Titel:
Fehlende Antragsbefugnis für Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2
BauGB § 1 Abs. 7
Leitsätze:
1. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und sind die Betroffenen nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Abwägungserheblich sind dabei aber nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Prüfung der Antragsbefugnis ist nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen. Das Normenkontrollgericht ist nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag – auch unter Würdigung widerstreitenden Vorbringens des Antragsgegners – auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan, Antragsbefugnis (verneint), Niederschlagswasserbeseitigung, Recht auf gerechte Abwägung, Aufklärung des Sachverhalts
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16944
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 174 „Kufsteiner Straße/Miesbacher Straße“, den die Antragsgegnerin am 28. April 2021 als Satzung beschlossen und am 11. Mai 2021 bekannt gemacht hat.
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Das ca. 4,5 ha große Plangebiet liegt im Süden der Stadt Rosenheim im Stadtteil „H.“. Im Westen grenzt es an die Kufsteiner Straße, im Süden und Osten an den Heilig-Blut-Graben. Die Miesbacher Straße und die H.er Straße bilden die nördliche Grenze. Im Nordosten befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 14a „Tizianstraße/Spitzweg straße“, der insoweit durch den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan ersetzt wird, ein Gebäude der T.. Nördlich davon befindet sich das 2015 errichtete Bürgerhaus H. und die daran angrenzende denkmalgeschützte Alte Mühle. Das restliche Plangebiet wird als mehrschürige Wiese genutzt. Für das Plangebiet ist ein urbanes Gebiet (§ 6a BauNVO) festgesetzt, das aus den Teilflächen MU(1) bis MU(8) besteht. In allen Teilgebieten sind Vergnügungsstätten und Tankstellen sowie Bordelle, bordellartige Einrichtungen und Wohnungsprostitution und Schnellrestaurants ausgeschlossen. In den Teilgebieten MU(1), MU(5) und MU(6) sind nur Wohngebäude zulässig, im Teilgebiet MU(6) zusätzlich Anlagen der Fernmeldetechnik; im Teilgebiet MU(4) sind nur Wohngebäude zulässig, die einen Geschossflächenanteil von mindestens 60% aufweisen, der mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden kann. Im Teilgebiet MU(2) ist Wohnnutzung nicht zulässig. Einzelhandelsbetriebe sind nur im Teilgebiet MU(3.1) im Erdgeschoss zulässig; die zulässigen Sortimente des Nahversorgungsbedarfs sind benannt. In den Teilgebieten MU(3.1) und MU(3.2) ist Wohnnutzung erst ab dem 1. Obergeschoss zulässig. Im Teilgebiet MU(7) sind ausschließlich Nutzungen gemäß § 6a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO zulässig, im Teilgebiet MU(8) ausschließlich Anlagen für soziale Zwecke in Form von Kindertageseinrichtungen. Neben Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Höhe baulicher Anlagen, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen weist der Bebauungsplan Festsetzungen zum Niederschlagswasser und Hochwasserschutz sowie zum Immissionsschutz aus.
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Nach der Begründung des Bebauungsplans soll das Gebiet städtebaulich neu geordnet werden. Für das Plangebiet wurde von einem Investor zunächst von 2009 bis 2013 ein Konzept für ein Gewerbe-/Mischgebiet und Sondergebiet/Kerngebiet für großflächigen Einzelhandel entwickelt, das von 2013 bis 2016 mit einer geänderten Nutzungsstruktur als allgemeines Wohngebiet, Gewerbegebiet und Mischgebiet fortgeführt wurde. Im weiteren Verlauf wurde das Plangebiet als urbanes Gebiet entwickelt. Neben der Wohnbebauung und dem emissionsarmen Gewerbe soll das bestehende Stadtteilbürgerhaus H., der Jugendtreff „Alte Mühle“ und die geplante Kindertagesstätte das Nutzungsspektrum eines urbanen Gebiets abrunden. Geplant ist eine über die H.er Straße erschlossene Siedlung, die sich an einem zentralen urbanen Platz im Teilgebiet MU(3) orientiert. Entlang der Kufsteiner Straße und Miesbacher Straße ist eine geschlossene Schallschutzbebauung vorgesehen. Für die Planung wurde der Flächennutzungsplan, der die Flächen bislang als Mischgebiet sowie als allgemeines Wohngebiet im straßenabgewandten Bereich ausgewiesen hat, geändert. Den Festsetzungen des Bebauungsplans liegen schalltechnische Gutachten vom 17. Oktober 2016, vom 24. April 2019 und 5. November 2020, eine Verkehrsuntersuchung von November 2020 sowie ein Konzept zur Niederschlagswasserableitung vom 24. April 2019 zugrunde.
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Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, die Antragstellerin zu 2. Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Die Grundstücke, auf denen sich bislang nur Garagen befinden, liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 14a „Tizianstraße / Spitzweg straße“, der als Art der Nutzung ein reines Wohngebiet festsetzt; sie grenzen im Osten des Plangebiets unmittelbar an den Geltungsbereich des Bebauungsplans an.
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Am 25. April 2022 stellten die Antragstellerinnen beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag und beantragen,
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den Bebauungsplan Nr. 174 „Kufsteiner Straße/Miesbacher Straße“, bekannt gemacht am 11. Mai 2021, für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsbefugnis ergebe sich aus dem Umfang der mit dem Bebauungsplan zugelassenen Bebauung, die es möglich erscheinen lasse, dass ihre Interessen nachteilig berührt und nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Die Aufgabe einer für Dritte gefahrlosen Beseitigung von im Plangebiet auftretendem Oberflächenwasser sei nicht gelöst worden. Der Heilig-Blut-Graben habe bisher der Entwässerung des Umgriffs gedient. Die großflächige Auffüllung des Geländes und die zugelassene Bebauung führten zu einer erhöhten Gefahr einer Überflutung ihrer Grundstücke. Bei der Festsetzung eines urbanen Gebiets handle es sich um einen Etikettenschwindel. Mit der Gliederung in Teilgebiete könne sich die erforderliche Durchmischung der im urbanen Gebiet zulässigen Nutzungen nicht mehr einstellen. Die Hauptnutzungsart Wohnen sei in den Teilgebieten MU(2), MU(7) und MU(8) unzulässig. Umgekehrt sei in den Teilgebieten MU(1), MU(4), MU(5) und MU(6) die andere Gruppe der Hauptnutzungsart unzulässig. Daneben sehe der Bebauungsplan weitere Feinsteuerungen vor. Lediglich im restlichen Viertel MU(3) sei grundsätzlich eine Nutzungsmischung zugelassen worden. Eine räumliche Separierung der zulässigen Nutzungen im urbanen Gebiet sei nicht zulässig. Auch der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit Ausnahme des Teilgebiets MU(3.1) sei bedenklich, da dies einem urbanen Gebiet zuwider laufe. Der gemischte Charakter eines urbanen Gebiets sei weder gewollt noch werde sich dieser einstellen. Der Bebauungsplan leide auch an einem Abwägungsfehler. Die Aufgabe einer für Dritte gefahrlosen Niederschlagswasserbeseitigung sei ungenügend bewältigt worden. Das gegenüber ihren Grundstücken, die auf 447 m üNN lägen, bis jetzt etwas niedriger gelegene Plangebiet habe bei Starkregenereignissen faktisch die Funktion eines großen Retentionsraums gehabt. Durch die großflächige Auffüllung des Geländes auf 448 m üNN – bis auf einen Streifen entlang der Südostgrenze des Plangebiets – sei die Fähigkeit des Geländes, auftretendes Oberflächenwasser aufzunehmen, verändert worden; es bestehe die Gefahr einer Überflutung ihrer angrenzenden Grundstücke. Das Konzept zur Bewältigung des Niederschlagswassers, das teilweise die Anordnung von Versickerungsmulden vorsehe, teilweise eine Versickerung über Rigolen aus Kunststoffspeicherblöcken bzw. einen Anschluss an den Stauraumkanal, sei ungenügend. Für die Dimensionierung der Versickerungsanlagen, die „5-jährliche Starkniederschlagsereignisse“ aufnehmen können sollen, sei unklar, welche Niederschlagswassermenge gemeint sei. Die bei sehr starken Niederschlagsereignissen überlasteten geplanten Versickerungs- und Rückhalteanlagen sollten in die angrenzenden Grünflächen entlastet werden. Dabei sei nicht berücksichtigt worden, dass diese Grünflächen auch Niederschlagswasser aufnehmen müssten, das bei Starkregen von außerhalb des Plangebiets über den Heilig-Blut-Graben ankomme. Damit das am östlichen Rand des Plangebiets abfließende Wasser nicht die angrenzenden Grundstücke erreiche, sei im Bebauungsplan ein Wall festgesetzt worden. Für die Festsetzung einer Mindesthöhe des Walls fehle die Rechtsgrundlage. Im Bereich des Geh- und Radweges südlich der Teilgebiete MU(5.2) und MU(6) sei ein Entwässerungskonzept nicht ersichtlich. Das deutliche Gefälle lasse auf eine Ableitung über den Geh- und Radweg schließen. Bei einer Überlastung der zur Entwässerung der Erschließungsstraße angelegten Entwässerungsmulde „fließe“ das Niederschlagswasser in die angrenzenden Grünflächen, mindestens jedoch zum Teil direkt auf das Grundstück der Antragstellerin zu 2. Auch sei mit einer Verschlechterung der verkehrlichen Erschließung ihrer Grundstücke zu rechnen, die ebenfalls über die in die H.er Straße einmündende Altdorfer straße erfolge. Der zu erwartende Verkehr an den Knotenpunkten Miesbacher Straße/H.er Straße und Miesbacher Straße/Aisinger Straße könne nicht leistungsfähig abgewickelt werden. Bei der Abschätzung des Verkehrsaufkommens zeige sich stellenweise eine Verkehrszunahme von 2.000 zusätzlichen Kfz/24 h. Ob die für erforderlich gehaltenen signaltechnischen und baulichen Maßnahmen realisiert werden könnten, sei völlig ungeklärt, insbesondere soweit damit ein Flächenverbrauch verbunden sei.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Es fehle bereits an der Antragsbefugnis der Antragstellerinnen. Der Bebauungsplan sei städtebaulich erforderlich. Die Unterteilung des urbanen Gebiets in mehrere Teilgebiete, in denen einzelne grundsätzlich zulässige Nutzungen in Teilgebieten ausgeschlossen würden, führe nicht dazu, dass es sich hierbei um einen „Etikettenschwindel“ handle. Im urbanen Gebiet müsse die Nutzungsmischung nicht gleichwertig sein, sondern könne sich – wie hier – über größere Teile des Gebiets erstrecken. Neben differenzierenden Festsetzungsmöglichkeiten nach § 6a Abs. 4 BauNVO seien Festsetzungen nach § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO möglich. Durch die Entscheidung für eine großräumige Gliederung des Plangebiets werde dessen Gebietscharakter als urbanes Gebiet nicht dadurch entwertet, dass bestimmte grundsätzlich zulässige Nutzungen in einzelnen Teilgebieten ausgeschlossen würden. Auf das Gesamtgebiet betrachtet liege auch bei der vorliegenden Feindifferenzierung weiterhin ein urbanes Gebiet mit der hierfür erforderlichen Nutzungsdurchmischung vor. Es handle sich um ein einheitliches urbanes Baugebiet bestehend aus acht Teilbaugebieten. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets bleibe gewahrt. Abwägungsfehler lägen nicht vor. Das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung im Hinblick auf die Niederschlagswasserbeseitigung sei beachtet worden. Die geplante Auffüllung des Geländes sei aufgrund des zu geringen Flurabstands des Bestandsgeländes erforderlich geworden, weil eine Versickerung des im Planungsgebiet anfallenden Niederschlagswassers die Einhaltung eines ausreichenden Abstands zum Grundwasserspiegel erfordere. Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zur Niederschlagswasserbeseitigung in den einzelnen Teilgebieten entsprächen den Vorgaben des Niederschlagswasserableitungskonzepts vom 24. April 2019, das eine Kombination aus Versickerungsanlagen und Kanalanschluss vorsehe. Dementsprechend sei ein Stufensystem eingerichtet worden, das neben der Beseitigung des Niederschlagswassers auch die Aufnahme in Mulden östlich der Erschließungsstraße vorsehe. Um zu verhindern, dass (sogar) aus den geplanten Versickerungs- und Rückhalteanlagen flächig abfließendes Wasser die angrenzenden Grundstücke erreiche, sei vorsorglich die Aufschüttung eines kleinen Walls empfohlen worden, sodass selbst bei einem 100-jährlichen Niederschlagsereignis die angrenzenden Grundstücke durch den Überstau nicht mehr betroffen seien. Die Gefahr einer Überflutung der Grundstücke der Antragstellerinnen bestehe daher nicht. Im Bereich des Geh- und Radweges südlich der Teilgebiete MU(5.2) und MU(6) werde das gesammelte Wasser in die Regenwasserkanalisation eingeleitet. Die erforderliche Rückhaltung erfolge durch einen Stauraumkanal, der unter der Erschließungsstraße verlegt werde. Die Konfliktverlagerung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Niederschlagswasserbeseitigung in ein der Bauleitplanung folgendes (wasserrechtliches) Erlaubnisverfahren sei nicht zu beanstanden. Man sei davon ausgegangen, dass die Beseitigung des im Plangebiet anfallenden Oberflächenwassers nicht völlig unproblematisch sei und tatsächlich ein Regelungsbedarf bestehe. Dies könne auch im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags mit dem Vorhabenträger/Erschließungsträger erfolgen. Der städtebauliche Vertrag sei vor dem Satzungsbeschluss und der Bekanntmachung geschlossen worden und Grundlage des Satzungsbeschlusses gewesen. Damit sei zu diesem Zeitpunkt die gefahrfreie Ableitung des Niederschlags-/Oberflächenwassers im Plangebiet bereits hinreichend gesichert gewesen. Die verkehrliche Erschließung des Plangebiets sei ordnungsgemäß, die erforderlichen baulichen Maßnahmen beschränkten sich auf die kurzfristig realisierbare Anpassung der Lichtsignalsteuerung und die Verlängerung der Linksabbiegerspur in der H.er Straße durch eine geänderte Markierung. Die Ausführung und Kostentragung sei im städtebaulichen Vertrag mit dem Vorhabenträger geregelt, die Durchführung der Maßnahmen erfolge durch die Stadt. Die Verkehrsuntersuchung sei vollständig und umfasse alle zu berücksichtigenden Aspekte. Die ermittelte zusätzliche Verkehrsmenge ließe sich nach den Erfahrungen des Fachgutachters problemlos im bestehenden Straßennetz abwickeln. Auch wenn die Verkehrsmengen und die Wartezeiten in den Spitzenstunden als hoch empfunden würden, liege aus gutachterlicher Sicht keine Überlastung des Verkehrssystems vor.
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Mit Schreiben vom 4. Juni 2024 legte die Antragsgegnerin auf gerichtliche Anforderung die Unterlagen für den Bebauungsplan Nr. 14a „Tizianstraße/Spitzweg straße“ vor.
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Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2024 wird auf das Protokoll verwiesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist unzulässig, weil es den Antragstellerinnen an der Antragsbefugnis fehlt.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und sind die Betroffenen – wie hier – nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Abwägungserheblich sind dabei aber nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2015 – 4 CN 5.14 – BauR 2015, 1827; U.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – BayVBl 2005, 55). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind keine anderen Anforderungen zu stellen als an die Geltendmachung einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Darlegungspflichtig sind die Antragstellerinnen. Sie müssen hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene Rechtsvorschrift ihre Rechte verletzt. Die bloße Bezeichnung eigener Belange und die Behauptung, es liege eine Rechtsverletzung vor, reichen nicht aus. Die Prüfung der Antragsbefugnis ist jedoch nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen. Das Normenkontrollgericht ist nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag – auch unter Würdigung widerstreitenden Vorbringens des Antragsgegners – auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272; B.v. 12.1.2015 – 4 BN 19.14 – juris Rn. 13).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Antragsbefugnis der Antragstellerinnen nicht gegeben. Die Antragstellerinnen haben im Normenkontrollverfahren nicht hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, welche die unzureichende Beachtung eines abwägungserheblichen Belangs als möglich erschein lassen.
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Soweit die Antragstellerinnen sich darauf berufen, dass die Planung im Hinblick auf den Umfang der zugelassenen Bebauung zu einer erhöhten Gefahr einer Überflutung ihrer unmittelbar östlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücke führe und die Niederschlagswasserbeseitigung nicht ausreichend löse, ist ihr Vortrag nicht schlüssig. Die Antragsgegnerin hat im Planaufstellungsverfahren sowohl die Aufschüttung des Plangebiets als auch die östlich angrenzende Bebauung in den Blick genommen und erkannt, dass die Niederschlagswasserbeseitigung nicht völlig unproblematisch ist. Sie hat daher ein Konzept für die Niederschlagswasserbeseitigung erstellen lassen (vgl. Konzept zur Niederschlagswasserbeseitigung vom 24. April 2019). Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat dazu vorgetragen, dass Anlass für die geplante Auffüllung des Geländes der zu geringe Grundwasserflurabstand des Bestandsgeländes sei. Für die Niederschlagswasserbeseitigung sei ein Stufensystem vorgesehen mit einer Beseitigung des Niederschlagswassers teils durch eine gedrosselte Einleitung in die Regenwasserkanalisation, teils durch ein kaskadenartiges Versickerungssystem und durch die Aufnahme in Mulden östlich der Erschließungsstraße. Schädliche Auswirkungen auf das Plangrundstück und die Nachbargrundstücke seien nicht zu erwarten. Bei einem 100-jährlichen Ereignis erfolge eine Entlastung in die angrenzenden Grünflächen. Lediglich vorsorglich sei ein Wall im Graben am östlichen Rand des Plangebiets vorgesehen (vgl. Begründung mit Umweltbericht und zusammenfassender Erklärung zum Bebauungsplan vom 23. März 2021, Nr. 1.8). Der Bebauungsplan enthält hierzu die nötigen Festsetzungen. Mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrags ist auch sichergestellt, dass dieses Konzept rechtlich abgesichert ist und umgesetzt wird. Das Wasserwirtschaftsamt sowie die untere Wasserbehörde haben im Vorfeld keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die Planung erhoben. Die Antragsgegnerin durfte im Planaufstellungsverfahren daher dem Grundsatz der „planerischen Zurückhaltung“ folgen (vgl. BayVGH, U.v. 12.2.2020 – 15 N 19.389 – juris Rn. 14) und bei der abschließenden Abwägung und dem Satzungsbeschluss davon ausgehen, dass etwaige Detailprobleme der Niederschlagswasserentsorgung im wasserrechtlichen Verfahren gelöst werden können.
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Das Vorbringen der Antragstellerinnen ist nicht geeignet, den Vortrag der Antragsgegnerin, der auf dieser fachlich fundierten Einschätzung beruht, in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragstellerinnen eine Gefährdung ihrer angrenzenden Grundstücke durch eine – nach Aufschüttung des Plangebiets – erhöhte Lage des Plangebiets befürchten und ergänzend vortragen, dass der Grünstreifen bzw. der Graben, der sich im östlichen Teil des Plangebiets unmittelbar an der Grenze zu ihren Grundstücken befindet, bei Starkregenereignissen in der Vergangenheit überflutet gewesen sei bzw. viel Wasser geführt habe, aufgrund der geplanten Bebauung bei Starkregenereignissen das dann abgeleitete Niederschlagswasser nicht mehr aufnehmen könne, übersehen sie, dass das erhöht liegende Plangebiet nicht unmittelbar zu ihren Grundstücken abfällt, sondern zu dem Graben. Ihre Grundstücke liegen nach dem unwidersprochenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auf einer Höhe von 446,5 m üNN und 447 m üNN und damit höher als der im Graben festgesetzte Wall, für den eine Mindesthöhe von 446,6 m üNN vorgesehen ist. Inwieweit dennoch eine Gefährdung ihrer Grundstücke durch unkontrolliert abfließendes Niederschlagswasser zu befürchten ist, legen die Antragstellerinnen nicht dar. Auch dass der Wall zur Entlastung bei Starkregenereignissen nicht geeignet ist, machen die Antragstellerinnen, die ihren Vortrag auf eine fehlende Rechtsgrundlage für diese Festsetzung beschränken, nicht geltend. Im Übrigen ist für die Festsetzung eines Walls auf die zulässige Kombination von Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 14, 16 Buchst. b und 20 BauGB zu verweisen (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2001 – 4 CN 9.00 – BVerwGE 115, 77; OVG NW, B.v. 18.8.2023 – 2 B 349/23.NE – juris Rn. 62 f.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 19.6.2008 – 1 N 06.2548 – juris Rn. 18). Soweit pauschal geltend gemacht wird, dass fraglich sei, ob die Grünflächen die Wassermengen aufnehmen könnten, weil auch Niederschlagswasser hätte berücksichtigt werden müssen, das von Süden außerhalb des Plangebiets ankomme, handelt es sich um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die bisherige Funktion des Plangebiets einschließlich der Grünfläche und des Grabens als „Retentionsraum“ berücksichtigt. Soweit die Antragstellerinnen eine ungenügende Konzeption der Niederschlagswasserentwässerung im Bereich des Geh- und Radweges südlich von MU(5.2) und MU(6) behaupten, hat der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht auf das Entwässerungskonzept hingewiesen. Danach ist in diesem Bereich eine (kontrollierte) Einleitung des gesammelten Wassers in die Regenkanalisation vorgesehen, die Rückhaltung erfolgt in einem unter der Erschließungsstraße zu errichtenden Stauraumkanal. Bei einer Überlastung bei Starkregenereignissen erfolgt die Entlastung in die angrenzenden Grünflächen (vgl. Konzept zur Niederschlagswasserableitung, S. 28). Substantiierte Einwendungen gegen das Konzept zur Niederschlagswasserbeseitigung tragen die Antragstellerinnen nicht vor. Auch in der mündlichen Verhandlung haben sie lediglich pauschal auf „Schwachstellen“ des Entwässerungskonzepts hingewiesen.
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Auf eine mögliche Beeinträchtigung durch ein durch das Plangebiet hervorgerufenes erhöhtes Verkehrsaufkommen in der H.er Straße und eine damit verbundene Verschlechterung der Verkehrssituation für ihre Grundstücke haben die Antragstellerinnen ihre Antragsbefugnis nicht gestützt. Soweit zu ihren Gunsten ein solcher Belang (noch) dem Schriftsatz vom 24. April 2022 entnommen werden kann, fehlt es jedenfalls gegenwärtig an einer Bebauung auf ihren Grundstücken; zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht auch kein Baurecht. Denn die insoweit maßgebliche 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 14a „Tizianstraße/Spitzweg straße“ vom 15. April 1997, die für die Grundstücke der Antragstellerinnen eine Bebauung vorsieht, ist unwirksam, weil es an der erforderlichen Ausfertigung fehlt und die Maßfestsetzungen nur Festsetzungen für die Hauptanlagen enthalten, nicht aber für die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO mitzurechnenden Nebenanlagen. Auch der ursprüngliche Bebauungsplan vom 14. November 1985 ist unwirksam, weil die Bekanntgabe nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm genügt. Denn insoweit fehlt es an einem Hinweis auf die Einsehbarkeit der zugrunde gelegten DIN-Vorschrift 18920 (Schutz von Bäumen und Pflanzbeständen). Unabhängig davon ist der Bebauungsplan aufgrund der von dieser Planung erheblich abweichenden tatsächlichen Bebauung auf den Grundstücken im Plangebiet funktionslos geworden. Nach dem Bebauungsplan und der Darstellung in BayernAtlas ist für den Senat aufgrund der Lage der Grundstücke ohne weiteres nach Aktenlage zu erkennen, dass diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB), sondern zum Außenbereich (§ 35 BauGB) gehören. Danach stellen die Grundstücke der Antragstellerinnen keine Baulücke dar; sie sind vielmehr Teil des sich nach Westen erstreckenden Außenbereichs. Die Grundstücke der Antragstellerinnen werden nicht mehr durch die umliegende Bebauung, sondern von der sich westlich anschließenden Freifläche geprägt. Die bestehenden Nebengebäude am westlichen Rand der Grundstücke haben keine prägende Wirkung für einen Bebauungszusammenhang. Auf den entsprechenden Hinweis des Senats (schriftlich und in der mündlichen Verhandlung) wurden allseits keine Einwände erhoben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.