Titel:
Kein Anspruch auf (Weiter-)Gewährung von Sonderurlaub gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 PostPersRG – erfolgreiche Beschwerde gegen Hängebeschluss
Normenketten:
PostPersRG § 4 Abs. 2
BetrVG § 111, § 112 Abs. 1 S. 1
VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Der Anspruch des Beamten (im aktiven Beamtenverhältnis) auf amtsangemessene Beschäftigung, mithin auf Übertragung eines seinem Statusamt entsprechenden Funktionsamts vermag weder einen Anspruch auf (Weiter-)Gewährung von Sonderurlaub gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 PostPersRG noch für sich die Annahme schwerer oder unzumutbarer Nachteile für den Fall der Nichtgewährung des begehrten Sonderurlaubs zu begründen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der – nicht länger beurlaubte – Beamte der Auffassung, der Dienstherr komme dem ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung durch die ihm zugewiesene Tätigkeit nicht nach, so ist er gehalten, diesen gesondert durchzusetzen; der vom Dienstherrn zu erfüllende Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung ist nicht Voraussetzung, sondern Folge des Wiederauflebens des Beamtenverhältnisses. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwischen der beamtenrechtlichen Urlaubsbewilligung und der arbeitsrechtlichen Situation ist grundsätzlich strikt zu trennen; für einen Beamten ist seine arbeitsrechtliche Situation gegenüber seiner beamtenrechtlichen Situation grundsätzlich nachrangig. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde gegen Hängebeschluss, Bundesbeamtenrecht, D. T. AG, (Weiter-)Gewährung von Sonderurlaub, Arbeitsvertrag, Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Beurlaubung, Beamtenrecht, Sonderurlaub, Hängebeschluss, Schiebebeschluss
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 28.06.2024 – RO 1 E 24.1484
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16958
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. Juni 2024 – RO 1 E 24.1484 – aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller steht als Beamter im Dienst der Antragsgegnerin und ist bei der D. T. AG (DTAG) beschäftigt. Er begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Sonderurlaub über den 30. Juni 2024 hinaus.
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Der Antragsteller war seit 1999 durchgehend bei Tochterfirmen der DTAG, zuletzt bei der D. T. IT GmbH, auf der Grundlage von Anstellungsverträgen beschäftigt und zu diesem Zweck beamtenrechtlich unter Wegfall der Besoldung beurlaubt. Unter dem 29. August 2023 teilte die DTAG ihm mit, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Beurlaubung gemäß § 4 Abs. 2 PostPersRG nur teilweise entsprochen und seine Beurlaubung lediglich vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 verlängert werden könne. Einer Verlängerung über den 30. Juni 2024 hinaus stünden wegen des notwendigen personellen Umbaus aktuell dienstliche Gründe entgegen. Angesichts der geplanten Reduzierung des Personalbestands traf die D. T. IT GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat unter dem 21. November 2023 eine Vereinbarung über den Interessensausgleich gemäß § 111, § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Mit Schreiben vom 20. März 2024 bat die Antragsgegnerin den Antragsteller, das Arbeitsverhältnis mit der D. T. IT GmbH durch Unterzeichnung eines Auflösungsvertrags zum 30. Juni 2024 zu beenden. Dem kam der Antragsteller nicht nach. Er erhob unter dem 12. Mai 2024 Widerspruch gegen das Schreiben der Antragsgegnerin vom 29. August 2023 und beantragte vorsorglich, seine Beurlaubung bis zum 31. Mai 2025 zu verlängern.
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Am 24. Juni 2024 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin – erstens – im Wege der einstweiligen Anordnung und – zweitens – im Wege eines Hängebeschlusses zu verpflichten, die bis zum 30. Juni 2024 laufende beamtenrechtliche Beurlaubung nach § 4 Abs. 2 PostPersRG zugunsten einer Beschäftigung bei der D. T. IT GmbH bis zum „rechtkräftigen Abschluss des Widerspruchs/Antrags“ bezüglich der Verlängerung der Beurlaubung vom 12. Mai 2024 (Antrag zu 1) bzw. bis zum Abschluss des Eilverfahrens RO 1 E 24.1484 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Antrag zu 2) vorläufig zu verlängern.
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Mit Schreiben vom 25. Juni 2024 kündigte die D. T. IT GmbH das Arbeitsverhältnis außerordentlich personenbedingt zum 30. Juni 2024, hilfsweise ordentlich personenbedingt unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum 31. Dezember 2024, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
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Mit (Hänge-)Beschluss vom 28. Juni 2024 hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, die bis zum 30. Juni 2024 laufende beamtenrechtliche Beurlaubung nach § 4 Abs. 2 PostPersRG zugunsten einer Beschäftigung bei der D. T. IT GmbH bis zum Abschluss des Eilverfahrens RO 1 E 24.1484 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verlängern. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, angesichts der erhöhten Eilbedürftigkeit sei der Erlass einer Zwischenentscheidung zur Gewährung wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes geboten.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit ihrer Beschwerde, den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Antrag des Antragstellers vom 24. Juni 2024 auf Erlass eines Hängebeschlusses abzulehnen. Der Antragsteller tritt dem entgegen. Gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei inzwischen Klage zum Arbeitsgericht erhoben worden.
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Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
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1. Die Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung im noch erstinstanzlich anhängigen Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO (sog. „Hänge- oder Schiebebeschluss“) ist statthaft (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2022 – 10 CS 22.128 – juris Rn. 18 m.w.N.) und auch sonst zulässig.
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2. Sie ist auch begründet.
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Ein Hängebeschluss ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich vorgesehen, da der Gesetzgeber davon ausging, dass in den vorgesehenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 bzw. § 123 VwGO vorläufiger Rechtsschutz in effektiver Weise gewährt werden kann. Der Erlass einer Zwischenentscheidung kommt daher nur ausnahmsweise unmittelbar auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 GG im Wege einer Interessenabwägung in Betracht, wenn effektiver Rechtsschutz anders nicht gewährt werden kann. Voraussetzung für den Erlass eines „Hängebeschlusses“ ist erstens die noch fehlende Entscheidungsreife im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, etwa wegen des Vorliegens einer unübersichtlichen, komplexen Lage, die einer summarischen Prüfung noch nicht zugänglich ist. Zweitens darf der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO nicht offensichtlich aussichtslos oder rechtsmissbräuchlich sein. Schließlich muss drittens zu befürchten sein, dass bis zur Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dies liegt jedenfalls nahe, wenn ohne Erlass der Zwischenentscheidung schwere und unabwendbare Nachteile einzutreten drohen (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2022 – 10 CS 22.128 – juris Rn. 21; B.v. 17.12.2020 – 15 CS 20.3007 – juris Rn. 14; OVG LSA, B.v. 21.12.2020 – 1 M 141/20 – juris Rn. 3; VGH BW, B. 14.10.2021 – 5 S 2503/21 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 29.3.2024 – 4 ME 69/24 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 12.11.2020 – 4 VR 6.20 – juris Rn. 2 jeweils m.w.N.).
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Gemessen an diesem Maßstab ist der Erlass einer Zwischenentscheidung, wie sie das Verwaltungsgericht getroffen hat, nicht gerechtfertigt. Es fehlt jedenfalls an der dritten Voraussetzung. Ob die weiteren Voraussetzungen gegeben sind und ob das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers in der Sache Aussicht auf Erfolg hat, bedarf keiner Entscheidung.
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Es ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ohne Erlass der beantragten Zwischenverfügung irreversible, schwere und unabwendbare Nachteile drohen. Entgegen der Annahme des Antragstellers begründet der Umstand, dass die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis mangels der (weiteren) Gewährung von Sonderurlaub über den 30. Juni 2024 hinaus wiederaufleben, keine Nachteile in diesem Sinn. Abgesehen davon, dass keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, weil nicht ersichtlich ist, dass die vom Antragsteller begehrte Beurlaubung nicht auch rückwirkend gewährt werden könnte, erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen das Wiederaufleben der Rechte aus dem Beamtenverhältnis – insbesondere des Anspruchs auf Besoldung – als schwerer und unzumutbarer Nachteil zu erachten sein soll, der den Erlass eines Hängebeschlusses rechtfertigt. Zwar geht es dem Antragsteller seiner Antrags- und Beschwerdebegründung zufolge nicht nur darum, seinem Amt entsprechend besoldet, sondern auch amtsangemessen beschäftigt zu werden. Der Anspruch des Beamten (im aktiven Beamtenverhältnis) auf amtsangemessene Beschäftigung, mithin auf Übertragung eines seinem Statusamt entsprechenden Funktionsamts (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2006 – 2 C 26.05 – juris Rn 9 ff.), vermag jedoch weder den geltend gemachten Anspruch auf (Weiter-)Gewährung von Sonderurlaub gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 PostPersRG noch für sich die Annahme schwerer oder unzumutbarer Nachteile für den Fall der Nichtgewährung des begehrten Sonderurlaubs zu begründen. Ist der – nicht länger beurlaubte – Beamte der Auffassung, der Dienstherr komme dem ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung durch die ihm zugewiesene Tätigkeit nicht nach, so ist er gehalten, diesen gesondert – ggf. wiederum im Wege eines Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes – durchzusetzen. Der vom Dienstherrn zu erfüllende Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung ist nicht Voraussetzung, sondern Folge des Wiederauflebens des Beamtenverhältnisses.
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Soweit das Verwaltungsgericht der Auffassung ist, dem Antragsteller drohten deshalb unzumutbare und irreversible Nachteile, weil das Rechtsschutzbedürfnis für ein arbeitsgerichtliches Vorgehen im Wege einer – inzwischen erhobenen – Kündigungsschutzklage entfallen dürfte, wenn der Antragsteller nunmehr zwar in gleicher Funktion, aber eben nicht als Arbeitnehmer bei der D. T. IT GmbH (weiter-) beschäftigt sei, sondern aufgrund einer Zuweisung der Antragsgegnerin als Beamter Dienst versehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass von den Beteiligten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller bei der D. T. IT GmbH in gleicher Funktion – allerdings nunmehr als Beamter – weiterbeschäftigt wird, vermag allein das Risiko des Antragstellers, wegen des bislang nicht weitergewährten Sonderurlaubs in dem neben dem beamtenrechtlichen Rechtsstreit geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren zu unterliegen, die Eilbedürftigkeit für den Erlass eines Hängebeschlusses nicht zu begründen. Zwischen der beamtenrechtlichen Urlaubsbewilligung und der arbeitsrechtlichen Situation ist grundsätzlich strikt zu trennen. Für einen Beamten ist seine arbeitsrechtliche Situation gegenüber seiner beamtenrechtlichen Situation grundsätzlich nachrangig (vgl. OVG RhPf, B.v. 5.8.2008 – 10 B 10156/08 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 12.3.2013 – 1 B 28/13 – juris Rn. 15, jeweils zu § 13 SUrlV; vgl. auch LAG Köln, B.v. 22.11.2019 – 9 Ta 173/19 – juris Rn. 39). Auch eine Fallkonstellation, wie sie der Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein vom 16. September 2020 (2 MB 13/20) zugrunde lag, ist hier derzeit nicht gegeben. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Beamte einen – jedenfalls erstinstanzlich – vom Arbeitsgericht festgestellten Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Daran fehlt es hier. Über die beim Arbeitsgericht anhängige Kündigungsschutzklage ist noch nicht entschieden worden. Im Übrigen liegen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kündigungsschutzklage schon deshalb erfolglos sein sollte, weil dem Antragsteller der beantragte Sonderurlaub gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 PostPersRG nicht gewährt worden ist und er die – im Fall des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses – geschuldete Arbeitsleistung nur unter Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis erbringen könnte (vgl. dazu etwa BAG, U.v. 21.4.2016 – 2 AZR 609/15 – juris, das in dem zu entscheidenden Fall die Beendigung des Sonderurlaubs keinen in der Person des Arbeitsnehmers liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gesehen hat).
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten gehören zu den Kosten des Eilverfahrens nach § § 123 Abs. 1 VwGO, weil das vorliegende Verfahren – einschließlich des ihm zugeordneten Beschwerdeverfahrens – insoweit kein selbständiges Nebenverfahren beinhaltet (BayVGH, B.v. 17.12.2020 – 15 CS 20.3007 – juris Rn. 17).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).