Titel:
Auskunftsanspruch des Treuhandkommanditisten
Normenketten:
HGB § 105, 161 Abs. 2
BGB § 242, § 273, § 716
Leitsatz:
Nach Treu und Glauben ist es den Beklagten aber verwehrt, sich zur Abwehr der von der Klägerin verlangten Auskunft auf ein Recht – hier das Zurückbehaltungsrecht – zu berufen, das sie durch ihr eigenes grob vertragswidriges Verhalten erst erworben haben (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunftsanspruch, Treuhandkommanditist, Treu und Glauben, Rechtsmissbrauch, Zurückbehaltungsrecht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 04.08.2023 – 10 O 2262/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16264
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.08.2023, Aktenzeichen 10 O 2262/22, wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Das in Ziffer 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts München I wird in Ziffern 4 und 5 seines Tenors dahingehend berichtigt, dass es statt „XII…96“ richtig „XII…98“ heißt.
3. Die Beklagte haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Dieser Beschluss sowie das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.500,00 € festgesetzt.
6. Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz wird in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts München I vom 04.08.2023 auf 62.500,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Senat hat mit Beschluss vom 25.04.2024, Bl. 40/59 d.A., die Parteien gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO unter Angabe der Gründe hierfür darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, und den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis 29.05.2024 gegeben. Die Beklagten haben zum Hinweis des Senats mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 (Bl. 60/70 d.A.) Stellung genommen.
2
Gleichzeitig haben sie beantragt, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem Verfahren C-18/22 über den Vorlagebeschluss des Amtsgerichts München vom 21.12.2021 (Az.: 132 C 22992/20) auszusetzen.
3
Auf den Hinweis des Senats vom 25.04.2024, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
4
Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 bleibt es aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 25.04.2024 dargelegten Gründen dabei, dass die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.08.2023, Aktenzeichen 10 O 2262/22, nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die Berufung der Beklagten war deshalb gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
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1. Der im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 unter Punkt 1 a bis e, Bl. 62/68 d.A. vorgetragene, den Beklagten behauptetermaßen erst im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangte Sachverhalt betrifft Verhalten der Klägervertreter im Hinblick auf Auskunftsverlangen anderer Anleger (nicht der Klägerin) im Rahmen anderer Fonds (M. GmbH & Co F. 14 und 15 – Punkt 1 a des Schriftsatzes der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 –, zweier Project-Fonds – Punkte 1 b und c des Schriftsatzes der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 –, des M. GmbH & Co F. 10 – Punkt 1 d des Schriftsatzes der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 – sowie eines namentlich nicht bezeichneten Schiffsfonds – Punkt 1 e des Schriftsatzes der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024). Selbst wenn zugunsten der Beklagten dieser im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 (Bl. 62/68 d.A.) vorgetragene Sachverhalt als wahr unterstellt wird, so würde er entgegen der Ansicht der Beklagten keine Rechtsmissbräuchlichkeit des vorliegend streitgegenständlichen Auskunftsverlangens der Klägerin begründen.
6
Denn wie der Senat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (bspw. Urteil vom 05.02.2013 – II ZR 136/11, Rdnr. 40) bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 25.04.2024 (dort S. 14 unter Punkt B I 4 a) ausgeführt hat, kann ein (unterstellt) missbräuchliches Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin letzterer nur dann als eigener Missbrauch angelastet werden, wenn sie mit ihren (unterstellt) missbräuchlich handelnden Prozessvertretern kollusiv zusammenwirkt. Dafür gibt es jedoch – wie im Hinweisbeschluss vom 25.04.2024 unter Punkt B I 4 b und c dargelegt – im Sachvortrag der Beklagten keine Anhaltspunkte. Da auch der im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 neu vorgetragene Sachverhalt sich nur auf Auskunftsverlangen anderer Anleger, nicht aber der Klägerin bezieht, und es deshalb nach wie vor keine Hinweise auf ein eigenes rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin gibt, sieht der Senat keine Veranlassung von seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Ansicht abzuweichen.
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2. Die im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 (dort Punkt 2, Bl. 68/69 d.A.) enthaltenen Rechtsausführungen zur Unzulässigkeit einer Auskunftserteilung über Mitgesellschafter nach der DSGVO vermögen der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Senat legt seiner Entscheidung – wie im Hinweisbeschluss vom 25.04.2024 unter Punkt B I 3 ausgeführt – weiterhin die diesbezügliche Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit der Auskunftserteilung nach Art. 6 Abs. 1 UA 1 Buchst. b DSGVO zu Grunde. Diese ist auch hinsichtlich ihrer Begründung in jeder Hinsicht überzeugend. Der von den Beklagten in Bezug genommene Vorlagebeschluss des Amtsgerichts München vom 21.12.2021 – 132 C 22992/20 (Anl. LA 22, auch veröffentlicht bei juris) veranlasst den Senat daher nicht zu einer Abweichung von der Rechtsprechung des BGH.
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Der Senat sieht deshalb auch keine Notwendigkeit – wie von den Beklagten im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.05.2024 beantragt (dort S. 2, Bl. 61 d.A.) – den Rechtsstreit entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des EuGH über die oben bezeichnete Vorlage des Amtsgerichts München auszusetzen. Denn die vorliegend relevante gerichtliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Form der DSGVO ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Dass der Kenntnisnahme von Daten zur Identifizierung und Kontaktaufnahme zu Mitgesellschaftern die Datenschutz-Grundverordnung und insbesondere Art. 5 und Art. 6 DSGVO nicht entgegensteht, ergibt sich nämlich offenkundig bereits aus Nr. 48 der Erwägungen zur Datenschutz-Grundverordnung, worin die Datenverarbeitung sogar innerhalb einer Unternehmensgruppe als mögliches berechtigtes Interesse aufgeführt ist. Der Senat geht deshalb wie der BGH in seinem Beschluss vom 19.11.2019 – II ZR 263/18 (dort Rdnr. 37) bei Ableitung des Auskunftsanspruchs aus dem Bestehen einer Treugeberinnengesellschaft auch bei Begründung des Auskunftsanspruchs aus dem Kommanditgesellschaftsverhältnis – wie vorliegend – von einem acte clair aus.
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3. Den Beklagten – anders als die Beklagtenvertreterin in ihrem Schriftsatz vom 29.05.2024, dort S. 10 und 11 unter Punkt 3, meint – steht im Hinblick auf die von der Klägerin verlangte Auskunft auch kein Zurückbehaltungsrecht aufgrund des von den Beklagten zu 1) und 2) an die Klägerin am 09.12.2021 ausbezahlten jeweiligen Abfindungsguthabens und der seit September 2021 nicht mehr an die Beklagte zu 1) bezahlten Beteiligungsraten zu. Denn gegenüber Auskunftsansprüchen – und um einen solchen handelt es sich streitgegenständlich – ist die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ausgeschlossen (vgl. Grüneberg in ders., BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 16 zu § 273 BGB, Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, München 2022, Rdnr. 22 zu § 273 BGB, Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, Updatestand 25.01.2023, Rdnr. 83 zu § 273 BGB).
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Im Übrigen wäre die Berufung der Beklagten auf das von ihnen behauptete Zurückbehaltungsrecht auch treuwidrig, da die Beklagten ihre hilfsweise behaupteten (Rück-)Zahlungsansprüche, auf die sie ihr Zurückbehaltungsrecht stützen, durch die Aussprache unwirksamer außerordentlicher fristloser Kündigungen und damit durch ihr eigenes grob vertragswidriges Verhalten selbst herbeigeführt haben. Nach Treu und Glauben ist es den Beklagten aber verwehrt, sich zur Abwehr der von der Klägerin verlangten Auskunft auf ein Recht – hier das Zurückbehaltungsrecht – zu berufen, das sie durch ihr eigenes grob vertragswidriges Verhalten erst erworben haben (vgl. zum unredlichen Erwerb der eigenen Rechtsstellung Grüneberg in ders., BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 43 zu § 242 BGB).
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Nach alledem verbleibt es auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Beklagten vom 29.05.2024 bei der offensichtlichen Unbegründetheit der Berufung der Beklagten, sodass diese zurückzuweisen war. Über die in der Berufung erhobene Eventualwiderklage der Beklagten zu 1) und 2) war entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO nicht mehr zu entscheiden (vgl. S. 19 des Hinweisbeschlusses vom 25.04.2024).
12
Die Berichtigung des Tenors des landgerichtlichen Urteils in dessen Ziffern 4 und 5 erfolgte – wie im Hinweisbeschluss des Senats vom 25.04.2024 ausgeführt (dort S. 19 unter Punkt D) – gemäß § 319 ZPO. Es liegt hinsichtlich der falsch angegebenen Beteiligungsnummer ein offensichtliches Schreibversehen des Landgerichts vor, das auch durch das Berufungsgericht korrigiert werden kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Beklagten mit ihrer Berufung in vollem Umfang unterlagen.
14
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und des vorliegenden Beschlusses beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
15
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG entsprechend der Ankündigung im Hinweisbeschluss vom 25.04.2024 (dort S. 19 unter Punkt C) auf 62.500,00 € festgesetzt. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 25.04.2024 haben die Parteien keine Einwände erhoben.
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Die Abänderung des vom Landgericht München I mit im Endurteil vom 04.08.2023 enthaltenen Beschluss auf 7.750,00 € festgesetzten Streitwert für die erste Instanz ebenfalls auf 62.500,00 € erfolgte gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG.