Titel:
Zweifelsvorlage des Standesamts (Nachbeurkundung einer Auslandsgeburt)
Normenketten:
BGB § 1617c Abs. 1
PStG §§ 51, 53 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei der erstmaligen Wahl des Familiennamens auf der Grundlage deutschen Sachrechts ist bei Kinder, die das fünfte Lebensjahr vollendet haben, grundsätzlich eine Anschlusserklärung nach § 1617c Abs. 1 BGB erforderlich. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Anschließungserklärung bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn eine Namensidentität zwischen bisherigem und neuem Namen vorliegt, weil dann das Namensidentität des Kindes nicht betroffen ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweifelsvorlage, Standesamt, Nachbeurkundung, Auslandsgeburt, Namensidentität, Persönlichkeitsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16180
Gründe
1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Zweifelsvorlage des Standesamts W. i.d.OPf. betreffend die Nachbeurkundung einer Auslandsgeburt im Geburtenregister (§ 36 PStG).
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Der Beteiligte … wurde am … in …, Vereinigte Staaten von Amerika, geboren und ist von Geburt an deutscher und amerikanischer Staatsangehöriger. Mutter des Kindes ist die Beteiligte …, geboren am … in …, Vereinigte Staaten von Amerika. Sie ist amerikanische Staatsangehörige. Vater des Kindes ist der Beteiligte …, geboren am … in …. Er ist deutscher Staatsangehöriger. Die Eltern sind miteinander verheiratet und gemeinsam sorgeberechtigt. Sie führen keinen gemeinsamen Ehenamen. Die Familie hat den gewöhnlichen Aufenthalt in …, Vereinigte Staaten von Amerika. Der Vater ist noch in gemeldet.
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Die Eltern und das Kind haben mit Antrag vom 09.08.2021, beurkundet und hinsichtlich der Unterschriften beglaubigt durch das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland New York, beim Standesamt W. in der Oberpfalz die Nachbeurkundung der Geburt des Beteiligten … beantragt (§ 36 PStG). Die Eltern haben für die Namensführung des Kindes deutsches Recht gewählt, als gemeinsam Sorgeberechtigte zum Familiennamen des Kindes den Namen des Vaters ‚…‘ bestimmt und daneben als gesetzliche Vertreter einer Anschluss- bzw. Einwilligungserklärung des Kindes zugestimmt. Eine ausdrückliche Anschluss- oder Einwilligungserklärung des Kindes ist in der Erklärung nicht enthalten. Der Antrag wurde allerdings sowohl von den Eltern als auch dem Kind unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Antrag Bezug genommen.
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Mit gesonderter Erklärung vom 27.09.2023 zur Namensführung minderjähriger Kinder, wiederum öffentlich beurkundet durch das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland New York, haben die Eltern als gemeinsam Sorgeberechtigte erneut den Namen des Vaters „…“ zum Familiennamen des Kindes bestimmt und daneben als gesetzliche Vertreter einer Anschlusserklärung des Kindes zugestimmt. Eine ausdrückliche Anschlusserklärung des Kindes ist in der Erklärung erneut nicht enthalten. Auf Seite 4 ist die Auswahlalternative 2 „Das … Kind führt bereits einen Familiennamen und hat das fünfte Lebensjahr vollendet. Es schließt sich der Bestimmung des Ehenamens der Eltern an und führt künftig den Familiennamen … (Ehenamen der Eltern).“ [im Formular mit Übersetzung] nicht angekreuzt. Das Erklärungsformular ist wiederum von den Eltern und dem Kind unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindlichen Erklärung Bezug genommen.
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Standesamt und Standesamtsaufsicht sind der Auffassung, dass die Namensbestimmung nach dem Rechtsgedanken des 1617 c Abs. 1 BGB einer ordnungsgemäßen Anschlusserklärung bedürfe. Vorliegend hätten weder das Kind eine eigene Erklärung abgegeben noch die Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes eine Anschlusserklärung im Namen des Kindes abgegeben. Die bloße Erklärung der Eltern, einer Anschlusserklärung des Kindes zuzustimmen, reiche nicht aus.
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Das Standesamt hat im Wege einer Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht folgende Frage gestellt:
„Ist im Geburtenregister auf Grundlage der Namenserklärung vom 27.09.2023 im Rahmen der Nachbeurkundung der Geburtsname des Kindes …, geboren am …, wie folgt einzutragen:
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Mit Beschluss vom 29.04.2024 hat das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. diese Frage bejaht und bestimmt, dass bei der Nachbeurkundung der Geburt des Beteiligten … (betroffenes Kind) auf Grundlage der Namenserklärung vom 27.09.2023 im Geburtenregister der Geburtsname des Kindes wie folgt einzutragen sei:
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Das Gericht teile zwar die Auffassung des Standesamts und der Standesamtsaufsicht, dass eine wirksame Anschlusserklärung nicht abgegeben worden sei. In der Erklärung vom 27.09.2023 sei (wie im Antrag vom 09.08.2021) einerseits keine eigene Anschlusserklärung des Kindes enthalten. Das Kind habe zwar jeweils mitunterzeichnet, es fehle aber an einer entsprechenden eigenen Erklärung des Kindes: Insbesondere sei in der Namenserklärung vom 27.09.2023, S. 4, „Beteiligung des Kindes“ die Auswahlalternative 2 nicht angekreuzt. Damit laufe auch die von den Eltern unter der 4. Alternative abgegebene Erklärung, der Anschlusserklärung des Kindes zuzustimmen, ins Leere. Andererseits hätten die Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes auch keine eigene Anschlusserklärung im Namen des Kindes abgegeben.
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Vorliegend bedürfe aber die Namensbestimmung durch die Eltern keiner Anschlusserklärung des minderjährigen Kindes in entsprechender Anwendung des § 1617 c Abs. 1 BGB. Sinn und Zweck des Erfordernisses einer Anschlusserklärung gem. § 1617 c Abs. 1 BGB sei der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Kindes, das sich mit dem Älterwerden zunehmend mit seinem Namen identifiziere. Im direkten Anwendungsbereich des § 1617 c BGB (Namensbestimmung bei Namensänderung der Eltern, etwa durch Ehenamensbestimmung) sei bei Namensidentität zwischen bisherigem und neuem Namen eine Anschlusserklärung auch bei Kindern über 5 Jahren nicht erforderlich, weil dann das Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht betroffen sei (unter Hinweis auf Kienemund, in: BeckOGK, Stand 1.2.2024, BGB § 1617 c Rn. 16; v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo-BGB, 9. Aufl., § 1617 c Rn. 10; Pöcker, in: BeckOK-BGB, Stand 1.2.2024, § 1617 c Rn. 3-4.1; Lugani, in: Staudinger, BGB; Bearb. 2020, § 1617 c Rn. 9-11). Sogar, dann, wenn der bisher vom Kind geführte Namen mit dem deutschen Namensrecht nicht kompatibel sei, solle eine Anschlusserklärung des Kindes mangels „Bestandsschutz“ nicht erforderlich sein (unter Hinweis auf Lugani, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2020, § 1617 Rn. 18-19).
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Nach Auffassung des Gerichts könne aber nichts anderes gelten, wenn wie hier das Kind zwar nach deutschem Namensrecht noch keinen Geburtsnamen geführt habe, bei der erstmaligen Bestimmung des Geburtsnamens nach deutschem Recht aber derselbe Name zum Geburtsnamen bestimmt werde, den das Kind schon bisher (hier nach US-amerikanischem Recht) geführt habe. Dass der deutsche Umlaut „ö“ nach amerikanischem Recht mangels Umlaut als „oe“ geschrieben werde, sei insoweit ohne Belang. Eine Anschlusserklärung in entsprechender Anwendung des § 1617 c Abs. 1 BGB sei damit vorliegend nicht erforderlich.
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Gegen diesen ihr am 30.04.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Standesamtsaufsicht mit ihrer am 08.05.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde.
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Sie halte die rechtliche Begründung des Amtsgerichtes für nachvollziehbar. Insoweit gebe sie ihre ursprüngliche Haltung auf und schließe sich den Ausführungen des Amtsgerichts an. Allerdings sei es fester Bestandteil der standesamtlichen Verwaltungspraxis, dass eine Namenserklärung eine Anschlusserklärung nach § 1617 c Abs. 1 BGB erfordere, falls das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet habe. Dieser Grundsatz finde – wie der vorliegende Fall zeige – in der Praxis in analoger Weise auch bei der erstmaligen Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes gemäß § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung (§ 1617 c Abs. 1 BGB analog). Eine gegenteilige Auffassung nehme auch nicht das Deutsche Generalkonsulat New York ein. Die Rechtsfrage sei aber obergerichtlich noch nicht geklärt.
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Ebenso wie im ersten Rechtszug haben sich die weiteren Beteiligten auch im zweiten Rechtszug nicht geäußert. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, §§ 51, 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. hat in der Sache keinen Erfolg.
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Bei der erstmaligen Wahl des Familiennamens auf der Grundlage deutschen Sachrechts ist bei Kinder, die das fünfte Lebensjahr vollendet haben, grundsätzlich eine Anschlusserklärung nach § 1617 c Abs. 1 BGB erforderlich.
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Der Senat teilt aber die Auffassung des Ausgangsgerichts, wonach es einer Anschließungserklärung nicht bedarf, wenn eine Namensidentität zwischen bisherigem und neuem Namen vorliegt, weil dann das Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht betroffen ist. Auf die oben wiedergegebene Begründung des Amtsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Der Senat weist allerdings darauf hin, dass eine solche Anschließungserklärung im vorliegenden Verfahren auch vorliegen würde.
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Hat ein Kind wie hier im Zeitpunkt des Eingangs der amtsempfangsbedürftigen Erklärungen beim Standesamt (§ 45 Abs. 2 PStG; zum Zeitpunkt der Wirksamkeit: Lammers, in: Gaazl/Bornhofen/Lammers, Personenstandsgesetz, 6. Aufl., § 41 PStG Rn. 4) zur Namensführung das siebte aber noch nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so kann das beschränkt geschäftsfähige Kind bei seiner Zustimmung gemäß § 1617 c Abs. 1 Satz 2 BGB entweder eine eigene Erklärung abgeben, die der Zustimmung seiner Eltern als gesetzlichen Vertreter bedarf, oder die Eltern schließen sich selbst als gesetzliche Vertreter im Namen des Kindes ihrer eigenen Erklärung an (Hepting//Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rn. V-645; Kienemund, in: BeckOGK, Stand 1.5.2024, BGB § 1617 c Rn. 18; v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo-BGB, 9. Aufl., § 1617 c Rn. 11; Pöcker, in: BeckOK-BGB, Stand 01.05.2024, § 1617 c Rn. 5.
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Bei namensbestimmenden Erklärungen handelt es sich um rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, mit denen die Namensführung unmittelbar gestaltet wird (Lammers, a.a.O., § 41 PStG Rn. 3). Wie bei jeder Willenserklärung ist bei ihrer Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Erklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung verstehen musste (st. Rspr., etwa BGH NJW 1990, 3206 juris Rn. 17). Hier hat das Kind den Antrag vom 09.08.2021 (auf Beurkundung einer Auslandsgeburt im Geburtsregister) und die Erklärung zur Namensführung minderjähriger Kinder vom 27.09.2023 jeweils mit beglaubigter Unterschrift unterzeichnet. Es hat damit aus Sicht des Erklärungsempfängers, des Standesamtes, zum Ausdruck gebracht, hinter dem Antrag und den Erklärungen zur Namensführung zu stehen. Der Senat vermag der Unterzeichnung beider Formulare keine andere Bedeutung beizumessen als die Unterstützung der hierin enthaltenen Erklärungen. Bereits mit seiner Unterschrift vom 09.08.2021 hat das Kind zwar zunächst dem Wortlaut der Erklärung nach einen eigenen „Antrag“ gestellt, dieser eigene „Antrag“ enthält aber auch die Erklärung des Kindes, sich dem Antrag seiner Eltern im Rechtssinn „anzuschließen“. Zu bedenken ist dabei auch, dass die vorliegende Fallkonstellation – Bestimmung des Familiennamens des Kindes ohne Bestimmung eines Ehenamens – im betreffenden Formular nicht ausdrücklich erwähnt wird.
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Eintragungen in Personenstandsregistern werden nach § 9 Abs. 1 PStG nur vorgenommen aufgrund von Anzeigen, Anordnungen, Erklärungen, Mitteilungen und anderen Ermittlungen des Standesamts sowie von Einträgen in anderen Personenstandsregistern; Personenstandsurkunden oder sonstigen öffentlichen Urkunden. Sie dürfen erst vorgenommen werden, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt ermittelt und geprüft worden ist (§ 5 PStV). Die Beurkundungen in Personenstandsregistern sind mit besonderer Beweiskraft ausgestattet (§ 54 Abs. 1 PStG; hierzu Helms StAZ 2021, 268 ff.), der Rechtsverkehr erfordert deshalb eine hohe Richtigkeitsgewähr.
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Aus Sicht des Senats ist es deshalb nachvollziehbar, wenn hinsichtlich der eigenen Erklärung des Kindes nochmals nachgefragt wurde. Explizite Erklärungen sind auslegungsbedürftigen Erklärungen sicherlich vorzuziehen. Durch die Mitunterzeichnung der Erklärung zur Namensführung minderjähriger Kinder hat das Kind hierauf erneut zum Ausdruck gebracht, hinter den Erklärungen seiner Eltern zu stehen. Für eine andere Auslegung war spätestens nach dieser erneuten Erklärung kein Raum mehr.
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Die Standesamtsaufsicht ist von Gerichtskosten befreit (§ 51 Abs. 1 S. 2 PStG). Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht angezeigt, da sie nicht der Billigkeit entsprechen würde (§ 81 Abs. 1 FamFG).
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Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht. Die Entscheidung betrifft die Notwendigkeit und Auslegung von Erklärungen des Kindes im Einzelfall.