Titel:
Kein nationales Abschiebungsverbot wegen starker Sehbeeinträchtigung
Normenketten:
AsylG § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 36 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 11, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 166
ZPO § 114
Leitsatz:
Bei einer freiwilligen Rückkehr in den Kosovo stehen sowohl nationale als auch aus Deutschland organisierte und finanzierte Start- und Rückkehrhilfen für Rückkehrer zur Verfügung, die für eine absehbare Zeit nach der Rückkehr (hier: sechs bis zwölf Monate) den Lebensunterhalt sicherstellen können und die daher die Existenzgefahrenprognose nach § 60 Abs. 5 AufenthG beeinflussen. (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kosovarische Staatsangehörige, starke Sehbehinderung, Einreise auf dem Luftweg mit Besuchsvisum, Antrag auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote, Geltendmachung fehlender Betreuung und Unterstützung im Kosovo, Integrations- und Rückkehrhilfen im Zielstaat, Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung, Prozesskostenhilfe, Kosovo, Einreise mit Besuchsvisum, nationales Abschiebungsverbot, Rückkehrhilfen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16382
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Antragstellerin und Klägerin im Parallelverfahren (Au 6 K 24.30496; im Folgenden: Klägerin) begehrt im Klageverfahren die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Antragsverfahren begehrt sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage.
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Die am ... geborene Klägerin ist eine kosovarische Staatsangehörige mit Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Albaner und islamischen Glaubens. Sie reiste mit einem ihr von der deutschen Botschaft in ... ausgestellten Besuchsvisum am 20. April 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gerichteten Asylantrag.
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Durch ihren Bevollmächtigten ließ sie zur Begründung vortragen, sie sei seit Jahren vollständig erblindet und habe bislang im Kosovo zusammen mit ihrem Bruder, dessen Ehefrau und zwei Kindern gelebt. Die Familie des Bruders habe sich rund um die Uhr um sie gekümmert. Aufgrund der Geburt von Zwillingen der Ehefrau des Bruders bestehe allerdings künftig keine Möglichkeit mehr, dass sie von ihrem Bruder bzw. seiner Familie weiter versorgt werde. Sie könne auch nicht mehr bei ihrem Bruder wohnen, da der Wohnraum nunmehr nicht mehr ausreiche. Müsste sie zurück in den Kosovo, wäre sie demzufolge völlig allein auf sich gestellt und hätte weder eine Unterkunft, noch irgendwelche Mittel zum Überleben. Aufgrund ihrer vollständigen Erblindung könne sie im Kosovo ihr Leben allein auf gar keinen Fall organisieren. Sie wäre auch im Alltag permanent auf fremde Hilfe angewiesen, die sie jedoch nicht habe. Sie müsste im Kosovo als Blinde orientierungslos, wohnsitzlos und ohne Geld in einer völlig fremden Umgebung umherirren. Im Kosovo bestehe keine Möglichkeit einer Komplettversorgung. Ein noch außergewöhnlicherer Härtefall sei kaum vorstellbar. Nun aber würden ihre Eltern in ... die vollständige Betreuung übernehmen und deckten auch sämtliche Kosten (BAMF-Akte Bl. 12 f.).
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Dazu ließ sie Atteste vorlegen:
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- ... Augenklinik, Ophthalmologischer Bericht v. 23.8.2021 mit den Diagnosen: Myopie mit Astigmatismus, horizontaler Nystagmus, Atrophie.
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- ... Augenzentrum, Attest v. 31.5.2023, BAMF-Akte Bl. 15:
Diagnose: astigmatisches Refraktionsdefizit, Ausschluss Glaukom, Myopie beidseits, Nystagmus beidseits, Pigmentverschiebungen im Makulabereich beidseits, Netzhautnarbe beidseits.
Therapie: keine; Empfehlung für Wiedervorstellung in sechs Monaten.
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- Dr., Allgemeinarzt, Attest v. 13.7.2023, BAMF-Akte Bl. 16:
Diagnose: Blindheit auf Grund hochgradiger Sehbehinderung (ICD 10 H 54.0).
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In ihrer auf Albanisch geführten Dublin-Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 5. April 2024 gab die Klägerin u.a. an (BAMF-Akte Bl. 89 ff.), sie habe in Deutschland Vater, Mutter und zwei erwachsene Schwestern; sie wohne bei ihren Eltern in ... und die beiden Schwestern lebten in .... Aufgrund ihrer Sehbehinderung sei sie besonders auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen. Sie sei direkt mit dem Flugzeug nach Deutschland gekommen.
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In ihrer auf Albanisch und in Anwesenheit ihrer Eltern geführten Anhörung vor dem Bundesamt gab die Klägerin im Wesentlichen an (BAMF-Akte Bl. 105 ff.), bis zu ihrer Ausreise habe sie im Dorf ... in der Gemeinde ... mit ihrem Bruder, ihrer Schwägerin und den Kindern des Bruders gelebt. Sie habe zwar ein Touristenvisum zum Zweck des Familienbesuchs gehabt, doch auf Frage, ob geplant gewesen sei, dass sie längere Zeit bleibe, erläuterte sie, ihr Bruder habe gesagt, dass er sich nicht mehr um sie kümmern könne. Die finanzielle Lage erlaube es ihm nicht. Darauf habe sie entschieden, zu ihren Eltern zu kommen, weil sie wegen der großen Sehbehinderung nicht alleine leben könne. Sie habe die Mittelschule bis zur neunten Klasse besucht, aber keine Berufsausbildung, weil ihr Sehvermögen jedes Jahr schlechter werde. Im Kosovo gebe es keine Möglichkeit für eine Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung. Eine berufliche Tätigkeit habe sie nicht ausgeübt.
Sie sei nach Deutschland gekommen und habe einen Asylantrag gestellt, weil sie keinen anderen Weg gesehen habe. Sie sei im Kosovo alleine gelassen und könne dort nicht alleine leben, nicht für sich sorgen, Einkäufe erledigen. Sie sei nach Deutschland gekommen, weil hier ihre Eltern lebten und sie unterstützen könnten. In den Kosovo wolle sie nicht zurückkehren.
Auf Nachfrage zur Sehbehinderung erläuterte sie, sie sei wohl so geboren, aber dies sei von ihren Eltern zunächst nicht bemerkt worden. Nach dem Kosovo-Krieg sei die Versorgung medizinisch nicht so gut gewesen. Sie habe die erste Kontrolle mit 17 Jahren gehabt und der Arzt habe gesagt, dass es jetzt zu spät sei und ihr nicht mehr geholfen werden könne. Sie habe von Anfang an nicht gut in die Ferne sehen können, aber in der Nähe und habe selbstständig und allein laufen können, auch zur Schule, erst als Jugendliche habe sie gemerkt, dass sie nicht mehr als zwei oder drei Meter weit sehe. Jetzt sei es so, dass sie die Objekte verschwommen sehe und nicht mehr alleine gehen könne. Im Kosovo habe sie eine Kontrolle beim Augenarzt gehabt, der ihr empfohlen habe, eine Brille zu tragen, um den Unterschied zwischen Tag und Nacht zu merken. Eine Verbesserung ihres Sehens werde es nicht mehr geben.
Hilfen wegen ihrer Behinderung habe es im Kosovo nicht gegeben. Sie habe nach Hilfen gesucht. Staatliche Institutionen hätten aber nichts anbieten können. Eine Behindertenrente habe sie nicht erhalten. Sie habe sich aber auch nicht um eine Behindertenrente bemüht oder einen Antrag gestellt (ebenda Bl. 108). Dafür brauche man eine Person, die Unterlagen ausfülle und einen unterstütze, sowas habe sie nicht im Kosovo. Ihr Bruder habe sich um seine Ehefrau kümmern müssen und ihr deswegen nicht beim Ausfüllen von Unterlagen helfen können.
Auf Nachfrage, ob sie irgendwann einmal staatliche Unterstützungsleistungen erhalten habe, verneinte sie. Im Kosovo habe sie gelebt, weil ihr Vater sie finanziell unterstützt habe. Das sei aber nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend sei, dass sich niemand mehr um sie gekümmert habe. Das sei katastrophal, sie habe dort nicht alleine leben können (ebenda Bl. 108).
Auf Nachfrage, seit wann sie bei ihrem Bruder gelebt habe, sagte sie, sie habe immer bei ihrem Bruder gelebt – später korrigierte sie: die letzten sieben Jahre. Jetzt seien die Kinder größer geworden und er sage, er habe für sie keine Zeit und keinen Platz mehr. Ihre Mutter lebe seit sieben Jahren in Deutschland, ihr Vater seit September 2015 (ebenda Bl. 108 f.).
Zu ihrem Alltag erläuterte sie, im Haushalt ihres Bruders sei sie aufgestanden, ihre Schwägerin habe, wenn sie Lust gehabt habe, etwas zum Essen vorbereitet. Die Klägerin sei zu Hause gewesen. Früher habe man sie zu Besorgungen in die Stadt mitgenommen, die letzte Zeit nicht mehr. Sonst habe es niemanden gegeben, der sich um sie gekümmert habe. Ihre Eltern hätten sie zweimal im Jahr besucht, im August und an Silvester, etwa 2-3 Wochen seien sie geblieben (ebenda Bl. 109).
Ihre Eltern gaben auf Frage zum Aufenthaltsstatus an, der Vater habe zunächst in Italien gearbeitet und dann in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, auf dem gleichen Weg sei eine andere Tochter nach Deutschland gekommen, seine minderjährige Tochter und seine Frau seien auf dem Weg der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen (ebenda Bl. 109).
Auf Frage, was sie bei einer Rückkehr in den Kosovo befürchte, gab sie an, sie wäre dort allein, ohne Hoffnung und ohne Pflege, praktisch auf der Straße. Sie habe dort kein Zuhause und kein Geld. Niemand könne etwas für Sie kaufen (ebenda Bl. 109). Ihr Vater ergänzte, die finanzielle Lage sei nicht das Problem, sie könnten sie auch von hier aus unterstützen, aber sie könne nicht alleine dort leben. Auf Nachfrage nach einer Möglichkeit im Kosovo, jemanden für eine Betreuung zu bezahlen, gab ihr Vater an, so jemanden finde man im Kosovo nicht mehr, alle seien weg, dort seien nur alte Leute geblieben (ebenda Bl. 109).
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Auf dem Kontrollbogen bestätigte die Klägerin mit einem Namenszeichen, es habe bei der in albanischer Sprache durchgeführten Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben, das rückübersetzte Protokoll entspreche ihren Angaben und diese seien vollständig und entsprächen der Wahrheit (BAMF-Akte Bl. 111).
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Das Bundesamt forderte die Klägerin mit an sie statt an ihren Bevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 6. Mai 2024 vergeblich zur Vorlage aussagekräftiger Atteste auf.
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Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2024 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) jeweils als offensichtlich unbegründet sowie den Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte sie die Ausreisefrist nicht einhalten, werde sie in den Kosovo abgeschoben. Sie könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist würden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte sowie für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus offensichtlich nicht vorlägen, der Kosovo ein sicherer Herkunftsstaat sei und die Klägerin diese Vermutung nicht durch Vortrag einer Verfolgung widerlegt habe.
Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Kosovo würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Eine zu berücksichtigende besondere Gefährdung ergebe sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation oder humanitären Lage. Insbesondere stünden einer Rückkehr grundsätzlich keine Unterbringungsprobleme oder Fragen der existenzsichernden Grundversorgung entgegen. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer können Unterstützungsleistungen bei den in jeder Gemeinde eingerichteten Sozialhilfebüros beantragen. Zudem biete die Regierung eine vorübergehende Unterkunft bis zu einer Woche für Personen an, die nur begrenzte Unterstützung seitens ihrer Familie erhielten.
Die Sozialhilfe bewege sich auf niedrigem Niveau (Mindestsatz 50 Euro/Monat). Sozialleistungen reichten zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichere in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Eine alleinstehende, nicht arbeitsfähige Person mit kosovarischer Staatsangehörigkeit und Wohnort in Kosovo erhalte pro Monat 50 Euro Sozialhilfe; Menschen mit einer Behinderung (PWDs) bzw. chronischen Erkrankungen (mit nachgewiesener dauerhafter Arbeitsunfähigkeit) erhielten eine Behindertenrente i.H.v. monatlich 75 Euro. Im Ergebnis könnten lediglich hilfsbedürftige Personen ohne Angehörige oder anderweitige soziale Unterstützung unter Berücksichtigung des für diese begrenzten kosovarischen Sozialsystems als abschiebungsrelevant besonders verletzlich einzustufen sein. Für Zurückkehrende gebe es Hilfen für bis zu zwölf Monate: Unterstützungsleistungen zur nachhaltigen Integration würden ebenfalls für „vulnerable Personen“ (wie Personen mit Behinderung ohne familiäre Betreuung) gewährt, die den Kosovo erst nach dem 28. Juli 2010 verlassen hätten.
Die Unterstützung bei der Ankunft (Leistungsart Nr. 1) beinhalte den Transport vom Ankunftsort zur zuständigen Gemeinde, medizinische Behandlung sowie Unterkunft für die ersten sieben Tage. Die Nothilfe (Leistungsart Nr. 2) umfasse die Organisation einer Wohnung für sechs Monate (wobei eine Verlängerung um sechs Monate möglich sei), Sozialhilfe, ein Unterstützungspaket für den Winter, medizinische Behandlung sowie Unterstützung bei der Möblierung. Maßnahmen für eine nachhaltige Reintegration (Nr. 3) seien Sprachkurse und Bildungsprogramme. Zudem böten für Rückkehrer u.a. aus Bayern u.a. die Rückkehrer-Projekte der NGO „Diakonie Kosova“ (Sitz in ...) oder der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ... (Sitz in ... und ... – nur freiwillige Rückkehrer) Eingliederungshilfen einschließlich Beratung und psychologischer Betreuung.
Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sondern müsse auch von der Klägerin ggf. unter Aufbietung entsprechender eigener Initiative bewältigt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie – auch bei einer weitgehenden oder vollständigen Erblindung – im Kosovo nicht in der Lage sein sollte, ein Leben zu mindestens am Existenzminimum zu führen. Durch die Eltern und Geschwister in Deutschland könne gegebenenfalls eine finanzielle Unterstützung erfolgen, auch ggf. die Finanzierung einer unterstützenden Betreuung durch Alltagshelfer sei möglich und ausreichend. Es sei keinesfalls eine vollständige Betreuung rund um die Uhr durch qualifiziertes Pflegefachpersonal erforderlich, sondern lediglich eine Unterstützung in bestimmten Alltagssituationen, welche auch von Ungelernten bewerkstelligt werden könne und im Kosovo verfügbar und zugänglich sei. Daher seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht erfüllt.
Der Abschiebungsandrohung stehe der dauerhafte Aufenthalt der Eltern und der beiden Schwestern in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Diesbezüglich bestehe keine Bindung, hinter die das staatliche Interesse am Vollzug der Rückkehrverpflichtung zurücktreten müsste, auch nicht im Fall einer weitgehenden oder vollständigen Erblindung. Daher stehe auch kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung entgegen. Da sie auf dem Hinweg bereits per Flugzeug eingereist sei, stehe ihrer Rückkehr auf dem Luftweg auch kein gesundheitliches Hindernis entgegen.
Die Anordnung mit Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Die Klägerin verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Die hier aufhältigen Angehörigen seien ebenso wie sie volljährig.
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Gegen diesen an ihren Bevollmächtigten am 24. Mai 2024 zur Post gegebenen Bescheid ließ die Klägerin am 4. Juni 2024 Klage erheben mit dem Antrag:
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Mai 2024, zugestellt am 28. Mai 2024, wird in den Ziffern 4,5 und 6 aufgehoben.
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2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.
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3. Hilfsweise wird weiter beantragt, das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. kürzer zu befristen.
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Weiter ließ sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage und Prozesskostenhilfe für beide Verfahren beantragen und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertiefen. Die Aufforderung zur Vorlage von Attesten habe weder sie noch ihren Bevollmächtigten erreicht. Es liege eine besondere Härte vor und sie wolle sich weiterhin in der Geborgenheit ihrer Familie aufhalten – und zwar in Deutschland.
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Die Antragsgegnerin und Beklagte im Parallelverfahren (im Folgenden: Beklagte) beantragt
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Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Der Berichterstatter entscheidet als gesetzlicher Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Eine – vom Bevollmächtigten der Klägerin gewünschte – mündliche Verhandlung ist im Antragsverfahren nach § 36 Abs. 3 Satz 4 AsylG regelmäßig nicht vorgesehen; sie bleibt dem Klageverfahren vorbehalten.
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1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
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Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
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Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
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Ein Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Da sich die Klage nur auf die Feststellung von Abschiebungsverboten richtet, sind die von der Beklagten verneinten Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes nicht zu prüfen.
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Gemessen an diesen Anforderungen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellung der Beklagten, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids mit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
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Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist auch der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197) und die aus zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Die Gefahren müssen ein Mindestmaß an Schwere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aufweisen. Eine bloße Verschlechterung der Lebensumstände oder Verringerung der Lebenserwartung im Zielstaat gegenüber den Verhältnissen im Aufenthaltsstaat genügt nicht; es muss sich vielmehr um einen so außergewöhnlichen Fall handeln, dass humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – NVwZ 2021, 327 ff. Rn. 10 f.).
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Aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bedarf es für den Ausschluss einer menschenrechtswidrigen Existenzgefahr nicht der Möglichkeit zur Begründung eines dauerhaften Aufenthalts im Zielstaat, sondern dass der ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25). Denn es bedarf eines engen zeitlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen der Rückführung des Ausländers in den Zielstaat und der ihm dort drohenden Verelendung (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 26 mit Verweis auf EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 Rn. 183).
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Wie die Beklagte in der Begründung ihres angefochtenen Bescheids ausführlich dargelegt hat, bestehen im Kosovo neben der traditionell ausgeprägten familiären Unterstützung auch staatliche Hilfen, wie eine für Behinderte speziell erhöhte Sozialhilfe. Zudem stehen Rückkehrer-Programme zur Verfügung, die Sozialhilfe, Unterkunft und Beratung anbieten. Die Klägerin kann bei freiwilliger Rückkehrer in den Kosovo – auf eine solche muss sie sich rechtlich verweisen lassen (BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 13a B 21.30342 – juris Rn. 32) – die von der Beklagten aktuell und umfassend dargestellten Hilfen in Anspruch nehmen. Zudem stehen ihr zur Reintegration im Heimatland dienende Start- und Rückkehrhilfen wie die u.a. aus Deutschland organisierten und finanzierten Hilfen für Rückkehrer zur Verfügung, die ebenfalls zu berücksichtigen sind und die für eine absehbare Zeit nach einer Ausreise – hier: sechs bis zwölf Monate – den Lebensunterhalt sicherstellen können und die daher die Existenzgefahrenprognose nach § 60 Abs. 5 AufenthG beeinflussen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25 f.). Die dargestellten Hilfen stehen nach amtlicher Auskunft auch aktuell zur Verfügung (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo v. 25.7.2023, S. 19 ff.).
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Auf diese Hilfen ist die Klägerin grundsätzlich zu verweisen. Die volljährige Klägerin kann grundsätzlich innerhalb des Familienverbands leben, wie ihr Aufenthalt im Kosovo gezeigt hat: Bis zum Jahr 2016 lebte sie mit ihrer Mutter beim Bruder, bis die Mutter die Auswanderung nach Deutschland einem Verbleib bei der Klägerin vorzog. Anschließend lebte die Klägerin weitere sieben Jahre bei ihrem Bruder, der sie nun nicht mehr betreuen und unterbringen mag oder kann. Derzeit lebt sie ebenfalls wieder im Familienverband, allerdings in Deutschland bei ihren Eltern. In der Gesamtschau ist die Klägerin zwar auf alltägliche Unterstützung angewiesen, die sie durch die Familie erhalten hat, erhält und weiter erhalten möchte. Zwar ist die Klägerin ausweislich der Atteste behindert und auf alltägliche Hilfe auch bei der Beantragung von Hilfsleistungen angewiesen, aber nicht in einer Weise pflegebedürftig, dass sie dafür eine Fachkraft benötigte. Wie die Beklagte zu Recht einwendet, kann auch eine ungelernte Kraft im Kosovo gegen Bezahlung, welche ihre Eltern nach ihren Angaben im Asylverfahren durchaus zu leisten vermögen, die Betreuung der Klägerin übernehmen. Dass es solche Personen im Kosovo nicht geben soll, die aus familiären oder anderen Gründen auf einen Verbleib im Kosovo ebenso angewiesen sind wie auf einen Nebenverdienst, ist angesichts der Arbeitslosigkeit von 20% und mehr als einem Drittel aller Arbeitsplätze im informellen Sektor (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo v. 25.7.2023, S. 19 f.) nicht anzunehmen. Mag sein, dass die Klägerin in ihrem Heimatdorf niemanden hierfür findet. Doch wenn sie ohnehin nicht mehr beim Bruder leben kann und Obdachlosigkeit bei einer Rückkehr befürchtet, ist sie nicht ortsgebunden, so dass ihr eine Unterkunft an anderem Ort, ggf. über eine Hilfsorganisation oder Vermittlung ihrer Eltern, möglich, erreichbar und zumutbar ist. Damit besteht für die Klägerin keine Existenzgefahr im Zeitpunkt einer vorrangig von ihrer Familie freiwillig, sonst notfalls behördlich zwangsweise organisierten und durchgesetzten Rückkehr in den Kosovo.
33
Nach allem ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der Klägerin kein so außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würden und humanitäre Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ wären.
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b) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids mit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
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Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
37
Eine solche Erkrankung ist auch aus den o.g. Attesten nicht ersichtlich. Dass die Erblindung der Klägerin schicksalhaft leider voranschreitet, lässt sich medizinisch nicht behandeln. Eine der Bundesrepublik Deutschland im Fall einer Abschiebung zurechenbare Verschlechterung ist daher nicht ersichtlich.
38
c) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Ihr stehen auch nicht nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG das Kindeswohl, noch familiäre Bindungen, noch der Gesundheitszustand entgegen.
39
Wie bereits ausgeführt, beruht die Trennung der Klägerin von ihrer Mutter auf deren freiwilligem Entschluss zur Auswanderung nach Deutschland vor sieben Jahren und beruht die aktuelle Trennung der Klägerin von ihrem Bruder auf seinem und ihrem eigenen autonomen Entschluss zur – mangels entsprechenden Visums unerlaubten – Auswanderung nach Deutschland.
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Da die Familie ihr familiäres Zusammenleben selbst und autonom gestaltet, aber ohne Rücksicht auf die von Deutschland gesetzten Regeln für ein Visumverfahren nach § 6 Abs. 3 und § 36 Abs. 2 AufenthG, kann sie umgekehrt nicht einwenden, dass die von der Klägerin derzeit bei ihren Eltern gelebte familiäre Lebensgemeinschaft unter Erwachsenen nach Art. 8 EMRK schützenswerter wäre als das öffentliche Interesse an einer gesteuerten Einwanderung (vgl. EGMR, U.v. 9.7.2021 – 6697/18 – NVwZ-RR 2022, 877 ff. Rn. 132). Die Klägerin hätte statt des Besuchsvisums die Möglichkeit gehabt, nach § 36 Abs. 2 AufenthG ein Visum zu beantragen für einen Familiennachzug unter Prüfung aller Belange und einer etwaigen besonderen Härte. Auf dieses rechtmäßige Alternativverhalten ist sie zu verweisen. Daher steht auch die Trennung von ihren Eltern nicht der Abschiebung entgegen, zumal die Einreise von Anfang an nur Besuchszwecken und nicht einem Daueraufenthalt dienen sollte und auch nur so erlaubt worden war. Ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der derzeit tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft konnte so nicht entstehen, was auch allen beteiligten Familienangehörigen bekannt und bewusst war.
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Eine Reiseunfähigkeit ist weder aufgezeigt, noch ersichtlich. Möglicherweise benötigt die Klägerin eine Inempfangnahme am Zielort – durch Familienangehörige oder Bedienstete ihres Herkunftsstaats zwecks Weiterleitung zu den o.g. Hilfsangeboten. Das lässt sich auch von Deutschland aus sowohl für eine freiwillige Rückkehr als auch für eine zwangsweise Rückführung organisieren und steht der Reise als solcher nicht entgegen.
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2. Nachdem sich auch die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG mangels berücksichtigungsbedürftiger Belange für eine kürzere Befristung als rechtmäßig erweist, war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
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Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil dem Antrag die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ, a.a.O., Rn. 38).
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Aus den oben genannten Gründen hat der Antrag keine hinreichende Erfolgsaussicht, so dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen ist, ohne dass es noch auf die Bedürftigkeit der Klägerin ankommt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.