Titel:
Vereinbartes Wertprinzip und WEG-Reform
Normenkette:
WEG § 47, § 25
Leitsatz:
2. Da sich § 25 Abs. 2 WEG durch die WEG-Reform 2020 nicht verändert hat, ist § 47 WEG für vorher geschlossene Vereinbarungen über das Wertprinzip nicht anwendbar. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wertprinzip, WEG-Reform, Betonierungswille
Fundstellen:
ZMR 2024, 621
LSK 2024, 16238
BeckRS 2024, 16238
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2. vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 9.816,12 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Gegenstand der Klage ist die Anfechtung des zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 10.08.2023 gefassten Beschlusses der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft.
2
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Nach der für die Mitglieder der Beklagten geltenden Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1999 (Anlage K 2) richtet sich die Stimmkraft nach der Größe der Miteigentumsanteile (sog. Wertprinzip). In der Eigentümerversammlung vom 10.08.2023 wurde unter Zugrundelegung des Wertprinzips der angegriffene Beschluss zu TOP 5 zur Verwalterbestellung als gefasst verkündet.
3
Die Klägerin ist der Ansicht, die Anwendung des Wertprinzips widerspreche im Hinblick auf §§ 25 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 47 WEG ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gemeinschaftsordnung sei nichts zu entnehmen, was auf einen sog. Betonierungswillen, also den Willen, dass die getroffene Vereinbarung auch bei künftigen Rechtsänderungen Bestand haben solle, hindeuten würde. Bei der Beschlussfassung hätte daher das gesetzliche Kopfprinzip angewandt werden müssen. Dieser Fehler habe sich auch tatsächlich ausgewirkt, da die Miteigentümerin B. zwar die Mehrheit der Miteigentumsanteile, nicht aber die Mehrheit an Köpfen repräsentiert habe. Die mit der vermeintlichen Mehrheitsführerin stimmenden Eigentümer hätten sich, hätte man ihnen das richtige Abstimmungsprinzip offengelegt, anders entschieden.
4
Die Klägerin beantragt,
Der auf der ordentlichen Eigentümersammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 10.08.2023 unter Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
5
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
6
Die Beklagte ist der Ansicht, die Anwendung des Wertprinzips entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung.
7
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 22.02.2024. Beweis wurde nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
8
Die Klage ist zulässig und begründet.
9
1. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG.
10
2. Sowohl die einmonatige Klage – als auch die zweimonatige Klagebegründungsfrist des § 45 Satz 1 WEG wurden eingehalten.
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3. Der angegriffene Beschluss ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung.
12
Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen wurde zutreffend nach dem lt. Gemeinschaftsordnung geltenden Wertprinzip ermittelt. § 47 WEG, wonach Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen stehen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt, und ein solcher Wille in der Regel nicht anzunehmen ist, ist vorliegend überhaupt nicht einschlägig, da die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt sind. Denn § 25 Abs. 2 S. 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat (sog. Kopfprinzip), wurde durch das WEMoG weder neu eingeführt noch geändert, sondern bestand mit demselben Wortlaut auch schon vor dem 01.12.2020.
13
Soweit die Klägerin geltend macht, durch das WEMoG sei § 25 Abs. 1 WEG neu gefasst bzw. eingeführt worden, wonach bei der Beschlussfassung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheide, verkennt sie, dass hierdurch lediglich geregelt wird, dass für die Beschlussfassung ein Mehrheitsbeschluss erforderlich und ausreichend ist, nicht jedoch, wie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu ermitteln ist. Dies regelt vielmehr allein der unverändert gebliebene § 25 Abs. 2 S.1 WEG.
14
Vor diesem Hintergrund ist weder auf ein etwaiger Betonierungswille der Wohnungseigentümer noch deren hypothetisches Abstimmungsverhalten entscheidungserheblich.
15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG.