Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.06.2024 – 4 ZB 22.242
Titel:

Fremdenverkehrsbeiträgen

Normenketten:
BayKAG Art. 6
EStG § 2
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Leitsätze:
1. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit im Fremdenverkehrsbeitragsrecht geht weiter als im Steuerrecht. Die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals in Art. 6 KAG erschöpft sich darin, unselbständig tätige Arbeitnehmer von der Beitragspflicht auszunehmen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beitragsermittlung darf für den mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr ein dem jeweiligen unmittelbaren Vorteil entsprechender Vorteilssatz zu Grunde gelegt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier beim Betrieb eines Hotels der unmittelbare Vorteil des Betreibers aus dem Fremdenverkehr auf den mittelbaren Vorteil des Vermieters der Räume durchschlägt, der aufgrund der Vermietung bzw. Verpachtung direkt am unmittelbaren Vorteil des Betreibers partizipiert. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags für Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ist ausgeschlossen , soweit bereits die Gesellschaft zu der Abgabe herangezogen wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine eine "Doppelbelastung" ist im System des bayerischen Fremdenverkehrsbeitragsrecht durch die gesetzliche Vorgabe vorgezeichnet, soweit sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Vorteil für beitragsrechtlich relevant erklärt wird. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Doppelbelastung im beitragsrechtlichen Sinn. Beitragspflichtig sind jeweils unterschiedliche Personen auf der Grundlage eines für beide gesondert ermittelten Umsatzes und Gewinns. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fremdenverkehrsbeitrag, Private Vermietung und Verpachtung, Doppelbelastung, Festsetzung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Gästehaus, Gewinneinkünfte, steuerbarer Umsatz, einkommensteuerlicher Gewinn, Fremdenverkehrsbeitragsrecht, Vorteilssatz, Fremdenverkehr, Vorteil, Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Gleichheitsgebot, Gesellschafter, Kommanditgesellschaft, Personenidentität
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.10.2021 – M 10 K 19.593
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16956

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 21. Oktober 2021 – M 10 K 19.593 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 232,44 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Fremdenverkehrsbeiträgen.
2
Der Kläger ist Eigentümer eines Gästehauses auf dem Gemeindegebiet des Beklagten, das er an den Betreiber eines Hotels vermietet hat. Als Mietgegenstand wird in § 1 des Geschäftsraummietvertrags der „Betrieb einer Fremdenvermietung im Rahmen des Hotelbetriebs“ bezeichnet.
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Der Beklagte erhebt Fremdenverkehrsbeiträge aufgrund seiner Satzung für die Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen vom 26. Januar 2001 (FBS).
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Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 zog der Beklagte den Kläger für den Betrieb „Vermietung an die Fa. ... […]“ zu Fremdenverkehrsbeiträgen in Höhe von 232,44 Euro für das Jahr 2013 heran. Bei der Berechnung legte er die vom Kläger erklärten jährlichen Mieteinnahmen in Höhe von 40.994,76 Euro als steuerbaren Umsatz, einen Vorteilssatz von 90% und einen Mindestbeitragssatz von 0,63% zugrunde. Mit Schreiben vom 3. Juli 2018 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid. Er gehe davon aus, dass eine Beitragserhebung bei Einkünften aus der Vermietung eines gastronomischen Betriebs nicht zulässig sei, da diese zu einer Doppelbelastung führe. In dem Bescheid sei außerdem der höchste Beitragssatz für erziele Renditen von mehr als 20% gewählt worden. Das durchschnittliche Jahresergebnis seiner Vermietung liege in den Jahren 2013 bis 2016 dagegen bei nur ca. 10%. Dies entspreche der branchentypischen Rendite. Im Jahr 2013 sei noch dazu ein Verlust erzielt worden. Hier hätte kein Vorteilssatz von 90% angenommen werden dürfen.
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Den Widerspruch wies das Landratsamt ... mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2019 zurück. Die grundsätzliche Beitragspflicht sei in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt. Für das Jahr 2013 sei der Beitrag nach § 3 FBS anhand des Umsatzes bestimmt worden, da der Kläger nach seinen Angaben einen Verlust erzielt habe. Der Vorteilsatz von 90%, mit dem der auf dem Fremdenverkehr beruhende Teil des steuerbaren Umsatzes bestimmt werden solle (§ 3 Abs. 3 FBS), habe der Beklagte aus dem Vorteilsatz abgeleitet, der beim Mieter angesetzt worden sei, der diesem Satz nicht widersprochen habe. Der Mindestbeitragssatz (§ 3 Abs. 5 FBS) sei anhand des durch Schätzung zu ermittelnden branchendurchschnittlichen Gewinnanteils zu ermitteln. Dabei werde grundsätzlich auf die vom Bundesministerium der Finanzen ermittelten und gesammelten Reingewinnsätze zurückgegriffen. Da die Sammlung Sätze für Vermietung und Verpachtung nicht enthalte, habe der Beklagte anhand der in seinem Zuständigkeitsbereich bekannten Vermietungen und Verpachtungen einen (lokalen) Durchschnittswert ermittelt. Dieses Vorgehen sei nicht zu beanstanden
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Die nachfolgende Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Oktober 2021 ab, das am 6. Dezember 2021 per Einschreiben zur Post gegeben wurde. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen des Widerspruchbescheids, denen vollumfänglich gefolgt werde.
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Mit beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 5. Januar 2022 eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, der mit am 6. Februar 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet wurde.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe – soweit überhaupt ausreichend dargelegt – vorliegt.
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1. Der mit der Antragsbegründung geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.).
11
a) Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, Art. 6 Abs. 1 KAG beschränke die Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen nicht auf Gewinneinkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dadurch würde die private Vermietung der gewerblichen Vermietung gleichgestellt. Bei der privaten Vermietung werde gerade kein „steuerbarer Umsatz“ oder „einkommensteuerlicher Gewinn“ nach § 2 Abs. 2 FBS erzielt.
12
Mit diesem Vorbringen wird kein tragender Rechtssatz des Verwaltungsgerichts in Frage gestellt. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Begriff der selbständigen Tätigkeit im Fremdenverkehrsbeitragsrecht weitergeht als im Steuerrecht. Die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals in Art. 6 KAG erschöpft sich darin, unselbständig tätige Arbeitnehmer von der Beitragspflicht auszunehmen (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 15.2338 – KStZ 2016, 194 Rn. 21 m.w.N.). Diese Rechtsprechung wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2019 ausdrücklich bestätigt (BayVerfGH, E.v. 24.5.2019 – Vf. 23-VI-17 – NVwZ-RR 2019, 881 Rn. 59). Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Begriff der „selbstständig tätigen Person“ in Art. 6 Abs. 1 KAG auch auf die nicht gewerbsmäßige Vermietung und Verpachtung von Räumen zu erstrecken, auch wenn diese Tätigkeit (einkommen-)steuerrechtlich in der Regel der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen sei. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Zulassungsbegründung nicht weiter auseinander. Der Begriff des „Umsatzes“ in § 2 Abs. 2 FBS entspricht in diesem Fall den erzielten Mieteinnahmen; der Begriff des Gewinns ist mit dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten gleichzusetzen. Für eine vom Satzungsgeber intendierte, über Art. 6 Abs. 1 KAG hinausgehende Begrenzungswirkung der Begriffe sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.
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b) Soweit der Kläger der Sache nach weiter vortragen lässt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht keinen eigenen Vorteilssatz des Klägers bestimmt, sondern nur den Vorteilssatz des Mieters herangezogen, wird ebenfalls kein tragender Rechtsatz in Frage gestellt. Nach der Rechtsprechung des Senats darf der Beitragsermittlung für den mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr ein dem jeweiligen unmittelbaren Vorteil entsprechender Vorteilssatz zu Grunde gelegt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2002 – 4 ZB 02.756 – juris Rn. 2). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier beim Betrieb eines Hotels der unmittelbare Vorteil des Betreibers aus dem Fremdenverkehr auf den mittelbaren Vorteil des Vermieters der Räume durchschlägt, der aufgrund der Vermietung bzw. Verpachtung direkt am unmittelbaren Vorteil des Betreibers partizipiert. Da der Kläger selbst nur mittelbar durch den Fremdenverkehr begünstigt wird, ist es zwingend, dass der unmittelbare Vorteil seines Pächters auch bei ihm die entsprechende Berechnungsgrundlage bildet. Zutreffend ist zwar, dass die Richtigkeit des Vorteilssatzes nicht allein daraus hergeleitet werden kann, dass die Pächter den für sie festgesetzten Vorteilssatz ohne Beanstandung hingenommen haben (BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 15.2338 – KStZ 2016, 194 Rn. 24). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt dem allerdings eine Indizwirkung zu. Die Schätzung des Vorteilssatzes ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (BayVGH, U.v. 5.12.2006 – 4 B 05.3119 – juris Rn. 28). Ein anderer sachgerechter Ansatzpunkt ist nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht dargelegt. Mit dem Einwand, erhöhte Übernachtungszahlen erhöhten beim Vermieter die umzulegenden Nebenkosten und damit ohne Sachgrund die Bemessungsgrundlage, wendet er sich abstrakt gegen eine von ihm angenommene Berechnungsmodalität, nicht aber gegen den dem Vorteilssatz zugrundeliegenden Ansatz, dass fremdenverkehrsbedingte Vorteile eines Betreibers Rückwirkungen auf die erzielbaren Mieteinnahmen haben. Auch der konkrete Satz von 90% wird dadurch nicht substantiiert in Frage gestellt.
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c) Auch der sinngemäße Einwand, durch die mietvertragliche Umlage des Fremdenverkehrsbeitrags auf den Vermieter komme es bei diesem zu einer unzulässigen Doppelbelastung, kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht begründen. Die vom Kläger angesprochene Frage der privatrechtlichen Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen sind für den Ausgang des Rechtsstreits nicht entscheidungserheblich.
15
Einer beitragsrechtlichen „Doppelbelastung“ (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.02.1992 – 8 C 70/89 – NVwZ 1992, 668 Rn. 12 ff.) können im Einzelfall das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde Verhältnismäßigkeitsprinzip oder das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) entgegenstehen. Dabei kommt es auf die Identität des Vorteils im beitragsrechtlichen Sinne an (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2011 – 4 ZB 11.723 – juris Rn. 11). Dies hat etwa zur Folge, dass die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags für Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ausgeschlossen ist, soweit bereits die Gesellschaft zu der Abgabe herangezogen wird (BayVGH a.a.O.; B.v. 18.3.2009 – 4 CS 08.3051 – juris Rn. 8). Eine solche Personenidentität ist bei dem Kläger und seinem Mieter nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet hat (BayVerfGH, E.v. 27.3.2001 – Vf. 62-VI-00 – NVwZ 2001, 797), ist eine „Doppelbelastung“ im System des bayerischen Fremdenverkehrsbeitragsrecht durch die gesetzliche Vorgabe vorgezeichnet, soweit sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Vorteil für beitragsrechtlich relevant erklärt wird. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Doppelbelastung im beitragsrechtlichen Sinn; denn beitragspflichtig sind jeweils unterschiedliche Personen auf der Grundlage eines für beide gesondert ermittelten Umsatzes und Gewinns (BayVGH, U.v. 13.5.1992 – 4 B 90.1142).
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d) Ins Leere gehen damit auch die vom Kläger aufgezählten weiteren hypothetischen Fallgestaltungen, bei denen nach seiner Ansicht die Bestimmung eines mittelbaren Vorteils nicht mehr möglich ist. Soweit wegen der „Länge der Kausalkette“ kein signifikanter fremdenverkehrsbedingter Vorteil mehr festgestellt werden kann, ist kein Fremdenverkehrsbeitrag festzusetzen. Beim Kläger liegt ein solcher Fall nicht vor.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
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Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „inwieweit Einnahmen aus privat vermögensverwaltender Vermietung als Gewinne im Sinne der Beitragssatzung veranlagt werden dürfen.“ Diese Frage ist jedoch nicht grundsätzlich bedeutsam, weil sie bereits geklärt ist, wie unter 1. a) ausgeführt.
20
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).