaften zu EINER gemeinsamen Genossenschaft bei gleichzeitiger Löschung der beiden in die Fusion eingebrachten Einzelgenossenschaften ein [Unter-]Fall der Auflösung einer Genossenschaft“ sei, verkennt er, dass zwar bei der Verschmelzung von Genossenschaften durch Aufnahme die übertragenden Rechtsträger erlöschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG), der Gesetzgeber aber für genau diesen Fall mit § 85 UmwG eine Sonderregelung getroffen hat (§§ 79 bis 95 UmwG stehen im Unterabschnitt „Verschmelzung durch Aufnahme“) und demnach nach seinem eindeutigen Willen § 91 GenG keine Anwendung finden soll. Der rechtliche Ausgangspunkt des Antragstellers wonach die übertragende Genossenschaft „unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen“ wurde, ist zwar zutreffend (auch der Verschmelzungsvertrag nennt ausdrücklich § 2 UmwG, welcher regelt, dass „Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden“ können). Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb § 91 GenG unmittelbar oder sinngemäß Anwendung findet. § 91 GenG regelt allgemein die Verteilung von Vermögen bei Auflösung der Genossenschaft, z. B. aufgrund eines Auflösungsbeschlusses der Generalversammlung (§ 78 GenG), Zeitablaufs (§ 79 GenG) oder Gerichtsbeschlusses infolge Unterschreitens der notwendigen Mitgliederzahl (§ 80 GenG). Das schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber abweichende Spezialregelungen trifft, wie er es für den Fall der Verschmelzung von Genossenschaften in § 85 UmwG getan hat. Mit dem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 3210) hat der Gesetzgeber bewusst die schon bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zur Umwandlung eines Unternehmens durch Übertragung seines Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder durch Wechsel seiner Rechtsform mit dem Ziel der Rechtsbereinigung aus fünf verschiedenen Gesetzen (u. a. dem Genossenschaftsgesetz) herausgelöst (BT-Drs. 12/6699 S. 1) und sachlich in das Umwandlungsgesetz übernommen (BT-Drs. 12/6699 S. 180). Der Umstand, dass § 85 UmwG als Spezialregelung zu § 91 GenG für Genossenschaften nicht im Genossenschaftsgesetz, sondern im Umwandlungsgesetz verortet ist, beruht lediglich darauf, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten für Unternehmen, sich in erleichterter Form umzustrukturieren, in einem Gesetz zusammenfassen und systematisieren wollte (BT-Drs. 12/6699 S. 180), aber nicht darauf, dass er dem Genossenschaftsgesetz (insbesondere § 91 GenG) Vorrang vor dem Umwandlungsgesetz (insbesondere § 85 UmwG) geben wollte. Vielmehr enthalten die §§ 79 bis 98 UmwG spezielle – und gegenüber den allgemeinen Vorschriften vorrangige – Regelungen zur Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften durch Aufnahme bzw. Neugründung. Bereits aus der Gesetzessystematik ergibt sich demnach ein Vorrang des § 85 UmwG gegenüber § 91 GenG.
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Auch nach der Gesetzesbegründung (vgl. bereits oben; BT-Drs. 12/6699 S. 108) soll dem Mitglied aus Anlass der Verschmelzung gerade keine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft zuwachsen, die er nicht hätte, wenn er aus der Genossenschaft ausschiede. Die Auffassung des gemeinsamen Vertreters, dass de lege lata „für die Fusion dieselben Regeln wie für jede andere Auflösung einer Genossenschaft gelten [müssten]“ und „sogar unmittelbar und nicht nur entsprechend“ anwendbar seien, ist daher fernliegend. Ob es rechtspolitisch wünschenswert wäre, auf die Verschmelzung die Regelungen über die Liquidation teilweise (entsprechend) anzuwenden, hat der Senat nicht zu beurteilen. Dass es nach dem deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers de lege lata nicht der Fall ist, steht nach Auffassung des Senats außer Zweifel. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Auffassung des Antragstellers nicht zutrifft, wonach § 91 Abs. 1 GenG mit „Geschäftsguthaben“ „nicht den nominellen Genossenschaftsanteil [meine]“, sondern „den inneren Wert des jeweiligen Anteils [berücksichtige], der bei der Auseinandersetzung nach Erlöschen der Genossenschaft Berücksichtigung finden“ solle. Der Umstand, dass bei einer Vermögensverteilung nach § 91 GenG das Mitglied mehr erhalten kann als seinen nominellen Genossenschaftsanteil, folgt nicht daraus, dass der Begriff „Geschäftsguthaben“ bei § 91 Abs. 1 GenG so auszulegen ist, dass er den inneren Wert widerspiegelt; vielmehr ergibt sich dies daraus, dass ausdrücklich geregelt ist, dass Überschüsse zu verteilen sind (§ 91 Abs. 2 und gegebenenfalls Abs. 3 GenG).
46
(c) Die vorgenannte Auslegung – keine Berücksichtigung des inneren Werts beim „Geschäftsguthaben“ nach § 85 UmwG – wird im Übrigen auch bestätigt durch § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 UmwG. Danach „kann“ der Verschmelzungsvertrag „eine andere Berechnung der Zahl der zu gewährenden Geschäftsanteile vorsehen“ als eine 1:1Anrechnung. Damit wollte es der Gesetzgeber „ermöglich[en] […], den unterschiedlichen ‚inneren‘ Wert der Geschäftsguthaben bei den verschiedenen an der Verschmelzung beteiligten Genossenschaften auszugleichen, der sich insbesondere aus unterschiedlichen offenen Rücklagen und stillen Reserven sowie nicht bilanzierungsfähigen Werten (good will) der beteiligten Rechtsträger ergeben kann“ (BTDrs. 13/880 S. 13). Auch dies zeigt, dass der Gesetzgeber zwar einen Ausgleich des inneren Werts nicht völlig ausschließen wollte („kann“, „ermöglich[en]“), aber umgekehrt eben auch nicht zwingend oder als Regelfall vorschreiben wollte (so auch Geschwandtner in Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 2019, UmwG § 80 Rn. 9). Grundlage des Regelungsmodells ist gerade das Prinzip, nach dem die Mitglieder an dem inneren Wert ihrer Beteiligung grundsätzlich nicht teilnehmen (Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 80 Rn. 33), weshalb es den zu verschmelzenden Genossenschaften überlassen bleibt, ob sie eine abweichende Vereinbarung über das Umtauschverhältnis treffen (Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 80 Rn. 37). Wenn der Antragsteller ausführt, aus § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwG werde „ersichtlich, dass der Gesetzgeber sicher nicht davon ausging, dass lediglich die von den Mitgliedern selbst einbezahlten Geschäftsguthaben im Verhältnis 1:1 umgetauscht werden“, widerspricht das der Regelungstechnik in § 80 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Danach hat der Verschmelzungsvertrag bei Verschmelzungen im Wege der Aufnahme durch eine eingetragene Genossenschaft für die Festlegung des Umtauschverhältnisses der Anteile die Angabe zu enthalten, dass „jedes Mitglied einer übertragenden Genossenschaft mit mindestens einem und im übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der übernehmenden Genossenschaft beteiligt wird, wie durch Anrechnung seines Geschäftsguthabens bei der übertragenden Genossenschaft als voll eingezahlt anzusehen sind, sofern die Satzung der übernehmenden Genossenschaft die Beteiligung eines Mitglieds mit mehreren Geschäftsanteilen zuläßt oder die Mitglieder zur Übernahme mehrerer Geschäftsanteile verpflichtet“. Ergänzend ist angefügt, dass „der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf […] eine andere Berechnung der Zahl der zu gewährenden Geschäftsanteile vorsehen“ kann. Daraus kann keinesfalls geschlossen werden, dass der Gesetzgeber „sicher nicht“ von einem Umtausch 1:1 ausging. Vielmehr geht der Gesetzgeber offensichtlich sogar vom Regelfall eines 1:1-Umtauschs aus und eröffnet lediglich fakultativ die Möglichkeit, hiervon im Verschmelzungsvertrag abzuweichen.
47
(d) Soweit der Antragsteller für sich § 2 UmwG ins Feld führt, vermag das ebenfalls nicht zu überzeugen. Dort werden – rechtsformunabhängig – lediglich die beiden möglichen Arten der Verschmelzung beschrieben, also dass Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden können im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) (Nr. 1) oder im Wege der Neugründung durch Übertragung der Vermögen zweier oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) jeweils als Ganzes auf einen neuen, von ihnen dadurch gegründeten Rechtsträger (Nr. 2) gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber (Gesellschafter, Partner, Aktionäre oder Mitglieder) der übertragenden Rechtsträger. Dass, worauf der Antragsteller hinweist, bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften bestimmte Regeln gelten, die seiner Auffassung auch für Genossenschaften gelten „sollte[n]“, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber mit § 85 UmwG eine hier einschlägige Regelung getroffen hat, die anzuwenden ist. Wenn der Antragsteller es als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet, „wenn die Bestimmungen des § 2 UmwG (Verschmelzung = Auflösung ohne Abwicklung) ohne ausdrückliche Sonderbestimmungen für Genossenschaften allein für die Fusion von zwei Genossenschaften miteinander anders ausgelegt würden“, verkennt er zum einen, dass § 2 UmwG als solcher keine Regelung zur etwaigen Beteiligung am inneren Wert des übertragenden Rechtsträgers enthält, zum anderen, dass § 85 UmwG gerade eine Sonderbestimmung für die Verschmelzung von Genossenschaften enthält. Auch der Vergleich mit einer Abspaltung oder Ausgliederung trägt schon deshalb nicht, weil der Gesetzgeber für die Verschmelzung mit § 85 UmwG eine ausdrückliche Regelung getroffen hat. Soweit der Antragsteller sich unter Berufung auf § 2 UmwG gegen die Formulierung des Landgerichts wendet, dass die übertragende Genossenschaft im „Falle der Verschmelzung […] mit der eingebrachten Substanz in der Genossenschaft weiter[lebt], auf die sie verschmolzen wurde“, greift auch das nicht durch. Das Landgericht hat damit nicht in Frage gestellt, dass der übertragende Rechtsträger „unter Auflösung“ verschmolzen wurde, wie es in § 2 UmwG formuliert ist. Es hat lediglich darauf hingewiesen, dass im Fall einer Liquidation nach § 91 GenG das Ergebnis eine „rückstandslose Auflösung der Genossenschaft“ sei, wohingegen bei einer Verschmelzung Substanz erhalten bleibe. In diesem Sinn hat im Übrigen der Bundesfinanzhof bereits 1958 formuliert, dass „das übertragende Unternehmen durch die Verschmelzung nicht in seine einzelnen Bestandteile auseinanderfällt“, sondern in der übernehmenden Gesellschaft „weiterlebt“ (BFH, Gutachten v. 16. Dezember, I D 1/57 S, BFHE 68, 78 [juris Rn. 101]). In § 2 UmwG ist die Formulierung „unter Auflösung“ ausdrücklich ergänzt durch den Zusatz „ohne Abwicklung“. Da bei der Verschmelzung sämtliche Aktiva und Passiva übergehen, ist eine Liquidation gerade nicht notwendig (Böttcher in Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, UmwG § 2 Rn. 19). Mit dem Begriff „Auflösung“ ist gemeint, dass der übertragende Rechtsträger im Zuge der Verschmelzung rechtlich untergeht; eine Auflösung im rechtstechnischen Sinne mit anschließender Abwicklung erfolgt dagegen nicht (Marsch-Barner/Oppenhoff in Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 2 Rn. 11).
48
(e) Soweit der Antragsteller einen Vergleich zieht mit der Verschmelzung einer Aktiengesellschaft auf eine Genossenschaft, bei welcher „der gesamte Vermögenswert der AG unter den Aktionären aufgeteilt“ worden sei, trägt auch dieser nicht. Wenn der Antragsteller meint, eine „Fiktion, nach der zwei verschiedene Arten von Auflösung nebeneinander existieren könnten“, sei „nicht zu erkennen“, verkennt er, dass der Gesetzgeber mit § 85 Abs. 1 a. F. (§ 85 Abs. 2 n. F.) UmwG eine Regelung getroffen hat, welche ausdrücklich (nur) bei „der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander“ gilt, nicht aber in Bezug auf andere Rechtsformen wie bei einer Aktiengesellschaft. Die Verschmelzung einer Aktiengesellschaft auf eine eingetragene Genossenschaft ist möglich (§ 79 UmwG); allerdings sind in diesem Fall im Gegensatz zu den Mitgliedern einer eingetragenen Genossenschaft Aktionäre uneingeschränkt am wirklichen Vermögenswert des übertragenden Rechtsträgers beteiligt (vgl. Geschwandtner in Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, UmwG § 80 Rn. 10 Fußnote 6), weil § 85 Abs. 1 a. F. (§ 85 Abs. 2 n. F.) UmwG insoweit nicht gilt. Vielmehr gilt § 88 Abs. 1 Satz 1 UmwG, wonach, wenn an der Verschmelzung eine Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger beteiligt ist, jedem Anteilsinhaber dieser Gesellschaft als Geschäftsguthaben bei der übernehmenden Genossenschaft der Wert – gemeint ist hier der volle Wert (Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 88 Rn. 2) – der Geschäftsanteile oder der Aktien gutzuschreiben ist, mit denen er an der übertragenden Gesellschaft beteiligt war. Der Unterschied beruht demnach auf der ausdrücklichen und bewussten Regelung des Gesetzgebers, der mit § 85 Abs. 1 a. F. (§ 85 Abs. 2 n. F.) UmwG einerseits und § 88 Abs. 1 Satz 1 UmwG andererseits eine grundsätzlich unterschiedliche Beteiligung am Vermögen vorgesehen hat, je nachdem, ob die übertragende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist oder eine Genossenschaft. Der Vergleich stützt daher die vom Antragsteller vertretene Auffassung nicht, sondern unterstreicht im Gegenteil, dass sich der Gesetzgeber der Problematik (Beteiligung der Gesellschafter einer übertragenden Gesellschaft am inneren Wert bei einer Verschmelzung) bewusst war, diese aber bei Genossenschaftsmitgliedern gezielt anders regeln wollte und geregelt hat als bei Aktionären. Auch die Formulierung macht das deutlich. Während in § 85 UmwG der Begriff „Wert“ nicht verwendet wird, wird dieser in § 88 UmwG ausdrücklich benutzt und spielt – anders als bei § 85 UmwG – eine maßgebliche Rolle. Die Behauptung des Antragstellers, das Umwandlungsgesetz kenne „weder zwei Arten von Verschmelzung unter Auflösung ohne Abwicklung, noch zwei Arten von Anteilsinhabern“, ist vor diesem Hintergrund unzutreffend.
49
(f) Soweit der Antragsteller geltend macht, die übertragende Genossenschaft sei ihrer Förderpflicht gegenüber den Mitgliedern nicht nachgekommen und habe Gewinne zugunsten der Bank und zu Lasten der Mitglieder erwirtschaftet, könnte ein derartiger behaupteter Verstoß gegen den Förderzweck mit verschiedenen Möglichkeiten geltend gemacht werden (vgl. dazu z. B. Beuthien: Was tun, wenn eingetragene Genossenschaften ihren Förderzweck missachten, NZG 2020, 681 [684 f.]). Der Gesetzgeber hat sich mit § 85 Abs. 1 a. F. (§ 85 Abs. 2 n. F.) UmwG aber dagegen entschieden, die Anhäufung von Gewinnen (sei diese unangemessen oder nicht) bei einer Verschmelzung auszugleichen. Da ein Spruchverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zulässig ist, ist die Frage einer Verletzung der Förderpflicht innerhalb eines solchen – nicht stattfindenden – Verfahrens nicht zu prüfen.
50
(3) Einer teleologischen Reduktion von § 85 UmwG durch Nichtanwendung in Fällen, in denen der innere Wert sich maßgeblich vom Geschäftsguthaben unterscheidet, steht zum einen entgegen, dass es an der hierfür erforderlichen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer – vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht aus zu beurteilenden – planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes fehlt (vgl. zu dieser Voraussetzung z. B. BGH, Urt. v. 7. April 2021, VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36). Zum anderen fände sie in dem im Wortlaut und in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers keine hinreichende Stütze und liefe dem Sinn und Zweck der Regelung zuwider (vgl. zu diesen Voraussetzungen z. B. BGH, a. a. O., Rn. 36). Die Regelung wurde nach dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers gerade für Fälle wie den vorliegenden getroffen und kann daher nicht „teleologisch“ reduziert werden. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die rechtsstaatliche Gewaltenteilung.
51
(4) Die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2009 (II ZB 16/08, NJW 2009, 3161) steht dem nicht entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof dort im Zusammenhang mit der Rechtsmittelbeschwer angesichts einer vom Amtsgericht getroffenen Feststellung, dass eine Mitgliedschaft in einer Genossenschaft nicht beendet wurde, ausgeführt: „Auch wenn das ausgeschiedene Genossenschaftsmitglied nach § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG grundsätzlich keinen Anspruch auf Beteiligung an den Rücklagen hat […], ändert dies nichts daran, dass ein Genosse jedenfalls während seiner Mitgliedschaft, um deren Fortbestehen die Parteien streiten, an diesem Wert beteiligt ist“ (BGH NJW 2009, 3161 Rn. 11). Diese Entscheidung sagt allerdings lediglich aus, dass der innere Wert einer Genossenschaftsbeteiligung vom Geschäftsguthaben abweichen kann und bei der Bemessung der Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in bestimmten Fällen der innere Wert zu berücksichtigen ist. Zur Frage, ob der Gesetzgeber bei Anwendung des § 85 UmwG beim „Geschäftsguthaben“ auch den inneren Wert berücksichtigt haben möchte, hat die Entscheidung aber keinerlei Aussagekraft im Sinne der Auffassung des Antragstellers (vielmehr unterscheidet der Bundesgerichtshof in der Entscheidung – wie auch der Gesetzgeber – sogar ausdrücklich zwischen dem Betrag des Geschäftsguthabens [dort: 594,00 €] und dem „wirtschaftliche[n] Wert“, BGH, a. a. O., Rn. 11).
52
dd) Nach Auffassung des Senats ist § 85 UmwG mit dem Grundgesetz vereinbar. Angesichts des Wesens der Genossenschaft steht das Eigentumsgrundrecht der Regelung nicht entgegen.
53
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wird u. a. das Eigentum gewährleistet; Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).
54
(1) Zwar werden teilweise verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf § 85 UmwG geäußert. Beispielsweise weisen Hörtnagl/Ollech (in UmwG, UmwStG, UmwG § 85 Rn. 1) darauf hin: „Ob diese eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers richtig ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Die gesetzliche Regelung kann zu einer unangemessenen Benachteiligung führen […], die angesichts auch der Rspr. des BVerfG zur Eigentumsgarantie bei Verschm […] und beim aktienrechtlichen Spruchverfahren […] kaum hinnehmbar ist.“ Bayer führt (in Lutter, UmwG, § 85 Rn. 7) aus: „Diese Regelung stößt indes auf verfassungsrechtliche Bedenken, da sie dem Mitglied einer übertragenden eG zumutet, anlässlich einer reinen eG-Verschmelzung Wertverluste zugunsten der Mitglieder der übernehmenden eG hinzunehmen. Dieses Ergebnis dürfte mit dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar sein.“ (kritisch z. B. auch Fronhöfer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 85 UmwG 1995 Rn. 24).
55
(2) Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch nicht. Deshalb ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht veranlasst.
56
Dies gilt insbesondere auch in Ansehung der sogenannten „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999. Dort hat das Bundesverfassungsgericht zum Eigentum an Aktien ausgeführt: „Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum. Dazu gehört auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist […]. Der Schutz erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in einer AG, die das Aktieneigentum vermittelt. Aus der mitgliedschaftlichen Stellung erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche […]. Die Leitungsbefugnis beruht darauf, daß das Aktienrecht die Aktionärsversammlung als zentrales Organ der Gesellschaft vorsieht. Die vermögensrechtliche Stellung ist in dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er zur Verteilung kommt, in dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen sowie dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös begründet“ (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 [301 f., juris Rn. 42]). Die Regelungen der §§ 291 ff., 320 ff. AktG hielten sich „im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sind als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums mit diesem Grundrecht vereinbar“. Art. 14 Abs. 1 GG schließe die Eingliederung einer Aktiengesellschaft in einen Konzern gegen den Willen einer Aktionärsminderheit nicht aus, obwohl diese dadurch eine erhebliche Minderung oder sogar einen Verlust ihrer in den Aktien verkörperten Rechtsposition erleide. Der Gesetzgeber könne es aus gewichtigen Gründen des Gemeinwohls für angebracht halten, die Interessen der Minderheitsaktionäre an der Erhaltung der Vermögenssubstanz hinter die Interessen an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen (BVerfGE 100, 289 [302 f., juris Rn. 46]). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen gesetzgeberischen Wertung sei allerdings, dass die berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheitsaktionäre gewahrt blieben. Dazu gehöre neben wirksamen Rechtsbehelfen gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht vor allem eine Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition. Anders als bei Enteignungen zum Wohl der Allgemeinheit komme als Entschädigung in diesem Fall, in dem der Hauptaktionär den Nutzen aus der Konzernierungsmaßnahme ziehe, aber nur eine volle Abfindung in Betracht. Der Ausscheidende müsse erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert sei (BVerfGE 100, 289 [303, juris Rn. 47]). Die Entschädigung dürfe jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert liegen (BVerfGE 100, 289 [305, juris Rn. 53]).
57
Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestaltung des eigentumsrechtlichen Schutzes des Anteilseigentums bei Aktien sind jedoch nicht auf Genossenschaftsanteile übertragbar. Zwar sind auch Genossenschaftsanteile von Art. 14 GG geschützt (vgl. z. B. Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 100. EL Stand: Januar 2023, Art. 14 Rn. 310). Allerdings werden auch insoweit der Inhalt und die Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Dabei genießt der Gesetzgeber keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Vielmehr ist er, wenn er von der Ermächtigung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet, die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, 1 BvR 1512/97 u. a., BVerfGE 104, 1 [11, juris Rn. 33]. Dass der Gesetzgeber mit § 85 UmwG im Fall einer Verschmelzung von Genossenschaften einen Ausgleich in Bezug auf den inneren Wert der Beteiligung nicht vorsieht, ist durch das Wesen der Genossenschaft gerechtfertigt, die sich wesentlich von einer Aktiengesellschaft unterscheidet. Zwischen der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft gibt es strukturelle Unterschiede. Der Rahmen der „gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung“ (BVerfGE 100, 289 [301, juris Rn. 42]) ist wesentlich verschieden und die in Aktien bzw. Genossenschaftsanteilen „verkörperten Rechtsposition[en]“ (BVerfGE 100, 289 [302, juris Rn. 46]) grundlegend unterschiedlich.
58
(a) Die Aktiengesellschaft und die eingetragene Genossenschaft folgen als Rechtsformen unterschiedlichen Leitbildern. Während die Aktiengesellschaft dem Kapital den Vorrang vor der Person einräumt, präferiert die Genossenschaft die Person vor dem Kapital (Steding, NZG 2002, 449 [452]). Die eingetragene Genossenschaft ist, im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften, personalistisch ausgerichtet (RG, Urt. v. 21. Dezember 1915, II 2904/15, RGZ 87, 408 [409]; Schöpflin in Kölner Kommentar zum UmwG, § 85 Rn. 8) und hat ihre Grundlage in der persönlichen Mitgliedschaft und nicht in der Kapitalbeteiligung (Pöhlmann in Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, GenG, 2. Aufl. 2001, § 1 Rn. 2). Der finanzielle Aufbau der Genossenschaft ist rechtlich wesentlich anders gestaltet als derjenige einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. schon RG, Urt. v. 15. Januar 1932, II 245/31, RGZ 135, 55 [58]). Die Beteiligung des einzelnen Genossen am Vermögen der Gesellschaft ist nicht, wie in der Aktiengesellschaft, Voraussetzung, sondern Folge der Mitgliedschaft in der Gesellschaft (Müller, GenG, Band 1, 2. Aufl. 1991, § 1 Rn. 2). Während die Aktionäre Eigentümer der Aktiengesellschaft sind, lässt sich von den Mitgliedern einer eingetragenen Genossenschaft nicht in gleicher Weise davon sprechen, dass sie „Eigentümer ihrer Genossenschaft“ sind (Beuthien, NZG 2022, 1323 [1327]).
59
Eingetragene Genossenschaften sind ihrem Wesen nach darauf gerichtet, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (§ 1 Abs. 1 GenG). Der Förderzweck stellt das charakteristische Merkmal der Rechtsform der Genossenschaft dar (vgl. BT-Drs. 16/1025 S. 81). Eine Gewinnerzielungsabsicht als Selbstzweck widerspricht den genossenschaftlichen Grundprinzipien (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2022, 2 BvR 988/16, BVerfGE 164, 347 Rn. 203; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 1 Rn. 6; Pöhlmann in Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, GenG, § 1 Rn. 4). Bei einer eingetragenen Genossenschaft genügt es nicht, dass deren Betrieb lediglich auf die Erzielung eines an die Mitglieder auszuschüttenden Gewinns ausgerichtet ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. April 2001, U (Kart) 26/00 u. a., NZG 2001, 1093 [1095]). Zwar darf eine Genossenschaft Gewinne anstreben und erzielen; eine reine „Dividendengenossenschaft“ ist aber unzulässig (Althanns, ZfBR-Beil. 2012, 36 [38]). Wird die Zeichnung von Geschäftsanteilen lediglich als reine Geldanlage verstanden, ohne dass damit primär der satzungsmäßig vorgesehene Förderzweck verfolgt wird, kann dies grundsätzlich sogar den Ausschluss aus der Genossenschaft rechtfertigen (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 1 Rn. 6). Während die Aktiengesellschaft ihre Aktionäre allein dadurch „fördert“, dass sie ihnen Dividenden bzw. Gewinne ausschüttet, genügt diese Art der Förderung für eine Genossenschaft nicht und würde den gesetzlichen Typus der Genossenschaft überschreiten (Henssler/Strohn in Geibel, Gesellschaftsrecht, GenG § 1 Rn. 10). Eine eingetragene Genossenschaft ist vermögensrechtlich gerade nicht auf Mitgliedereigentum und Kapitalnutzung, sondern stattdessen auf die „Naturalförderung der Mitgliederwirtschaften“ ausgerichtet; damit liegt für die im Regelfall nutzenden Genossen der entscheidende mitgliedschaftsrechtliche Vermögensvorteil in ihrem auf Dauer angelegten Anspruch auf naturale (d. h. nicht kapitalzinswirtschaftliche, sondern für sie unmittelbar wirtschaftsnützliche) Förderleistungen (Beuthien, NZG 2022, 1323 [1326]). Während bei der Kapitalgesellschaft der Kapitalgeber und der „Kunde“ der Gesellschaft grundsätzlich verschiedene Personen mit gegensätzlichen Interessen sind, besteht bei der eingetragenen Genossenschaft zwischen beiden Positionen grundsätzlich Personenidentität mit dem einheitlichen Interesse der wirtschaftlichen Förderung; diese Beziehung zum „Kunden“ ist bei der eingetragenen Genossenschaft die „Primärbeziehung“, während die Kapitalbeteiligung als „Sekundärbeziehung“ nur Mittel zum Zweck der Schaffung von Fördereinrichtungen ist (Cario/Schulte in Lang/Weidmüller, GenG, § 1 Rn. 3 und 11).
60
(b) Bei Genossenschaften haben Veränderungen in der Mitgliedschaft (welche das einzelne Mitglied in der Regel nicht verhindern kann) unmittelbar Auswirkungen auf das Eigenkapital der Genossenschaft, welches mit der Mitgliederentwicklung steigt und fällt (Spanier in Münchener Kommentar zum HGB, § 337 Rn. 6; Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GenG § 8a Rn. 1); dies ist bei der Aktiengesellschaft nicht in vergleichbarer Weise der Fall. Mitgliedern einer eingetragenen Genossenschaft steht anders als Kapitalgesellschaftern kein sämtliche Mitgliedschaftsrechte sowie den vollen Verkehrswert verkörpernder Gesellschaftsanteil nach Art eines GmbH-Geschäftsanteils oder einer Aktie zu (Beuthien, NZG 2022, 1323).
61
(c) Während in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die besondere Verkehrsfähigkeit der Aktie als eine „Eigenschaft“ des Aktieneigentums anerkannt ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 11. Juli 2012, 1 BvR 3142/07 u. a., NJW 2012, 3081 Rn. 57), ist dies bei genossenschaftlichen Geschäftsguthaben gerade nicht der Fall. Die „rechtliche Verkehrsfähigkeit“ der Aktie als solche zählt zum erworbenen und von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand (BVerfG, a. a. O.). Eine vergleichbare Verkehrsfähigkeit besteht bei einer Genossenschaft nicht. Dort kann ein Mitglied sein Geschäftsguthaben nur übertragen, sofern der Erwerber (im Fall einer vollständigen Übertragung anstelle des Mitglieds) der Genossenschaft beitritt oder bereits Mitglied der Genossenschaft ist und das bisherige Geschäftsguthaben dieses Mitglieds mit dem ihm zuzuschreibenden Betrag den Geschäftsanteil nicht übersteigt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 GenG). Wirksam wird die Übertragung erst, wenn die Genossenschaft den Beitritt des Erwerbers zulässt (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GenG § 76 Rn. 2). Daher ist das Geschäftsguthaben – anders als Kapitalgesellschaftsanteile – nur „begrenzt verkehrsfähig“ (Beuthien, NZG 2022, 1323); eine der Aktiengesellschaft entsprechende Verkehrsfähigkeit der Beteiligung fehlt bei der eingetragenen Genossenschaft (Schöpflin in Kölner Kommentar zum UmwG, § 85 Rn. 8). Während ein Aktionär seine Aktien regelmäßig veräußern und damit den Verkehrswert realisieren kann, besteht diese Möglichkeit für den Genossen nicht annähernd in vergleichbarer Weise. Aktien vermitteln die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft und sind grundsätzlich frei übertragbar, also ohne eine Zustimmung der Gesellschaft oder der übrigen Aktionäre (Paefgen in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG § 68 Rn. 4). Dagegen ist die Mitgliedschaft in der Genossenschaft nicht übertragbar, auch nicht der Geschäftsanteil, sondern lediglich gemäß § 76 GenG das Geschäftsguthaben (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GenG § 76 Rn. 1); die Übertragung des Geschäftsguthabens führt nicht zugleich zum Erwerb der Mitgliedschaft (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 76 Rn. 2). Vielmehr führt die Vollübertragung des Geschäftsguthabens zum Ausscheiden des übertragenden Mitglieds (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 76 Rn. 12), während der Erwerber, wie erwähnt, entweder bereits Mitglied der Genossenschaft sein oder dieser beitreten muss (inclusive Zulassung des Beitritts durch die Genossenschaft). Zwar kann das Mitglied der Genossenschaft seine Mitgliedschaft kündigen (§ 65 GenG), hat bei seinem Ausscheiden dann aber in der Regel gerade keinen Anspruch auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG) und der Anspruch ist regelmäßig erst innerhalb einer längeren Frist zu erfüllen. Zwar ist es im Rahmen des § 73 Abs. 3 GenG per Satzungsregelung möglich, Mitgliedern Anspruch auf Auszahlung eines Anteils an einer zu diesem Zweck aus dem Jahresüberschuss zu bildenden Ergebnisrücklage einzuräumen. Dies stellt aber weder den gesetzlichen Regelfall dar, noch wird von dieser Möglichkeit in der Praxis nennenswert Gebrauch gemacht, weil „dieses Instrument der Beteiligung der Mitglieder an der Wertentwicklung der eG dem Genossenschaftswesen völlig wesensfremd ist“ (Strieder in Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 1. Aufl. 2013, HGB § 337 Rn. 23; vgl. auch Gahlen in BeckOGK, Stand: 1. September 2023, HGB § 337 Rn. 25).
62
(d) Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten „DAT/Altana“-Entscheidung u. a. ausgeführt: „Charakteristikum des Aktieneigentums ist zum einen, daß es mitgliedschaftliche Herrschafts- und Vermögensrechte vermittelt. Dabei steht die Vermögenskomponente vielfach im Vordergrund. Das trifft insbesondere für die Kleinaktionäre zu, die auf die Unternehmenspolitik regelmäßig keinen relevanten Einfluss nehmen können und die Aktie vorwiegend als Kapitalanlage betrachten […]“ (BVerfGE 100, 289 [305, juris Rn. 55]). Für die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft gilt dies nicht in vergleichbarer Weise. Bei einer Aktiengesellschaft ist die Gewinnverfolgung der empirische und normative Regelzweck der Gesellschaft (vgl. z. B. Grigoleit in Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 7). Die Aktiengesellschaft ist eine Vereinigung der Aktionäre zur Verfolgung ihrer gebündelten, in der Regel ökonomischen Ziele, mithin zur Gewinnerzielung; sofern die Satzung nicht einen anderen Unternehmenszweck vorsieht, ist das Gesellschaftsinteresse auf die Sicherung des Bestands des in der Gesellschaft verfassten Unternehmens und dessen dauerhafter Rentabilität durch Gewinnerzielung gerichtet (Dörrwächter, NZG 2022, 1083 [1084]). Bei einer eingetragenen Genossenschaft ist dies gerade nicht der Fall; dort widerspricht eine Gewinnerzielungsabsicht als Selbstzweck vielmehr sogar den genossenschaftlichen Grundprinzipien (vgl. dazu bereits oben). Da primärer Gesellschaftszweck der eingetragenen Genossenschaft gerade nicht die Gewinnerzielung ist und die Steigerung des Gesellschaftsvermögens bzw. die Auszahlung von Dividenden nach der gesetzlichen Konzeption allenfalls Mittel zum Zweck oder Nebenzweck, wird der Erwerb von Genossenschaftsanteilen in der Regel nicht primär als Kapitalanlage betrachtet. Hier steht nach der gesetzlichen Konzeption gerade nicht „die Vermögenskomponente“ und der „Kapitalanteil“ im Vordergrund, sondern die persönliche Komponente.
63
(e) Weiter hat das Bundesverfassungsgericht in der „DAT/Altana“-Entscheidung u. a. ausgeführt: „Zum anderen ermöglicht das Aktieneigentum eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht. Dieser Freiraum fußt auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien. Darin unterscheidet sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen. Vor allem trifft das auf Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften zu, die es dem Gesellschafter, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarkts, praktisch jederzeit erlauben, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren. Die Aktie ist aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital nicht auf längere Sicht bindet, sondern sie fast ständig wieder veräußern kann“ (BVerfGE 100, 289 [305, juris Rn. 55]). „Die Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums darf bei der Wertbestimmung des Eigentumsobjekts nicht außer Betracht bleiben. Der Ausgleich für außenstehende Aktionäre muß vielmehr so bemessen sein, daß sie auch künftig solche Renditen erhalten, die sie erhalten hätten, wenn der Unternehmensvertrag nicht geschlossen worden wäre; die Abfindung muß so bemessen sein, daß die Minderheitsaktionäre den Gegenwert ihrer Gesellschaftsbeteiligung erhalten. Dementsprechend gehen Judikatur und Literatur davon aus, daß die Entschädigung nur dann als ‚volle‘ bezeichnet werden kann, wenn sie den ‚wirklichen‘ oder ‚wahren‘ Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluß der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegelt […]. Darüber hinaus muß die Abfindung so bemessen sein, daß die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags oder der Eingliederung erlangt hätten. Eine geringere Abfindung würde der Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand nicht hinreichend Rechnung tragen“ (BVerfGE 100, 289 [305 f., juris Rn. 56]). Auch diese Ausführungen sind auf die Genossenschaft nicht übertragbar. Die „besonders ausgeprägte[…] Verkehrsfähigkeit von Aktien“, worin „sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen [unterscheidet]“, ist bei der Genossenschaft gerade nicht gegeben. Dem Genossen ist es nicht annähernd in gleicher Weise möglich, „sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren“. Anders als der Kleinaktionär bindet er sein (in der Regel auch nicht sehr hohes) Kapital regelmäßig auf längere Sicht und kann es nicht fast ständig wieder veräußern, jedenfalls nicht zum inneren Wert.
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(f) Soweit der Regelung des § 85 UmwG entgegengehalten wird, dass im Fall der Liquidation eine Beteiligung der Mitglieder am inneren Wert stattfinde, führt dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Bis auf die Teilnahme am Liquidationserlös steht den Mitgliedern grundsätzlich gerade kein Anspruch auf eine Beteiligung an den Rücklagen oder dem sonstigen Vermögen der eingetragenen Genossenschaft zu. Teilweise wird deshalb dem bedingten Anspruch auf einen etwaigen zukünftigen Liquidationserlös, der das Geschäftsguthaben übersteigt, regelmäßig kein wirtschaftlicher Wert zugemessen. Folglich sei § 85 UmwG, der bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 15 UmwG etwaige bedingte, künftige Ansprüche am Liquidationserlös der eingetragenen Genossenschaft unberücksichtigt lässt, auch unter Berücksichtigung der „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß (so Frenz in Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, 2. Aufl. 2017, § 85 Rn. 7). Jedenfalls ist die Verschmelzung mit einer Liquidation zu einem späteren Zeitpunkt mit den sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten nicht vergleichbar. Die Teilnahme am Liquidationserlös stellt regelmäßig den einzigen Weg dar, auf dem die Mitglieder an den stillen Reserven der Genossenschaft partizipieren können; der durch die Liquidation bedingte Anspruch jedes Mitglieds auf den anteiligen Liquidationserlös wird bei der Verschmelzung aber nicht realisiert, weil diese gerade „unter Auflösung ohne Abwicklung“ erfolgt und die Anteilsinhaber im Verschmelzungsbeschluss mit Dreiviertelmehrheit zum Ausdruck bringen, dass das fusionierte Unternehmen fortgeführt werden soll; der bedingte Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös hat daher keinen wirtschaftlichen Wert (Verkehrswert), was sich – gemessen an den Kriterien der „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – darin niederschlägt, dass sich dafür keinerlei Kaufpreis (der dem auf den hypothetischen Liquidationszeitpunkt abgezinsten Erlösanteil entsprechen müsste) erzielen lassen wird (so Scholderer in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 85 Rn. 4 f.). Auch Holthaus (NZG 2023, 221) teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 85 UmwG nicht, weil bereits mit dem Beitritt zur Genossenschaft für das Mitglied anhand der Satzung und des Gesetzes erkennbar sei, dass es an Steigerungen des inneren Werts der Genossenschaft nicht beteiligt wird. Der durch die Liquidation aufschiebend bedingte Anspruch des Mitglieds auf den anteiligen Liquidationserlös wird – sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt – nicht tangiert, weil er bei der Verschmelzung nicht realisiert wird. Der bedingte Anspruch hat im Regelfall keinen Verkehrswert, der über dem Nominalwert liegt, weil niemand einen Kaufpreis über dem Nominalwert der Geschäftsguthaben bezahlen wird, der nicht auf die ungewisse Zukunft wetten will. Denn das einzelne Mitglied kann die Liquidation der Genossenschaft allein nicht herbeiführen und somit den wirtschaftlichen Wert nicht realisieren (Holthaus, NZG 2023, 221 [222]). Beuthien (NZG 2022, 1323) weist ebenfalls darauf hin, dass die Mitglieder vollen Zugriff auf das Genossenschaftsvermögen erst haben, wenn sie die Genossenschaft auflösen. Das steht ihnen zwar jederzeit frei; aber dazu kommt es selten, weil die Genossen sich damit ihres Anspruchs auf künftige förderwirtschaftliche Leistungen begeben und zudem die Auflösung nur mit mindestens Dreiviertelmehrheit beschlossen werden kann. Für einzelne Genossenschaftsmitglieder ist daher der aufschiebend bedingte Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös nur eine höchst ungewisse und regelmäßig unerfüllt bleibende Aussicht, auf die sie nicht begründet zählen können. Daher wird in der Regel niemand etwas dafür bieten (Beuthin, NZG 2022, 1323). Vielmehr ist der durch die Liquidation bedingte Anspruch auf einen Liquidationserlös „sehr vage“, da eine prosperierende eingetragene Genossenschaft kaum liquidiert werden wird; infolgedessen ist dieser Anspruch „faktisch kaum verkehrsfähig und hat keinen messbaren Wert“ (Schöpflin in Kölner Kommentar zum UmwG, § 85 Rn. 9).
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(g) Der Senat teilt die Auffassung, dass die Eigentumsgarantie – auch unter Berücksichtigung der „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – der Regelung des § 85 UmwG nicht entgegensteht. Wer einen Genossenschaftsanteil erwirbt, erwirbt diesen insbesondere nach Maßgabe der Regelungen im Genossenschaftsgesetz, im Umwandlungsgesetz und im Spruchverfahrensgesetz. Die Mitglieder haben sich freiwillig der eingetragenen Genossenschaft und damit einer im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften personalistischen Rechtsform angeschlossen (Schöpflin in Kölner Kommentar zum UmwG, § 85 Rn. 8), bei der die vollständige Realisierung des inneren Werts der Mitgliedschaft – außer für den Fall der Liquidation – ausgeschlossen ist (Schöpflin, a. a. O.). Anders als es das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 27. April 1999 in Bezug auf Aktien ausgeführt hat, vermittelt die genossenschaftliche Stellung gerade keine vergleichbare vermögensrechtliche Stellung z. B. in Bezug auf einen gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn. Wer eine Aktie erwirbt, erlangt damit eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentümerstellung, die u. a. durch § 327f Satz 2 AktG konkretisiert wird, wonach ein Minderheitenaktionär bei seinem Ausschluss eine angemessene Barabfindung erhalten muss, welche gegebenenfalls das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag zu bestimmen hat, und durch § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwG, wonach ein Anteilsinhaber in bestimmten Fällen von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen kann, wobei die angemessene Zuzahlung auf Antrag durch das Gericht nach den Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes bestimmt wird. In Bezug auf Genossenschaftsanteile hat der Gesetzgeber eine solche Regelung gerade nicht getroffen, sondern das Eigentumsrecht dahingehend konkretisiert, dass bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander § 15 UmwG nur anzuwenden ist, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft ist u. a. in Bezug auf Wesen und Zweck der Genossenschaft, die mitgliedschaftliche Stellung und insbesondere die Verkehrsfähigkeit und Realisierbarkeit der Vermögensbeteiligung so wesentlich verschieden von einer Aktie, dass weder die „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch Art. 14 GG im Übrigen der Regelung des § 85 UmwG entgegenstehen.
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(3) Demnach ist auch eine verfassungskonforme Auslegung von § 85 UmwG in dem Sinn, wie Antragsteller und gemeinsamer Vertreter die Norm verstehen wollen, weder möglich noch erforderlich. Eine solche wäre nur dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich wären, von denen nur eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führte (BVerfG, Beschluss vom 9. August 1978, 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148 [157]; BGH, Urt. v. 17. März 2022, III ZR 79/21, BGHZ 233, 107 Rn. 21). Vorliegend führt die o. g. Deutung des § 85 UmwG aber nach Auffassung des Senats schon nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der Norm. Zum anderen fände eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen dort, wo sie dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2021, 2 BvL 2/15, NVwZ 2022, 704 Rn. 70). Dies wäre bei der vom Antragsteller und dem gemeinsamen Vertreter bevorzugten Auslegung der Fall.
III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 SpruchG.
68
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die Erfolglosigkeit der Beschwerde gibt keinen hinreichenden Anlass, um aus Billigkeitserwägungen ausnahmsweise vom Grundsatz der Kostentragungspflicht der Antragsgegnerseite abzuweichen und die Gerichtskosten ganz oder teilweise dem Antragsteller nach § 15 Abs. 1 SpruchG aufzuerlegen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011, II ZB 12/11, AG 2012, 173 Rn. 23 ff.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, SpruchG § 15 Rn. 21; Simons in Hölters/Weber, AktG, SpruchG § 15 Rn. 10).
69
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers werden nicht der Antragsgegnerin überbürdet. Offenbleiben kann, ob § 15 Abs. 2 SpruchG auch für das Beschwerdeverfahren als abschließende Regelung zur Kostentragung aufzufassen ist oder § 17 Abs. 1 SpruchG die Anwendung des § 84 FamFG eröffnet (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 165 m. w. N.). Vorliegend erscheint es jedenfalls angemessen, dass der Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren selbst trägt, § 15 Abs. 2 SpruchG.
70
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 74 Satz 1 GNotKG mit 200.000,00 € anzusetzen, da kein Betrag festgesetzt wird.
71
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 17 Abs. 1 SpruchG, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG).
72
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 26. September 2018, XII ZA 10/18, juris Rn. 3). Das ist hier der Fall. So hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Unzulässigkeit des Antrags von der bislang obergerichtlich noch nicht entschiedenen Frage abhängt, ob bei einer Verschmelzung zweier Genossenschaften das Mitglied der übergebenden Genossenschaft an deren „wahren Wert“ zu beteiligen ist. Das erstinstanzliche Landgericht und der Senat sind der Auffassung, dass dies nicht der Fall und ein Spruchverfahren nicht statthaft ist, wenn – wie hier – das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft nicht niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist (§ 85 UmwG). Allerdings wird hierzu in der Literatur auch eine andere Auffassung vertreten, wobei nicht immer eindeutig ist, ob es sich lediglich um rechtspolitische Einwände handelt, also lediglich eine Gesetzesänderung befürwortet wird, oder bereits de lege lata (insbesondere im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG) eine Beteiligung am „wahren Wert“ nebst Zulässigkeit eines Spruchverfahrens für geboten gehalten wird. So merken Hörtnagl/Ollech (in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, UmwStG, UmwG § 85 Rn. 1) an: „Ob diese eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers richtig ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Die gesetzliche Regelung kann zu einer unangemessenen Benachteiligung führen […], die angesichts auch der Rspr. des BVerfG zur Eigentumsgarantie bei Verschm […] und beim aktienrechtlichen Spruchverfahren […] kaum hinnehmbar ist.“ Bayer führt aus (in Lutter, UmwG, § 85 Rn. 5 ff.): „Die gesetzliche Regelung kann zu einer unangemessenen Benachteiligung der Mitglieder einer übertragenden eG führen. […] Denn die Begründung für eine vom Grundsatz der §§ 14, 15 UmwG abweichende genossenschaftsrechtliche Sonderregelung überzeugt im Ergebnis nicht. […]“ Es sollte „die verfehlte Regelung des § 85 UmwG alsbaldig korrigiert werden. Denn de lege lata wird für das Mitglied einer übertragenden eG im Falle, dass – aus welchen Gründen auch immer – die Verschmelzung ohne angemessenen Wertausgleich mit der erforderlichen Mehrheit von der General- bzw. Vertreterversammlung beschlossen wird, weder die Möglichkeit einer Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss (§ 14 Abs. 2 UmwG) noch ein genereller Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses begründet. Ein Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwG ist vielmehr nach der eindeutigen Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG nur gegeben, wenn und soweit das bisher bei der übertragenden eG bestehende Geschäftsguthaben unterschritten wird. Diese Regelung stößt indes auf verfassungsrechtliche Bedenken, da sie dem Mitglied einer übertragenden eG zumutet, anlässlich einer reinen eG-Verschmelzung Wertverluste zugunsten der Mitglieder der übernehmenden eG hinzunehmen. Dieses Ergebnis dürfte mit dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar sein.“