Inhalt

VGH München, Urteil v. 06.06.2024 – 19 B 23.1149
Titel:

Illegale Rodung eines Schutzwaldes und Wiederaufforstungsverpflichtung

Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1, § 130b S. 1
BayWaldG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 S. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 S. 1 Nr. 1, Abs. 7, Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 S. 1, Art. 41 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 22 S. 2 Nr. 1
InVeKoSV § 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Art. 9 Abs. 2 S. 3 BayWaldG dient dem Schutz der Nutzungsberechtigten von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Die landwirtschaftliche Nutzung soll nicht dadurch unterbunden werden, dass Grundstücke für einen gewissen Zeitraum nicht oder nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden, sodass sich auf natürliche Weise Wald bilden konnte. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Wald Schutzwald iSd Art. 10 Abs. 1 und 2 BayWaldG ist, richtet sich nicht nach den Schutzwaldverzeichnissen (Art. 10 Abs. 3 S. 1 BayWaldG). Vielmehr ist eine Waldfläche iSd Art. 10 BayWaldG kraft Gesetzes Schutzwald. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei dem Ermessen des Art. 41 Abs. 1 S. 1 BayWaldG handelt es sich um ein intendiertes Ermessen. In einem solchen Fall erübrigen sich grundsätzlich eine Abwägung und die nähere Begründung der Ermessensausübung. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Befugnis, eine gesetzliche Verpflichtung im Wege einer Einzelfallanordnung zu konkretisieren und gegenüber dem Normadressaten durchzusetzen, ist eine Art Gestaltungsrecht, das nicht dem allgemeinen Verjährungsrecht unterliegt. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wald, Agroforstliche Nutzung, Alm- bzw. Weidewirtschaft, Grünlandbewirtschaftung, Schutzwald, Waldfunktionskarte, Bodenschutzwald, Wiederaufforstung, Rodung, landwirtschaftliche Nutzung, Rodungserlaubnis, agroforstliche Nutzung, kahlgeschlagene Waldflächen, Vertrauensschutz, Bestimmtheit, Waldfunktionsplan, Feststellungsklage, intendiertes Ermessen
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 10.08.2022 – M 23 K 18.953
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16941

Tenor

I.    Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … … … … … der Gemarkung B. Er betreibt auf diesen Flächen, die auch als „…alm“ bezeichnet werden, Almwirtschaft (Weideviehhaltung). In den Jahren ab 2008 nahm er Hiebmaßnahmen auf diesen Grundstücken vor (insgesamt über 10 ha), ohne hierzu eine Erlaubnis eingeholt bzw. gehabt zu haben. Nachdem der Kläger am 18. Dezember 2009 und 22. September 2011 die nachträgliche Erteilung der Rodungserlaubnis beantragt hatte, erteilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) ... mit Bescheid vom 25. Januar 2018 die nachträgliche Erlaubnis zur Rodung auf einer näher bezeichneten (grün markierten) Teilfläche und lehnte den Antrag im Übrigen ab (Bescheid Ziff. 1 Satz 2; rot markierte Teilfläche). Soweit die Genehmigung erteilt wurde, wurde sie mit Auflagen versehen (Ziff. 2 – Diese sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens). Soweit keine nachträgliche Rodungserlaubnis erteilt wurde, wurde der Kläger zur Wiederaufforstung binnen drei Jahren nach Unanfechtbarkeit des Bescheids verpflichtet (Ziff. 3). Die Kosten des Bescheids setzte das AELF ... auf 250 € fest (Ziff. 4).
2
Das Verwaltungsgericht, dessen Feststellungen im Tatbestand sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO), hat die Klage abgewiesen. Es ist der rechtlichen Bewertung des Beklagten gefolgt, wonach es sich bei den vom Kläger gerodeten Flächen um Wald im Sinne des § 2 Abs. 1 BWaldG, Art. 2 Abs. 1 BayWaldG gehandelt hat, weiter, dass weder Art. 9 Abs. 2 Satz 3 BayWaldG noch die Vorschriften über ausgenommene Flächen nach § 2 Abs. 2 BWaldG einschlägig und die gerodeten Flächen als Schutzwald im Sinne des Art. 10 Abs. 1 BayWaldG zu bewerten sind.
3
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung und beantragt zuletzt,
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I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. August 2022 wird abgeändert.
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II. Der Bescheid des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen vom 25. Januar 2018 wird insoweit aufgehoben, als der Antrag des Klägers auf Rodungserlaubnis abgelehnt wurde. Ferner werden die Ziffern 3. und 4. des Bescheids aufgehoben.
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III. Es wird festgestellt, dass der Kläger für die seit dem Jahr 2008 durchgeführten Rodungsmaßnahmen auf den Flächen, die in dem Lageplan, Anlage K7, blau [entspricht der im Bescheid grün markierten Teilfläche] und rot hinterlegt eingezeichnet sind, keiner Rodungserlaubnis nach Art. 9 Abs. 2 BayWaldG bedarf.
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IV. Hilfsweise: Der Bescheid des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen vom 25. Januar 2018 wird, soweit die Rodungserlaubnis versagt wurde, aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die vom Kläger beantragte Rodungserlaubnis, soweit sie abgelehnt wurde, nachträglich zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
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Die Anfechtungsklage (Ziff. II. des Klageantrags) hat keinen Erfolg (A.). Der Feststellungsantrag ist aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO bereits unzulässig (B.) Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet (C.).
A.
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Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Ablehnung der Rodungserlaubnis gerichtete Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Die Anfechtungsklage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
15
1. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft. Soweit der Antrag auf Erlaubnis der Rodung abgelehnt worden ist, ist vorliegend anstelle der eigentlich gesetzlich gebotenen Verpflichtungsklage ausnahmsweise die isolierte Anfechtungsklage zulässig, die allein auf Aufhebung der Versagung der Rodungserlaubnis gerichtet ist. Dem Kläger fehlt nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da er den Bescheid (letztlich) mit der Begründung angreift, das Vorhaben sei nicht genehmigungsbedürftig (vgl. Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 113 VwGO Rn. 198; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 113 VwGO, Rn. 198; Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 42 Rn. 30).
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2. Die (isolierte) Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung der Rodungserlaubnis, die Anordnung der Wiederaufforstung sowie die Kostenentscheidung sind jeweils rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.1 Der Kläger kann nicht mit der Argumentation durchdringen, die streitgegenständliche Fläche sei kein Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes, weshalb die Rodung nicht erlaubnispflichtig nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG sei. Die streitgegenständlichen Flächen sind weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG (2.1.1) noch nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BWaldG (2.1.2) vom Waldbegriff ausgenommen.
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Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BWaldG jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten nach Satz 2 dieser Bestimmung aber auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen.
19
2.1.1 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG sind „Flächen mit Baumbestand, die gleichzeitig dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen (agroforstliche Nutzung)“ kein Wald im Sinne des Waldgesetzes.
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Grund für die mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl I S. 1050) eingefügte einengende Regelung zur Generalklausel des § 2 Abs. 1 Satz 1 BWaldG war ausweislich der Gesetzesbegründung, dass in Deutschland in dieser Zeit vermehrt über Agroforstsysteme diskutiert worden war. Dem Bundesgesetzgeber war es offensichtlich ein Anliegen, die (zukünftige) Schaffung solcher Systeme mit der Ausnahmevorschrift zu erfassen, was auch aus der Gesetzesbegründung deutlich wird, wenn davon die Rede ist, es gehe „ausschließlich um die Schaffung solcher Systeme auf bisher landwirtschaftlichen Flächen“ (BT-Drs. 17/1220 S. 6). Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG ergibt sich indes nicht, dass sich die Bestimmung nur auf zukünftige agroforstliche Nutzungen erstrecken sollte und „Altnutzungen“ hiervon nicht profitieren sollten.
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Die vom Kläger auf der „…alm“ betriebene silvopastorale Nutzung (Bäume mit Tierhaltung bzw. einer Grünlandbewirtschaftung; vgl. LfL-Information, Agroforstsysteme in Bayern, März 2023, S. 6, abrufbar unter www.lfl.bayern.de/publikationen/informationen/326145/index.php, zuletzt besucht am 6.6.2024) ist nicht von § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG erfasst. Selbst wenn man akzeptieren wollte, dass die vom Kläger betriebene Grünlandbewirtschaftung (Optimierung der Waldweide) Anbau im Sinne der Bestimmung wäre (vgl. dazu auch Endres in ders. BWaldG, 2. Aufl. 2022, § 2 Rn. 14: Minimum an aktiven Bewirtschaftungsmaßnahmen ist ausreichend), bliebe es dabei, dass die dann agrosilvopastorale Nutzung nicht von der Bestimmung erfasst wäre.
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Im Einzelnen dazu:
23
In der Literatur (z.B. Thomas in ders., Bundeswaldgesetz, PdK Bu D-5, 5. Fassg. 2023, § 2 Anm. 7.2; Endres a.a.O.) sowie von staatlicher Seite (der Kläger verweist u.a. auf Veröffentlichungen von bayerischen und baden-württembergischen Forstverwaltungen) werden unter agroforstlicher Nutzung allgemein silvoarable (Bäume mit einjährigen landwirtschaftlichen Kulturen), silvopastorale (Bäume mit Tierhaltung bzw. einer Grünlandbewirtschaftung) und agrosilvopastorale Systeme (Bäume mit landwirtschaftlichen Kulturen und Tierhaltung bzw. einer Grünlandbewirtschaftung; zu den Definitionen vgl. jeweils LfL-Informationen a.a.O.) verstanden.
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Der Bundesgesetzgeber wollte in § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG aber ersichtlich ausschließlich Flächen mit Baumbestand, die gleichzeitig dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen (also silvoarable Nutzung) vom Waldbegriff ausnehmen, was durch den Langtext vor dem Klammerzusatz deutlich wird. Methodentechnisch hat der Bundesgesetzgeber mit der Legaldefinition per Klammerzusatz die Bedeutung des Begriffs „agroforstliche Nutzung“ für das Bundeswaldgesetz verbindlich festgeschrieben und damit Rechtssicherheit für den Normanwender geschaffen. Dies hat zur Folge, dass eigenständige Bestimmungsversuche (hier durch den Kläger) unter Bezugnahme auf ein allgemeines land- und forstwirtschaftliches Verständnis dieses Begriffes auszuscheiden haben. Es ist ausschließlich die juristische Definition des Bundesgesetzgebers bei der Gesetzesauslegung und -anwendung zu beachten.
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Für die Annahme, dass der Bundesgesetzgeber nicht alle denkbaren agroforstlichen Nutzungen, sondern nur die Unterart der silvopastoralen Nutzung erfassen wollte, finden sich auch Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien. So wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt angemahnt, man müsse auch die Almwirtschaft vom Waldbegriff ausnehmen (vgl. z.B. die vom Kläger angeführte Erklärung der CDU-CSU-Fraktion im Rahmen der Ausschussberatungen und -empfehlungen <BT-Drs. 17/2184, S. 7>). Gleichwohl blieb es, wie die Antwort der damaligen Parlamentarischen Staatssekretärin Julia Klöckner vom 19. Mai 2010 zur einer Anfrage einer Abgeordneten zur „forstlichen Nutzung und Tierhaltung (silvopastorale Systeme; beispielsweise in der Almwirtschaft)“ zeigt, zunächst dabei, dass lediglich die Flächen mit Baumbestand und gleichzeitigem Anbau landwirtschaftlicher Produkte vom Waldbegriff ausgenommen werden sollten und der Gesetzesentwurf darüber hinaus keine weiteren Ausnahmen vorsieht (BT-Drs. 17/1812, S. 39).
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Charakteristisch für agroforstliche genutzte Flächen im Sinne des Bundeswaldgesetzes ist also das Nebeneinander von Forstpflanzen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen auf derselben Bewirtschaftungseinheit (Lückemeier in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, § 2 BWaldG Rn. 7). Der Kläger nutzt die streitgegenständlichen Flächen nicht in diesem Sinne.
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2.1.2 Erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 16. Juni 2010 (BT-Drs. 17/2184, S. 3) wurden mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 BWaldG landwirtschaftlich genutzte Flächen, wie die des Klägers, als weitere Ausnahmevorschrift aufgenommen. Diese „Nachbesserung“ diente dem Ziel, Almen aus dem Waldbegriff herauszunehmen und ihre Bewirtschaftung dauerhaft zu ermöglichen [vgl. Plenarprotokoll 17/49, S. 5160 (B); BT-Drs. 17/2184, S. 9]. Die Almwirtschaften (Grünland- oder Weidebewirtschaftung) fallen damit dem Grundsatz nach unter die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 BWaldG.
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Nach dieser Bestimmung sind kein Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes mit Forstpflanzen bestockte Flächen, die am 6. August 2010 in dem in § 3 Satz 1 der InVeKoS-Verordnung vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3194), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 7. Mai 2010 (eBAnz AT51 2010 V1) geändert worden ist, bezeichneten Flächenidentifizierungssystem als landwirtschaftliche Flächen erfasst sind, solange deren landwirtschaftliche Nutzung andauert. Das sind vor allem die althergebrachten, licht bestockten Almwirtschaften im Alpengebiet sowie die übrigen Bergwirtschaften in anderen Mittelgebirgsregionen (siehe § 7 Abs. 2 Buchst. e InVeKoS-Verordnung, Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 73/2009). Primärer Zweck der Bestimmung ist, die zum Stichtag genutzten landwirtschaftlichen Flächen vom Anwendungsbereich des Bundeswaldgesetzes auszuschließen, um diese „althergebrachten“ Bewirtschaftungssysteme den agroforstlichen Nutzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG gleichzustellen und Rechtssicherheit dahingehend herbeizuführen, welche Flächen als Wald und welche als landwirtschaftliche Fläche gelten (Endres, BWaldG, 2. Aufl. 2022, § 2 Rn. 15; vgl. auch Lückemeier in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, § 2 BWaldG Rn. 7).
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Inhaltlich setzt die Regelung voraus, dass die betroffenen Flächen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle am 6. August 2010 im Flächenidentifizierungssystem nach § 3 Abs. 1 der InVeKoS-Verordnung als landwirtschaftliche Fläche erfasst sein mussten. Das war vorliegend nicht der Fall, da die streitgegenständlichen Flächen im Flächenidentifikationssystem mit der Schlüsselzahl „990“ und damit als vorübergehend nichtlandwirtschaftlich genutzte Fläche gekennzeichnet waren, was darauf zurückzuführen war, dass die Flächen aufgrund eines Beschirmungsgrads von mehr als 40 v.H. nicht landwirtschaftlich genutzt werden konnten (keine ausreichende Beweidung des Grasaufwuchses). Allein der Umstand, dass die fraglichen Flächen zum gesetzlich festgelegten Stichtag im Flächenidentifikationssystem enthalten waren, ist nicht ausreichend, da in der gesetzlichen Bestimmung ausdrücklich davon die Rede ist, dass sie in dem System als landwirtschaftliche Flächen erfasst sind.
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2.1.3 Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beseitigung des Waldes gelte nicht als Rodung. Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 3 BayWaldG gilt die Beseitigung von Wald, der auf natürliche Weise auf bisher anderweitig genutzten Flächen entstanden ist, nicht als Rodung, solang und soweit der Bestand sich noch nicht geschlossen hat. Die Bestimmung dient dem Schutz der Nutzungsberechtigten von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Die landwirtschaftliche Nutzung soll nicht dadurch unterbunden werden, dass Grundstücke für einen gewissen Zeitraum nicht oder nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden, sodass sich auf natürliche Weise Wald bilden konnte.
31
Die Geschlossenheit des Bestands wird in erster Linie von der Bestandsdichte (Bestockungsgrad) bestimmt. Ein geschlossener Bestand im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Satz 3 BayWaldG liegt vor, wenn sich wenigstens auf Teilflächen die Waldbäume gegenseitig berühren oder ineinandergreifen, wenn auf der gesamten in Frage kommenden Fläche mindestens ein Bestockungsgrad von 0,5 erreicht ist und wenn ein wesentlicher Teil der Waldbäume eine Höhe von etwa einem Meter erreicht hat. Ein geschlossener Bestand in diesem Sinne braucht also noch nicht eine Dickung im waldbaulichen Sinne zu sein (Geiger/Michl in PdK Bay D-5, Stand: Mai 2022, Anm. 2.3.1).
32
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor. Zum Zeitpunkt der klägerischen Hiebmaßnahmen bestand flächiger Wald im Sinne des § 2 Abs. 1 BWaldG und Art. 2 Abs. 1 BayWaldG. Die Luftbilder, u.a. aus dem Jahr 2003, also vor den Hiebmaßnahmen, zeigen in der Gesamtheit der Fläche einen dicht bestandenen Waldbesatz. Lediglich im südlichen Bereich sind lichtere Stellen zu erkennen. Dass die Hiebmaßnahmen zumindest in weit überwiegenden Teilen in (dichten) Waldbesatz vorgenommen worden sind, wurde auch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Augenscheins vom 1. August 2019 bestätigt, da dort eine Vielzahl von Wurzelstöcken alten Baumbestands mit teils erheblichem Umfang vorgefunden wurden. Der hierzu in der mündlichen Verhandlung von FD K. gegenüber dem Senat getroffenen Aussage, der Wald habe vor der Rodung einen Beschirmungsgrad von mindestens 0,7 gehabt, wurde von der Klägerseite nicht widersprochen.
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2.1.4 Die somit notwendige Erlaubnis zur Rodung nach Art. 9 Abs. 4 Nr. 1 BayWaldG wurde zu Recht versagt.
34
Nach dieser Bestimmung ist die Erlaubnis zu versagen, wenn es sich u.a. um Schutzwald (Art. 10 BayWaldG) handelt. Ob ein Wald Schutzwald im Sinne des Art. 10 Abs. 1 und 2 BayWaldG ist, richtet sich nicht nach den Schutzwaldverzeichnissen (Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG), da letztere insoweit allein deklaratorischen Charakter haben. Vielmehr ist eine Waldfläche im Sinne des Art. 10 BayWaldG kraft Gesetzes Schutzwald (BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 252).
35
Die streitgegenständlichen Waldflächen (im Bescheid vom 25.1.2018 rot markiert) sind Schutzwaldflächen.
36
Dies ergibt sich aus den vom Beklagten während des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024 nach Aufforderung des Senats in digitaler Form vorgelegten Schutzwaldhinweiskarte mit zugehörigem Datenblatt. Dort wird u.a. auf die vom Landesamt für Umwelt erstellte Gefahrenhinweiskarte (Steinschlag/Blockschlag ohne Walddämpfung/Felssturz und Steinschlag/Blockschlag mit Walddämpfung) hingewiesen, die unter www.umweltatlas.bayern.de abgerufen werden kann.
37
Die Schutzwaldverzeichnisse liegen derzeit bei den jeweils zuständigen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nur in analoger Form vor. Zudem stammt die kartenmäßige Darstellung des Schutzwaldes in den Bayerischen Alpen bereits aus den 1980er Jahren (vgl. Binder/Macher/Müller, Dem Schutzwald auf der Spur, LWF aktuell 120, abrufbar unter https://www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/schutzwaldmanagement/211372/index.php, zuletzt abgerufen am 6.6.2024). Die maßgeblichen Kriterien für die Eigenschaft von Schutzwald fanden sich seinerzeit und auch noch heute in der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März 1977 (F 4-FG 100 c-326; LMBl 1977, 101). Danach ist Wald auf Steilhängen und größeren Steilstufen mit einer mittleren Neigung ab 35° Schutzwald (Ziff. II.2.1), in schneereichen Lagen wird dieser Wert auf 30° abgesenkt (Ziff. II.2.4.2), in Lagen, die zu Humusschwund neigen, auf 25° (Ziff. II.2.3.2).
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Die in Papierform vorliegenden amtlichen Schutzwaldkarten wurden überarbeitet und liegen nunmehr in digitaler Form (Schutzwaldhinweiskarte) vor. Hierfür wurden die Schutzwaldflächen mittels eines Geoinformationssystems (GIS) ermittelt. Wichtigste Grundlagen für die Modellierung war das digitale Geländemodell, aus dem Basisdaten wie Geländeneigung, Höhenlage und Hangrichtung direkt abgeleitet werden konnten, sowie die bereits erwähnte Gefahrenhinweiskarte Bayerische Alpen, welche geogene Gefährdungen wie Rutschungen und Steinschläge darstellt (siehe das Ablaufschema zur Erstellung der Schutzwaldhinweiskarte, https://www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/schutzwaldmanagement/211372/index.php, S. 12, zuletzt abgerufen am 6.6.2024). Der Vorteil liegt auf der Hand, da die GISbasierte Ableitung des Schutzwaldes aufgrund des digitalen Kartenmaterials eine höhere Exaktheit aufweist. Aus diesem Grund sind die streitgegenständlichen Flächen nunmehr – anders als noch in den 80er Jahren – bei gleichen Kriterien als Schutzwald erfasst worden. Die GISbasierte Ableitung wurde vorliegend zur Sicherheit vor Ort verifiziert, wobei die topografischen Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt worden sind. Zwar weise das Gelände Mulden und Absätze auf. Entgegen der Auffassung des Klägers mildere das aber nicht die Lawinen- und Steinschlaggefahr, weil das Gelände lange Hangabschnitte mit teilweise 200 Metern aufweise und das herabfallende Material eine so große Geschwindigkeit gewinnen könne, dass die Mulden und Absätze dieses nicht entscheidend bremsen könnten (vgl. Protokoll der mV vom 5.6.2024, S. 2). Insgesamt ist die hier festgestellte Schutzwald-Eigenschaft der streitgegenständlichen Flächen aufgrund der GISbasierten Schutzwaldhinweiskarte, die zudem vor Ort verifiziert worden ist, für den Senat nachvollziehbar und eine ausreichende Basis zur Urteilsfindung. Zur Überzeugung des Senats ist davon auszugehen, dass die gerodeten (rot markierten) Flächen Schutzwald-Eigenschaft im Sinne des Art. 10 BayWaldG haben. Weitere Ermittlungen zur Schutzwaldqualität der streitgegenständlichen Flächen waren nicht angezeigt.
39
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag des Klägers in Bezug auf die Schutzwald-Eigenschaft der rot markierten Flächen war aus den im Sitzungsprotokoll genannten Gründen nicht zu entsprechen. Ferner ist dazu das Folgende auszuführen: Der Behauptung des Klägers, die Grundstücke im Bereich der streitgegenständlichen Hiebmaßnahmen neigten nicht zur Bodenverkarstung, seien nicht stark erosionsgefährdet und dienten nicht dazu, Lawinen, Felsstürzen, Steinschlägen, Erdabrutschungen, Hochwasser, Überflutungen, Bodenverwehungen oder ähnlichen Gefahren vorzubeugen oder die Flussufer zu erhalten bzw. benachbarte Waldbestände vor Sturmschäden zu schützen und wiesen eine Hangneigung von unter 30° mit Mulden und Absätzen auf, ist eine durch nichts belegte Vermutung, der die GISbasierte Schutzwaldhinweiskarte entgegensteht. Der Kläger hätte sich daher mit der Schutzwaldhinweiskarte substantiiert auseinandersetzen und greifbare Anhaltspunkte für seine Vermutung nennen müssen. Mangels entsprechenden klägerischen Vortrags musste der Senat der Behauptung daher nicht weiter nachgehen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 57).
40
2.1.5 Der Einwand des Klägers, er habe die streitgegenständlichen Maßnahmen im Vertrauen darauf vorgenommen, dass die fraglichen Flächen zum Zeitpunkt der Hiebmaßnahmen nicht im (analogen) Schutzwaldverzeichnis eingetragen waren, verfängt nicht.
41
Vertrauensschutz soll ein Vertrauen schützen, das sich auf den unveränderten Fortbestand einer geltenden Rechtslage bezieht. Eine geltende Rechtslage wird nicht nur allgemeingültig durch Normen – durch Gesetze, Verordnungen oder Satzungen –, sondern auch im Einzelfall durch Verwaltungsakt definiert. Einen Vertrauensschutz auf Beibehaltung einer bestimmten behördlichen Einschätzung der Schutzwald-Eigenschaft gibt es jedoch nicht, da das Schutzwaldverzeichnis (welches für den Bürger derzeit allein in analoger Fassung der 80er Jahre – ggf. nicht mehr aktuell – einsehbar ist, was einer transparenten Verwaltung nicht zuträglich ist) nach der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich ihrer Rechtsverbindlichkeit nur deklaratorischen Charakter hat (BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 252).
42
Aber selbst wenn man dem Kläger ein entsprechendes Vertrauen zubilligen wollte, könnte er sich nicht darauf berufen, weil er es unterlassen hat, die erforderliche Erlaubnis (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG) zu beantragen. Bei einem entsprechenden Antrag hätte in einem Verwaltungsverfahren inzident geprüft worden können, ob die zu rodenden Flächen Schutzwaldqualität haben oder nicht. Dass mangels Antrags (vgl. Art. 22 Satz 2 Nr. 1 BayVwVfG) kein Verwaltungsverfahren durchgeführt werden konnte, muss sich der Kläger als eigenes Verschulden zuschreiben lassen. Er hat sich dadurch dem Risiko einer Fehleinschätzung ausgesetzt, das sich auch realisiert hat.
43
Der Kläger hat im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren wiederholt eine an Willkür grenzenden Vorgehensweise der Forstbehörde thematisiert, die ein Genehmigungsverfahren über Jahre in die Länge gezogen habe, um dann mit aktualisierten Karten und „neuen Erkenntnissen“ den Schutzwald beliebig zu Lasten des betroffenen Grundeigentümers auszuweiten. Das ist unsachlich und liegt neben der Sache. Anhaltspunkte für eine unsachliche Vorgehensweise oder gar behördliche Willkür vermag der Senat im vorliegenden Verfahren nicht ansatzweise zu erkennen. Der Beklagte war aufgrund der technischen Entwicklung, insbesondere der Digitalisierung schlicht in der Lage bessere bzw. präzisere Erkenntnisse beispielsweise über die Geländenivellierung zu gewinnen und damit eine belastbarere (wenngleich für den Kläger ungünstigere) Beurteilung der Schutzwald-Eigenschaft vorzunehmen.
44
Die Versagung der Rodungserlaubnis ist auch nicht wegen der Länge des Verwaltungsverfahrens (10 Jahre) zu beanstanden, da anders als bei der Eingriffsverwaltung keine Verwirkung eintreten kann.
45
2.1.6 Die Frage, ob die Erlaubnis zur Rodung ausnahmsweise erteilt werden kann (Art. 9 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 BayWaldG) wird unter C. (Hilfsweise Verpflichtungsklage) erörtert.
46
2.2 Die Wiederaufforstungsanordnung in Ziff. 3 des Bescheids ist in rechtsfehlerfreier Ausübung des dem Beklagten eingeräumten Ermessens erfolgt und verletzt den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten.
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2.2.1 Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG sind kahlgeschlagene oder infolge Schadenseintritts unbestockte Waldflächen innerhalb von drei Jahren wieder aufzuforsten. Kommt der Waldbesitzer dem nicht nach, kann die Behörde ihn dazu mittels vollziehbarem Verwaltungsakt nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG anhalten. Die Befugnis der Behörde, die gesetzliche Wiederaufforstungspflicht mittels Verwaltungsakt durchzusetzen, aktualisiert sich regelmäßig grundsätzlich erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Kahlschlag. Erst wenn der Waldbesitzer innerhalb der Dreijahresfrist seiner bereits kraft Gesetzes bestehenden Wiederaufforstungsverpflichtung nicht nachkommt, kann die Behörde tätig werden.
48
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der „kann“-Regelung des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG lediglich um die Eröffnung einer Befugnis für die Behörde im Bereich der gebundenen Verwaltung handelt, oder ob der Behörde – was im Falle einer fehlenden Rodungserlaubnis bzw. eines fehlenden Anspruchs auf Erteilung einer Rodungserlaubnis aufgrund der bestehenden Wiederaufforstungspflicht jedenfalls im Hinblick auf das Entschließungsermessen wohl eher fernliegt – tatsächlich ein Ermessen hinsichtlich der verwaltungsmäßigen Durchsetzung zusteht, da sich der sowieso nur eingeschränkt zu prüfende (§ 114 VwGO) Ermessensspielraum lediglich auf die Anordnung selbst, nicht jedoch auf den zugrundeliegenden Tatbestand der dem Waldbesitzer obliegenden Verpflichtung bzw. deren Nichterfüllung bezieht (BayVGH. B.v. 11.3.2023 – 19 ZB 22.2653 – juris Rn. 15).
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2.2.2 Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine mögliche Anordnung offensichtlich erfüllt: Bei den streitgegenständlichen Flächen handelte es sich vor der Rodung tatsächlich und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt rechtlich um Wald i.S. Art. 2 Abs. 1 BayWaldG (s.o.).
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2.2.3 Auf der Rechtsfolgenseite hat das AELF ... ermessensfehlerfrei gehandelt. Die Entscheidung über die Wiederaufforstung ist im Hinblick auf die gesetzliche Regelung in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG in einer Weise vorgeprägt, dass in der Regel von der dort geregelten Pflicht zur Wiederaufforstung auszugehen ist, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut „sind … wieder aufzuforsten“ zu entnehmen ist. Bei dem Ermessen des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG handelt es sich somit um ein intendiertes Ermessen. In einem solchen Fall erübrigen sich grundsätzlich eine Abwägung und die nähere Begründung der Ermessensausübung. Die Behörde hat das Für und Wieder nur dann abzuwägen, wenn in dem zu würdigenden Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für eine Ausnahme bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1985 – 8 C 22.83 – juris Rn. 22 f.). Besondere Gründe, die ein Absehen von der Regel begründen (sog. atypischer Ausnahmefall), liegen nicht vor. Der Beklagte hat das „Erforderliche“ i.S. des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG angeordnet, da dem völligen Kahlschlag bzw. der Rodung auf dem klägerischen Grundstück nicht anders als durch die vom Gesetz vorgesehene Wiederaufforstung begegnet werden kann.
51
Schließlich ist die Wiederaufforstung auch hinreichend bestimmt. Da das Ziel der Wiederaufforstung die Bestockung der Grundfläche ist, ist es ausreichend, dass der Beklagte dem Kläger lediglich eine Wiederaufforstung aufgegeben hat. Der Kläger ist – mangels konkreter Festlegung im Bescheid – im Hinblick auf die Wahl der Baumarten im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayWaldG frei. Da keine Vorgaben hinsichtlich der Baumart gemacht wurden, sind Ausführungen zur von der jeweiligen Baumart abhängigen Dichte der Bepflanzung entbehrlich. Die Wiederaufforstung muss (lediglich) sachgemäßer Waldbewirtschaftung genügen, was insbesondere eine von der Baumart abhängige Mindestpflanzenzahl beinhaltet (BayVGH, B.v. 11.3.2023 a.a.O. Rn. 17). Gleichwohl wäre wünschenswert, wenn das zuständige Forstamt den Kläger (sollte er ein entsprechendes Bedürfnis äußern) bei der Auswahl geeigneter Pflanzen berät und die Wiederaufforstung in fachlicher Hinsicht begleitet.
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2.2.4 Die Befugnis des Beklagten, die Wiederaufforstung anzuordnen, ist auch nicht verwirkt. Die Befugnis der Behörde, die gesetzliche Wiederaufforstungspflicht mittels Verwaltungsakt durchzusetzen, aktualisiert sich erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Kahlschlag. Erst wenn der Waldbesitzer innerhalb der Dreijahresfrist seiner bereits kraft Gesetzes bestehenden Wiederaufforstungsverpflichtung nicht nachkommt, kann die Behörde tätig werden. Eine Verwirkung kommt also allenfalls erst nach Verstreichen eines längeren Zeitraums seit Verstreichen der gesetzlichen Dreijahresfrist in Frage. Hinzutreten müssen für den Tatbestand einer Verwirkung zum Zeitmoment außerdem besondere Umstände, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben zu bewerten ist.
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Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Mit dem Kahlschlag im Jahr 2008 begann die gesetzliche Dreijahresfrist zur Wiederaufforstung durch den Kläger zu laufen. Nachdem diese Frist im Jahr 2011 abgelaufen ist, hat der Beklagte im Anschluss daran ein Verfahren mit dem Ziel der Anordnung der Wiederaufforstung begonnen, was wegen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zunächst „ruhte“. Nachdem das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Kläger wegen unerlaubter Rodung am 15. Juni 2015 wegen Verjährung eingestellt wurde, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das waldrechtlicher Verfahren fortgeführt werde. Da die streitgegenständlichen Flächen im SPA Gebiet DE 83336-471 „Mangfallgebirge“ liegen, erfolgte zunächst eine Verträglichkeitsabschätzung, die unter dem 9. Mai 2016 eine erhebliche Beeinträchtigung nicht ausschließen konnte. Laut einer vom Kläger im Auftrag gegebenen Verträglichkeitsstudie vom 30. Juni 2017 konnte dann aber eine erhebliche Beeinträchtigung für alle untersuchten Schutzgüter des SPA-Gebietes „Mangfallgebirge“ ausgeschlossen werden, solange der Restschirm langfristig erhalten bleibt (Schadensminimierungsmaßnahme). In der Folge erging dann der streitgegenständliche Bescheid. Diese Anläufe zeigen, dass zwar ein längerer Zeitraum verstrichen ist, das Verfahren aber kontinuierlich betrieben worden ist.
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Darüber hinaus liegen keine besonderen Umstände vor, die es dem Beklagten nach Treu und Glauben verwehren würden, die Wiederaufforstung geltend zu machen. Der Kläger konnte nach ersten Gesprächen bereits im Jahr 2011, der wiederholten Anforderung aussagekräftigen Materials zum Umfang der gerodeten Flächen, dem Ordnungswidrigkeitenverfahren und der Verträglichkeitsuntersuchung im Zusammenhang mit dem SPA-Gebiet „Mangfallgebirge“ kein Vertrauen dahin aufbauen, dass die Anordnung der Wiederaufforstung, die zudem gesetzlich vorgeschrieben ist, unterbleibt.
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2.2.5 Die Anordnung der Wiederaufforstung ist auch nicht verjährt. Die Befugnis, eine gesetzliche Verpflichtung im Wege einer Einzelfallanordnung zu konkretisieren und gegenüber dem Normadressaten durchzusetzen, ist eine Art Gestaltungsrecht, das nicht dem allgemeinen Verjährungsrecht unterliegt (BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 4 ZB 17.836 – juris Rn. 19).
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2.2.6 Die Wiederaufforstung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Sie verstößt trotz der in ihr gelegenen Einschränkung der Verfügungsgewalt des Klägers über sein Eigentum nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Der Gesetzgeber hat die Abwägung zwischen den Grundrechten der betroffenen Waldbesitzer und dem Interesse der Allgemeinheit am Erhalt des Waldes und seiner Funktionalität durch die Statuierung einer gesetzlichen Wiederaufforstungspflicht als „forstrechtlicher Grundnorm“ (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Fortrecht in Bayern, Stand: Nov. 2021, Art. 15 Rn. 1) bereits grundsätzlich zugunsten des Allgemeininteresses vorweggenommen.
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2.2.7 Die Wiederaufforstungsanordnung ist auch nicht vor dem Hintergrund einer Kostenbelastung des Klägers mit etwa 20.000 € für die Wiederaufforstung unverhältnismäßig. Der hohe Betrag ist Ausdruck der erheblichen Größe der kahlgeschlagenen Fläche (über 10 ha). Der Kläger ist durch den aus eigenem Antrieb vorgenommenen Kahlschlag selbst für diese vergleichsweise hohe Kostenbelastung verantwortlich. Er musste damit rechnen, dass spätestens mit Ablauf der gesetzlichen Wiederaufforstungsfrist Kosten für die Wiederaufforstung auf ihn zukommen. Auch hat der Beklagte davon Abstand genommen, bestimmte Vorgaben bezüglich Art und Dichte der Bepflanzung zu machen. Gegen die vom Beklagten vorgenommene Ermessensbetätigung ist mithin auch vor dem Hintergrund des Eigentumsgrundrechts des Klägers aus Art. 14 GG nichts zu erinnern, § 114 Satz 1 VwGO.
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3. Die Kostenentscheidung in Ziff. 4 des Bescheids vom 25. Januar 2018 begegnet keinen Bedenken.
59
Rechtsgrundlage der Kostenfestsetzung sind die Bestimmungen des Kostengesetzes. Danach erhebt die Behörde für ihre Amtshandlungen Gebühren und Auslagen (Kosten) nach den näheren Bestimmungen des KG und seines Kostenverzeichnisses. Kostenschuldner ist derjenige, der die Amtshandlung veranlasst hat. Die Anwendung der Bestimmungen des Kostengesetzes durch den Beklagten begegnet weder dem Grunde noch der Höhe nach irgendwelchen Bedenken. Ob für die Rechtmäßigkeit der Kostenfestsetzung daneben auch zu fordern ist, dass die Hauptsacheentscheidung des Bescheides rechtmäßig zu sein habe, ggf. welche Prüfungsintensität insoweit anzuwenden ist und ob sedes materiae dieser Prüfung Art. 16 Abs. 5 KG ist („Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären… werden nicht erhoben“) kann dahinstehen. Denn die Hauptsacheentscheidung ist rechtmäßig (s.o.).
B.
60
Die Feststellungsklage des Klägers ist unzulässig. Sie ist gegenüber der zeitgleich erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär und damit nicht statthaft.
C.
61
Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Rodungserlaubnis ist zulässig. Sie ist aber unbegründet, weil der Kläger auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Rodungserlaubnis hat. Auf die Ausführungen unter A. wird vollumfänglich verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
62
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Schutzwaldrodungserlaubnis gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und 2, 6 Satz 1 Nr. 1 BayWaldG. Danach ist die Rodungserlaubnis im Schutzwald zu erteilen, sofern Nachteile für die Schutzfunktion des Waldes nicht zu befürchten sind.
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Tragendes Leitprinzip des Gesetzgebers bei Erlass des Bayerischen Waldgesetzes war die Erhaltung des Waldes und seiner Funktionen (LT-Drs. 7/6654 S. 1, S. 19 ff.). Die ausschließlich am Allgemeinwohl orientierten Regelungen des Art. 9 BayWaldG lassen das Bemühen des Gesetzgebers um einen bestmöglichen Schutz des Waldes erkennen, wobei die gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung und privaten Interessen eines Waldbesitzers durch die abgestuften und differenzierten Regelungen weitgehend bereits vorgenommen und den Behörden entzogen ist (LT-Drs. 7/6654 S. 19). Die Vorschrift enthält nicht nur die Versagungsvoraussetzungen hinsichtlich der Rodung von Schutzwald (Art. 9 Abs. 4 BayWaldG), sondern auch die Voraussetzungen, unter denen die Rodungserlaubnis ausnahmsweise zu erteilen ist (Art. 9 Abs. 6 und 7 BayWaldG).
64
Die Ausnahmeregelung in Art. 9 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BayWaldG ist zum Schutz des Waldes sehr beschränkt und eng umgrenzt (LT-Drs. 7/6654 S. 19). Wann Nachteile für die Schutzfunktion des Waldes zu befürchten sind, muss anhand der jeweiligen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, insbesondere im Hinblick auf die jeweilige Schutzfunktion des Waldes, die Größe und die beabsichtigte Verwendung der gerodeten Fläche (BayVGH, B.v. 18.7.2019 – 19 ZB 15.2409 – juris Rn. 10).
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Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, die betroffenen Waldflächen dienten gemäß der Gefahrenhinweiskarte des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und dem Waldfunktionsplan der Bayerischen Forstverwaltung dem Schutz vor Steinschlag und Lawinen sowie dem Bodenschutz. Für diese Schutzfunktionen ergäben sich nach einer Rodung in der vorliegenden Größenordnung (Gesamtfläche deutlich über 10 ha; Hanglängen über 100 m, meist sogar über 200 m) erhebliche Nachteile, da auf solchen plötzlich baumfreien oder nur licht bestockten Flächen Steine, Schneerutschungen und auch die Erosion – insbesondere bei Starkniederschlägen – kaum noch gebremst würden und diese Effekte deutlich höher seien als bei bewaldeten Flächen. Auch verlaufe die Rodung in Hangrichtung, was sich nachteilig auf die Schutzfunktion auswirke. Der über den Rodungsflächen verbleibende Schutzwald reiche für einen wirksamen Schutz der betroffenen Flächen nicht aus.
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Der Senat folgt dieser Einschätzung. Schon und vor allem aufgrund der im Augenschein vom Verwaltungsgericht festgestellten Massivität und Großflächigkeit der Hiebmaßnahmen ist die Vorbeugung einer Gefährdung der vorbezeichneten Schutzzwecke vor dem Hintergrund der Geländeformation und deren Steilheit im Sinne des Art. 9 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BayWaldG ohne Weiteres nachvollziehbar. Unerheblich für diese Einschätzung ist, ob potentiell „nur“ das Privateigentum des Klägers betroffen wäre.
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2. Die Rodung widerspricht auch Plänen im Sinn des Art. 6 BayWaldG (Art. 9 Abs. 5 Nr. 1 BayWaldG).
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Widerspricht die Rodung einem Plan im Sinn des Art. 6 BayWaldG, so soll die Erlaubnis versagt werden. Als derartiger Plan kommt hier der Waldfunktionsplan für die Region Oberland als forstlicher Rahmenplan in Betracht. Wenngleich dieser forstliche Fachplan verbindliche Vorgaben grundsätzlich nur für die öffentliche Hand trifft, sind über die gesetzliche Regelung im Bayerischen Waldgesetz auch private Waldbesitzer von den Planvorgaben und -zielen unmittelbar betroffen. Zwar stellen Waldfunktionspläne keine Fachpläne im Sinne der Raumordnung und Landesplanung dar; sie dienen jedoch als entscheidende Grundlage zur Beurteilung von dem Wald betreffenden Vorhaben und Planungen (BayVGH, B.v. 17.2.2022 – 19 ZB 21.2767 – juris Rn. 19 m.w.N.).
69
Der genannte Waldfunktionsplan, an dessen Wirksamkeit keine Zweifel ersichtlich sind, kartiert die streitgegenständlichen Flächen (im Bescheid vom 25.1.2018 rot markiert) sowohl als Lawinenschutz- als auch als Bodenschutzwald.
70
Während bei der Rodung von Schutzwald nicht nur – in Art. 9 Abs. 4 BayWaldG – die Versagungsvoraussetzungen bestimmt sind, sondern – in Art. 9 Abs. 6 und 7 BayWaldG – auch die Voraussetzungen, unter denen die Rodungserlaubnis ausnahmsweise zu erteilen ist, ist die Ausübung des durch Art. 9 Abs. 5 BayWaldG eingeräumten „Versagungsermessens“ zwar nicht näher geregelt. Aus der Tatsache, dass es sich bei Art. 9 Abs. 5 BayWaldG um eine Sollvorschrift handelt („Die Erlaubnis soll versagt werden, wenn …“), ergibt sich jedoch, dass Gründe von erheblichem Gewicht vorliegen müssen, um von einer Versagung abzusehen. Solche vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil, da die Rodung zu einer Auflichtung führt, werden die Humusvorräte ausweislich der Fachaussage des FD K. (s. Protokoll der mV des Senats) abgebaut; es kommt zu einem Humusschwund, was der Funktion eines Bodenschutzwaldes zuwiderläuft.
71
3. Die Rodungserlaubnis kann auch nicht gemäß Art. 9 Abs. 7 BayWaldG erteilt werden, weil die hierfür erforderlichen zwingenden Gründe des öffentlichen Wohls nicht vorliegen.
D.
72
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.