Titel:
Erstattungsanspruch der Gemeinde nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge
Normenkette:
BayKAG Art. 19 Abs. 9
Leitsatz:
Nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 scheidet der Anspruch einer Gemeinde gegen den Freistaat Bayern auf Erstattung von entgangenen Beiträgen nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 bis 5 KAG aus, wenn für die jeweilige Straßenausbaumaßnahme Ausgaben im Verwaltungshaushalt, nicht aber im Vermögenshaushalt veranschlagt waren. Für eine erweiternde Auslegung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG ist auch dann kein Raum, wenn die Veranschlagung der Ausgaben für eine nach alter Rechtlage beitragsfähige Ausbaumaßnahme (hier: Erneuerung der Straßenentwässerung) im Verwaltungshaushalt rechtmäßig oder jedenfalls vertretbar war. (Rn. 20 – 22)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, Erstattung, Erstattungsanspruch der Gemeinden, Erneuerung der Straßenentwässerung, Vermögenshaushalt, Verwaltungshaushalt
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 31.03.2022 – Au 2 K 20.2262
Fundstellen:
BayVBl 2024, 676
LSK 2024, 16957
BeckRS 2024, 16957
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. März 2022 – Au 2 K 20.2262 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die klagende Stadt begehrt vom beklagten Freistaat Bayern die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen für die 2017 abgeschlossene Erneuerung der Straßenentwässerung der T. Straße, die sie seit dem 1. Januar 2018 wegen der Änderung des Kommunalabgabengesetzes (durch Gesetz vom 26.6.2018, GVBl S. 449) nicht mehr von den bevorteilten Grundstückseigentümern erheben darf.
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Die Klägerin hatte für das Haushaltsjahr 2016 im Verwaltungshaushalt des kameralistisch geführten Haushaltsplans für die Sanierung der Mischwasserkanäle im Ortsteil Täfertingen Ausgaben von 230.000 Euro angesetzt (Haushaltsstelle 7000.5152 – Unterhalt der Entwässerungsanlagen). Im Rahmen dieser Gesamtmaßnahme wurde von April 2016 bis April 2017 in der 543 m langen „T. Straße zwischen Mündung P.-straße bis Eintritt in den Außenbereich“ (im Folgenden T. Straße) auf einer Länge von 148,2 m der vor 1962 verlegte, schadhafte Mischwasserkanal in geschlossener Bauweise mittels Inliner saniert. Die Klägerin setzte den auf die Straßenentwässerung der T. Straße entfallenden Anteil mit 25% der Gesamtkosten in diesem Bereich an (35.199,66 € : 4 = 8.799,92 €). Gestützt auf ihre Ausbaubeitragssatzung (vom 18.12.2003) beziffert sie nach Abzug eines städtischen Eigenanteils von 40% die verbleibenden (umlagefähigen) Kosten auf 5.279,95 €.
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Unter dem 27. März 2019 beantragte die Klägerin bei der Regierung von Schwaben die Erstattung der entgangenen Straßenausbaubeiträge nach Art. 19 Abs. 9 KAG. Dabei gab sie zur haushaltsmäßigen Veranschlagung an, dass im Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung davon ausgegangen worden sei, dass die Gesamtmaßnahme vorwiegend im Wege der Reparatur abgearbeitet werde und somit keine Mehrung des Anlagevermögens darstelle. Deshalb seien die Ausgaben insgesamt im Verwaltungshaushalt veranschlagt worden. Erst nach Fertigstellung des Haushalts und Prüfung der einzelnen Maßnahmen habe sich herausgestellt, dass die Erneuerung des Mischwasserkanals in der T. Straße teilweise eine beitragspflichtige Maßnahme darstelle. Die Regierung lehnte den Erstattungsantrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2020 ab. Die zwingende Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG sei nicht erfüllt, weil die Baumaßnahme nicht im Vermögenshaushalt veranschlagt sei, sondern im Verwaltungshaushalt.
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Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. März 2022 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung. Das Gesetz verlange in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG, dass die Gemeinde für die nach alter Rechtslage beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt habe. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Mit Blick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut reiche es nicht aus, dass die Klägerin allgemein Kosten für die Sanierung der Mischwasserkanäle in Höhe von 230.000 € im Verwaltungshaushalt veranschlagt habe. Eine erweiternde Auslegung des Gesetzes sei nicht möglich. Sie würde in Widerspruch zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten.
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Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der sie den Erstattungsanspruch weiterverfolgt. Sie trägt insbesondere vor:
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Die Erstattung scheitere entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht an der Veranschlagung der Baumaßnahme im Verwaltungshaushalt. Nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG erstatte der Freistaat den Gemeinden diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgingen, dass sie aufgrund der Rechtsänderung keine Straßenausbaubeiträge mehr erheben könnten. Dieser erklärte Wille des Gesetzgebers müsse bei der Auslegung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG Berücksichtigung finden. Das alleinige Abstellen auf dessen Wortlaut widerspreche dem in der Grundvorschrift zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. So müsse berücksichtigt werden, dass im vorliegenden Einzelfall die Veranschlagung im Verwaltungshaushalt durchaus als sachgerecht angesehen werden könne. Dabei sei von wesentlicher Bedeutung, dass sich der Anlagebegriff im Sinn des Haushaltsrechts maßgeblich von dem Anlagebegriff des Beitragsrechts unterscheide. Aus haushaltsrechtlicher Sicht verändere die Erneuerung des Mischwasserkanals durch einen Inlinereinzug in der T. Straße das Vermögen nicht. Deshalb sei sie als Erhaltungsaufwand eingestuft worden, sodass keine Veranschlagung der Baumaßnahme im Vermögenshaushalt in Betracht gekommen sei. Zudem finde mit Blick auf die Entwässerungseinrichtung als kostenrechnende Einrichtung eine Gesamtbetrachtung des Kanalnetzes statt, nicht des einzelnen Kanalrohrs. Vor diesem Hintergrund habe der Kämmerer der Klägerin festgestellt, dass die Sanierungsmaßnahme mit einer Inliner-Sanierung ohne Vergrößerung des Durchmessers aus Sicht der Finanzverwaltung als Erhaltungsaufwand gewertet werde; auf die Länge des sanierten Kanalrohrs komme es insoweit nicht an. Von dieser finanzrechtlichen Sichtweise zu unterscheiden sei die ausbaubeitragsrechtliche Definition der Anlage. Abgestellt werde hierbei auf die von einer Maßnahme betroffene Straße inklusive ihrer Teileinrichtungen, wie hier der Straßenentwässerung. Nachdem die Erneuerungsmaßnahme des Kanalrohrs über 25% der Gesamtlänge der Straße ausmache, sei die Maßnahme nach alter Rechtslage straßenausbaubeitragspflichtig.
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Bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen sei nach alter Rechtslage die Veranschlagung von Maßnahmen in einen bestimmten Haushaltsteil völlig bedeutungslos gewesen. Vor dem Hintergrund des in der Grundnorm des Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, den Gemeinden diejenigen Beträge zu erstatten, die ihnen unmittelbar dadurch entgingen, dass sie infolge der Änderung des Kommunalabgabengesetzes Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nicht mehr erheben dürften, sei es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts unerheblich, wo die Maßnahme im Haushalt veranschlagt sei. Es sei unvertretbar, der Klägerin den geltend gemachten Erstattungsanspruch deshalb zu verwehren, weil sie die Baumaßnahme jedenfalls nachvollziehbar im Verwaltungshaushalt veranschlagt habe. Auch aus dem Vollzugshinweisen ergebe sich nichts Anderes. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Beiträge erstattet werden, welche die Gemeinde ohne Änderung des Kommunalabgabengesetzes hätte erheben können. Das sei mit Blick auf die Erneuerung der Teileinrichtung Straßenentwässerung auf einer Teillänge von mehr als 25% der gesamten Straßenlänge eindeutig der Fall.
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Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweise, dass durch das Verknüpfen des Erstattungsanspruchs mit der haushaltsrechtlichen Kategorie des Vermögenshaushalts zum Ausdruck gebracht werde, dass nur Investitionsmaßnahmen, nicht aber bloße Unterhaltungsmaßnahmen zu Erstattungsleistungen führen sollten, so bleibe unberücksichtigt, dass die Erstattung von bloßen Unterhaltungsmaßnahmen bereits dadurch ausgeschlossen werde, dass unabhängig vom Haushaltsansatz eine nach altem Recht beitragsfähige Straßenausbaumaßnahme vorliegen müsse.
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Der Klägerin könne schließlich auch nicht vorgehalten werden, dass sie keinen Nachtragshaushalt mit einer Veranschlagung der Erneuerungsmaßnahme im Vermögenshaushalt beschlossen habe. Ein Nachtragshaushalt sei nach Art. 68 Abs. 3 KAG nur bei erheblichen zusätzlichen Ausgaben erforderlich. In den Jahren 2016 und 2017 habe es aber für einen Nachtragshaushalt keine Notwendigkeit gegeben. Die Kanalsanierung mit einer Ausgabenhöhe von rund 35.200 € sei insoweit nicht erheblich.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts zu verpflichten, die von ihr beantragten entgangenen Straßenausbaubeiträge in Höhe von 5.279,95 € zu erstatten,
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die von der Beklagten vorgelegte Aktenheftung sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 13. Juni 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen im Zusammenhang mit der Sanierung des Mischwasserkanals in der T. Straße (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Senat teilt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Anspruchsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG nicht erfüllt ist.
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Anspruchsgrundlage für das klägerische Erstattungsverlangen ist Art. 19 Abs. 9 Satz 1 bis 5 KAG. Diese Vorschriften, die durch das Änderungsgesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) in das Kommunalabgabengesetz aufgenommen worden sind, dienen – neben dem Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für Planung und Vorbereitung von Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nach Art. 19 Abs. 9 Satz 6, 7 KAG – der Kompensation von entgangenen Einnahmen der Gemeinden durch die rückwirkende Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018. Nach der bis 31. Dezember 2017 geltenden alten Rechtslage sollten die Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen (Straßenausbau-)Beiträge erheben (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F.). Seit dem 1. Januar 2018 bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, dass für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung (Straßenausbaubeitragsmaßnahmen) keine Beiträge erhoben werden. Damit wurde den Gemeinden zu diesem Stichtag das Recht entzogen, für die in Rede stehenden Ausbaumaßnahmen Beiträge von den Eigentümern (oder Erbbauberechtigten) der bevorteilten Grundstücke zu erheben und diese dadurch an der Refinanzierung des Straßenausbaus zu beteiligen. Als Ersatz für das abgeschaffte Refinanzierungsrecht über vorteilsabgeltende Abgaben erhielten die Gemeinden für künftige Ausbaumaßnahmen eine pauschale Finanzierungsbeteiligung des Staates. Für Ausbaumaßnahmen, die noch vor der Gesetzesänderung in Erwartung des Fortbestands der Refinanzierungsmöglichkeit über vorteilsabgeltende Beiträge begonnen worden waren, gewährte der Änderungsgesetzgeber den Gemeinden einen finanziellen Ausgleich der Beitragsausfälle nach Maßgabe der Überleitungsvorschrift des Art. 19 Abs. 9 KAG.
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Gemäß Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG erstattet der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderung des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaumaßnahmen nicht mehr erheben können. Ein solcher Erstattungsanspruch setzt nach Art. 19 Abs. 9 Satz 3 KAG voraus, dass die Gemeinde spätestens bis zum 11. April 2018 (dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 17/21586) eine Satzung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung erlassen hatte (Nr. 1), für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte (Nr. 2), spätestens bis zum 11. April 2018 das Vergabeverfahren für die erste Bauleistung bereits eingeleitet hatte oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen hatte (Nr. 3) und den Antrag auf Erstattung spätestens am 30. April 2028 gestellt hat (Nr. 4). Ein Anspruch auf Erstattung von unmittelbar entgangenen Beiträgen besteht nach dem Gesetzeswortlaut („und“) nur, wenn sämtliche vier Voraussetzungen – kumulativ – vorliegen.
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Im vorliegenden Fall fehlt es an der Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG. Zwar verfügte die Klägerin nach alter Rechtslage über eine Ausbaubeitragssatzung (zuletzt vom 25.1.2018), nach der die im Jahr 2017 abgeschlossene Sanierung des Mischwasserkanals in der T. Straße straßenausbaubeitragsfähig war. Denn mit ihr wurde die schadhafte Teileinrichtung Straßenentwässerung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit in beitragsfähiger Weise erneuert, weil die Kanalsanierung im Inliner-Verfahren auf einer Teilstrecke von 148,2 m der 543 m langen Straße, also über mindestens ein Viertel der Gesamtlänge, in qualitativer und quantitativer Hinsicht über eine bloße beitragsfreie Instandsetzung hinausging und eine beitragsfähige Erneuerung der gesamten Straße im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. in Verbindung mit der Ausbaubeitragssatzung der Klägerin darstellte (zum Teilstreckenausbau etwa BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – VGHE 63, 62 ff., U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – BayVBl. 2018. 29 Rn. 17; zum Inliner-Verfahren Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand März 2024, Rn. 2033).
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Gleichwohl ist die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG deshalb nicht erfüllt, weil für die Baumaßnahme als Teil der Gesamtbaumaßnahme „Sanierung Kanal Täfertingen“ Ausgaben lediglich im Verwaltungshaushalt des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 veranschlagt waren. Das genügt nicht den Anforderungen des Gesetzes. Dieses spricht nicht von irgendeiner Berücksichtigung der beitragsfähigen Maßnahme in einem spätestens am 11. April 2018 der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 GO vorgelegten Haushalt der Gemeinde. Es verlangt vielmehr ausdrücklich eine bestimmte Veranschlagung im Haushaltsplan (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GO), und zwar bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der Kameralistik in Gestalt von „Ausgaben im Vermögenshaushalt“ (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 KommHV-Kameralistik), bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung in Gestalt von „Auszahlungen aus Investitionstätigkeit“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nrn. 20 bis 25 KommHV-Doppik), oder die Veranschlagung von „Verpflichtungsermächtigungen“ für künftige Haushaltsjahre.
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Die Veranschlagung im Verwaltungshaushalt, wie sie die Klägerin für ihren kameralistisch geführten Haushalt 2016 gewählt hat, erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht. Das gilt auch für den Fall, dass die haushaltsrechtliche Zuordnung mit Blick auf den Schwerpunkt der Kanalsanierung rechtmäßig oder zumindest vertretbar und ein Nachtragshaushalt mit einer geänderten Zuordnung der auf die Straßenentwässerung der T. Straße entfallenden Ausgabenanteile wegen ihrer straßenausbaubeitragsrechtlichen Qualifizierung als Erneuerungsmaßnahme zum Vermögenshaushalt aus Rechtsgründen nicht durchführbar gewesen sein sollte.
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Für eine erweiternde Auslegung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG, wie sie die Klägerin anstrebt, ist kein Raum. Sie muss schon am eindeutigen Gesetzeswortlaut scheitern, der – bei einem kameralistisch geführten Haushalt – ausdrücklich von „Ausgaben im Vermögenshaushalt“ oder „Verpflichtungsermächtigungen“ spricht. Dabei stellt das Gesetz ebenso unmissverständlich auf die tatsächlich erfolgte, nicht auf die rechtlich gebotene Veranschlagung ab. Dass es sich bei dieser qualifizierten Veranschlagung um eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung handelt, folgt aus der Gesetzessystematik. Der von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Satz 1 des Art. 19 Abs. 9 KAG regelt den Erstattungsanspruch keineswegs abschließend. Er bestimmt als Grundnorm allerdings den Inhalt des Anspruchs (auf der Rechtsfolgenseite), wonach der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge erstattet, „die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen … nicht mehr erheben können“. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf Antrag alle unmittelbar durch die Gesetzesänderung entgangenen Beiträge voraussetzungslos erstattet werden. Vielmehr formuliert das Gesetz anschließend in Satz 3 einen Katalog von zwingenden Voraussetzungen („Ein Erstattungsanspruch nach Satz 1 setzt voraus, dass die Gemeinde …“), einen Ausschlussgrund (Satz 4) und eine inhaltliche Beschränkung des Anspruchs auf das am Stichtag bestehende Bauprogramm (Satz 5).
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Gerade aus der Aufzählung in Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG wird deutlich, dass die rechtzeitige und qualifizierte haushaltsrechtliche Veranschlagung eigenständige Bedeutung als Anspruchsvoraussetzung haben soll. Denn das Gesetz bezieht das Veranschlagungserfordernis einleitend auf „die demnach beitragsfähige Maßnahme“. Damit setzt es bereits voraus, dass die konkrete Baumaßnahme nach dem alten Satzungsrecht der Gemeinde auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. beitragsfähig war oder wäre, dass sie also als Erneuerung oder Verbesserung der jeweiligen Verkehrseinrichtung zu qualifizieren ist und nicht als bloße beitragsfreie Instandsetzung (zur Abgrenzung etwa BayVGH, U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – BayVBl 2018, 29 Rn. 15 m.w.N.; U.v. 11.12.2015 – 6 BV 14.584 – BayVBl 2016, 348 Rn. 17 m.w.N.). Wenn das Gesetz im Anschluss an das Erfordernis der Beitragsfähigkeit zusätzlich eine rechtzeitige und qualifizierte Veranschlagung von „Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen“ verlangt, soll damit sichergestellt werden, dass es auch aus dem haushaltsrechtlich prognostischem Blickwinkel der Gemeinde um Baumaßnahmen geht, die die Schwelle von bloßen Unterhalts- und Instandsetzungsarbeiten (Verwaltungshaushalt) zur Straßenerneuerung oder -verbesserung (Vermögenshaushalt) überschreiten. Diese unwiderlegliche Typisierung des Gesetzes dient einerseits der Verwaltungspraktikabilität, indem die Notwendigkeit einer aufwändigen Einzelfallprüfung im Erstattungsverfahren verringert werden soll, und andererseits der Verhinderung von „Mitnahmeeffekten“.
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Mit diesen zusätzlichen, dem Beitragsrecht fremden haushaltsrechtlichen Anforderungen nimmt es das Gesetz bewusst hin, dass im Einzelfall Straßenbaumaßnahmen von der Erstattung ausgeschlossen sind, die zwar für sich betrachtet nach alter Rechtslage ohne Weiteres beitragsfähig waren oder gewesen wären, die aber – aus welchem Grund auch immer – haushaltsrechtlich nicht rechtzeitig in qualifizierter Weise als Investitionen veranschlagt wurden oder werden konnten. Diese Beschränkung des Erstattungsanspruchs, die den Gemeinden in Einzelfällen für bereits laufende Ausbaumaßnahmen die ursprünglich bestehende Einnahmequelle aus Beiträgen ohne Kompensation verschließt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Typischerweise betrifft das lediglich „kleinere“, weniger kostenintensive Ausbaumaßnahmen im Abgrenzungsbereich zwischen noch beitragsfreier Instandhaltung oder schon beitragspflichtigem Ausbau. Weder wird dadurch die gemeindliche Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) beeinträchtigt noch das – möglicherweise analog anzuwendende – Konnexitätsprinzip des Art. 83 Abs. 3 BV verletzt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.