Titel:
Aufhebung eines Schiedsspruchs
Normenketten:
ZPO § 286, § 416, § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1, § 1054, § 1059, § 160 § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 S. 1
EGBGB Art. 3 Nr. 2
BGB § 138, § 242
Leitsätze:
1. Die Konzentrationszuständigkeit des nach § 1062 Abs. 5 ZPO bestimmten Bayerischen Obersten Landesgerichts können die Parteien nicht derogieren. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Geltungsbereich des deutsch-amerikanischen Handelsvertrags ist das Personalstatut einer Gesellschaft grundsätzlich nicht an das Recht ihres Verwaltungssitzes, sondern an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht anzuknüpfen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft, soweit eine tatächliche Verbindung der Gesellschaft zur USA besteht. (Rn. 26 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO ist erforderlich, aber auch ausreichend ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Aufhebung setzt voraus, dass der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlage des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder dass der Schiedsspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in untragbarem Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
5. Dem Schiedskläger ist es nach Treu und Glauben verwehrt im Verfahren der Aufhebung des Schiedsspruchs sich auf eine Unwirksamkeit der Schiedsabrede zu berufen. (Rn. 53 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Aufhebung, Zuständigkeit, Schiedsabrede, Unwirksamkeit, odre public, Treu und Glauben, Beweiskraft
Fundstellen:
LSK 2024, 16271
BeckRS 2024, 16271
NZG 2025, 42
Tenor
I. Der Endschiedsspruch des Schiedsgerichts, bestehend aus den Schiedsrichtern …, vom 10. Juni 2021 wird in folgender Ziffer 5 Satz 1
„Die Schiedsklägerin wird verurteilt, der Schiedsbeklagten einen Betrag von EUR 22.292,30 als Kostenerstattung zu zahlen“
für vollstreckbar erklärt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
III. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 22.292,30 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Limited Liability Company (LLC) der Vereinigten Staaten von Amerika (USA), begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Teils eines inländischen Schiedsspruchs.
2
Die Schiedsparteien stritten mit Schiedsklage der Antragsgegnerin und Schiedswiderklage der Antragstellerin über gegenseitige Ansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der von ihnen im Jahr 2009 gegründeten Z. GbR nach deren Kündigung durch die Antragsgegnerin. Der Sole Director der Antragstellerin ist der Bruder der Antragsgegnerin.
3
Der Gesellschaftsvertrag der Z. GbR enthält ausweislich des Schiedsspruchs in Art. 12 folgende Schiedsklausel:
„Alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis, diesem Vertrag oder dessen Gültigkeit, Erfüllung, Auslegung der zwischen den Gesellschaftern und/oder zwischen einem oder mehreren Gesellschafter (sic) einerseits und der Gesellschaft andererseits entstehen, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweg (sic) von einem aus drei Personen bestehenden Schiedsgericht entschieden. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, nämlich zwei beisitzenden Schiedsrichtern und einem Vorsitzenden. Jede Partei bestellt einen beisitzenden Schiedsrichter. Die von den Parteien bestellten Schiedsrichter bestellen einstimmig den Vorsitzenden Schiedsrichter. Für die Hinterlegung des Schiedsspruches und das sonstige Verfahren ist das Landgericht München zuständig. Im Übrigen gelten für das Verfahren die §§ 1025 ff ZPO.“
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Von der Antragsgegnerin wurde keine Einlage in die Z. GbR erbracht.
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Der zwischen den Parteien geschlossene Schieds- und Schiedsrichtervertrag vom 13. November 2020 enthält in § 4 die Festlegung von Fristen und Terminen.
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In dem am Schiedsort München geführten Schiedsverfahren erging am 10. Juni 2021 folgender Endschiedsspruch:
1. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, gegenüber der Schiedsklägerin im Einzelnen zu erklären, wodurch die zugunsten der A. von der Z. GbR im notariellen Schuldanerkenntnis vom 23. März 2017 zur Urkunde des Notars … anerkannten Ansprüche erloschen sind und der Schiedsklägerin Unterlagen auszuhändigen, welche das Erlöschen belegen.
2. Im Übrigen wird die Schiedsklage abgewiesen.
3. Die Schiedsklägerin wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs des … insofern zu erteilen, als nicht die Z. GbR, bestehend aus der Schiedsklägerin und der Schiedsbeklagten, sondern die Schiedsbeklagte als nunmehriges Mitglied der betreffenden Erbengemeinschaft Eigentümerin des Miteigentumsanteils ist.
4. Die Schiedsklägerin trägt 95%, die Schiedsbeklagte 5% der Kosten des Schiedsverfahrens.
5. Die Schiedsklägerin wird verurteilt, der Schiedsbeklagten einen Betrag von 22.292,30 € als Kostenerstattung zu bezahlen. Sämtliche weiteren Kostenerstattungsansprüche werden zurückgewiesen.
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Nach dem Tatbestand des Schiedsspruchs begehrte die Schiedsklägerin eine Abfindung i. H. v. mindestens 150.000,00 € (Hauptantrag), Auskunft über die Finanzierung des Kaufpreises im Rahmen des Erbteilsverkauf- und Übertragungsvertrags vom 27. Februar 2009 (Auskunftsantrag I), Auskunft über die Rechtsgrundlage eines Schuldanerkenntnisses zugunsten der A. vom 23. März 2017 (Auskunftsantrag II) und Auskunft zur steuerlichen Veranlagung der Z. GbR für die Jahre 2009 bis 2020 (Auskunftsantrag III). Die Schiedsbeklagte erhob Widerklage auf Grundbuchberichtigung wegen Anwachsung des Gesellschaftsvermögens nach dem Ausscheiden der Schiedsklägerin aus der Z. GbR.
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Zur Verteidigung gegen die Widerklage habe die Schiedsklägerin – nach der Darstellung im Tatbestand des Schiedsspruchs – in der Replik Zweifel an der Existenz der Schiedsbeklagten geäußert und hilfsweise die Zug-um-Zug-Einrede nach § 320 ZPO bis zur Begleichung des eingeklagten Abfindungsguthabens erhoben.
9
Zum Ablauf des Verfahrens führt das Schiedsgericht insbesondere aus, mit Verfügung vom 5. März 2021 sei die Schiedsklägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Anträge derzeit größtenteils nicht schlüssig oder jedenfalls nicht hinreichend begründet seien. Der Schiedsklägerin sei eine Frist zur Stellungnahme gesetzt und der Termin zur mündlichen Verhandlung in Abstimmung mit den Parteien verlegt worden. Die Schiedsklägerin habe darauf fristgerecht mit Schriftsatz vom 31. März 2021 erklärt, keine Änderung an den Anträgen vornehmen zu wollen. In der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2021 hätten die Parteien – nach eingehender Erörterung – einen Vergleich geschlossen. Für den Fall des Widerrufs hätten die Parteien ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge unverändert gestellt und ihnen sei lediglich nachgelassen worden, bis 6. Mai 2021 zu ihren Verfahrenskosten vorzutragen; ein Schiedsspruch sei bis 3. Juni 2021 in Aussicht gestellt worden. Nach dem fristgerechten Widerruf des Vergleichs durch die Schiedsklägerin habe sich für sie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28. Mai 2021 ihr jetziger Prozessvertreter als Rechtsvertreter bestellt, der eine Änderung der Anträge angekündigt und die Wirksamkeit der Schiedsklausel in Zweifel gezogen habe, auf die sich die Schiedsklägerin bei Erhebung ihrer Schiedsklage selbst gestützt gehabt habe. Auf den Hinweis des Schiedsgerichts, es neige nach vorläufiger Auffassung dazu, den Schriftsatz als verspätet zurückzuweisen, habe die Schiedsklägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 fristgemäß entgegnet, sie habe aufgrund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung Anlass gehabt, das Schiedsverfahren in Zweifel zu ziehen, u. a. deshalb, weil ihr [damaliger] Verfahrensbevollmächtigter einmal vom Vertreter der Schiedsbeklagten unterbrochen worden sei, weil der Vorsitzende die Verhandlung immer wieder „unterbrochen“ habe, um die Aussagen der Verfahrensbeteiligten per Diktiergerät zu protokollieren und weil bestimmte Aussagen der Schiedsbeklagtenvertreter vom Schiedsgericht nach Eindruck der Schiedsklägerin nicht ausreichend hinterfragt worden seien.
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Zur Begründung des Schiedsspruchs führt das Schiedsgericht insbesondere aus, es sei aufgrund von Art. 12 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags in Verbindung mit § 1 des Schieds- und Schiedsrichtervertrags vom 13. November 2020 zur Entscheidung berufen; die Parteien hätten sich ohnehin rügelos auf das Schiedsverfahren eingelassen. Alle Anträge seien als vermögensrechtliche Ansprüche nach § 1030 Abs. 1 ZPO objektiv schiedsfähig. Die Schiedsbeklagte sei als US-Gesellschaft gemäß Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutschamerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 29. Oktober 1954 anzuerkennen und somit parteifähig. Der Sachvortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Schiedsklägerin vom 28. Mai 2021 zum angeblich fehlenden „genuine link“ der Schiedsbeklagten in den USA sei als verspätet zurückzuweisen (§ 1046 Abs. 2 ZPO). Die Klageänderung und die sonstigen Ausführungen seien beinahe vier Monate nach Ablauf der letzten der Schiedsklägerin im vertraglich vereinbarten Fristenkalender eingeräumten Stellungnahmefrist und zwei Monate nach Ablauf der ihr durch verfahrensleitende Verfügung vom 5. März 2021 gesetzten Frist erfolgt. Der nunmehrige Versuch, die Anträge doch noch zu ändern, sei mit der Pflicht zur zeit- und kosteneffizienten Verfahrensführung (vgl. § 2 Abs. 1 Schieds- und Schiedsrichtervertrag i. V. m. Art. 27 Abs. 1 DisSchO 2018) nicht vereinbar. Abgesehen von neuen Zulässigkeitsfragen würde die Wiedereröffnung der Verhandlung wegen der neuen Anträge und des neuen Vorbringens das Verfahren in unvertretbarer Weise verzögern. Die Schiedsklägerin habe auch keine plausible Erklärung für die späte Antragsänderung. Aus diesen Gründen sei auch der Sachvortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28. Mai 2021 zum angeblich fehlenden „genuine link“ als verspätet zurückzuweisen; bei den Behauptungen zum Umfang der Geschäftstätigkeit der Schiedsbeklagten in den USA handle es sich nicht um reinen Rechtsvortrag. Mit dieser neuen Argumentation ziehe die Schiedsklägerin im Übrigen die Parteifähigkeit der von ihr gewählten Schiedsbeklagten in Zweifel, was allenfalls zur Unzulässigkeit ihrer Schiedsklage führen würde. Die Schiedsklage sei nur im Auskunftsantrag II begründet, im Übrigen unbegründet. Die zulässige Widerklage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs sei begründet, § 894 BGB. Die von der Schiedsklägerin erhobene Zug-um-Zug-Einrede greife nicht durch, da schon keine konkreten Gegenrechte vorgetragen oder ersichtlich seien. Die Schiedsklägerin habe für das Schiedsrichterhonorar und ihren Rechtsanwalt insgesamt bislang 22.361,59 € getragen, die Schiedsbeklagte für das Schiedsrichterhonorar und für ihren Rechtsanwalt erstattungsfähige Kosten von insgesamt 24.642,50 €. Um die Differenz zwischen den letztlich zu tragenden Kostenanteilen und den bislang getragenen Kostenanteilen auszugleichen, habe die Schiedsklägerin an die Schiedsbeklagte einen Betrag von 22.292,30 € zu bezahlen.
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Im Verfahren des Bayerischen Obersten Landesgerichts, 101 Sch 120/21, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 6. Juli 2021, den Endschiedsspruch des Schiedsgerichts vom 10. Juni 2021 in den Ziffern 3. und 4. für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15. September 2021, hilfsweise für den Fall, dass aus irgendwelchen Gründen nicht schon nach § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO über das Vorliegen von Aufhebungsgründen entschieden wird, gemäß § 1059 ZPO den Endschiedsspruch vom 10. Juni 2021 aufzuheben. Der Senat wies darauf hin, dieser Antrag werde dahin verstanden, dass die Antragsgegnerin die Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in den Ziffern 3. und 4. begehre und nur hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht im Rahmen der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung der in Ziffern 3. und 4. des Schiedsspruchs ausgesprochenen Verpflichtungen der Antragsgegnerin über insoweit in Betracht kommende Aufhebungsgründe entscheide (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO), die Aufhebung des Schiedsspruchs – in den Ziffern 3. und 4. – begehre. Hierzu führte die Antragsgegnerin aus, sie begehre „jedenfalls die Aufhebung des Schiedsspruchs in den Ziffern 3. und 4.“ Die Frist des § 1059 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZPO sei gewahrt worden. Zum Nachweis ihrer Parteifähigkeit legte die Antragstellerin eine Bestätigung der Rechtsanwaltskanzlei M. vom 8. Oktober 2021 im Original nebst folgender beglaubigter Übersetzung einer öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Übersetzerin für die englische Sprache vor:
„hiermit bestätigen wir, dass unsere Anwaltskanzlei und ihre Vorgängerkanzleien (beginnend mit …) die … LLC seit 2013 kontinuierlich in Finanzsachen und kaufmännischen Angelegenheiten in New York vertreten. Wir sind auch heute noch mandatiert und vertreten die Mandantschaft bei Streitigkeiten und Verhandlungen im Zusammenhang mit notleidenden argentinischen Staatsanleihen vor dem USBezirksgericht für den Southern District, d. h. den südlichen Bezirk von New York, sowie in verschiedenen anderen Angelegenheiten, in denen wir zu Finanz-, Unternehmens- und kaufmännischen Fragen beraten.“
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Mit Beschluss vom 28. Juni 2022 erklärte das Bayerische Oberste Landesgericht den Endschiedsspruch in Ziffern 3. und 4. für vollstreckbar. Die Antragstellerin sei parteifähig; Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO lägen nicht vor. Die Bedingung für den nur auf Aufhebung der Ziffern 3. und 4. des Endschiedsspruchs gerichteten Hilfsantrag sei nicht eingetreten. Die von der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingelegte Rechtsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 9. Februar 2023, berichtigt mit Beschluss vom 2. Mai 2023, I ZB 57/22, zurück.
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Mit Schriftsatz vom 23. August 2022 hat die Antragstellerin anwaltlich vertreten beantragt,
den Endschiedsspruch vom 10. Juni 2021 auch in Ziffer 5., „die Schiedsklägerin wird verurteilt, der Schiedsbeklagten einen Betrag in Höhe von EUR 22.292,30 € als Kostenerstattung zu bezahlen“, für vollstreckbar zu erklären.
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Die Antragsgegnerin habe den Betrag nicht bezahlt. Die Antragstellerin sei als USGesellschaft anzuerkennen und daher parteifähig. Wie das Bayerische Oberste Landesgericht im Verfahren 101 Sch 120/21 festgestellt habe, handle es sich nicht um eine Scheinauslandsgesellschaft. Das Gericht habe, wie sich aus dem Beschluss vom 28. Juni 2022 ergebe, zu seiner Überzeugung festgestellt, dass die Antragstellerin vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei M. Verhandlungen in kaufmännischen Angelegenheiten in New York führe. Die Schiedsklausel sei wirksam. Anderes ergebe sich nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 2022, 1 BvR 2103/16. Anders als im dortigen Fall habe es vorliegend kein Machtgefälle zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Bruder, dem Sole Director der Antragstellerin, gegeben. Es habe keinerlei Zwang für die Antragsgegnerin zur Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags gegeben. Dieser sei der Antragsgegnerin auch nicht „untergejubelt“ worden. Die Schiedsklausel sei nicht sittenwidrig; die Antragsgegnerin sei als Akademikerin in der Lage, Schriftstücke zutreffend zu erfassen. Ihr Bruder habe weder eine Unerfahrenheit noch ein mangelndes Urteilsvermögen der Antragsgegnerin ausgenutzt. Das Schiedsgericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, auf eine etwaige Formunwirksamkeit der Schiedsklausel hinzuweisen. Nicht jeder Verstoß gegen Formvorschriften sei gleichzeitig ein Verstoß gegen den ordre public. Im Übrigen habe sich die Antragsgegnerin, wie das Bayerische Oberste Landesgericht im Beschluss vom 28. Juni 2022 festgestellt habe, widersprüchlich verhalten, indem sie das Schiedsverfahren selbst eingeleitet und sich gerade auf die Schiedsklausel bezogen habe. Das Schiedsgericht habe zurecht den Vortrag im Schriftsatz vom 28. Mai 2021 nicht mehr berücksichtigt.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung von Ziffer 5. des Schiedsspruchs abzulehnen und den Schiedsspruch zumindest insoweit aufzuheben.
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Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, da Aufhebungsgründe in Betracht kämen, wie schon im Verfahren des Bayerischen Obersten Landesgerichts, 101 Sch 120/21, ausgeführt und ferner im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung gegen den Beschluss vom 28. Juni 2022 geltend gemacht.
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Schon im Parallelverfahren sei die Aufhebung des gesamten Schiedsspruchs beantragt worden; es habe nur einen eventuell „etwas ungelenk“ formulierten Vorbehalt gegeben. Maßgeblich sei nicht der Wortlaut, sondern der erklärte Wille wie er sich auch unter Heranziehung der Begründung ergebe. Bei der Auslegung sei auch die Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO zu beachten; die Antragsgegnerin hätte zu einem späteren Zeitpunkt die Aufhebung des Schiedsspruchs nicht mehr beantragen können. Es werde dem Justizgewährungsanspruch nicht gerecht, die Antragsgegnerin mit ihren berechtigten Einwänden „abblitzen“ zu lassen. Die Antragstellerin sei als Scheinauslandsgesellschaft nicht partei- und nicht prozessfähig. Sie übe keine reale Geschäftstätigkeit in den USA aus und diene dem Bruder der Antragsgegnerin nur „als Schleier“. Die Antragstellerin wende sich nicht an Kunden in den USA, biete keine Produkte oder Dienstleistungen an und sei in den USA weder per Telefon noch per Mail erreichbar. Die Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft könne nicht davon abhängen, ob sie Anwälte engagiere und „in eigener Regie irgendwelche Verfahren oder sonstigen Manöver“ inszeniere. Dies sei allenfalls ein selbst erzeugter, aber kein „genuine“ link. Die Vollstreckung des Schiedsspruchs verstoße daher gegen den ordre public. Die Schiedsklausel sei unwirksam; insbesondere sei mangels Hinweises oder Kenntnis der Antragsgegnerin von der Formnichtigkeit keine Heilung eingetreten. Insoweit sei nach einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2103/16) auch die Wahlfreiheit des der Schiedsabrede Unterworfenen zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin habe praktisch keine Wahlfreiheit gehabt, als ihr Bruder ihr den Gesellschaftsvertrag „untergejubelt“ habe. Vorliegend begründe die Nichtigkeit der Schiedsklausel auch einen Verstoß gegen den ordre public, weil gerade der Schutz der Antragsgegnerin als Verbraucherin im Raum stehe. Die Antragsgegnerin habe sich auch nicht widersprüchlich verhalten, wie schon in der Begründung der Rechtsbeschwerde im Parallelverfahren ausgeführt. Die Antragsgegnerin habe auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel auch noch im laufenden Schiedsverfahren hingewiesen. Es wäre für die Schiedsrichter ohne Weiteres möglich gewesen, den berechtigten Einwand noch zu berücksichtigen. Dies hätte auch der Grundsatz des „fair trial“ geboten, anstatt die Antragsgegnerin am Fehler ihres früheren Rechtsanwalts festzuhalten. Im Übrigen sei der Verweis auf die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin „wohlfeil“ angesichts der eigenen Versäumnisse des Schiedsgerichts, das auf die Nichtigkeit der Schiedsklausel nicht hingewiesen habe. Aus diesem Grund sei auch die Verspätung des Schriftsatzes vom 28. Mai 2021 genügend entschuldigt. Zu berücksichtigen seien der allgemeine Justizgewähranspruch, die Schutzbedürftigkeit der Antragsgegnerin als Verbraucherin und ihr Anspruch auf rechtliches Gehör.
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Der Senat hat die Akten des Verfahrens des Bayerischen Obersten Landesgerichts, 101 Sch 120/21 beigezogen, da sich beide Parteien auf Vortrag und insbesondere Unterlagen aus diesem Verfahren, insbesondere die im dortigen Verfahren vorgelegte Bestätigung der Anwaltskanzlei M. vom 8. Oktober 2021, bezogen haben. Einwände hiergegen haben die Parteien nicht erhoben. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2023 sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO möglicherweise nicht mehr zu berücksichtigen sind und daher nur noch § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu prüfen ist. Die Parteien haben hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
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Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
20
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat Erfolg. Es liegt kein Grund vor, aus dem dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland zu versagen wäre.
21
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu zuständig, weil der Schiedsort ausweislich des Schiedsspruchs in Bayern liegt.
22
Aus Art. 12 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags ergibt sich nichts anderes. Die Regelung der Zuständigkeit für die Hinterlegung des Schiedsspruchs und das sonstige Verfahren beruht auf einer überholten Rechtslage (vgl. OLG München, Beschluss vom 30. November 2015, 34 Sch 39/14, juris Rn. 15). Es kann dahinstehen, ob mit der Formulierung „und das sonstige Verfahren“ nur Annexverfahren zur Hinterlegung des Schiedsspruchs nach § 1039 Abs. 3 Satz 1 ZPO in der Fassung vom 25. Juni 1986 oder alle im Zusammenhang mit einem Schiedsspruch in Betracht kommenden Verfahren vor den staatlichen Gerichten erfasst werden sollten. Denn die Konzentrationszuständigkeit des nach § 1062 Abs. 5 ZPO bestimmten Bayerischen Obersten Landesgerichts können die Parteien nicht derogieren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 SchH 125/21, juris Rn. 119; Beschluss vom 3. Dezember 2020, 1 SchH 89/20, juris Rn. 28 jeweils m. w. N.).
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2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig.
24
a) Die Antragstellerin ist parteifähig.
25
aa) Die Rechts- und Parteifähigkeit der Antragstellerin ist gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB i. V. m. Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 29. Oktober 1954 (Zustimmungsgesetz vom 7. Mai 1956, BGBl II 1956, 487) – im Folgenden: deutschamerikanischer Handelsvertrag – nach dem Gründungsrecht der Gesellschaft zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung gelten Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.
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Es bedarf keiner Entscheidung, ob einer in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Gesellschaft in Deutschland die Anerkennung nach Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrags zu versagen ist, wenn sie zu den Vereinigten Staaten über das formale Band der Gründung hinaus über keine tatsächlichen, effektiven Beziehungen („genuine link“) verfügt und ihre geschäftlichen Aktivitäten allein in der Bundesrepublik Deutschland entfaltet. Denn das fragliche Erfordernis eines „genuine link“ wird auch von seinen Befürwortern nicht dahin verstanden, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft sich im Gründungsstaat befinden muss. Ausreichend ist vielmehr, dass die Gesellschaft irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten in den USA – nicht notwendig im Gründungsbundesstaat – entwickelt (vgl. BGH, Urt. v. 13. Oktober 2004, I ZR 245/01 – GEDIOS Corporation, ZIP 2004, 2230 [2231, juris Rn. 16 f.]; Urt. v. 5. Juli 2004, II ZR 389/02, ZIP 2004, 1549 [juris Rn. 6f.]). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
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(1) Die Bestimmung des Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrags enthält eine Kollisionsnorm (BGH – GEDIOS Corporation, ZIP 2004, 2230 [2231, juris Rn. 13]; Urt. v. 29. Januar 2003, VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 [356, juris 10]; Kindler in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, Band 13 Teil 10 Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 337; Ebenroth/Bippus, NJW 1988, 2137 [2146]). Im Geltungsbereich dieses Abkommens ist das Personalstatut einer Gesellschaft grundsätzlich nicht an das Recht ihres Verwaltungssitzes, sondern an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht anzuknüpfen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft. Die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft ist in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (BGH ZIP 2004, 1549 [1550, juris Rn. 6]; BGHZ 153, 353 [356 f., juris Rn. 10 ff.]).
28
(2) Der Bundesgerichtshof hat allerdings u. a. im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 1994 (6 U 59/94, ZIP 1995, 1009 [juris Rn. 41]; vgl. auch grundlegend Ebenroth/Bippus, NJW 1988, 2146) in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2004 (ZIP 2004, 1549 [1550, juris Rn. 7]) offengelassen, ob etwas anderes dann gilt, wenn es sich um eine nur zur Umgehung der strengeren Vorschriften des deutschen Rechts in den USA gegründete „Briefkastenfirma“ handelt, die über keinerlei tatsächliche, effektive Beziehungen (sog. „genuine link“) zum Gründungsstaat verfügt und sämtliche Aktivitäten ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland entfaltet.
29
(3) An das Erfordernis eines „genuine link“ zum Gründungsstaat, das in der Literatur überwiegend abgelehnt wird (vgl. die Nachweise in BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 42), sind jedenfalls nach einhelliger Meinung keine strengen Anforderungen zu stellen.
30
Ausreichend ist, dass die Gesellschaft irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten in den USA – nicht notwendig im Gründungsbundesstaat – entwickelt (vgl. BGH – GEDIOS Corporation, ZIP 2004, 2230 [2231, juris Rn. 16]; ZIP 2004, 1549 [1550, juris Rn. 7]; BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 43 m. w. N.). Es handle sich um ein Missbrauchskorrektiv, das allenfalls in extremen Fällen zur Versagung der Anknüpfung an das Gründungsrecht führen könne; geringe geschäftliche Aktivitäten, z. B. Vertragsabschlüsse mit USamerikanischen Partnern, seien ausreichend (Kindler in Münchener Kommentar zum BGB, Band 13 Teil 10 Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 348; Paefgen, DZWIR 2003, 441 [443]). Der Bundesgerichtshof hat auch eine geringe werbende Tätigkeit in den USA als ausreichend angesehen (GEDIOS Corporation, ZIP 2004, 2230 [2232, juris Rn. 17]). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 1994, die sich auf den Aufsatz von Ebenroth/Bippus (DB 1988, 842 [844 f.]) stützt (vgl. ZIP 1995, 1009 [juris Rn. 41]), wird von Ebenroth/Kemner/Willburger deshalb kritisiert, weil das Gericht zu Unrecht das Vorliegen eines „genuine link“ verneint habe; die Gesellschaft habe mit einer New Yorker AG einen Brokervertrag abgeschlossen, bei dem zudem noch New Yorker Recht vereinbart worden sei, sodass eine tatsächliche und reale Bindung der Gesellschaft zu den Vereinigten Staaten vorliege (ZIP 1995, 972 [974]).
31
Der Bundesgerichtshof hat es in den zitierten Entscheidungen als ausreichend angesehen, dass die Gesellschaft für die ihr anvertrauten Aktien ein Depot in den USA unterhielt (ZIP 2004, 1549 [1550, juris Rn. 7]) bzw. dass die Gesellschaft in den USA über einen Telefonanschluss verfügte, der eingehende Anrufe jedenfalls an einen Anrufbeantworter oder an einen Servicedienst weiterleite; die genannten technischen Einrichtungen seien ersichtlich darauf angelegt, wirtschaftliche Tätigkeit auch im US-amerikanischen Bereich zu entfalten. Es komme hinzu, dass die Gesellschaft unstreitig in San Francisco unter Vereinbarung des amerikanischen Rechts einen Lizenzvertrag auch über eine in den Vereinigten Staaten von Amerika geschützte Software für ein Datenbankenentwicklungstool abgeschlossen habe (GEDIOS Corporation, ZIP 2004, 2230 [2232, juris Rn. 18]).
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bb) Der Senat ist vorliegend von einer tatsächlichen Bindung der Antragstellerin an die USA überzeugt.
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(1) Dass die Antragstellerin nach dem Recht von Delaware wirksam gegründet wurde, wird von der Antragsgegnerin auch im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass es zu einer Zwangsauflösung bzw. Zwangsbeendigung der Antragstellerin gekommen wäre ( vgl. dazu schon BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 46).
34
(2) Der zwischen der Antragstellerin und der Kanzlei M. bestehende Vertrag begründet eine tatsächliche Verbindung der Gesellschaft zu den USA.
35
Die Antragstellerin hat im Parallelverfahren des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 48) mit Schriftsatz vom 15. März 2022 eine von Rechtsanwalt S. unterschriebene Bestätigung der Kanzlei M. vom 8. Oktober 2021 im Original vorgelegt. Die Akten des Verfahrens wurden mit Einverständnis der Parteien im vorliegenden Verfahren beigezogen. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin haben sich auch im vorliegenden Verfahren auf diese Bestätigung bezogen und dazu Stellung genommen. Die Echtheit der Bestätigung hat die Antragsgegnerin, die gemäß Verfügung vom 3. Juni 2022 im Parallelverfahren eine Kopie dieses Schreibens mit dem Hinweis erhalten hat, dieser Schriftsatz sei bei Gericht im Original eingegangen, nicht bestritten (vgl. auch BayObLG, a. a. O., Rn. 48). Diese private Urkunde gilt somit nach § 439 Abs. 3 ZPO als anerkannt. Ihre Echtheit bedurfte keines Beweises nach § 440 ZPO.
36
Als private Urkunde begründet diese Bestätigung gemäß § 416 ZPO vollen Beweis allerdings nur dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen vom Aussteller – hier gegenüber der Antragstellerin – abgegeben worden sind; nicht von § 416 ZPO, sondern vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) wird dagegen erfasst, ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen und welchen Inhalt die Urkunde im Einzelnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 2018, VII ZR 45/17, NJW 2019, 421 Rn. 36; Feskorn in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 416 Rn. 7 und Rn. 10 m. w. N.; Gottwald in Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Internationales Beweisrecht Rn. 10.141). Die Beweiskraft erstreckt sich auch nicht auf das Datum der Erklärung (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 1990, II ZR 309/88, juris Rn. 16; Feskorn, a. a. O.)
37
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Senat ist jedoch – ebenso wie der Senat im vorangegangenen Parallelverfahren (BayObLG, a. a. O., Rn. 50) – überzeugt, dass die darin bekundeten tatsächlichen Umstände zutreffen, und sieht keine Veranlassung, weitere Beweise zu erheben, auch wenn einer Privaturkunde ein geringerer Beweiswert zukommt als einer Zeugenaussage. Im Rahmen des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlich, aber auch ausreichend ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urt. v. 19. Juli 2019, V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 27; Urt. v. 6. Mai 2015, VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 11; Urt. v. 11. Dezember 2012, VI ZR 314/10, NJW 2013, 790 Rn. 17; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 275/00, NJW 2002, 208 [211, juris Rn. 36]).
38
Rechtsanwalt S. bestätigt in diesem Schreiben, dass die Kanzlei M. und deren Vorgängerkanzleien die Antragstellerin seit 2013 kontinuierlich in Finanzsachen und kaufmännischen Angelegenheiten in New York vertreten hätten; die Kanzlei M. sei auch heute noch mandatiert und vertrete die Antragstellerin bei Streitigkeiten und Verhandlungen im Zusammenhang mit notleidenden argentinischen Staatsanleihen vor dem US-Bezirksgericht für den südlichen Bezirk in New York sowie in verschiedenen anderen Angelegenheiten, in denen die Kanzlei zu Finanz, Unternehmens- und kaufmännischen Fragen berate. Auch wenn nicht näher dargelegt wurde, in welchen „anderen Angelegenheiten“ die Antragstellerin anwaltlich beraten wurde bzw. wird, ist der Senat vom langjährigen Bestehen des Anwaltsvertrags überzeugt. Durch die beispielhafte Nennung der Vertretung im Zusammenhang mit den notleidenden argentinischen Staatsanleihen wird deutlich, dass sich die Beratung auf eine Geschäftstätigkeit der Antragstellerin auf dem Finanzmarkt bezieht. Umstände, die Zweifel daran wecken könnten, dass die Antragstellerin von der Kanzlei M. in New York anwaltlich beraten wird, zeigt die Antragsgegnerin auch im vorliegenden Verfahren nicht auf. Vielmehr geht sie selbst vom Bestehen eines „wohl lukrativen Auftrags“ zwischen der Kanzlei M. und der Antragstellerin sowie davon aus, dass aufgrund des Mandatsverhältnisses Honorare von der Antragstellerin an die Kanzlei gezahlt werden. Sie ist lediglich der Ansicht, das Mandatsverhältnis sei nicht als reale geschäftliche Tätigkeit in den USA anzuerkennen.
39
Das Bestehen dieses Anwaltsvertrags und die darauf beruhende Beratung der Antragstellerin in Finanzsachen und kaufmännischen Angelegenheiten begründet entgegen der Meinung der Antragsgegnerin eine ausreichende tatsächliche Verbindung der Antragstellerin zu den USA.
40
Die weiteren Einwände der Antragsgegnerin (auch im anwaltlichen Schriftsatz vom 18. Oktober 2022 zur Begründung der Rechtsbeschwerde im Parallelverfahren, hier vorgelegt als Anlage Agg 15) greifen nicht durch. Soweit sie pauschal bestreitet, dass die Antragstellerin „ernstlich Verhandlungen in kaufmännischen Angelegenheiten“ führe, erschließt sich nicht, weshalb Rechtsanwalt S. insoweit eine unzutreffende Bestätigung abgeben sollte. Der Einwand, die Antragstellerin biete in den USA weder Produkte noch Dienstleistungen an, ist unbehelflich, da eine derartige werbende Tätigkeit als genuine link zwar ausreichend wäre, aber keine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Das gleiche gilt für den Einwand, die Antragstellerin verfüge weder über Telefon, noch eine E-Mail-Adresse oder eine Homepage in den USA und habe dort keine Mitarbeiter und keine „nennenswerten“ Vermögenswerte. Aus welchen Gründen die Verfahren bezüglich der argentinischen Staatsanleihen gerade in den USA stattfinden, ist ebenfalls nicht von Bedeutung. Soweit die Antragsgegnerin bestreitet, dass sich die „sonstige Beratung“ der Antragstellerin gerade auf eine Geschäftstätigkeit in New York bezog, ist dies unbehelflich. Zum einen genügt gerade die umfassende Beratungstätigkeit und Vertretung durch die New Yorker Kanzlei über Jahre hinweg den (geringen) an einen genuine link zu stellenden Anforderungen. Zum anderen bestätigt Rechtsanwalt S. ausdrücklich die Vertretung der Antragstellerin in Finanzsachen und kaufmännischen Angelegenheiten „in New York“. Was die Antragsgegnerin mit dem Vorwurf meint, es handle sich um einen „selbst erzeugten“ link und die Antragstellerin habe „in eigener Regie irgendwelche Verfahren oder sonstige Manöver inszeniert“, erschließt sich nicht. Dass eine tatsächliche Verbindung zum Gründungsstaat zunächst auf der Initiative des gegründeten Unternehmens beruht, ist selbstverständlich. Der Vorwurf, die Antragstellerin solle ausschließlich als Vehikel zur Verschleierung von Vermögen, zur Steuervermeidung und als bloße Briefkastenfirma dienen, ist letztlich eine bloße pauschale Behauptung der Antragsgegnerin.
41
b) Anhaltspunkte für eine fehlende Prozessfähigkeit der Antragstellerin bestehen nicht. Insoweit trägt auch die Antragsgegnerin keine über die oben Buchst. a) bereits dargestellten, nicht durchgreifenden Erwägungen hinausgehenden Gesichtspunkte vor.
42
c) Die Entscheidung des Schiedsgerichts entspricht auch den formellen Voraussetzungen des § 1054 ZPO, wie sich aus dem (im Parallelverfahren) im Original vorgelegten Schiedsspruch (vgl. § 1064 Abs. 1 ZPO) ergibt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 53).
43
d) Bedenken gegen ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin bestehen nicht, zumal die Vollstreckbarerklärung im Parallelverfahren nur die Ziffern 3. und 4. betraf und die Antragsgegnerin ihre Zahlungspflicht aus Ziffer 5. Satz 1 unstreitig bislang nicht erfüllt hat.
44
3. Der sich nur auf Ziffer 5. Satz 1 des Schiedsspruchs beziehende Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist begründet. Aufhebungsgründe im Sinne des § 1059 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Sachlichrechtliche Einwendungen (wie insbesondere das im Parallelverfahren geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht, vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 68) sind im vorliegenden Verfahren nicht dargetan und würden aus den im Parallelverfahren (a. a. O.) dargestellten Erwägungen auch nicht durchgreifen.
45
a) Die Antragsgegnerin kann die Unwirksamkeit einer Schiedsabrede nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Var. 2 ZPO nicht mehr geltend machen.
46
aa) Gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, wenn die in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmten Fristen abgelaufen sind, ohne dass ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt wurde. Anderes gilt nur für die ohnehin von Amts wegen zu prüfenden Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Keine Präklusion tritt auch dann ein, wenn derselbe Grund eine Aufhebung sowohl nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 als auch nach Nr. 2 ZPO rechtfertigt (BGH, Besch. v. 30. März 2006, III ZB 78/05, SchiedsVZ 2006 278 Rn. 12; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 1060 Rn. 11).
47
Die Voraussetzungen für eine Präklusion von Aufhebungsgründen nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor. Die Dreimonatsfrist nach § 1059 Abs. 3 ZPO ist abgelaufen, da der Endschiedsspruch vom 10. Juni 2021 datiert und der Antragsgegnerin unstreitig bereits im Herbst 2021 vorlag. Mithin war die Frist bereits bei Einleitung des hiesigen Vollstreckbarerklärungsverfahrens mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 23. August 2023 längst verstrichen. Einen eigenständigen Aufhebungsantrag hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren auch nicht gestellt (vgl. dazu noch unten Ziffer 4). Soweit die Antragsgegnerin auf ihre Anträge im Parallelverfahren (BayObLG, 101 Sch 120/21) verweist, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Wie bereits im Beschluss vom 28. Juni 2022 (BayObLG, 101 Sch 120/21, juris Rn. 72 ff.) ausführlich dargestellt, hat die Antragsgegnerin im dortigen Verfahren zum einen nur einen Antrag auf Aufhebung der Ziffern 3. und 4., nicht aber der Ziffer 2. und erst recht nicht der Ziffer 5. des Schiedsspruchs gestellt. Soweit sie auf den Hinweis des Senats im dortigen Verfahren ausgeführt hat, sie beantrage „jedenfalls die Aufhebung des Schiedsspruchs in Ziffern 3. und 4. des Tenors“ fehlt es an einem hinreichend klaren Antrag, auch den Rest des Schiedsspruchs aufzuheben, soweit die Schiedsklage abgewiesen und die Antragsgegnerin zur Zahlung von Kosten in Ziffer 5. Satz 1 verurteilt wurde. Darüber hinaus verkennt die Antragsgegnerin, dass der Aufhebungsantrag nur hilfsweise unter der Bedingung gestellt war, dass der dortige Senat „aus irgendwelchen Gründen“ nicht schon nach § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO über das Vorliegen von Ausschlussgründen entscheide. Diese innerprozessuale Bedingung ist aber nie eingetreten, sodass mit Wegfall der Bedingung auch der Aufhebungsantrag rückwirkend als nicht gestellt gilt (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 260 Rn. 11 und 49; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, § 261 Rn. 8 und § 260 Rn. 4b).
48
Die Einwände der Antragsgegnerin diesbezüglich greifen nicht durch. Dass trotz der ausdrücklichen Formulierung „hilfsweise“ ein unbedingtes Aufhebungsbegehren bezüglich des gesamten Schiedsspruchs einschließlich der Ziffer 5. gestellt worden wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zum einen spricht gegen eine solche Auslegung die klare und auch nicht „holprige“ Formulierung eines Hilfsantrags im anwaltlichen Schriftsatz. Zum anderen wäre ein derartiges Verständnis auch keineswegs im wohlverstandenen Interesse der Antragsgegnerin gelegen. Denn ein eigenständiger, unbedingter und zudem über die Ziffern 3. und 4. hinausgehender Aufhebungsantrag hätte zu einer erheblichen Erhöhung des Streitwerts geführt und wäre mit einem zusätzlichen Kostenrisiko verbunden gewesen (vgl. dazu schon BayObLG, a. a. O., Rn. 76). Dass die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Aufhebungsgründe und ihre Ausführungen zur fehlenden Parteifähigkeit auch für Ziffer 2. und Ziffer 5. Satz 1 des Schiedsspruchs Bedeutung haben konnten und zudem der Fristablauf nach § 1059 Abs. 3 ZPO drohte, führt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zu einem anderen Ergebnis.
49
bb) Nur ergänzend wird auf die Ausführungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21 (juris Rn. 57 bis 61) dazu, dass die Antragsgegnerin die Unwirksamkeit der Schiedsabrede nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO infolge rügeloser Einlassung (§ 1031 Abs. 6 ZPO) und treuwidrigen Verhaltens nicht mehr geltend machen kann, Bezug genommen. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an.
50
b) Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO liegen ebenfalls nicht vor.
51
aa) Nicht jeder Verstoß gegen zwingende Vorschriften des deutschen Rechts begründet bereits einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO. Es muss sich vielmehr um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist. Die Aufhebung setzt voraus, dass der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlage des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder dass der Schiedsspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in untragbarem Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016, I ZB 13/15, SchiedsVZ 2018, 53 Rn. 55; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008, III ZB 17/08, NJW 2009, 1215 Rn. 5 m. w. N.).
52
bb) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin begründet ein Verstoß gegen die Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO nicht bereits einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO. Dagegen spricht bereits, dass nach § 1031 Abs. 6 ZPO eine Heilung des Mangels (auch bei Verbrauchern) durch rügelose Einlassung auf die schiedsgerichtliche Verhandlung zur Hauptsache möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1978, III ZR 78/76, NJW 1978, 1744 [juris Rn. 24] zu § 1027 ZPO a. F.; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 55; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 51 – die fehlende Begründung des Schiedsspruchs ist kein Verstoß gegen den ordre public, da die Parteien auf eine solche auch verzichten können). Auch wenn der Mangel in einem Verstoß gegen das Trennungsgebot des § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO liegt, vermag der Senat noch keinen Verstoß gegen den ordre public zu erkennen. Denn auch insoweit fehlt es an einer Norm, die bereits eine grundlegende Wertentscheidung des Gesetzgebers enthält oder deren Verstoß zu einem Schiedsspruch führt, der in untragbarem Widerspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstelllungen steht. Dass Verbraucher, wie sich aus § 1031 Abs. 5 ZPO ergibt, als besonders schutzbedürftig angesehen werden, steht dem nicht entgegen. Selbst wenn eine Heilung nach § 1031 Abs. 6 ZPO – wie die Antragsgegnerin meint – mangels Belehrung oder sonstiger Kenntnis der Antragsgegnerin vom Unwirksamkeitsgrund nicht möglich gewesen wäre, führte das allenfalls zu einem Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) ZPO. Allein dass diesbezüglich die Frist des § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgelaufen ist, zwingt nicht dazu, nunmehr in jeder Verletzung des § 1031 Abs. 5 ZPO einen Verstoß gegen den ordre public anzunehmen (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2007, 8 Sch 2/07, juris Rn. 25, 36, 45).
53
Im Übrigen kann die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben nicht mehr die Unwirksamkeit der Schiedsabrede geltend machen. Die Antragsgegnerin hat anwaltlich vertreten selbst die Schiedsklage erhoben. Mithin ist es ihr unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, nunmehr, nachdem sie im Wesentlichen unterlegen ist, sich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung auf die Unwirksamkeit der Schiedsabrede zu berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2021, I ZB 54/20, NJW 2022, 245 Rn. 17; Beschluss vom 8. November 2018, I ZB 21/18, NJW 2019, 857 Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 61; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. August 2021, 26 Sch 17/20, juris Rn. 40; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 21).
54
Die Einwände der Antragsgegnerin insoweit greifen nicht durch. Ihre Argumentation, es sei „wohlfeil“, auf die anwaltliche Vertretung angesichts „eigener Fehlleistungen“ des Schiedsgerichts zu verweisen, ist unbehelflich. Eine generelle Pflicht des Schiedsgerichts, auf eine etwaige Formunwirksamkeit nach § 1031 Abs. 5 ZPO hinzuweisen (ungeachtet der Frage, ob eine Heilung nach § 1031 Abs. 6 ZPO möglich ist), vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin war anwaltlich vertreten. Das Schiedsgericht durfte sich daher darauf verlassen, dass die Antragsgegnerin umfassend und rechtlich zutreffend durch ihren Anwalt beraten wurde. Zudem erscheint ohne Weiteres denkbar, dass ein Verbraucher auch bei erkannter Formunwirksamkeit den Gang zum Schiedsgericht wählt, etwa um eine – möglicherweise – schnellere Entscheidung zu erhalten oder den Instanzenzug abzukürzen. Weshalb die Entscheidung durch ein Schiedsgericht bei einem „Familienzwist“ in einem Fall wie dem vorliegenden „ungeeignet“ sein solle, erschließt sich ebenso wenig wie die Behauptung, die Schiedsrichter seien „größtenteils unerfahren“ gewesen. Soweit die Antragsgegnerin vortragen lässt, sie habe sich aufgrund der vermeintlich wirksamen Klausel „zum Schiedsverfahren gezwungen“ gesehen, mag dies eine Beratungspflichtverletzung ihres Anwalts begründen, ändert aber am widersprüchlichen Verhalten der Antragsgegnerin nichts. Insbesondere sind für ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten weder unredliche Absichten noch Verschulden erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juli 2014, IV ZR 73/13, NJW 2014, 2723 Rn. 37 m. w. N.). Im Übrigen wäre ein Verschulden ihres Anwalts der Antragsgegnerin ohne Weiteres nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Im Hinblick darauf bedarf auch die Einlassung, die Antragsgegnerin sei vom Schiedsgericht „selbstgerecht und herablassend“ am „Fehler ihres Anwalts“ festgehalten worden, keiner weiteren Erörterung. Soweit die Antragsgegnerin meint, ein treuwidriges Verhalten sei auszuschließen, da sie schon in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2021 die Unwirksamkeit der Schiedsklausel geltend gemacht habe, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Dass der Vortrag im Schriftsatz vom 28. Mai 2021 verspätet und die Zurückweisung durch das Schiedsgericht nicht zu beanstanden war, hat das Bayerische Oberste Landesgericht bereits entschieden (Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 62 ff.); dem schließt sich der Senat an (siehe auch unten ii]).
55
cc) Ob ein Verstoß gegen gesellschafterliche Treuepflichten vorliegt und die Schiedsklausel deshalb unwirksam ist, erscheint fraglich, bedarf aber keiner Entscheidung. Jedenfalls ist es auch insoweit der Antragsgegnerin aus Treu und Glauben verwehrt, sich nunmehr auf die Unwirksamkeit zu berufen (siehe oben bb] und BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 61).
56
dd) Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, die Schiedsklausel sei nach § 138 BGB unwirksam, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Tatbestand des § 138 BGB erfüllt wäre. Die Antragsgegnerin trägt vor, ihr Bruder (der Sole Director der Antragstellerin) sei ein „mit allen Wassern gewaschener“ Anwalt, Steuerberater und Geschäftsmann, der die Unerfahrenheit und den Mangel an Urteilsvermögen der Schwester ausgenutzt habe, um Vermögen zu verschieben und die Antragsgegnerin in ein „Schiedsverfahren zu locken“, dem „sie und ihr Anwalt“ „nicht gewachsen“ gewesen seien. Er habe die Antragsgegnerin kurz vor einem Notartermin gedrängt, den Gesellschaftsvertrag zu unterzeichnen. Daraus lässt sich ein Verstoß gegen § 138 BGB nicht ableiten. Unstreitig ist die Antragsgegnerin Akademikerin. Dass diese nicht in der Lage gewesen wäre, den Sinn des ihr vorgelegten Dokuments zu erfassen, hat die Antragstellerin bestritten und kann nicht einfach unterstellt werden. Dass der Bruder der Antragsgegnerin dieser den Vertrag „untergejubelt“ und diese „keine Wahlfreiheit“ gehabt hätte, hat die Antragstellerin ausdrücklich in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 29. März 2023, S. 3). Nachweise für die Behauptung sind weder angeboten noch ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat unstreitig keinerlei eigene Leistung in die Gesellschaft eingebracht, sodass ihre Beteiligung an der Gesellschaft per se auch nicht nachteilig erscheint. Die Schiedsklausel stellt für sich genommen weder eine Vermögensverschiebung dar noch ist diese Klausel an sich so nachteilig, dass sie als nichtig nach § 138 BGB zu qualifizieren wäre. Dass die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin einem Schiedsverfahren „nicht gewachsen“ sein könnte, ist fernliegend und führt auch nicht zur Nichtigkeit der Schiedsklausel nach § 138 BGB. Selbst wenn der Rechtsanwalt, der die Antragsgegnerin vertrat, eine Formunwirksamkeit der Klausel übersehen und die Antragsgegnerin daher falsch beraten hätte, führte dies möglicherweise zu Schadensersatzansprüchen der Antragsgegnerin gegen ihren früheren Rechtsanwalt, aber nicht zur Nichtigkeit der Schiedsklausel.
57
ee) Der Vortrag der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren, es liege eine „versuchte Täuschung des Schiedsgerichts durch wahrheitswidrige Behauptung des Darlehens und Vorlage eines gefälschten Vertrags“ vor, ist für sich betrachtet nicht verständlich und unsubstantiiert. Im Übrigen betrifft der Vortrag im Wesentlichen die Abweisung der Schiedsklage im Übrigen (Schiedsspruch Ziffer 2.), die vorliegend nicht streitgegenständlich ist.
58
ff) Nichts anderes ergibt sich aus dem Verweis der Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 2022 (1 BvR 2103/16, NJW 2022, 2677 ff.). In diesem Fall ging es um die Wirksamkeit einer Schiedsklausel zugunsten des Internationalen Schiedsgerichtshofs in Lausanne (Court of Arbitration for Sports – CAS), die eine deutsche Berufssportlerin unterzeichnet hatte, aber für unwirksam hielt, und die sich daher an die deutschen Zivilgerichte gewandte hatte. Konkret hatte der Bundesgerichtshof geprüft, ob die Schiedsklausel nach § 19 GWB a. F. unwirksam war und dies verneint. Dazu führt das Bundesverfassungsgericht aus, bei der Auslegung dieser Norm sei der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs zu berücksichtigen, wonach das schiedsrichterliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleisten und rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen müsse (a. a. O. Rn. 37 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings auch betont, weder der allgemeine Justizgewähranspruch noch Art. 92 GG enthielten ein Verbot privater Schiedsgerichtsbarkeit (a. a. O. Rn. 39). Freiwillige Schiedsverfahren könnten dabei regelmäßig auch nicht-öffentliche Verhandlungen vorsehen (a. a. O. Rn. 47). Ein Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Bereich des Sports sei allerdings jedenfalls nicht uneingeschränkt möglich. Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsverfahren und der Wirksamkeit von Schiedsabreden sei der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs zu berücksichtigen (a. a. O. Rn. 40). Die hiernach gebotenen Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des von der konkreten Schiedsabrede erfassten schiedsrichterlichen Verfahrens könnten dabei nicht ohne Ansehung der tatsächlichen Wahlfreiheit des der Schiedsabrede Unterworfenen beurteilt werden, wie sie im Rahmen des § 19 GWB zu berücksichtigen wäre. Hätte einer der beiden Vertragspartner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen könne, sei es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtsposition beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in ihr Gegenteil verkehre (a. a. O. Rn. 41). Die Berufssportlerin sei zur Ausübung ihres Berufs darauf angewiesen gewesen, die vorgegebene Wettkampfanmeldung zu unterzeichnen (a. a. O. Rn. 47).
59
Damit ist der vorliegende Sachverhalt in keiner Weise vergleichbar. Anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall war die Antragsgegnerin nicht zwingend auf die Unterzeichnung des Vertrags mit der Schiedsklausel angewiesen, um ihren Beruf ausüben zu können. Auch ähnlich zwingende Gründe für die Unterzeichnung sind weder dargetan noch ersichtlich. Selbst wenn ihr Bruder wirtschaftlich erfahrener war als die Antragsgegnerin, ist das Verhältnis in keiner Weise vergleichbar mit dem Übergewicht der Sportverbände gegenüber der Berufssportlerin. Dass der Bruder den Vertrag mit der Schiedsklausel der Antragsgegnerin „untergejubelt“ hätte, hat die Antragstellerin in Abrede gestellt (vgl. schon oben dd]). Im Übrigen wäre auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin – anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall – sich vorliegend zunächst selbst auf die Schiedsklausel gestützt und ein Schiedsverfahren eingeleitet hat, sodass der jetzigen Berufung auf die Unwirksamkeit auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegensteht (siehe dazu schon oben bb]).
60
gg) Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB liegt – unabhängig davon, ob dies überhaupt ein Fall des ordre public nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO wäre (ablehnend BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008, III ZB 17/08, NJW 2009, 1215 Rn. 6; Wilske-Markert in BeckOK ZPO, 52. Ed. 1. März 2024, § 1059 Rn. 62) – nicht vor.
61
Abgesehen davon, dass gemäß § 310 Abs. 4 BGB die Regelungen auf Gesellschaftsverträge keine Anwendung finden, fehlt es auch an Vortrag und Anhaltspunkten, dass es sich überhaupt um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Erfolglos beruft sich die Antragsgegnerin schließlich auf Art. 3 Abs. 1 der RL 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, ohne dessen Anwendbarkeit zu begründen; gemäß Erwägungsgrund 10 gilt diese Richtlinie nicht auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (vgl. schon BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 60). Ergänzend wird auf die Ausführungen oben bb) verwiesen, wonach der Antragsgegnerin nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich noch auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel zu berufen.
62
hh) Ob das Schiedsgericht auf eine etwaige Nichtigkeit der Schiedsklausel hätte hinweisen müssen, wie die Antragsgegnerin meint, wäre im Rahmen einer Heilung nach § 1031 Abs. 6 ZPO zu diskutieren. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. Juni 2022 (101 Sch 120/21, juris Rn. 59 f.) an, wonach es für die Heilung eines derartigen Hinweises nicht bedurfte. Der Ansicht der Antragsgegnerin, der fehlende Hinweis stelle schon per se einen Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO dar, weil ein derartiger Hinweis der Antragsgegnerin die Möglichkeit verschafft hätte, sich einen anderen Anwalt zu nehmen, vermag der Senat erst recht nicht zu folgen.
63
ii) Ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO wegen einer Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, NJW-RR 2022, 1425 Rn. 14; SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 53; Beschluss vom 2. Mai 2017, I ZB 1/16, SchiedsVZ 2017, 317 Rn. 16 jeweils m. w. N.) liegt nicht vor.
64
Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 62 ff. Bezug genommen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt.
65
Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 1046 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich.
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(1) Die Verspätung des Vorbringens der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2021 ist nicht genügend entschuldigt (vgl. Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1046 Rn. 10). Die Ausführungen des Schiedsgerichts, die Antragsgegnerin habe im Schriftsatz vom 4. Juni 2021 keine plausible Erklärung dafür vorgetragen, warum die Antragsänderung und die sonstigen Ausführungen erst fast vier Monate nach Ablauf der letzten der Antragsgegnerin im vertraglich vereinbarten Fristenkalender eingeräumten Stellungnahmefrist und zwei Monate nach Ablauf der ihr durch verfahrensleitende Verfügung vom 5. März 2021 gesetzten Frist erfolgten, sind nicht zu beanstanden. Die im Schreiben vom 4. Juni 2021 vorgebrachte Argumentation, da in § 1 Abs. 4 des Schieds- und Schiedsrichtervertrags von späteren Klageerweiterungen die Rede sei, habe sie davon ausgehen dürfen, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu dürfen, greift nicht durch. § 1 Abs. 4 dieses Vertrags regelt nur den Gegenstand des Schiedsverfahrens, während § 4 des Vertrags die Fristen und Termine festgelegt (BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 65). Soweit die Antragsgegnerin – unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Rechtsanwalts im Rahmen der Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts – meint, es fehle an einer objektiven Verspätung, die Vereinbarung im Fristenkalender sei keine „abweichende Vereinbarung“, dringt sie damit nicht durch. Zum einen erschließt sich dieser Vortrag schon nicht; zum anderen übersieht sie, dass auch die durch verfahrensleitende Verfügung des Schiedsgerichts vom 5. März 2021 gesetzte Frist nicht eingehalten wurde. Ein Schiedsgericht kann kraft seines Bestimmungsrechts konkrete Fristen setzen, die nicht explizit die Präklusion als Verstoßfolge androhen müssen (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl 2022, § 1046 Rn. 15 und 32; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1046 Rn. 3.). Dass die vom Schiedsgericht bestimmte Frist nicht angemessen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
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(2) Soweit die Antragsgegnerin nunmehr darauf verweist, das Schiedsgericht habe die Wirksamkeit der Schiedsklausel nicht geprüft und die Schutzbedürftigkeit der Antragsgegnerin nicht erkannt, führt das nicht zu einer Entschuldigung des verspäteten Vorbringens. Die Antragsgegnerin war anwaltlich vertreten. Ein etwaiges Verschulden ihres (ursprünglichen) Rechtsanwalts wird ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1046 Rn. 33); daran ändert auch der spätere Anwaltswechsel nichts. Die von der Antragsgegnerin angeführten Erwägungen, sie habe aufgrund der Vorkommnisse in der mündlichen Verhandlung Grund gehabt, den Vergleich und das Schiedsverfahren „in Zweifel zu ziehen“ stellen keine hinreichend plausible Entschuldigung des verspäteten Vorbringens dar.
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(3) Unbehelflich ist der Einwand in der als Anlage vorgelegten Rechtsbeschwerdebegründung, es sei nicht ersichtlich, wieso der verspätete Vortrag zu einer Verzögerung geführt hätte. Grundsätzlich kommt es für die Zurückweisung nach § 1046 Abs. 2 ZPO nach ganz herrschender Ansicht nicht auf eine Verzögerung an. Anderes gilt allenfalls dann, wenn eine Verzögerung durch die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens ausgeschlossen ist oder offensichtlich nicht eintritt (Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1046 Rn. 10; Schlosser in Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1046 Rn. 14; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1046 Rn. 32; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1046 Rn. 6; a. A. Geimer in Zöller, ZPO, § 1046 Rn. 3). Letzteres trifft auf den Vortrag im Schriftsatz vom 28. Mai 2021 nicht zu. Vorliegend hatte das Schiedsgericht einen Schiedsspruch für den 3. Juni 2021 in Aussicht gestellt; der Schriftsatz vom 28. Mai 2021 mit einer Ankündigung geänderter Anträge hätte daher naheliegenderweise zu einer Verzögerung geführt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdebegründung ergab sich auch allein aus dem Vortrag zur Parteifähigkeit in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz keine ohnehin unvermeidbare Verzögerung. Denn allein die pauschale Behauptung im Schriftsatz vom 28. Mai 2021, die Antragstellerin entfalte in den USA keine nennenswerten realen geschäftlichen Aktivitäten, musste das Schiedsgericht nicht dazu veranlassen, in eine – ggf. zeitaufwendige – weitere Überprüfung der Parteifähigkeit der Antragstellerin einzutreten, von der die Antragsgegnerin bei Einleitung des Schiedsverfahrens selbst ausgegangen war (BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 66).
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4. Eine Anordnung der mündlichen Verhandlung nach § 1063 Abs. 2 ZPO war nicht geboten. Einen förmlichen Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht gestellt; es handelte sich lediglich um einen Gegenantrag im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 1999, III ZB 21/98, BGHZ 142, 204 [207, juris Rn. 7]), zumal die Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO längst abgelaufen ist. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommen weder Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Betracht noch sind solche nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründet geltend gemacht.
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Zwar hat die Antragsgegnerin ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Anlass hierfür besteht indessen nicht. Soweit die Antragsgegnerin zur Begründung ausführt, es werde dem Justizgewährungsanspruch nicht gerecht, die Antragsgegnerin mit ihren „berechtigten Einwänden abblitzen zu lassen“, stellt sie ihre eigene rechtliche Bewertung an die Stelle der des Senats. Dass sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Justizgewähranspruch ein Anspruch auf eine zwingend durchzuführende mündliche Verhandlung ergäbe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert zwar einen angemessenen Ablauf des Verfahrens. Daraus folgt jedoch nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2022, 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3414 Rn. 30 m. w. N.). Die vom Gesetzgeber in § 1063 Abs. 2 ZPO normierten Voraussetzungen, unter denen zwingend mündlich zu verhandeln ist, liegen nicht vor. Im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidung sieht der Senat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, da über die bereits schriftsätzlich vorgetragenen Argumente der Beteiligten hinaus ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist. Dass das Bayerische Oberste Landesgericht im Verfahren 101 Sch 120/21 zwingend hätte mündlich verhandeln müssen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Übrigen ließe sich daraus auch nicht ableiten, dass der Senat im hiesigen Verfahren nunmehr mündlich zu verhandeln hätte.
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 und 3 ZPO anzuordnen.
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6. Der Streitwert wird mit dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen festgesetzt. Da vorliegend nur noch der Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 22.292,30 € streitgegenständlich ist, richtet sich der Streitwert gemäß § 43 Abs. 2 GKG nach diesem Betrag (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 9).