Titel:
Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München vom 22. Dezember 2006
Schlagworte:
Zweitwohnungsteuer, Innehaben einer Zweitwohnung (verneint), Anmietung einer Wohnung durch Vater und Tochter, Überlassung der ausschließlichen Nutzung der Wohnung an die Tochter, Leihverhältnis, Konkludenter Vertragsschluss, Rechtsbindungswille
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16469
Tenor
I.Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II.Der Bescheid vom 15. Oktober 2020 wird aufgehoben.
III.Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 30 Prozent und die Beklagte 70 Prozent.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung der Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2011 und die Folgejahre.
2
Der Kläger und seine Tochter unterzeichneten einen Mietvertrag über eine Wohnung in der K. …straße … in M. … In diesem Mietvertrag wurden der Kläger und seine Tochter als „Mieter“ bezeichnet. Vereinbart wurde eine monatliche Nettokaltmiete von 310,00 EUR. Laut Mietvertrag durfte nur eine Person die Wohnung nutzen. Mietbeginn war der 1. September 2011; der Mietvertrag endete am 31. Dezember 2018 wegen der Anmeldung von Eigenbedarf des Vermieters.
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Die Tochter des Klägers hatte von Herbst 2011 bis Ende 2018 in der streitgegenständlichen Wohnung ihren Hauptwohnsitz. Der Kläger war während der Laufzeit des Mietvertrags der streitgegenständlichen Wohnung dort weder mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet. Er war nur in der Gemeinde … gemeldet.
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Die Beklagte erhebt aufgrund ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München (Zweitwohnungsteuersatzung – ZwStS) vom 22. Dezember 2006 (Amtsblatt der Beklagten vom 10. Januar 2007, S. 1) im Gemeindegebiet eine Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer. Zweitwohnung ist nach § 2 Satz 1 ff. ZwStS jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Zweitwohnung ist weiterhin jede Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen. Die Steuer wird nach dem jährlichen Mietaufwand (Jahresnettokaltmiete) berechnet (§ 4 Abs. 1 ZwStS). Die Steuer beträgt jährlich 9 Prozent der Bemessungsgrundlage (Jahresnettokaltmiete), § 5 ZwStS.
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Mit Schreiben vom 30. August 2019 wurde der Kläger aufgefordert, eine Steuererklärung für die Zweitwohnungsteuer hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnung abzugeben. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 17. September 2019 mit, dass er in M. … nie eine Zweitwohnung innegehabt habe. Er bat um Auskunft, welche Daten bei der Beklagten über seine Person gespeichert worden seien.
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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 erneut Auskunft bei der Beklagten über die zu seiner Person erfassten Daten in Form einer Kopie der personenbezogenen Daten. Nach Angaben der Beklagten liege ein Mietvertrag vor.
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Mit vom 25. Oktober 2019 datierenden Schreiben forderte die Beklagte den Kläger nochmals auf, eine Zweitwohnsteuererklärung abzugeben. Ein Innehaben einer Zweitwohnung liege vor, wenn die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt gegeben sei. Entscheidend für den Tatbestand des Innehabens sei die Nutzungsmöglichkeit mit dem Recht über die Verwendung der Wohnung entscheiden zu können.
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Mit E-Mail vom 25. Oktober 2019 teilte der Kläger mit, dass Mieterin der Wohnung seine Tochter gewesen sei. Der Kläger sei als Schuldner dem Mietvertrag beigetreten, da seine Tochter kein eigenes Einkommen gehabt habe. Es sei klar gewesen, dass die streitgegenständliche Wohnung ausschließlich von seiner Tochter genutzt werden sollte; nur seine Tochter habe die Schlüssel zur Wohnung gehabt. Der Kläger habe weder rechtlich noch tatsächlich über die Wohnung verfügen können. Beigefügt war das Formblatt zur Zweitwohnungsteuererklärung, ausgefüllt wurden vom Kläger die personenbezogenen Daten und die Daten zur Lage und Größe der Wohnung sowie zur Miethöhe.
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Die Beklagte führte im Schreiben vom 28. November 2019 aus, dass der Kläger als Mitmieter zusammen mit seiner Tochter grundsätzlich das Verfügungsrecht über die streitgegenständliche Wohnung gehabt habe. Die tatsächliche Nutzung der Wohnung sei dabei nicht ausschlaggebend. Entscheidend für den Tatbestand des Innehabens sei die Nutzungsmöglichkeit mit dem Recht über die Verwendung der Wohnung entscheiden zu können. Ein Innehaben würde nicht vorliegen, wenn der Kläger die Wohnung aufgrund einer Überlassungsvereinbarung mit einer rechtlich gesicherten Nutzung seiner Tochter überlassen habe. Zu allen Fragen datenschutzrechtlicher Angelegenheiten erhalte der Kläger gesonderte Nachricht.
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Mit E-Mail vom 2. Dezember 2019 und mit E-Mail vom 28. Dezember 2019 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass Daten über seine Person erhoben worden seien. Sein Antrag beziehe sich auf die Vorgänge im Zusammenhang mit der Zweitwohnungsteuer. Er bitte um Information, aus welcher Quelle die personenbezogenen Daten stammten und auf welche Art und Weise die Beklagte Kenntnis von dem Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung erlangt habe.
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Mit eigenhändigem Einschreiben vom 16. Januar 2020, versendet am 17. Januar 2020, nahm die Beklagte zu dem vom Kläger gestellten Auskunftsantrag nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) Stellung. In der diesem Einschreiben beigefügten Anlage „Auskunftserteilung im Prozess zur Erfüllung von Betroffenenrechten“ teilte die Beklagte unter anderem mit, aus einem anderen Zweitwohnungsteuerverfahren sei bekannt, dass der Kläger zusammen mit seiner Tochter Mieter der streitgegenständlichen Wohnung gewesen sei. Einzelheiten über die Herkunft der personenbezogenen Daten aus dem anderen Zweitwohnungsteuerverfahren könnten aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht offengelegt werden. Dieses Einschreiben wurde am 18. Januar 2020 in der Postfiliale am Wohnort des Klägers hinterlegt. Der Kläger holte dieses Einschreiben nicht in der Postfiliale ab, am 29. Januar 2020 wurde es wieder an die Beklagte zurückgesendet.
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Mittels einfachem Brief vom 13. Februar 2020 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff „Ihr Auskunftsantrag nach Art. 15 DS-GVO“ mit, dass das an ihn gerichtete Einschreiben von ihm nicht bei der Postfiliale abgeholt worden sei. Ein weiteres Einschreiben sei ebenfalls mit dem Vermerk „Einschreiben nicht abgeholt“ an die Beklagte zurückgesandt worden. Es werde auf einen erneuten Zustellversuch verzichtet. Die Auskunftserteilung liege bei der Beklagten bis zum 29. März 2020 zur Abholung bereit. Am 8. Oktober 2020 vermerkte die Beklagte, dass der Kläger die zur Abholung hinterlegte Auskunftserteilung nicht abgeholt habe, das Auskunftsbegehren sei abgeschlossen.
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Mit Bescheid vom 15. Oktober 2020 setzte die Beklagte für die Jahre 2011 bis 2018 Zweitwohnungsteuer in Höhe von insgesamt 1.210,00 Euro fest. Für das Jahr 2011 setzt die Beklagte die Steuer für drei Monate fest, so dass die Steuer für dieses Jahr 41,00 Euro betrug. Für die folgenden Jahre wurde die Steuer auf jährlich 167,00 Euro festgesetzt. Dabei legte die Beklagte eine monatliche Nettokaltmiete von 155,00 Euro zu Grunde. Die monatliche Nettokaltmiete sei nur zur Hälfte als Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Es seien nicht alle Wohnungsinhaber zweitwohnungsteuerpflichtig, aus Billigkeitsgründen sei eine Aufteilung der Nettokaltmiete nach Anzahl der Wohnungsinhaber erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 13. November 2020, eingegangen am selben Tag, erhob der Kläger Klage und übermittelte den Antrag, den Zweitwohnungssteuerbescheid vom 15. Oktober 2020 aufzuheben. Der Kläger übersandte zudem mit Schreiben vom 7. April 2021 den Antrag, Auskunft über die zu seiner Person erhobenen Daten und der Herkunft dieser Daten zu erteilen. Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung am 22. April 2024 zuletzt:
Der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 15. Oktober 2020 wird aufgehoben.
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Zur Begründung führte der Kläger aus, dass er niemals die streitgegenständliche Wohnung innegehabt habe. Bei der Wohnung handle es sich um ein Ein-Zimmer-Apartment mit einer Größe von ca. 28 Quadratmetern. Die Wohnung sei seiner Tochter zu alleinigen Nutzung überlassen worden. Seiner Tochter sei der alleinige Besitz vom Vermieter übertragen worden. Schon aufgrund der räumlichen Verhältnisse sei keine Nutzung als Zweitwohnung möglich gewesen, da seine Tochter die Wohnung als Hauptwohnsitz genutzt habe. Seine Tochter habe alle (Wohnungs-)Schlüssel vom Vermieter erhalten. Der Kläger habe niemals die Verfügungsbefugnis über die streitgegenständliche Wohnung gehabt, seine Tochter habe die alleinige Verfügungsbefugnis gehabt. Bei Abschluss des Mietvertrags habe zwischen den Beteiligten Einvernehmen bestanden, dass seine Tochter Mieterin der Wohnung sei. Keiner der Beteiligten habe in Erwägung gezogen, dass der Kläger die Wohnung als Zweitwohnung nutzen könne. Zwischen dem Kläger und seiner Tochter sei klar gewesen, dass der Kläger niemals auch nur in Teilen Wohnraum beanspruchen werde. Der Kläger habe kein eigenes Interesse an der Wohnung gehabt. Er könne nicht tatsächlich über die Wohnung verfügen, da die räumlichen Verhältnisse eine Nutzung der Wohnung durch ihn neben seiner Tochter nicht zulassen würden. Die Beklagte habe seinen Anspruch auf Auskunftserteilung nicht durch das Versenden eines Übergabeeinschreibens erfüllt; dieses Mittel sei untauglich. Warum die Beklagte den Anspruch auf Auskunftserteilung nicht durch einfachen Brief oder Einwurfeinschreiben erfüllt habe, erschließe sich dem Kläger nicht. Die Erteilung der Auskunft sei nicht im Wirkbereich des Klägers, seinem Briefkasten, angekommen.
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Die Beklagte beantragte in der mündlichen Verhandlung:
Die Klage wird abgewiesen.
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Der Bescheid vom 15. Oktober 2020 sei rechtmäßig. Die Steuer sei korrekt berechnet worden und innerhalb der Festsetzungsfrist festgesetzt worden. Der Kläger habe die Verfügungsmacht und das Verfügungsrecht über die streitgegenständliche Wohnung vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2018 gehabt. Eine Überlassungsvereinbarung über die Wohnung sei nicht vorgelegt worden. Dass der Kläger die Wohnung nicht genutzt habe, sei nicht von Bedeutung für die Zweitwohnungsteuerpflicht. Entscheidend sei das Innehaben einer Wohnung. Diese Voraussetzung sei gegeben, da der Kläger im Mietvertrag als Mieter aufgeführt sei. Die Beklagte habe dem Kläger mehrfach Auskunft bezüglich über die von ihr erhobenen Daten zur Person des Klägers und deren Herkunft erteilt. Alle per Übergabe-Einschreiben versandten Schreiben seien vom Kläger nicht abgeholt worden. Auch habe der Kläger nicht von der ihm unterbreiteten Möglichkeit zur Abholung der Auskunft in den Räumen der Beklagten Gebrauch gemacht. Die vom Kläger begehrte Auskunft nach Art. 15 DS-GVO sei diesem am 8. Juni 2021 mittels Einwurfeinschreiben zugestellt worden.
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Mit Beschluss vom 27. Februar 2024 wurde der Rechtsstreit auf dem Einzelrichter übertragen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, das Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Soweit die Beteiligten den Rechtstreit in der mündlichen Verhandlung am 22. April 2024 mit Blick auf die Auskunftserteilung nach Art. 15 DS-GVO für übereinstimmend erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 15. Oktober 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2018 nicht Inhaber der streitgegenständlichen Wohnung im Sinne der §§ 1, 2 ZwStS.
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Rechtsgrundlage für die Steuererhebung durch die Beklagte ist ihre Zweitwohnungsteuersatzung vom 22. Dezember 2006. Hinsichtlich der Gültigkeit der Satzung bestehen keine Bedenken. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben die Gültigkeit der Zweitwohnungsteuersatzung in mehreren Entscheidungen nicht beanstandet (BayVGH, B.v. 17.3.2009 – 4 CS 09.25 – juris; U.v. 15.10.2009 – 4 ZB 09.521 – juris; U.v. 28.9.2009 – 4 ZB 09.923 – juris; BVerfG, B.v. 17.2.2010 – 1 BvR 529/09 – juris).
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Nach § 1 ZwStS wird eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten erhoben. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS ist Zweitwohnung im Sinne der Satzung der Beklagten jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS ist Zweitwohnung weiterhin jede Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Im maßgeblichen Zeitraum war der Kläger nicht im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS mit Nebenwohnsitz in der streitgegenständlichen Wohnung in M. … erfasst.
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Der Kläger hatte die streitgegenständliche Wohnung auch nicht als Mieter für die persönliche Lebensführung seiner Tochter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS inne, da er weder die tatsächliche noch die rechtliche Verfügungsbefugnis über diese Wohnung im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2018 hatte.
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1. Der Kläger war entgegen seiner Rechtsauffassung Mitmieter der streitgegenständlichen Wohnung. Auch wenn nach dem Vortrag des Klägers ein Schuldbeitritt gewollt war, ist entscheidend, welche rechtliche Gestaltung tatsächlich gewählt und umgesetzt worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2013 – 4 ZB 13.1570 – juris Rn. 13). Dies ist vorliegend die Stellung als Mietvertragspartei des Klägers. Dafür spricht, dass der Kläger und seine Tochter beide als Mietvertragsparteien im Vertrag genannt werden und beide auch den Vertrag unterzeichnet haben. Zudem wünschte der Vermieter nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und seiner Tochter in der mündlichen Verhandlung einen solventen Schuldner. Dies ist in der Regel die Partei eines Vertrags. Nach der Auslegung aus objektivem Empfängerhorizont, §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ist davon auszugehen, dass der Kläger neben seiner Tochter Mieter der streitgegenständlichen Wohnung wurde.
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2. Jedoch hatte der Kläger, obwohl er Mitmieter der streitgegenständlichen Wohnung war, diese Wohnung nicht inne i.S.v. § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 2 ZwStS, so dass er nicht gem. § 1 ZwStS der Zweitwohnungsteuer unterlag.
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a) Für das Merkmal des Innehabens kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an. Auch für Angehörige kann eine Zweitwohnung vorgehalten werden. Wer eine Wohnung einem Angehörigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, betreibt selbst Aufwand. Er ist Inhaber der Wohnung, soweit er sie weiterhin hält und sich der Verfügungsmacht über sie nicht begibt, sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält. Der steuerpflichtige Inhaber der Wohnung begibt sich der Verfügungsmacht über sie nicht dadurch, dass er sie einem Dritten nur tatsächlich zur Nutzung überlässt.
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b) Wird die Wohnung im Rahmen eines Leihverhältnisses unentgeltlich zur alleinigen Nutzung an einen Dritten überlassen, so begibt sich der Verleiher dann seiner Verfügungsmacht, wenn die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften der §§ 573 ff. BGB vereinbart worden ist, eine Dauer der Leihe bestimmt oder eine solche ihrem Zweck zu entnehmen ist. Denn nur in diesen Fällen ist die Möglichkeit des Verleihers, die Wohnung nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit zurückzufordern, ausgeschlossen, so dass er sich seiner Verfügungsmacht über die Wohnung begibt (stRspr., vgl. statt vieler BVerwG, U.v. 11.10.2016 – 9 C 28/15 – juris Rn. 13 ff.).
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aa) Eine rechtlich gesicherte Verfügungsbefugnis liegt bei der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung nur dann nicht (mehr) vor, wenn es sich nicht lediglich um eine rein tatsächliche Nutzungsüberlassung im Sinne einer Gefälligkeit handelt, sondern um ein Rechtsverhältnis, bei dem die Herausgabe des Objektes eingeschränkt ist. Eine Gefälligkeit hat dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, seinem Handeln rechtliche Geltung zukommen zu lassen (Rechtsbindungswillen), und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegengenommen hat. Dabei ist die Frage, ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ungeachtet des wirklichen inneren Willens des Leistenden danach zu beurteilen, ob aus dessen Handeln der Leistungsempfänger unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Ob nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, ist im Einzelfall nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und nach der Interessenlage der Beteiligten zu beurteilen. Dabei ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, dass ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis über die unentgeltliche Nutzung einer Wohnung auch stillschweigend vereinbart werden kann, wenn sich dies aus den Umständen, etwa der im Anschluss daran praktizierten Nutzung, ergibt (vgl. BGH, U.v.10.10.1984 – VIII ZR 152/83 – juris Rn. 12; U.v. 18.10.2011 – X ZR 45/10 – juris Rn. 26; U.v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13 – juris Rn. 16; vgl. auch OVG SH, U.v. 14.9.2017 – 2 LB 14/16 – juris Rn. 45). Regelmäßig beruht die unentgeltliche dauerhafte Nutzung von Wohnraum auf einem gegebenenfalls konkludent geschlossenen Leihvertrag, weil diese vermögenswerte Gebrauchsüberlassung nach den Interessen der Parteien nicht im rechtsfreien Raum vollzogen sein sollte (BGH, U.v. 18.10.2011 – X ZR 45/10 – juris Rn. 26 m.w.N.).
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bb) Sofern der Verleiher im Einvernehmen mit dem Entleiher bei der Überlassung einer Wohnung eine Zweckbestimmung getroffen hat, kann er eine Wohnung nur noch nach Maßgabe von § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 605 BGB zurückfordern. In Bezug auf Vorliegen einer Zweckbestimmung hinsichtlich der Leihe einer (Zweit-)Wohnung bedarf es einer umfassenden Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalls (OVG SH, U.v. 22.2016 – 2 LB 12/16 – juris Rn. 33 f.; bestätigt durch BVerwG, B.v. 7.3.2017 – 9 B 64/16 – juris Rn. 4 ff.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass zur Feststellung eines Rechtsbindungswillens bezüglich einer Zweckvereinbarung erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wenn es um die Frage geht, ob die Zweckvereinbarung auch das Recht zur jederzeitigen Zurückforderung nach § 604 Abs. 3 BGB ausschließen soll (Lohss in BeckOGK BGB, Stand 1.3.2022, § 604 Rn. 8).
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c) Der Kläger hat sich seiner rechtlichen Verfügungsbefugnis über die streitgegenständliche Wohnung begeben und hatte diese damit nicht nach § 2 ZwStS inne. Vorliegend sprechen die Umstände nach dem schriftsätzlichen Vortrag und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck für ein rechtlich verbindliches (stillschweigendes / konkludent abgeschlossenes) Leihverhältnis mit einer Zweckbestimmung „Absolvierung eines Studiums“ und damit gegen eine nur tatsächliche Nutzungsüberlassung als reines Gefälligkeitsverhältnis. Auch bezüglich der höheren Anforderungen an eine Zweckvereinbarung i.S.v. § 604 Abs. 2 Satz 1 BGB, die das Recht zur Rückforderung nach § 604 Abs. 3 BGB ausschließt, bestand ein Rechtbindungswille zwischen dem Kläger und seiner Tochter. Der Steueranspruch der Beklagten ist damit nicht entstanden. Vorliegend ist das Gericht nach Würdigung aller Umstände gem. § 108 Abs. 1 VwGO davon überzeugt, dass der Kläger spätestens nach dem Einzug seiner Tochter in die streitgegenständliche Wohnung keine tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht mehr über die Wohnung hatte. Zumindest bis zum Erreichen des Zwecks „Absolvieren eines Studiums“ hatte sich der Kläger rechtlich bindend seiner Verfügungsbefugnis über die streitgegenständliche Wohnung begeben; aufgrund der Anmeldung von Eigenbedarf des Vermieters vor Erreichung dieses Zwecks und des damit verbundenen Auszugs seiner Tochter endete der entsprechende Leihvertrag jedoch vorzeitig vor Beendigung des Studiums der Tochter des Klägers.
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aa) Bei Ermittlung eines möglichen Rechtbindungswillens liegt die Annahme nahe, dass sich der Kläger und seine Tochter als juristische Laien über die rechtliche Konstruktion der vorliegenden Nutzungsüberlassung der streitgegenständlichen Wohnung keine Gedanken über deren rechtliche Einordnung gemacht hatten. Mutmaßungen, ob sich der Kläger und seine Tochter vom Wesen, von den tatbestandlichen Voraussetzungen oder von den rechtlichen Wirkungen eines Leihvertrages hätten leiten lassen, haben deshalb keine tatsächlichen Grundlagen. Maßgeblich für die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geforderte Gesamtschau aller Umstände zur Ermittlung eines Rechtsbindungswillens ist (vor allem) die gelebte Lebenswirklichkeit (so ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das OVG SH, U.v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16 – juris Rn. 37 ff.; bestätigt durch BVerwG, B.v. 7.3.2017 – 9 B 64/16 – juris Rn. 4 ff. In diesem Sinn offensichtlich auch VG Köln, U.v. 22.7.2015 – 21 K 330/15 – juris Rn. 33).
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bb) Der Kläger und seine Tochter waren beide Mietvertragsparteien und damit beide (zunächst) verfügungsberechtigt über die Wohnung. Anders als in der Konstellation, in der nur ein Elternteil Mietvertragspartei ist und dem Kind das Nutzungsrecht an der Wohnung erst durch Leihvertrag überlassen wird, besteht zwar im Ausgangspunkt keine Notwendigkeit, der Tochter des Klägers die Wohnung durch Leihvertrag zu überlassen, da sie das Besitzrecht an dieser ohnehin schon (vom Vermieter) erhalten hat. Sofern es jedoch um die Frage geht, ob der Kläger als Mitmieter neben seiner Tochter über die Wohnung rechtlich verfügen durfte, diese also rechtlich gesehen nutzen durfte, ist entscheidend, ob er sich seiner Verfügungsbefugnis über die Wohnung durch einen (konkludent geschlossenen) Leihvertrag mit einer Zweckbindung begeben hat (vgl. dazu auch VG München, U.v. 20.10.2022 – M 10 K 21.1982, M 10 K 21.2037 – juris Rn. 32).
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cc) Die Tochter des Klägers ist zum Studium nach M. … gezogen; aus diesem Grund wurde nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und seiner Tochter in der mündlichen Verhandlung die streitgegenständliche Wohnung gemietet. Um erfolgreich ein Studium absolvieren zu können, ist es notwendig, Vorlesungen und Kurse an einer Universität zu besuchen. Die gilt vor allem für das naturwissenschaftliche Studium der Chemie der Tochter des Klägers, da während eines solchen Studiums zahlreiche Versuche in voll ausgestatteten Laboren vorgesehen und notwendig sind. Es wäre der Tochter des Klägers sicherlich nicht möglich gewesen, werktäglich von ihrem ursprünglichen Wohnort … nach M. … zum Studium zu pendeln. Die Überlassung von Wohnraum an sich und am Studienort zur Absolvierung eines Studiums geht auch im familiären Bereich über die üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinaus; damit ist in der Regel von einem Rechtbindungswillen auszugehen (vgl. BGH, U.v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83 – juris Rn. 12). Die Tochter des Klägers musste sich darüber hinaus darauf verlassen können, die lediglich 28 Quadratmeter große Wohnung alleine nutzen zu können, ohne willkürlich einem Nutzungsverlangen ihres Vaters, dem Kläger, ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sie selbst Mitmieterin der Wohnung war. Der Kläger hätte als weiterer Mitmieter rechtlich die Möglichkeit gehabt, die kleine Wohnung jederzeit zu nutzen. Damit wäre allerdings der Grund der Anmietung der Wohnung als Studentenappartement zum Wohnen, Schlafen und insbesondere auch zum Lernen konterkariert worden, wenn der Vater eines Kindes sich dort mit diesem (tagsüber) gemeinsam aufhält oder beispielsweise eine wechselseitige Nutzung stattgefunden hätte. Davor war die Tochter des Klägers nur geschützt, wenn sie annehmen konnte, dass der Kläger sich rechtsgeschäftlich bindend zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung zum Zweck bzw. die Dauer eines Studiums verpflichten wollte. Bereits diese Umstände sprechen dafür, dass die Tochter des Klägers die streitgegenständliche Wohnung in rechtlich verbindlicher Weise als Wohnung am Studienort zum Zweck eines Studiums alleine nutzen durfte und der Kläger sich seiner Verfügungsbefugnis über die Wohnung (zumindest) für die Dauer des Studiums seiner Tochter begeben hat (vgl. auch OVG SH, U.v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16 – juris Rn. 39 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein diesbezüglicher Rechtsbindungswillen des Klägers und seiner Tochter auch aus der praktizierten Nutzung der Wohnung bestätigt; nach den glaubhaften Schilderungen des Klägers und seiner Tochter hat der Kläger nie in der Wohnung übernachtet und seine Tochter hat die Wohnung immer alleine genutzt. Für diese Sichtweise spricht zudem, dass laut Mietvertrag die Wohnung nur von einer Person zum Wohnen genutzt werden durfte. Es ist realitätsfern, dass der Kläger sich mit seiner Tochter die als Studentenappartement zum Zweck eines Studiums angemietete Wohnung für längere Zeitabschnitte zum Wohnen abwechselnd geteilt hätte. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass im Rahmen eines Chemiestudiums in der vorlesungsfreien Zeit bekanntermaßen meist Klausuren, Praktika oder Blockveranstaltungen stattfinden (vgl. beispielsweise https://www.cup.uni-muenchen.de/de/studium/fuer-studieninteressierte/, dort Unterpunkt „Studienbeginn“, zuletzt abgerufen am 30. April 2024).
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dd) Nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und seiner Tochter sollte diese zumindest so lange die Wohnung alleine nutzen, bis ihr (Promotions-)Studium abgeschlossen ist und sie ein Arbeitsverhältnis eingeht. In der mündlichen Verhandlung haben sowohl der Kläger als auch seine Tochter vorgetragen, dass es sich bei der Wohnung um ein Studentenappartement handelte. Zudem gaben beide an, dass Zweck der Nutzung der Wohnung das Studieren war. Sobald die Tochter des Klägers über genügend eigene finanzielle Mittel verfügt hätte bzw. ein Arbeitsverhältnis eingegangen wäre, wollte bzw. sollte sie aus dem Studentenapartment ausziehen. Relevant wurde dies dann nicht mehr, weil die Tochter des Klägers aufgrund der Anmeldung von Eigenbedarf die streitgegenständliche Wohnung nicht mehr nutzen konnte. Mithin ging es dem Kläger als Vater und Elternteil darum, dass sich seine Tochter durch die erfolgreiche Absolvierung eines Studiums ein finanziell eigenständiges Leben aufbauen kann. Aus diesen Umständen folgt ebenfalls ein Rechtbindungswille mit Blick auf eine Zweckbestimmung i.S.v. § 604 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Absolvierung eins Studiums (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, U.v. 24.3.2022 – 4 A 244/21 – juris Rn. 66).
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ee) Auch vor dem Hintergrund der Folgen einer Leihe mit Zweckbestimmung, dem Ausschluss des jederzeitigen Rückforderungsrecht nach § 604 Abs. 3 BGB, ist von einem Rechtsbindungswillen des Klägers und seiner Tochter auszugehen.
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(1) Die Anforderungen, die an das Vorliegen des Rechtsbindungswillen zu stellen sind, steigen in der Regel mit dem Zeitraum, der für Erreichung des nach § 604 Abs. 2 Satz 1 BGB vereinbarten Zwecks erforderlich ist. Bei langfristigen Zwecken, wie einem lebenslangen Wohnrecht, wird man hohe Anforderungen an das Vorliegen eines entsprechenden Rechtbindungswillens durch einen konkludenten Vertragsschluss stellen müssen (vgl. Häublein in Münchner Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 604 Rn. 2). Bei sehr kurzfristig zu erreichenden Zwecken, wie Ausleihen eines Kraftfahrzeugs um Einkaufen zu fahren, sind die Anforderungen hingegen niedrig anzusetzen (vgl. Lohss in BeckOGK BGB, Stand 1.3.2022, § 604 Rn. 8).
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(2) Vorliegend ist von einem Rechtsbindungswillen für die Dauer eines Regelstudiums und eines möglichen Promotionsstudiums auszugehen. Für den Fall, dass die Tochter des Klägers sehr viel länger als die Regelstudienzeit zum Studieren benötigt hätte, wäre der Kläger durch § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB geschützt gewesen, um nicht auf unabsehbare Zeit von der Verfügungsbefugnis über die streitgegenständliche Wohnung ausgeschlossen zu sein. § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB hätte es dem Kläger ermöglicht, die Wohnung bereits vor Erreichung des Zwecks, Absolvierung eines Studiums, zurückfordern, wenn so viel Zeit verstrichen gewesen wäre, dass seine Tochter „den Gebrauch hätte machen können“. Unter „Gebrauch hätte machen können“ wird im Fall eines Studiums regelmäßig die Regelstudienzeit (zuzüglich eines möglichen Promotionsstudiums) mit einem gewissen Toleranzzuschlag zu verstehen sein. Hätte der Kläger aufgrund des Verlusts seiner eigenen Wohnung oder anderer nicht vorhersehbarer Umstände die streitgegenständliche Wohnung nutzen wollen, hätte ihm dies die Regelung des § 605 Nr. 1 BGB eine Kündigung ermöglicht, da der Verleiher eine Leihe jederzeit kündigen kann, wenn er infolge eines nicht vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf. Sofern die Tochter des Klägers eigenständig ihr Studium abgebrochen hätte, hätte sie die Wohnung nicht mehr zum Zweck der Absolvierung eines Studiums genutzt. Dann hätte der Kläger nach § 605 Nr. 2 ebenfalls ein Kündigungsrecht des Leihvertrags gehabt, da seine Tochter als Entleiherin einen vertragswidrigen Gebrauch von der Sache gemacht hätte. Der Kläger hätte damit durchaus Möglichkeiten gehabt, sich wieder seiner rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Wohnung zu ermächtigen und dann gemeinsam mit seiner Tochter, die ebenfalls Mieterin der Wohnung war, die Wohnung – aufgrund der mietvertraglichen Festlegung auf einen Bewohner – zumindest abwechselnd aus rechtlicher Sicht nutzen zu dürfen und zu können.
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(3) Auch diese maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse – § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 605 Nr. 1 und Nr. 2 BGB – sind bei der Betrachtung, ob ein Rechtbindungswille vorliegt, zu berücksichtigen (OVG SH, U.v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16 – juris Rn. 36). Vor diesem Hintergrund ist bei einem Leihvertrag über sieben Jahren (1. September 2011 bis 31. Dezember 2018; Dauer des Mietvertrags) noch von einem Rechtbindungswillen bezüglich der Zweckbindung der Absolvierung eines (Promotions-)Studiums auszugehen. Ein Chemiestudium mit Masterstudium dauert in der Regel zehn Semester, das entspricht fünf Jahren. Mögliche Auslandssemester miteingerechnet und eine leichte Überschreitung der Regelstudienzeit oder den Beginn eines Promotionsstudiums berücksichtigt, lag auch vor dem Hintergrund des Ausschlusses eines Rückforderungsrechts nach § 604 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB ein Rechtbindungswillen des Klägers und seiner Tochter mit Blick auf einen Leihvertrag mit Zweckbindung zur Absolvierung eines Studiums über sieben Jahre vor. Aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund der Anmeldung von Eigenbedarf zum 31. Dezember 2018 stellt sich nicht die Frage, ob ein entsprechender Rechtsbindungswille mit Blick auf eine denkbare deutliche Überschreitung der Regelstudienzeit noch über die oben angesprochenen sieben Jahre hinaus vorhanden gewesen wäre.
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ff) Ferner spricht für die Annahme eines entsprechenden Rechtbindungswillens, dass der Kläger im gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahren und auch in seiner Einvernahme durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 22. April 2024 durchweg bekundet hat, keinerlei Absicht an einer irgendwie gearteten Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung gehabt zu haben. Der Kläger – juristischer Laie – wiederholte mehrfach gegenüber der Beklagten, dass er keine Zweitwohnung in M. … gehabt habe und nie beabsichtigte, die streitgegenständliche Wohnung zu nutzen. Vielmehr sollte lediglich seine Tochter die Wohnung als Studentenappartement zur Absolvierung eines Studiums nutzen. Ferner hatte der Kläger an sich kein eigenes Interesse Mieter der Wohnung zu werden, sondern unterschrieb der Mietvertrag nach den übereinstimmenden Aussagen des Klägers und seiner Tochter aufgrund des Wunschs des Vermieters nach wirtschaftlicher Absicherungen. Auch der Umstand, dass der Kläger keinen Schlüssel für die Wohnung hatte, ist zumindest ein Indiz für den Abschluss eines Leihvertrags mit Zweckbindung zwischen ihm und seiner Tochter. Die vorgenannten Gesichtspunkte genügen für sich genommen nicht für die Annahme eines Rechtbindungswillens zum Abschluss eines Leihvertrags mit Zweckbindung (zur Unterzeichnung eines Mietvertrags zur finanziellen Absicherung und zur Übergabe eines Schlüssels: VG München, U.v. 20. Oktober 2022 – M 10 K 21.1982, M 10 K 21.2037 – juris Rn. 32), sind aber in die nach der Rechtsprechung erforderliche Gesamtschau aller Aspekte einzustellen und bestätigen den obigen Befund.
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c) Nach alldem liegt die für die Annahme des Vorliegens eines Leihvertrags mit entsprechender Zweckvereinbarung „Wohnen für die Dauer des Studiums“ geforderte ernsthafte, klare und eindeutige Vereinbarung, die vor Beginn des Leistungsaustauschs in rechtswirksamer Weise abgeschlossen wurde und entsprechend des Vereinbarten auch durchgeführt wurde, vor (vgl. VG München, U.v. 20. Oktober 2022 – M 10 K 21.1982, M 10 K 21.2037 – juris Rn. 35; VG München, U.v. 7.5.2020 – M 10 K 19.327 – juris Rn. 39).
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aa) Weder die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 11.10.2016 – 9 C 28/15 – juris Rn. 13 ff.) noch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, U.v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83 – juris Rn. 12; U.v.18.10.2011 – X ZR 45/10 – juris Rn. 26; U.v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13 – juris Rn. 16) gehen davon, dass eine solche Vereinbarung ausdrücklich oder schriftlich geschlossen werden muss – das Bundesverwaltungsgericht stellt insofern keine Anforderungen an die Form des Abschlusses eines Leihvertrags auf und der Bundesgerichtshof lässt in seiner ständigen Rechtsprechung auch einen konkludenten Vertragsschluss zu. Damit reicht auch konkludentes Handeln aus; erforderlich ist einzig und allein ein entsprechender Rechtsbindungswillen (OVG SH, U.v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16 – juris Rn. 37; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, U.v. 24.3.2022 – 4 A 244/21 – juris Rn. 65; so wohl auch VG Köln, U.v. 22.7.2015 – 21 K 330/15 – juris Rn. 33). Ob ein solcher vorliegt, ist in jedem Einzelfall gesondert zu bestimmen (ebenso VG Köln, U.v. 22.7.2015 – 21 K 330/15 – juris Rn. 28).
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bb) Es ist damit durchaus möglich und denkbar, dass in anderen Fällen, in den Eltern eine Wohnung mieten (oder Mitmieter sind) und in der Wohnung ein (leibliches) Kind wohnt, das studiert, kein Rechtbindungswillen bzw. kein Vertragsschluss durch konkludentes Handeln hinsichtlich eines Leihvertrags mit Zweckbindung für ein Studium anzunehmen ist (vgl. beispielsweise VG München, U.v. 20.10.2022 – M 10 K 21.1982, M 10 K 21.2037 – juris Rn. 35; dort lag kein Zweck zur Wohnungsüberlassung für ein Studium vor, sondern dauerhaftes Wohnen eines Kindes, das sich im Lebensabschnitt einer Studentin befand).
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Die Kostenentscheidung beruht zunächst auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Der Kläger hat im behördlichen Verfahren seinen auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gestützten Anspruch auf die Datenauskunft bezüglich des Zweitwohnungsteuerverfahrens eingegrenzt (vgl. Schmidt-Wudy in Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 01.02.2024, Art. 15 DS-GVO Rn. 52.3). Die Beklagte hat als Reaktion auf dieses Auskunftsbegehren bereits während des behördlichen Verfahrens dem Kläger eigenhändige Einschreiben (Übergabeeinschreiben) übermittelt. Die jeweiligen Schreiben nebst Anlagen waren geeignet, den Anspruch nach Art. 15-DS-GVO zu erfüllen. Diese Einschreiben hat der Kläger nicht bei der Postfiliale abgeholt. Auch auf das per einfachem Brief übermittelte Schreiben vom 13. Februar 2020 hat der Kläger nicht reagiert. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass keine gesetzliche Form für eine Auskunft nach Art. 15 DS-GVO vorgeschrieben ist, Art. 12 Abs. 1 DS-GVO (siehe auch Bienemann in Sydow/Marsch, DS-GVO, BDSG, 3. Auflage 2022, Art. 15 DS-GVO, Rn. 40). Es kann unterstellt werden, dass die Beklagte sich der eigenhändigen Einschreiben bedient hat, um eine datenschutzkonforme Übermittlung der Datenauskunft nach Art. 15 DS-GVO sicherzustellen, da bei eigenhändigen Einschreiben die Auslieferung nur an den Empfänger oder seinen besonders Bevollmächtigten erfolgt. Es besteht seitens des Klägers keine Pflicht solche Einschreiben bei der Postfiliale abzuholen; werden eigenhändige Einschreiben nicht abgeholt, liegt in der Regel – außer in den Fällen der arglistigen Zugangsvereitelung – kein Zugang vor. Jedoch spätestens mit Zugang des Schreibens vom 13. Februar 2020 wäre es eine Obliegenheit des Klägers gewesen sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, da diese ganz offensichtlich den Willen hatte, das Auskunftsbegehren des Klägers nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erfüllen und – wie im Schreiben vom 13. Februar 2020 mitgeteilt – bereits mehrere diesbezügliche Versuche unternommen hatte. Damit hatte die Beklagte bereits vor Klageerhebung alles ihrerseits Erforderliche unternommen, um den Anspruch aus Art. 15 DS-GVO zu erfüllen. Ein mögliches Verstreichen der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO kann lediglich eine Maßnahme der Aufsichtsbehörde nach sich ziehen, Art. 83 DS-GVO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.