Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 23.05.2024 – Au 5 K 23.1127
Titel:

Erfolglose Nachbarklage - Nutzungsänderung eines Erotik-Kinos in eine Vergnügungsstätte mit Bar und Videokabinen

Normenketten:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
BauNVO § 1 Abs. 6, § 8
Leitsätze:
1. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte des Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz ausschließlich nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots. Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge einer zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festsetzung von Baugebieten in Bebauungsplänen hat kraft Bundesrechts grundsätzlich eine nachbarschützende Funktion, weil die Baugebiete der BauNVO das Ergebnis eines typisierenden Ausgleichs möglicher Nutzungskonflikte sind. Modifizierende, feinsteuernde Festsetzungen greifen jedoch in das durch die Gebietstypisierung vorgegebene nachbarliche Austauschverhältnis nicht ein. Denn sie dürfen keinen neuen Gebietstypus hervorbringen und für ihre Rechtfertigung genügen allgemein städtebauliche Gründe ohne Beschränkung auf nachbarliche Belange. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vermeidung eines unerwünschten Trading-Town-Effekts spielt in erster Linie im Zusammenhang mit städtebaulichen Überlegungen für Festsetzungen in einem Bebauungsplan eine Rolle. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Trading-Down-Effekt ist zu befürchten, wenn durch eine konzentrierte Ansiedlung von Vergnügungsbetrieben in einem Baugebiet dessen Attraktivität für andere Gewerbebetriebe gemindert und ein Verdrängungsprozess zum Nachteil des herkömmlichen Gewerbes dadurch eingeleitet wird, dass Vergnügungsstättenbetriebe aufgrund ihrer vergleichsweise höheren Ertragsmöglichkeit bei geringem Investitionsaufwand in der Lage sind, höhere Pachten zu zahlen und so die Immobilienpreise in einer Weise steigen, dass eine Betriebsansiedlung anderer Gewerbe auf Dauer nicht lohnend ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Gewerbegebiet, Ausschluss von Vergnügungsstätten im Bebauungsplan, Feinsteuerung bei der Art der baulichen Nutzung, keine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs, Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, Befreiung, Trading-Town-Effekt
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16380

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Erotik-Kinos in eine Vergnügungsstätte mit Bar und Videokabinen.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. ... und, Gemarkung ... (die folgenden Flurnummern beziehen sich auf dieselbe Gemarkung). Auf den Grundstücken befinden sich die Betriebsstätten einer Bäckerei/Konditorei.
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Am 28. Juni 2022 wurde für das Grundstück Fl.Nr. ... die Genehmigung zur Nutzungsänderung eines Erotikkinos in eine Vergnügungsstätte mit Bar und Videokabinen beantragt. Sowohl das Baugrundstück als auch die Grundstücke der Klägerin liegen innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. ... „Gewerbegebiet südlich der ... Straße-Teilbereich, Teil 1“ vom 5. August 2011 (im Folgenden: Bebauungsplan Nr. ...). Dieser setzt ein Gewerbegebiet (GE) nach § 8 Baunutzungsverordnung (BauNVO) fest. In Ziffer C.2. § 4 Abs. 5 der Textlichen Festsetzungen wird festgesetzt, dass Vergnügungsstätten, Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution im gesamten Plangebiet nicht zulässig sind.
4
Mit Bescheid vom 16. Juni 2023 (Az. ...), der Klägerin nach ihren Angaben zugestellt am 16. Juni 2023, erteilte die Beklagte die Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung. In Ziffer III. des Bescheids wird eine Befreiung von der Textlichen Festsetzung in Ziffer C.2. § 4 Abs. 5 des Bebauungsplans Nr. ... (im Folgenden: Textliche Festsetzung § 4 Abs. 5) erteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) erteilt werden könne, weil die Abweichung städtebaulich vertretbar sei, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.
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Am 17. Juli 2023 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragen,
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den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2023 (Az. ...) zur Nutzungsänderung eines Erotikkinos in eine Vergnügungsstätte mit Bar und Videokabinen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung, ... Straße, aufzuheben.
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Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 25. September 2023 vorgetragen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Nutzung um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte in Form eines Swingerclubs handle. Als solche sei sie jedoch in der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 für diesen Bereich insgesamt ausgeschlossen. Die Grundstücke der Klägerin seien an eine Bäckerei/Konditorei verpachtet, welche dort die Produktion für sämtliche Filialen sowie einen Verkaufsladen im vorderen Bereich zur ... Straße hin betreibe. Auch die zentrale Verwaltung der Bäckerei/Konditorei befinde sich hier. Der Betriebsstandort habe eine Präsentationsfunktion für den alteingesessenen und weithin bekannten Betrieb. Dieser werbe mit einem besonderen Qualitätsanspruch und handwerklicher Fertigung. Mit der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 sollte u.a. ein befürchteter Trading-Down-Effekt verhindert werden und die weitere Verdrängung klassischer Gewerbegebietsnutzungen unterbunden werden. Derzeit bestünden im Geltungsbereich zwei Betriebe, die vom Ausschluss der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 erfasst seien. Dies seien eine Spielhalle auf dem Grundstück Fl.Nr., direkt zwischen dem Baugrundstück und den Grundstücken der Klägerin, sowie das verfahrensgegenständliche Vorhaben. Daneben befinde sich in der anderen Hälfte des Gebäudes auf dem Baugrundstück ein Sexshop. Ursprünglich habe sich in dem Gebäudeteil, welcher nun umgenutzt werden solle, ein Erotikkino befunden. Diese Nutzung sei bereits vor Beantragung der baurechtlichen Genehmigung in die verfahrensgegenständliche Nutzung geändert worden. Damit sei die ursprüngliche Baugenehmigung erloschen. Die Klägerin werde durch die erteilte Befreiung in Ziffer III.3. des Bescheids hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in ihrem Anspruch auf Gebietsbewahrung verletzt. Die Festsetzung, von der befreit worden sei, sollte nach dem Willen des Plangebers erkennbar eine Schutzfunktion für den Betrieb der Bäckerei/Konditorei bewirken und sei somit drittschützend. Durch die erteilte Befreiung würden die Grundzüge der Planung berührt, weil im Bebauungsplan diese Nutzung gezielt ausgeschlossen worden sei. Auch lägen die Befreiungstatbestände des § 31 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BauGB nicht vor. Die Nutzungsänderung sei mit einer Neuansiedlung bestehender Betriebe gleichzusetzen, was erkennbar dem Willen des Plangebers widerspreche. Zudem trete mit der geänderten Nutzung eine Verstärkung des Trading-Down-Effekts im Baugebiet ein. Es würden sich hier in prominenter Sichtlage direkt an der viel befahrenen ... Straße eine Spielhalle, ein Sexshop und ein Swingerclub aneinanderreihen, was einer „Vergnügungsstättenmeile“ nahekomme. Gerade dies habe die Beklagte mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. ... verhindern wollen. Die Befreiung sei auch nicht mit den nachbarlichen Interessen vereinbar. Die Zulassung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens wurde eine deutliche Verschlechterung der Gebietskulisse für den Bäckereibetrieb mit sich bringen, mit anderen Worten einen Trading-Down-Effekt. Es sei zu erwarten, dass es vermehrt zu Begegnungen von Kunden der Vergnügungsstätten auch zur Tagzeit mit Kunden der Bäckerei komme. Vorbeifahrende Fahrzeuglenker und Kunden würden die Vergnügungsstätte(n) wahrnehmen und den Standort entsprechend negativ werten. Dies könne dazu führen, dass die Gegend gemieden werde. Damit trete ein Trading-Down-Effekt ein, der Firmensitz verliere seine Attraktivität und Präsentationsfunktion. Aus der Häufung von Vergnügungsstätten zusammen mit einem Sexshop in direkter Nachbarschaft zum Betrieb der Bäckerei/Konditorei und direkt an der ... Straße sei das Vorhaben letztlich auch nach § 15 BauNVO unzulässig, da es zu einem Vergnügungsviertel beitrage und damit der Zweckbestimmung des Baugebiets widerspreche.
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Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 25. September 2023 wird verwiesen.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2023,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin sich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen könne. Ein durch Feinsteuerung gemäß § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO modifiziertes Baugebiet könne nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keinen Gebietserhaltungsanspruch oder nachbarschützende Drittwirkung vermitteln. Etwas Anderes gelte nur, wenn die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers auch den Nachbarinteressen dienen wollte. Die Auslegung des Willens des Plangebers ergebe vorliegend, dass der Bebauungsplan mit den getroffenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung und insbesondere mit dem Ausschluss von Einzelhandels- und Vergnügungsstättennutzungen das städtebauliche Ziel des Erhalts bzw. Aufbaus eines klassischen Gewerbestandorts erreichen wollte. Es sollten bestimmte Arten von Gewerbebetrieben angesiedelt sein und eine gewisse städtebauliche Struktur aufgebaut werden. Durch den Ausschluss von Vergnügungsstätten sollte eine Imageschädigung des klassischen Gewerbegebiets und ein Verlust an Attraktivität für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben vermieden werden. Dies stelle jedoch rein öffentliche bzw. städtebauliche Belange dar, die nicht direkt dem Nachbarschutz dienen sollten. Im Übrigen sei die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB rechtmäßig erteilt worden. Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt. Aus der Begründung des Bebauungsplans sei zu entnehmen, dass zur Vermeidung unerwünschter Strukturentwicklungen die Neuansiedlung von Vergnügungsstätten vermieden werden sollte. Der status quo in Sachen vorhandener klassischer Gewerbenutzungen sollte erhalten werden und ein „Abdriften“ in Richtung Vergnügungsviertel unterbunden werden. Dieser Grundzug werde durch das Vorhaben jedoch nicht beeinträchtigt, da keine Mehrung an Vergnügungsstättennutzungen stattfinde. Im Bereich der genehmigten Nutzung seien in dem Gebäude bereits ein Bereich mit Videolounge, fünf Videokabinen, ein Kino mit 18 Sitzen und ein Raum mit sechs Liegen enthalten gewesen. Die bestehende Vergnügungsstätte werde somit nur in eine andere, gleichermaßen sexbezogene Vergnügungsstätte umgewandelt, der Betrieb werde in etwa auf der gleichen Fläche ausgeübt. Die Nutzungskapazitäten seien entsprechend des Grundrissplanes nur unwesentlich höher als die der vorherigen Vergnügungsstätte. Die Besucherzahl bewege sich laut Angaben des Betreibers pro Betriebszeit bei 20-40 Personen. Der Vergleich der beiden Vergnügungsstätten zeige, dass weder eine wesentliche Erweiterung des Betriebs noch eine qualitativ wesentliche Veränderung stattfinde. Eine Neuansiedlung einer Vergnügungsstätte, die ein Umkippen des Gebietscharakters einleiten könnte, sei nicht gegeben. Auch die städtebauliche Vertretbarkeit sei gegeben. Eine Bezugsfallwirkung sei durch die Zulassung der Vergnügungsstätte nicht zu erwarten. Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans bereits vorhandenen Nutzungen im Plangebiet würden nahezu auch den heutigen, vorzufindenden Nutzungen entsprechen. Der Großteil der Grundstücke befinde sich weiterhin im Eigentum der Klägerin sowie eines Speditionsbetriebs. Auch der metallverarbeitende Betrieb auf der Fl.Nr. ... sei nach wie vor vorhanden. Als einzige Vergnügungsstätten gebe es nach wie vor die Spielhalle an der ... Straße ... sowie das streitgegenständliche Anwesen. Leerstehende Gebäude seien im Planumgriff nicht zu erkennen. Die Entwicklung in Richtung eines Vergnügungsviertels werde deshalb durch die Zulassung der Vergnügungsstätte nicht eingeleitet. Das Gebiet werde durch mehrere, klassische Gewerbebetriebe geprägt. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch den Trading-Down-Effekt sei nicht zu bejahen. Bereits vor Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung sei eine Vergnügungsstätte in Form eines Erotikkinos auf dem Baugrundstück vorhanden gewesen. Bereits dieses hätte als Vergnügungsstätte zusätzlich die Qualität gehabt, zur Einleitung eines Trading-Down-Effekts beizutragen. Zusammen mit der ebenfalls schon bestehenden Spielhalle seien diese beiden Nutzungen im Bebauungsplangebiet die einzigen, die den Vergnügungsstätten zuzuordnen wären. Ein „Umkippen“ des Gebietscharakters in ein Vergnügungsviertel sei nicht eingetreten. Dies sei auch durch die Nutzungsänderung des Erotikkinos in eine Vergnügungsstätte nicht zu erwarten, da nicht eine grundlegend andere Klientel angesprochen werde. Dem Umkippen des Gebietscharakters stehe auch die Grundstücksverfügbarkeit entgegen.
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Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 wird verwiesen.
13
Mit Beschluss vom 18. Juli 2023 wurde die Bauherrin zum Verfahren beigeladen.
14
Am 13. März 2024 fand ein nicht-öffentlicher Augenscheinstermin statt.
15
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
17
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. Juni 2023 verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
18
1. Die Klage ist zulässig.
19
Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie kann sich hinsichtlich des Vorhabens auf dem Grundstück Fl.Nr. ... als Nachbarin im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung in drittschützenden Normen, insbesondere eine mögliche Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs, berufen. Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO wurde eingehalten.
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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben den im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – BVerwGE 82, 343). Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen. Weiterhin muss der Nachbar durch den Verstoß gegen diese Norm in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen sein. Eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht dabei nicht aus, denn der Nachbar muss in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein.
22
Da es sich beim streitgegenständlichen Vorhaben um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 ff. BauGB, den Vorschriften über die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).
23
a) Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende bauplanungsrechtliche Vorschriften.
24
aa) Der Klägerin steht kein Abwehranspruch gegen das Bauvorhaben in Form eines Gebietserhaltungsanspruchs zu.
25
Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem nach § 1 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 BauNVO durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zu Wehr zu setzen. Der Anspruch beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet wird, dass also ein wechselseitiges Austauschverhältnis besteht (st. Rspr., u.a. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – B 55.07 – BayVBl 2008, 765; BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364). Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung im selben Baugebiet grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, U.v. 11.5.1989 – 4 C 1.88 – BVerwGE 82, 61).
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(1) Das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt, ebenso wie das benachbarte Grundstück der Klägerin, im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. .... Der Bebauungsplan setzt in § 4 Abs. 1 der Textlichen Festsetzungen ein Gewerbegebiet im Sinne des § 8 BauNVO fest. Nach der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 sind Vergnügungsstätten (sowie Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution) unzulässig.
27
Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Nutzung stellt unstreitig eine Vergnügungsstätte dar, als solche wurde sie auch beantragt und ausdrücklich genehmigt. Vergnügungsstätten sind im Plangebiet grundsätzlich unzulässig. Deshalb wurde der Beigeladenen die Nutzungsänderung unter Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 genehmigt. Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn maßgeblich davon ab, ob den Festsetzungen nachbarschützende Funktion zukommt. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Befreiungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte des Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen ausschließlich nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots. Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge einer zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (BayVGH, B.v. 10.8.2022 – 9 ZB 21.2688 – juris Rn. 7; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 22). Vorliegend ist dem Bebauungsplan nach Auffassung der Kammer nicht zu entnehmen, dass die Beklagte beim Satzungsbeschluss den Willen hatte, der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 nachbarschützende Wirkung zuzuschreiben.
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(2) Bei der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 handelt es sich um eine sog. „Feinsteuerung“ nach § 1 Abs. 6 BauNVO, der vorliegend keine nachbarschützende Wirkung zukommt.
29
Die Textliche Festsetzung § 4 Abs. 5 findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO. Nach dieser Regelung kann im Wege der Feinsteuerung im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden (vgl. hierzu Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand: Oktober 2023, § 1 Rn. 79). Derartige Feinsteuerungen erfolgen in der Regel im öffentlichen Interesse und sind deshalb nicht nachbarschützend (s. hierzu BayVGH, B.v. 17.10.2002 – 15 CS 02.2068 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 ZB 11.1591 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 15.11.2019 – 9 ZB 19.506 – juris Rn. 6; OVG NRW B.v. 16.2.2017 – 8 A 2094/14 – juris Rn. 12; a.A. OVG Hamburg, B.v.16.11.2015 – 2 Bs 165/15 – juris Rn. 25). Die Festsetzung von Baugebieten in Bebauungsplänen hat zwar kraft Bundesrechts grundsätzlich eine nachbarschützende Funktion, weil die Baugebiete der Baunutzungsverordnung das Ergebnis eines typisierenden Ausgleichs möglicher Nutzungskonflikte sind. Modifizierende, feinsteuernde Festsetzungen greifen jedoch in das bundesrechtlich durch die Gebietstypisierung vorgegebene, nachbarliche Austauschverhältnis nicht ein. Denn sie dürfen keinen neuen Gebietstypus hervorbringen und für ihre Rechtfertigung genügen allgemein städtebauliche Gründe ohne Beschränkung auf nachbarliche Belange (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1987 – 4 C 77/87 – BVerwGE 77, 317-322). Diese Festsetzungen ergehen deshalb regelmäßig im öffentlichen Interesse mit der Folge, dass daraus kein Drittschutz erwächst (BayVGH, B.v. 23.2.2012, a.a.O., Rn. 6). Von einer neben die städtebauliche Ordnungsfunktion tretenden, nachbarschützenden Wirkung der Festsetzung könnte daher lediglich dann ausnahmsweise ausgegangen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen dahingehenden planerischen Willen erkennbar sind. Ob die Festsetzung danach ausnahmsweise auch dem Schutz eines bestimmbaren oder von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises zu dienen bestimmt ist oder nicht, kann sich dabei aus dem Bebauungsplan selbst, aus der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ergeben (BayVGH, B.v. 23.2.2012, a.a.O., Rn. 7).
30
Vorliegend ergeben sich jedoch weder aus den Textlichen Festsetzungen noch aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... Hinweise darauf, dass der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 nachbarschützende Wirkung zukommen sollte. In der Begründung des Bebauungsplans ist unter Ziffer D.1.2. zum Anlass der Planung ausgeführt, dass das Plangebiet als Standort für klassisches Gewerbe, bestehend aus produzierendem Gewerbe, Logistik und Dienstleistungen aufrechterhalten und gestärkt werden solle. Unerwünschte Strukturentwicklungen sollten vermieden werden, erwünschte Strukturentwicklungen gestärkt werden. Das städtebauliche Konzept des Bebauungsplans wird in Ziffer D.4.1. dahingehend beschrieben, dass die Funktionsfähigkeit des Standorts für klassische Gewerbearten gesichert und gestärkt werden sollte. Unerwünschte Strukturveränderungen sollten vermieden werden und der Charakter der überwiegend vorhandenen gewerblichen Nutzungen aufrechterhalten bleiben. Die Belange der Wirtschaft inklusive der Beschäftigung, die Sicherung des bereits gut erschlossenen Gewerbestandorts und allgemein der Vorrang der Innenentwicklung seien wichtige Aspekte im städtebaulichen Gesamtkonzept und in der Bebauungsplanung. Zudem werde die Verkehrssituation neu geordnet. Zur Begründung von Art und Maß der baulichen Nutzung (Ziffer D.4.2) ist ausgeführt, dass ein Gewerbegebiet festgesetzt werde, das in erster Linie der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben dienen solle. Produzierendes Gewerbe, Logistik und Dienstleistungen sollten gestärkt und gesichert werden. Die Neuansiedlung von Bordellen sowie die nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO im Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten würden ausgeschlossen, um städtebaulichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, einen befürchteten Trading-Down-Effekt zu verhindern, die weitere Verdrängung klassischer Gewerbegebietsnutzungen zu unterbinden und die Wohnqualität des benachbarten ... Wohnviertels nicht zu beeinträchtigen. Aus dieser Begründung lässt sich jedoch ein planerischer Wille dahingehend, dass der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 nachbarschützende Wirkung zukommen sollte, nicht ableiten. Vielmehr sollte das Baugebiet im öffentlichen Interesse als Standort für klassisches Gewerbe, insbesondere produzierendes Gewerbe, Logistik und Dienstleistungen, erhalten und gestärkt werden. Deutlich erkennbar wird in der Begründung das städtebaulich motivierte Ziel, den durch die bereits vorhandenen Gewerbebetriebe geprägten Charakter des Gebiets aufrechtzuerhalten und unerwünschten Strukturveränderungen entgegenzuwirken. Die Gefahr derartiger Strukturveränderungen und städtebaulicher Fehlentwicklungen sah der Plangeber, wie sich aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt, insbesondere in der Neuansiedlung von Bordellen, bordellartigen Betrieben sowie von Vergnügungsstätten im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO. Diese wurden, auch um einen befürchteten Trading-Down-Effekt in Form des Kippens des Gebietscharakters in Richtung eines Vergnügungsviertels zu verhindern, im Bebauungsplan ausdrücklich ausgeschlossen. Damit sollte, wie in der Begründung hierzu weiter ausgeführt wird, eine weitere Verdrängung klassischer Gewerbegebietsnutzungen unterbunden werden und die Wohnqualität des benachbarten ... Wohnviertels nicht beeinträchtigt werden. Aus dieser Begründung zur Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 lässt sich jedoch eine Motivation des Plangebers, über die genannten städtebaulichen Ziele hinaus, der Festsetzung auch zu Gunsten der Nachbarschaft im Gebiet eine konkret drittschützende Wirkung beizumessen, nicht entnehmen. Auch wenn die Klägerin mittelbar davon profitieren mag, dass über den vorhandenen Bestand an Vergnügungsstätten hinaus keine weiteren, derartigen Neuansiedlungen möglich sind, ist doch nicht erkennbar, dass eine derartige, nachbarschützende Komponente Motiv des Plangebers zur Aufnahme der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass der vom Plangeber angesprochene, unerwünschte Trading-Town-Effekt in erster Linie im Zusammenhang mit städtebaulichen Überlegungen für Festsetzungen in einem Bebauungsplan eine Rolle spielt (BVerwG, B.v. 21.12.1992 – 4 C 13.33 – juris Rn.; BayVGH, B.v. 13.12.2017 – 2 B 17.1741 – juris Rn. 37). Etwas Anderes ist auch der vorliegenden Begründung des Bebauungsplans nicht zu entnehmen. Soweit mit einer derartigen Entwicklung Attraktivitätsverluste und mögliche Umsatzeinbußen für im Gebiet vorhandene Betriebe verbunden sind, sind dies Folgen, die nicht Gegenstand einer bauplanungsrechtlichen Steuerung sein können. Wirtschaftliche Chancen sind stets standortabhängig, eine Garantie auf deren Aufrechterhaltung ergibt sich aus dem Bauplanungsrecht nicht. Im Übrigen finden sich in der Begründung des Bebauungsplans zwar Hinweise darauf, dass der Plangeber das überplante Gebiet in seiner zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Struktur mit den dort bereits angesiedelten Gewerbebetrieben – darunter auch die auf den Grundstücken der Klägerin betriebene Bäckerei mit Verkaufs- und Produktionsstätten – in den Blick genommen hat und dieses Gebiet zum einen jedenfalls in der vorgefundenen Form sichern wollte, zum anderen insbesondere allgemein dem produzierenden Gewerbe, der Logistik und den Dienstleistungen im Gebiet weiterhin Raum verschaffen wollte. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass dies über die städtebaulich genannten Gründe hinaus auch mit Blick auf unmittelbaren Nachbarschutz geschehen ist. Auch in der Formulierung und Wortwahl der Begründung finden sich keine Hinweise auf eine derartige Auslegung.
31
Nachdem es sich bei der Textlichen Festsetzung § 4 Abs. 5 demnach nicht um eine nachbarschützende Festsetzung handelt, kommt es auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, wie ausgeführt, nicht an.
32
Darüber hinaus wird der Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin nach Auffassung des Gerichts vorliegend auch deshalb nicht verletzt, weil mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung kein dauerhaftes Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit eine schleichende Umwandlung des Baugebiets verbunden ist. Die genehmigte Vergnügungsstätte ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig, es handelt sich nicht um eine gebietsfremde Nutzung. Eine Umwandlung des Gebietscharakters des festgesetzten Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO ist nach Auffassung des Gerichts durch die streitgegenständliche Genehmigung nicht zu befürchten. Das Plangebiet ist schon langjährig weitgehend durch etablierte, klassische Gewerbenutzung geprägt. Der Großteil der Flächen befindet sich im Eigentum der Klägerin und einer Spedition. Des Weiteren gibt es einen Partyausstattungsverleih und einen metallverarbeitenden Betrieb. Leerstehende Gebäude sind nicht ersichtlich. Einzige Vergnügungsstätten sind nach wie vor die Spielhalle und die streitgegenständliche Vergnügungsstätte. Auch bisher befand sich im streitgegenständlichen Anwesen bereits eine Vergnügungsstätte. Anzahl, Nutzungsumfang und die zu erwartende Frequentierung der vorhandenen Vergnügungsstätten verändern sich durch die erteilte Genehmigung nicht. Der (weiteren) Neuansiedlung von Vergnügungsstätten steht zudem die Textliche Festsetzung § 4 Abs. 5 des Bebauungsplans entgegen. Damit ist eine Umwandlung des Gebietscharakters und eine Entwicklung hin zu einer „Vergnügungsstättenmeile“ oder zu einem von Vergnügungsstätten dominierten Gebiet, das nicht mehr den Charakter eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO aufweisen würde, nicht zu befürchten.
33
bb) Die Klägerin wird durch das Bauvorhaben nicht nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots (§ 15 Abs. 1 BauNVO) in ihren Rechten verletzt.
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Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290).
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Eine Verletzung der gebotenen Rücksichtnahme ergibt sich nicht mit Blick auf den von der Klägerin befürchteten Trading-Down-Effekt. Ein Trading-Down-Effekt ist dann zu befürchten, wenn durch eine konzentrierte Ansiedlung von Vergnügungsbetrieben in einem Baugebiet dessen Attraktivität für andere Gewerbebetriebe einerseits gemindert wird, andererseits aber auch ein Verdrängungsprozess zum Nachteil des herkömmlichen Gewerbes letztendlich dadurch eingeleitet wird, dass Vergnügungsstättenbetriebe aufgrund ihrer vergleichsweise höheren Ertragsmöglichkeit bei geringem Investitionsaufwand in der Lage sind, höhere Pachten zu zahlen und so die Immobilienpreise in einer Weise steigen, dass eine Betriebsansiedlung anderer Gewerbe auf Dauer nicht lohnend ist. Hierfür finden sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Im maßgeblichen Bebauungsplangebiet stellen die nunmehr genehmigte Vergnügungsstätte sowie die bereits langjährig vorhandene Spielhalle die einzigen Vergnügungsstätten dar. Mit der streitgegenständlichen Genehmigung wird die Zahl der im Gebiet vorhandenen Vergnügungsstätten nicht erhöht, weil die ursprünglich vorhandene Vergnügungsstätte nach Umbauarbeiten im Inneren des Gebäudes und einem Betreiberwechsel in eine neue Form überführt wurde. Das ursprünglich vorhandene Erotik-Kino mit fünf Videokabinen, Videolounge, Kino mit achtzehn Sitzen und ein Raum mit sechs Liegen wurde in eine Bar mit fünfzehn Videokabinen umgestaltet, der Fachmarkt für Erotikartikel wurde baulich abgetrennt. Mit der Genehmigung wird demnach kein Verdrängungsprozess eingeleitet, der befürchten ließe, dass nach und nach das herkömmliche Gewerbe verdrängt würde. Dem steht bereits entgegen, dass das Plangebiet im Übrigen durch langjährig angesiedelte Gewerbebetriebe geprägt ist und beispielsweise die Klägerin Eigentümerin eines großen Teils der Flächen des Plangebiets ist. Anhaltspunkte dafür, dass sich über den Bestand hinaus weitere Vergnügungsstätten im Plangebiet ansiedeln könnten, gibt es nicht.
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Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist auch nicht durch den Betrieb der genehmigten Vergnügungsstätte zu erwarten. Der Betrieb wird weiterhin auf den bereits früher als Vergnügungsstätte genutzten Flächen ausgeübt, eine nennenswerte Vergrößerung der Nutzfläche ist nicht erkennbar. Die Nutzungskapazitäten sind kaum höher als bisher. Die Besucherzahl liegt pro Betriebszeit bei 20-40 Personen. Der Betrieb verfügt, wie sich auch beim Augenscheinstermin gezeigt hat, über ausreichend Stellplätze, so dass eine Inanspruchnahme der Stellplätze auf den Grundstücken der Klägerin nicht zu erwarten ist. Auch Belästigungen durch An- und Abfahrtsverkehr, die über das in einem Gewerbegebiet übliche Maß hinausgingen, sind für die Nachbarschaft nicht zu erwarten. Bezogen auf den Bäckereibetrieb auf den Grundstücken der Klägerin gilt dies umso mehr, als die genehmigte Vergnügungsstätte nicht unmittelbar benachbart ist, sondern vielmehr durch das mit der Spielhalle bebaute Grundstück getrennt ist. Dass es in der Vergangenheit zu Problemen gekommen wäre, trägt auch die Klägerin selbst nicht vor. Angesichts des Umstand, dass die genehmigte Vergnügungsstätte faktisch bereits seit 2021 betrieben wird, spricht auch dies gegen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.
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b) Ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften ist nicht ersichtlich.
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Das Bauvorhaben hält die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen unstreitig ein. Das Gebäude wurde im Zuge der Nutzungsänderung in seinen Außenmaßen nicht verändert. Auch im Übrigen ist ein Verstoß gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende, bauordnungsrechtliche Vorschriften, die nachbarschützend wären, weder vorgetragen noch ersichtlich.
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3. Nach alledem verletzt die mit der Klage angefochtene Baugenehmigung vom 16. Juni 2023 die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten. Die Klage erweist sich als erfolglos und ist demzufolge abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat und sich mithin nicht dem Prozessrisiko ausgesetzt hat, hat sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).