Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.06.2024 – 1 ZB 24.154
Titel:

Beseitigungsanordnung - Balkonanbau im Außenbereich

Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, reicht schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange aus. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Balkonanbau, Außenbereich, Beeinträchtigung öffentlicher Belange
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 07.09.2023 – M 11 K 20.3830
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16946

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beseitigungsanordnung für einen Balkonanbau auf dem im Außenbereich befindlichen Grundstück FlNr. …, Gemarkung …
2
Ihren Antrag auf (nachträgliche) Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Traktorgarage mit Terrasse lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 21. April 2017 ab. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (M 11 K 17.2445 und 1 ZB 20.1282). Der weitere Bauantrag (für den „Anbau einer Traktorgarage mit zweitem Zugang zur Wohnung im Obergeschoss am bestehenden Gebäude“ vom Oktober 2020) wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. März 2021 unter Hinweis auf die unzureichende Torhöhe abgelehnt. Ein dritter Bauantrag für den „Anbau einer Traktorgarage am bestehenden Gebäude vom März 2021 mit unveränderter Torhöhe wurde mit Bescheid vom 5. August 2021 abgelehnt.
3
Die gegen den Bescheid vom 5. August 2021 gerichtete Klage wurde in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Klage gegen die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Balkonanbau sei weder isoliert betrachtet noch als Teil eines „Gesamtvorhabens mit einer darunter geplanten Traktorgarage“ genehmigungsfähig. Lediglich vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das Vorhaben mit seiner massiven Dachausführung auch nach einer etwaigen Abgrabung des Geländes im Bereich des Tors nicht dienlich sei. Angesichts des unstimmigen Vortrags der Klägerin dränge sich der Eindruck auf, dass die Vorhaben lediglich zur Genehmigung gestellt würden, um den Vollzug der Beseitigungsanordnung zu verzögern. Das nicht privilegierte Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange. Die Ermessensausübung begegne keinen rechtlichen Bedenken.
4
Für das Vorbringen der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen; im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
5
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
6
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beseitigungsanordnung rechtmäßig ist. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils und auf den Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2020 (1 ZB 20.1282). Im Hinblick auf das klägerische Vorbringen im Zulassungsverfahren wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
7
Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Balkonanbau als sonstiges Bauvorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt. Der Zulassungsbegründung lassen sich keine neuen Gesichtspunkte entnehmen, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten. Zur Frage der Unterordnung der Balkonanlage hat der Senat in der Entscheidung vom 1. Dezember 2020 ausgeführt, dass es sich nicht lediglich um einen untergeordneten Terrassenanbau handelt, sondern der Anbau an das Wohngebäude aufgrund der Grundfläche von ca. 26,80 m deutlich sichtbar ist und die südliche Gebäudewand prägt. Ob § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB hauptsächlich darauf abzielt, die Schaffung von zusätzlichem, nicht privilegierten Wohnraum im Außenbereich zu verhindern, ist weiterhin nicht entscheidungserheblich, weil der Begriff der Siedlung nicht auf zum Wohnen bestimmte Bauten beschränkt ist, sondern sich auch auf andere Anlagen bezieht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228). Im Übrigen stellt auch die Zulassungsbegründung zutreffend darauf ab, dass durch den Balkonanbau eine zusätzliche (erhebliche) Aufenthaltsmöglichkeit für die dortigen Bewohner geschaffen wird. Soweit moniert wird, dass es an einer für die „Verfestigung“ erforderlichen Begründung fehle, weil für die Annahme einer Vorbildwirkung keine Gebäude genannt worden seien, übersieht die Klägerin, dass nach der Darstellung in BayernAtlas ohne Weiteres erkennbar ist, dass sich im unmittelbaren Umgriff des Vorhabengrundstücks weitere Flächen und Wohngebäude befinden, für die das Vorhaben eine negative Vorbildwirkung haben könnte. Darauf hatte bereits das Verwaltungsgericht in der Entscheidung vom 23. Januar 2020 hingewiesen (UA Rn. 25). Da die Vorbildwirkung nur für vergleichbare Vorhaben innerhalb derselben Splittersiedlung beachtlich sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 13.97 – BauR 1999, 377), kommt es – unabhängig davon, ob der Vortrag den Anforderungen an das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt – auf die in der Zulassungsbegründung für den Landkreis angeführten Vergleichsfälle im Außenbereich nicht an.
8
Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, reicht schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange aus (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171). Ob das Vorhaben auch noch öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5 BauGB beeinträchtigt, kann folglich dahinstehen.
9
Mit dem Vortrag, dass ein Teilrückbau des Balkonanbaus um 1,40 m bis zum Beginn der Treppe angesichts der Tatsache, dass die Treppe im Brandfall auch als Fluchtweg für die Wohnung diene, ein milderes Mittel gewesen wäre, werden keine Fehler in der Ermessensausübung aufgezeigt. Die (erteilte) Genehmigung für die Wohnung einschließlich der diesbezüglichen Anforderungen an den Brandschutz ist bereits nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Bodenfläche des Balkons – unabhängig von ihrer Ausführung – nicht für eine (umgeplante) Traktorgarage nutzbar gemacht werden könnte, weil ein vernünftiger Landwirt für eine Unterstellmöglichkeit kein begehbares Dach in der vorliegenden Ausführung errichten würde. Dass der Balkonanbau zudem eine massive Unterkonstruktion aufweist, ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen (Bl. 1 der Interimsakte 2016-1325, Bl. 113 der Interimsakte 2017-0377). Auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in seinem Schreiben vom 23. Februar 2017 die Terrasse nicht als dienlich angesehen. Der pauschale Einwand der Klägerin, dass auch bei einer Garage ein Dach entstehen würde, das grundsätzlich zum Aufenthalt im Freien nutzbar ist, geht an der Sache vorbei und vermag an der fehlenden Dienlichkeit nicht zu ändern. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in Bezug auf den unstimmigen Gesamtvortrag der Klägerin zur Dienlichkeit sind nicht entscheidungstragend; die umfangreichen Ausführungen in der Zulassungsbegründung gehen daher ins Leere. Soweit die Klägerin geltend macht, dass das Landratsamt auf die Stellung eines genehmigungsfähigen Antrags mit entsprechender Einfahrthöhe hätte hinwirken müssen, übersieht sie, dass es Sache des Bauherrn ist, den Umfang der zu erteilenden Baugenehmigung zu bestimmen und sich mit den Fachbehörden rechtzeitig abzustimmen. Zudem wurden bereits drei Bauanträge bestandskräftig abgelehnt.
10
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
11
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).