Inhalt

FG München, Urteil v. 05.06.2024 – 9 K 1512/22
Titel:

Einkünfte aus der Vermietung und Veräußerung von Containern

Normenketten:
EStG § 10d Abs. 4, § 22 Nr. 3
AO § 41, § 173 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 136 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Einkünfte aus der Vermietung und Veräußerung von Containern, Bestimmung der Einkunftsart, Abzug von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bei nicht erfüllter Forderung auf Eigentumsverschaffung, Bilanzierung bei nicht erkanntem Gewerbebetrieb, Einkommensteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – III R 23/24
Fundstellen:
ZInsO 2025, 94
EFG 2024, 1488
StEd 2024, 440
LSK 2024, 16176
BeckRS 2024, 16176

Tenor

1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2018 und 2019, jeweils vom 30. Oktober 2023, werden die Einkommensteuer 2018 und 2019 nach Maßgabe der Urteilsgründe herabgesetzt. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 18% und der Beklagte zu 82%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Geschäften über Erwerb, Vermietung und Veräußerung von Seefrachtcontainern.
2
Die Kläger wurden für die Streitjahre 2018 und 2019 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
3
Der Kläger und die Klägerin schlossen mit A-GmbH und B-GmbH jeweils mehrere Kauf- und Verwaltungsverträge. Danach sollte der Vertragspartner dem Kläger bzw. der Klägerin gegen Zahlung eines Kaufpreises das Eigentum an einer bestimmten Zahl von Containern bestimmter Art übertragen. Der Erwerber sollte in die vom Vertragspartner abgeschlossenen Mietverträge eintreten und den Vertragspartner mit der Verwaltung der Mietverhältnisse beauftragen. Der Vertragspartner hatte monatlich eine Garantiemiete an den Kläger bzw. die Klägerin zu zahlen. Die Vertragsdauer betrug jeweils fünf Jahre, bei deren Ablauf der Vertragspartner zu einem Kauf der Container bereit sei und hierzu ein Kaufangebot unterbreiten werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Kauf- und Verwaltungsverträge des Klägers C, D und E sowie der Klägerin F, G und H samt zugehöriger Angebote verwiesen.
4
Die Garantiemieten für das 4. Quartal 2017 wurden an den Kläger in 2018 gezahlt, bei der Klägerin erfolgten nach Angabe der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung weder Abrechnungen noch Zahlungen. Mit Vertrag vom … 2018 vereinbarte der Kläger mit A-GmbH für den Vertrag C einen Rückkaufpreis in Höhe von 74.250 €. Dieser Betrag sowie die Garantiemieten für die Zeit vom 1. Januar bis zum xx. März 2018 (Ende der Vertragslaufzeit) wurden nicht gezahlt. Garantiemieten für die anderen Verträge der Kläger wurden ab 2018 weder abgerechnet noch gezahlt.
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Am … 2018 wurden Insolvenzverfahren über die Vermögen der A-GmbH und B-GmbH eröffnet.
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Nachdem der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung gegenüber Kläger und Klägerin erklärt hatte, meldeten diese 2018 Forderungen wegen Nichterfüllung und Schadensersatz in Höhe von 280.349,94 € gegenüber der A-GmbH und 211.573,52 € gegenüber der B-GmbH (Kläger) sowie in Höhe von 291.678,16 € gegenüber der A-GmbH und 382.998,10 € gegenüber der B-GmbH (Klägerin) zur Insolvenztabelle an.
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Nach zwischen dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH bzw. B-GmbH und dem Kläger bzw. der Klägerin geschlossenen Vergleichsvereinbarungen vom … 2019, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, waren sich die Parteien einig, dass mit der Feststellung der Insolvenzforderung in jeweils bestimmter Höhe zur Insolvenztabelle die Ansprüche des Klägers bzw. der Klägerin gegen die jeweilige Gesellschaft wegen Nichterfüllung des Kauf- und Verwaltungsvertrags und auf Schadensersatz wegen mangelnder Aufklärung (mit bestimmten Ausnahmen) erledigt seien. Die den Vergleichsbetrag übersteigende Forderungsanmeldung nahm der Gläubiger zurück. Der Gläubiger verzichtete darauf, Aus- und Absonderungsrechte geltend zu machen.
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2019 wurden Vergleichsbeträge in Höhe von 256.042,81 € gegenüber der A-GmbH und 189.038,47 € gegenüber der B-GmbH (Kläger) sowie in Höhe von 272.209,69 € gegenüber der A-GmbH und 340.107,05 € gegenüber der B-GmbH (Klägerin) in die Insolvenztabelle eingetragen.
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Nach einer Pressemitteilung des Insolvenzverwalters vom … 2019 ging dieser für die derzeit angemeldeten Forderungen der Anleger von einem feststellbaren Forderungsvolumen von insgesamt etwas über drei Milliarden € in allen vier Insolvenzverfahren über das Vermögen der betroffenen Gruppen-Gesellschaften, darunter A-GmbH und B-GmbH, aus. Ziel sei, aus der Verwertung der vorhandenen Container Erlöse von über einer Milliarde € zu erwirtschaften.
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Ab 2021 erfolgten Abschlagszahlungen aus den Insolvenzmassen der A-GmbH und B-GmbH an die Kläger.
11
Mit Bescheid vom 30. April 2019 stellte das beklagte Finanzamt (FA) den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zum 31. Dezember 2017 für die Einkünfte aus Leistungen für den Kläger auf 87.842 € und für die Klägerin auf 68.900 € fest.
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Mit gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 25. Februar 2021 setzte das FA die Einkommensteuer 2018 auf xx € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA auf.
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Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 25. Februar 2021 stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2018 für die Einkünfte aus Leistungen auf 124.971 € für den Kläger und 106.029 € für die Klägerin fest.
14
Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA auf.
15
Mit weiteren Bescheiden vom 25. Februar 2021 setzte das FA die Einkommensteuer 2019 auf xx € fest und stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2019 für die Einkünfte aus Leistungen auf 125.315 € für den Kläger und 106.373 € für die Klägerin fest.
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Gegen die Bescheide vom 25. Februar 2021 legten die Kläger Einsprüche ein.
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Im Einspruchsverfahren ergingen aus nicht streitgegenständlichen Gründen geänderte Bescheide über Einkommensteuer 2018 und 2019.
18
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2022). Zur Begründung führte das FA aus, dass A-GmbH und B-GmbH in einer Vielzahl von Fällen Container, die es gar nicht gegeben habe, an Anleger verkauft habe. Die Beträge für Neuanlagen seien entgegen den vertraglichen Vereinbarungen dazu verwendet worden, die fälligen Mieten und Rückkäufe der Bestandsanleger zu bedienen.
19
Verluste aus Containerveräußerung könnten in den Streitjahren nicht berücksichtigt werden. Die Anleger hätten keine abschreibbaren Container erworben und auch kein wirtschaftliches Eigentum an Containern erlangt, da die Container entweder nicht existierten oder dem Anleger nicht zugerechnet werden könnten. Werde nach geleisteter Zahlung die erwartete Lieferung nicht erbracht, entstehe ein Rückforderungsanspruch. Müsse die Forderung wegen der Insolvenz des Vertragspartners verloren gegeben werden, könnten die vergeblichen Aufwendungen aus dem Erwerb der Container als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden, jedoch erst in dem Zeitpunkt, in dem feststehe, dass sie ohne Gegenleistung bleiben und eine Rückzahlung nicht zu erlangen sein werde. Dies sei erst mit Abschluss der bei der Gruppe noch laufenden Insolvenzverfahren der Fall.
20
Bei den Einkünften aus Containervermietung gem. § 22 Nr. 3 EStG könnten unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG Abschreibungen als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dies gelte bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Insolvenzverwalter gegenüber den Anlegern erklärt habe, die bestehenden Containerverträge nicht mehr zu erfüllen. Dies sei im August 2018 erfolgt, so dass die Abschreibung nur bis August 2018 anerkannt worden sei.
21
Dagegen erhoben die Kläger Klage.
22
Mit gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheiden vom 30. Oktober 2023 hat das FA die Einkommensteuer auf xx € für 2018 und xx € für 2019 festgesetzt.
23
In der mündlichen Verhandlung am 5. Juni 2024 hat der Senat das Verfahren wegen gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2018 und 2019 abgetrennt.
24
Ihre Klage begründen die Kläger im Wesentlichen wie folgt:
„Der am 23. März 2013 abgeschlossene Vertrag C des Klägers führe noch zu sonstigen Einkünften, da bereits in der fünfjährigen Vermietungsphase ein Gewinn erzielt worden sei.“
25
Die Einkünfte aus den übrigen streitgegenständlichen Verträgen der Klägerin und des Klägers seien hingegen den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Bei der Erklärung sonstiger Einkünfte aus den Container-Verträgen gem. § 22 Nr. 3 EStG sei nicht beachtet worden, dass A-GmbH und B-GmbH die Festmieten bei Verträgen ab einem nicht genau bekannten Zeitpunkt in 2013 abgesenkt habe, so dass in der fünfjährigen Festmietzeit keine Überschüsse mehr hätten erzielt werden können. Ein Totalgewinn werde daher erst durch den Verkauf der Container erzielt. Nach der sog. Verklammerungsrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (- BFH –; vgl. Urteil vom 8. Juni 2017 IV R 30/14, BFHE 258, 403, BStBl II 2017, 1061) handele es sich daher um gewerbliche Einkünfte. Für die Bestimmung der Einkunftsart komme es nicht darauf an, dass es zu Rückkäufen nicht mehr gekommen sei. Denn hierzu sei auf eine ex ante-Prognose abzustellen (BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630). Auch bedürfe es keiner verpflichtenden Kaufoption. Es genüge, dass der Rückverkauf an A-GmbH bzw. B-GmbH nach fünf Jahren planmäßig vorgesehen gewesen sei.
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Auch für die Absetzungen für Abnutzung (AfA) der Container und die Abschlagszahlungen habe die vertragsbezogene, subjektive Beurteilung des Sachverhalts Bedeutung. Daher komme es nicht darauf an, ob der Kläger und die Klägerin tatsächlich Eigentum erworben hätten, was das FA bei seiner unzulässigen objektiv-rückbezogenen Betrachtung verneine. AfA auf die Container sei weiterhin abzuziehen. Der Insolvenzverwalter führe das Vermietungsgeschäft fort und habe 2021 eine erste Abschlagszahlung auf die rückständigen Mieten an die Gläubiger ausgezahlt.
27
Die gewerblichen Einkünfte seien bilanziell zu ermitteln. Die Mieten für das IV. Quartal, gezahlt in 2018, seien daher in 2017 zu versteuern.
28
Bis zur Insolvenz seien die Verträge wie vereinbart durchgeführt worden. Die Nichterfüllungserklärung habe insolvenzrechtliche Gründe. Nur die Mietverlängerungs- und Rückkaufangebote seien nicht mehr erfüllt worden. Die Containerflotte sei vom Insolvenzverwalter weitervermietet worden. Es könne daher keine Rede davon sein, dass die Container nicht existierten. Nur der Verwalter sei ausgetauscht worden. Zudem sei die als Inkassostelle zuständige Gruppengesellschaft nicht insolvent. Denn die Containermieten seien von den Mietern weiterbezahlt worden. Nur die Weiterleitung an die insolventen Verwaltungsgesellschaften sei zunächst gestoppt worden. Die letzte Ausschüttung für das 4. Quartal 2017 sei planmäßig Anfang 2018 erfolgt. Der Klägerin seien aber 2018 keine Mieteinnahmen mehr zugeflossen.
29
Das FA berufe sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung zu vergeblichen Erwerbsaufwendungen, bei denen die geplante Einkunftserzielung verhindert worden sei und keine Abschreibungen in Betracht kommen könnten. Darum gehe es hier nicht, da bis zur Insolvenz Vermietungseinkünfte erzielt und besteuert worden seien und die Einkunftserzielung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens fortgeführt werde. Bis heute sei nicht bewiesen, weshalb und wie häufig Kaufpreise nicht zum Kauf von Containern verwandt worden seien. Nach § 41 AO komme es nicht auf eine eventuelle rechtliche Unwirksamkeit der Verträge an, da diese jahrelang tatsächlich durchgeführt worden seien.
30
Wegen der Fortführung des Vermietungsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter im Interesse aller Gläubiger sei keine Betriebsaufgabe anzunehmen. Über den Gläubigerausschuss bestünden Mitwirkungsrechte.
31
Eine Berücksichtigung der Restbuchwerte erst bei Abschluss des Insolvenzverfahrens verstoße gegen das Nettoprinzip. Bei Aussetzung der AfA könnten Ausschüttungen aus der Insolvenzmasse, die aus Containermieten stammten, nicht mit AfA verrechnet werden. Zinserträge würden die Gläubiger nicht erzielen, weil es der Insolvenzmasse dafür an freier Liquidität fehle. Die Abschlagszahlungen 2021 und 2022 seien daher nicht in Zins und Tilgung aufzuspalten, sondern ausschließlich als Nachzahlung der aufgelaufenen Mieteinnahmen 2018 bis 2020 zu behandeln.
32
Das FA nehme an, die vermieteten Container seien durch eine Schadensersatzforderung ersetzt worden. Eine Rechtsgrundlage werde nicht genannt. I. R. d. gewerblichen Einkünfte wäre ein solcher Tausch erfolgswirksam.
33
Die Gläubiger hätten Anspruch auf Schadensersatz aus Nichterfüllung (positives Interesse) oder aus Rückabwicklung (negatives Interesse), der zur Insolvenztabelle angemeldet und nach Prüfung durch den Insolvenzverwalter festgestellt werde. Ein einklagbarer Anspruch auf Auszahlung ergebe sich dadurch nicht.
34
Die Container seien dem Anlagevermögen, nicht dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Sie seien nicht zur sofortigen Veräußerung bestimmt gewesen, sondern für die Hälfte bzw. (bei den Gebrauchtcontainern) 62,5% der Nutzungsdauer vermietet gewesen.
35
Die Zahl der vorhandenen Container sei geringer gewesen als erforderlich, was den Klägern mit der Insolvenzeröffnung 2018 bekannt geworden sei, somit sei absehbar gewesen, dass die Mieten und Rückkaufpreise nicht mehr wie vertraglich vereinbart erfüllt würden. Bei A-GmbH und B-GmbH wäre eine personelle Zuordnung der Container theoretisch möglich gewesen. Der erforderliche Ermittlungsaufwand sei aber an der großen Anzahl der vorhandenen Container und Anleger gescheitert. Der Insolvenzverwalter habe daher entschieden, alle Anleger als Vermieter der Container zu behandeln.
36
Zum 31. Dezember 2017 habe sich der Verlustvortrag für sonstige Einkünfte aus Leistungen auf insgesamt 156.742 € belaufen. Die darin enthaltenen gewerblichen Verluste seien umzuqualifizieren. Auf die Klägerin entfielen 55.881 € und auf den Kläger 11.354 €. Es werde beantragt, den Verlustvortrag entsprechend aufzuteilen.
37
Bei Annahme von gewerblichen Einkünften würden Teilwertabschreibungen in Höhe der bisher erklärten Abschreibungsbeträge beantragt.
38
Für den Vertrag F der Klägerin, dessen Laufzeit in 2018 geendet habe, sei der Restbuchwert in Höhe von 98.544 € in 2018 als Verlust zu berücksichtigen. Alternativ könne die AfA in 2019 fortgeführt werden.
39
In den Jahren bis 2017 seien, soweit für die Verträge Gewerblichkeit anzunehmen sei, AfA irrtümlich unterlassen worden und in 2018 nachzuholen. Der Verlustvortrag aus sonstigen Einkünften sei entsprechend zu reduzieren.
40
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide vom 30. Oktober 2023 dahingehend zu ändern, dass in 2018
a) weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb Containervermietung und -veräußerung in Höhe von insgesamt -222.813 €,
b) sonstige Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften Container (Vertrag C) in Höhe von -55.898 €,
c) sonstige Einkünfte des Klägers aus Leistungen Containervermietung (Vertrag C) in Höhe von -309 € und d) keine sonstigen Einkünfte der Klägerin aus Leistungen und in 2019 a) weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb Containervermietung und -veräußerung in Höhe von insgesamt -225.671 € und b) keine sonstigen Einkünfte aus Leistungen berücksichtigt werden.
41
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
42
Zur Klageerwiderung verweist das FA auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend im Wesentlichen Folgendes vor:
43
Das BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630, beziehe sich auf die Qualifikation der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen zuzuordnen seien. Maßgeblich sei Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge. Dem entsprechend ordne das FA die Einkünfte unter Anwendung der Verklammerungsrechtsprechung den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Die Prüfung sei für jeden Vertrag gesondert durchzuführen. Vorliegend seien die Verträge nicht vorgelegt worden, so dass eine Prüfung nicht möglich sei. Der BFH habe die Berechnung des Verlusts durch die Vorinstanz, die mangels Anschaffung des Wirtschaftsguts keine AfA berücksichtigt gehabt habe, nicht beanstandet. Stattdessen seien die von den Klägern geleisteten Zahlungen in dem Zeitpunkt abziehbar, in dem deutlich geworden sei, dass die Gegenleistung ausbleiben werde und keine Rückzahlung zu erlangen sei. Das sei erst mit Abschluss der Insolvenzverfahren der Fall.
44
Mangels Eigentumserwerbs an den Containern (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 8. Oktober 2020 27 O 34/20) seien keine Mieteinkünfte erzielt worden. Durch die Insolvenz sei somit keine Einstellung der bisherigen Tätigkeit erfolgt. Da vergebliche Aufwendungen vorlägen, seien die von A-GmbH und B-GmbH vorgenommenen Auszahlungen entsprechend dem BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630, als „Scheinrenditen“ der Besteuerung zu unterwerfen.
45
Hinsichtlich des Vertrags C komme eine Berücksichtigung des Restbuchwerts der Container bei den sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 22 Nr. 2 EStG in Betracht.
46
Sollten gewerbliche Einkünfte für bestimmte Verträge anzunehmen sein, könne das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden, z. B. durch Einrichtung einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Buchführung. Hierfür sei im Streitfall nichts ersichtlich, so dass von einer Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung auszugehen sei.
47
Das FA nehme nicht an, dass die Container durch eine Schadensersatzforderung ersetzt worden seien. Vielmehr seien von Anfang an keine Container erworben worden. Nach Auffassung des FA sei der Rückforderungsanspruch auch nicht in eine verzinsliche Darlehensgewährung umzudeuten. Die Abschlagszahlung habe nicht die Erstattung rückständiger Mietzahlungen zum Gegenstand, sondern es handele sich um die (teilweise) Erstattung verlorener Anschaffungskosten. Die steuerliche Behandlung der 2021 und 2022 ausbezahlten Abschlagszahlungen sei nicht Gegenstand der Streitjahre.
48
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze, die vorgelegten Akten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 5. Juni 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.
49
Die Klage hat teilweise Erfolg.
50
1. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geschäfte – mit Ausnahme des Vertrags C des Klägers (s. hierzu unten unter Nr. 7) – hat das FA bei der Einkommensbesteuerung für 2018 und 2019 unzutreffend Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG berücksichtigt. Für diese Verträge sind nach der Verklammerungsrechtsprechung Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzunehmen.
51
a) Gewerbebetrieb ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln.
52
Ob ein Steuerpflichtiger gewerblich tätig wird, bestimmt sich danach, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht. Maßgebend hierfür ist neben der Verkehrsanschauung nicht der einzelne Betätigungsakt, sondern das jeweilige, vom Tatsachengericht umfassend zu würdigende Gesamtbild der Verhältnisse. Zu diesem Gesamtbild gehören auch die der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630; m. w. N.).
53
Dabei ist die Qualifizierung der Einkunftsart nicht objektiv rückblickend nach den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen, sondern nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge (BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630; m. w. N.).
54
Die Vermietung einzelner beweglicher Gegenstände erfüllt zwar grundsätzlich die in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG positiv formulierten Voraussetzungen, geht jedoch in der Regel nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Dazu gehören auch der Erwerb und die Veräußerung beweglicher Sachen, wenn diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Eine gewerbliche Tätigkeit kann daher – ausnahmsweise – erst in Betracht gezogen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Vermietungsleistung als Ganzes das Gepräge einer selbständigen nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Gegenstandes in den Hintergrund tritt (BFH-Urteil vom 8. Juni 2017 IV R 30/14, BFHE 258, 403, BStBl II 2017, 1061, m. w. N.).
55
b) Nach diesen Maßgaben fallen die Einkünfte aus den Verträgen des Klägers D und E sowie der Klägerin F, G und H unter § 15 EStG. Die beabsichtigte Tätigkeit überschreitet jeweils den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung (so auch Finanzgericht – FG – Düsseldorf, Urteile vom 21. Dezember 2021 13 K 2760/20 E, EFG 2023, 1624, Revision anhängig beim BFH X R 4/23, und vom 21. Dezember 2021 13 K 2755/20 E, juris, Revision anhängig beim BFH III R 35/22; a. A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November 2023 8 K 2173/21, EFG 2024, 384).
56
Zwar beinhalteten die Kauf- und Verwaltungsverträge den Erwerb von Containern und deren Vermietung, was grundsätzlich in den Bereich der privaten Vermögensverwaltung fällt. Jedoch lässt sich den Vertragskonditionen (Laufzeit, Garantiemiete) sowie den zugehörigen Angeboten entnehmen, dass unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer von acht Jahren für Gebrauchtcontainer und zehn Jahren für Neucontainer jeweils ein Gesamtgewinn nur unter Einbeziehung eines Veräußerungsgewinns aus den Containern erzielt werden konnte. Denn in jedem Jahr überstieg jeweils die geplante AfA die geplanten Mieteinnahmen. Daher sind An- und Verkauf mit der Vermietung aufgrund eines einheitlichen Geschäftskonzepts verklammert.
57
Der Annahme gewerblicher Einkünfte steht nicht entgegen, dass es nicht zu einem Eigentumserwerb des Klägers und der Klägerin an den einzelnen Containern kam und sie mangels konkret als Vermietungsobjekte zuordenbarer Container auch nicht in die Vermieterstellung einrückten (a. A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November 2023 8 K 2173/21, EFG 2024, 384, das aus diesem Grund sowie mangels Absicht des Steuerpflichtigen, Container zu erwerben und zu vermieten, Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG annimmt, allenfalls sonstige Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG).
58
2. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers und der Klägerin sind – da sie ausgehend von Tätigkeiten im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gewählt haben – jeweils durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln (BFH-Urteile vom 21. Juli 2009 X R 28/06, BFH/NV 2009, 1979; vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).
59
Die Bilanzen zum 31. Dezember 2018 und 2019 wären jeweils spätestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag aufzustellen gewesen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Bis zu diesem Aufstellungszeitpunkt bekanntwerdende Umstände dienen der Wertaufhellung (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545).
60
3. Auf den 1. Januar 2018 ist von den Klägern jeweils eine Anfangsbilanz aufzustellen.
61
a) Für den Fall eines „nicht erkannten Gewerbebetriebs“, in dem für ein späteres Wirtschaftsjahr nach Eröffnung mit der Bilanzierung begonnen wird, sind bei erstmaliger Bilanzaufstellung mangels einer vorhergehenden Schlussbilanz im ersten noch offenen Jahr die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs unbeachtlich (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578).
62
Für den ersten Bilanzansatz eines Wirtschaftsguts des notwendigen Betriebsvermögens in der erstmals aufzustellenden Anfangsbilanz gelten damit die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs ebenfalls nicht. Der Bilanzansatz für das zuvor nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bemisst sich nach dem Wert, mit dem es bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Die nachträgliche Einbuchung des Wirtschaftsguts in die Anfangsbilanz selbst ist eine berichtigende gewinnneutrale Einbuchung über das Kapitalkonto und keine Einlage (BFH-Urteil vom 26. November 2008 X R 23/05, BFHE 224, 61, BStBl II 2009, 407, m. w. N.).
63
b) Nach diesen Maßgaben sind im Streitfall in die Anfangsbilanz zum 1. Januar 2018 folgende Positionen erfolgsneutral einzubuchen:
offene Forderungen auf Garantiemiete IV/2017 zzgl. Umsatzsteuer, offene Umsatzsteuerverbindlichkeiten auf Garantiemiete 2017.
64
c) Erfolgsneutral sind ferner Forderungen auf die Eigentumsverschaffung an den Containern in Höhe der Vorauszahlung einzubuchen.
Kläger:
für D und E insgesamt 420.268 €
Klägerin:
für F, G und H insgesamt 671.998 €
65
Hingegen sind keine Container einzubuchen, da der Kläger und die Klägerin kein Eigentum an Containern erworben hatten.
66
aa) Für den Abzug von Anschaffungskosten im Rahmen der AfA kommt es auf den Zeitpunkt der Anschaffung an (BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 52/09, BFHE 233, 257, BStBl II 2011, 929). Nach § 9a Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist die Anschaffung mit der Lieferung bewirkt. Lieferung bedeutet Verschaffen der Verfügungsmacht. Es kommt somit auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an. Das ist bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 52/09, BFHE 233, 257, BStBl II 2011, 929).
67
Mit der Zahlung des Kaufpreises ist jeweils eine entsprechende Forderung (erfolgsneutral) zu aktivieren, die den Anspruch auf die Eigentumsverschaffung wiedergibt. Erst wenn das Eigentum übertragen worden ist, entstehen Anschaffungskosten, die über die AfA jährlich zu Betriebsausgaben führen. Bleibt die Eigentumsübertragung hingegen aus, entsteht ein Rückzahlungsanspruch; in diesem Fall kommt es erst dann zu Aufwand, wenn der Rückzahlungsanspruch (z. B. infolge von Insolvenz des Verkäufers) wertlos wird ist (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830).
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bb) Im Streitfall haben die Kläger den rechtlichen Eigentumserwerb an bestimmten Containern nicht nachgewiesen. Auch wirtschaftliches Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) kommt vorliegend nicht in Betracht. Daher sind weder Container mit ihren Anschaffungskosten als Vermögensgegenstände einzubuchen noch kann AfA auf die Container abgezogen werden. Die Vorstellung des Klägers und der Klägerin, Eigentum erworben zu haben, genügt hierfür nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Container dem Umlaufvermögen hätten zugehören sollen, so dass die geltend gemachte jährliche lineare AfA schon deshalb ausschiede (Umlaufvermögen nimmt das FG Düsseldorf an mit Urteilen vom 21. Dezember 2021 13 K 2760/20 E, EFG 2023, 1624, Revision anhängig beim BFH X R 4/23, und vom 21. Dezember 2021 13 K 2755/20 E, juris, Revision anhängig beim BFH III R 35/22).
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Die Vorauszahlungen sind in voller Höhe in die Anfangsbilanz zum 1. Januar 2018 einzubuchen. Dass in den Vorjahren bei den sonstigen Einkünften AfA auf Container als Werbungskosten abgezogen wurden, die zu Verlustvorträgen führten, soweit sie die Mieteinnahmen überstiegen, kann nicht wertmindernd berücksichtigt werden.
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4. Nach der Nichterfüllungserklärung des Insolvenzverwalters (§ 103 Abs. 2 InsO) und Anmeldung der Forderungen wegen Nichterfüllung zur Tabelle durch die Kläger in 2018 waren die Vorauszahlungen erfolgsneutral auf sonstige Vermögensgegenstände in Form von Rückzahlungsforderungen umzubuchen. Denn mit der Anmeldung der Forderungen wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle entfällt der Erfüllungsanspruch (Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2013 IX ZR 218/11, BGHZ 196, 160).
71
5. Der Ansatz der Rückzahlungsforderungen konnte in 2018 um eine Teilwertabschreibung in Höhe von 47.447 € beim Kläger und 174.589 € bei der Klägerin vermindert werden.
72
Geldforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Diese entsprechen ihrem Nennwert. Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, weil z. B. zweifelhaft ist, ob die Forderung in Höhe des Nennwertes erfüllt werden wird (Ausfallrisiko), so „kann“ statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Er entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
73
Sind Forderungen mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet, ist dem im Wege der Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen; der bloße Einbezug in eine Pauschalwertberichtigung eines Gesamtbestandes von Forderungen ist nicht ausreichend. Zweifelhafte Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben.
74
Ein (wegen Ausfallrisikos) unter ihrem Nennbetrag liegender Teilwert (beizulegender Wert) von Geldforderungen kann im Allgemeinen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Dabei kommt dem Ermessen des Kaufmanns besondere Bedeutung zu. Maßgebend ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Annahme eines – teilweisen – Forderungsausfalls herleiten darf. Die Zahlungsfähigkeit und die Zahlungswilligkeit (Bonität) eines Schuldners sind dabei individuell nach dessen Verhältnissen zu ermitteln.
75
Allerdings muss die Schätzung eine objektive Grundlage in den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen finden. Schließlich sind auch Geldforderungen nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung wertaufhellender Umstände zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Danach sind bis zum Tag der Bilanzerstellung erlangte Kenntnisse über den Wert von Forderungen zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Auch der Umstand einer späteren (teilweisen) Erfüllung der Forderung kann deren Wert zum Bilanzstichtag „aufhellen“. Der Wertermittlung zugrunde zu legen ist er jedoch nur, wenn er spätestens am Tag der Bilanzerstellung verwirklicht worden ist. Nach dem Tag der Bilanzerstellung eingetretene Umstände oder erlangte Kenntnisse sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 20. August 2003 I R 49/02, BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941, m. w. N.).
76
b) Nach diesen Maßgaben ist die beantragte Teilwertabschreibung auf die Rückzahlungsforderungen in Höhe von 47.447 € beim Kläger und 174.589 € bei der Klägerin in 2018 gerechtfertigt. Denn bereits vor dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz zum 31. Dezember 2018 zu erstellen gewesen wäre (31. Dezember 2019), konnte nach der Pressemitteilung des Insolvenzverwalters vom xx 2019 allenfalls eine Verwirklichung der Forderungen in Höhe eines Drittels ihres Nennwerts erwartet werden.
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c) Hinzu kommen 2018 folgende Betriebsausgaben, die für beide Kläger zusammen geltend gemacht wurden und vereinfachend in voller Höhe beim Kläger berücksichtigt werden: 751 € Steuerberatungskosten netto, 25 € sonstige Kosten (Hälfte der bei den sonstigen Einkünften erklärten 50 €; die andere Hälfte wird bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt, s. u. unter Nr. 7).
78
d) Die auf die Zeit ab dem 1. Januar 2018 bis zur Anmeldung der Forderungen der Kläger wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle in 2018 entfallenden Garantiemieten sind zwar mit ihrer Entstehung als Forderung zu aktivieren. Die Kläger haben aber bei ihrem Klageantrag diese Einkünfte in 2018 gewinnneutral behandelt. Der Senat versteht dies dahin, dass in 2018 eine Teilwertabschreibung in derselben Höhe geltend gemacht wird. Dagegen bestehen vor dem Hintergrund der bis zum Tag der Bilanzaufstellung bekannten Umstände keine Bedenken.
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6. Bei Abschluss der Vergleichsvereinbarung in 2019 wäre zu buchen:
Kläger: Vergleichsforderungen (B-GmbH 189.038,47 € + A-GmbH 256.042,81 € – 73.740 € für Vertrag C =) 371.341,28 € und außerordentlicher Aufwand 1.479,72 € an Rückzahlungsforderungen (Restbuchwert) 372.821 €.
80
Dabei wurde die für alle Verträge mit A-GmbH festgestellte Vergleichsforderung von 256.042,81 € um 73.740 € (geschätzt = 0,288 x 256.042,81 €) für Vertrag C vermindert, da dieser Vertrag unter die sonstigen Einkünfte fällt. Die Aufteilung erfolgte im Wege der Schätzung im Verhältnis der Forderungsberechnung (ohne Mehrbetrag) gem. Anlage 1a zum Klageschriftsatz vom 14. November 2022.
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Auf die Vergleichsforderungen kann dann wiederum eine Teilwertabschreibung wie beantragt in Höhe von 132.153 € erfolgen.
Klägerin:
Vergleichsforderungen (A-GmbH 340.107,05 € + B-GmbH 272.209,69 € =) 612.316,74 € an Rückzahlungsforderungen (Restbuchwert) 497.409 € an (in die Anfangsbilanz zum 1. Januar 2018 eingebuchte und noch nicht gezahlte) Forderung auf Garantiemiete IV/2017 netto 17.303 € außerordentlicher Ertrag 97.604,74 €.
82
Auf die Vergleichsforderungen kann dann wiederum eine Teilwertabschreibung wie beantragt in Höhe von 92.831 € erfolgen.
83
Hinzu kommen 2019 folgende Betriebsausgaben, die für beide Kläger zusammen geltend gemacht wurden und vereinfachend in voller Höhe beim Kläger berücksichtigt werden: 535,22 € Steuerberatungskosten netto, 50 € sonstige Kosten.
84
7. Hinsichtlich des Vertrags C des Klägers sind sonstige Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 2.488 € in 2018 und 0 € in 2019 zu berücksichtigen.
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aa) Für diesen Vertrag sind nach der Verklammerungsrechtsprechung (s. o. unter Nr. 1) keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzunehmen. Denn die geplante Miete (pro Jahr insgesamt netto 12.420 €) überstieg die geplante AfA (pro Jahr insgesamt 11.187,50 €).
86
bb) Zu den sonstigen Einkünften gehören nach § 22 Nr. 3 EStG Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften im Sinne der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 gehören, z. B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (Satz 3). Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Leistungen im Sinne des Satzes 1 erzielt hat oder erzielt; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend (Satz 4).
87
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind.
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cc) Im Streitfall erzielte der Kläger sonstige Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 2.488 € in 2018 und 0 € in 2019.
89
2018 vereinnahmte der Kläger „Miete“ für das Quartal IV 2017 in Höhe von netto 3.102,50 € zzgl. 589,48 € Umsatzsteuer. „Miete“ für Januar bis zum 27. März 2018 in Höhe von netto 2.924 € zzgl. 555,56 € Umsatzsteuer wurde hingegen nicht gezahlt. Als Werbungskosten sind gezahlte Vorsteuer in Höhe von 1.178,96 € (je 589,48 € für das 3. und 4. Quartal 2017) sowie sonstige Kosten in Höhe von anteilig 25 € anzusetzen.
90
AfA auf die Container kann nicht abgezogen werden, da der Kläger kein Eigentum an den Containern erworben hat.
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dd) Die Einkünfte des Klägers gem. § 22 Nr. 3 EStG in 2018 errechnen sich wie folgt:
„3.102,50 € Garantiemieten
589,48 € Umsatzsteuer
- 1.178,96 € gezahlte Vorsteuer für 3. und 4. Quartal 2017
- 25 € sonstige Kosten (anteilig).
8. In 2018 erzielte der Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG in Höhe von -38.519 € abzgl. nicht verrechenbare Verluste in derselben Höhe.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Bei Wirtschaftsgütern im Sinne von Satz 1, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre (Satz 4).“
92
Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Verluste dürfen nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (Satz 7). Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 erzielt hat oder erzielt; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend (Satz 8).
93
Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren Wirtschaftsguts gehören bei den Überschusseinkünften begrifflich zu den Werbungskosten. Sie können jedoch regelmäßig nicht sofort und in voller Höhe, sondern nur zeitlich gestreckt als AfA abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG). Solche Aufwendungen führen nicht zu Anschaffungskosten, wenn die beabsichtigte Anschaffung ausbleibt. Sie sind vielmehr als Werbungskosten in dem Zeitpunkt abziehbar, in dem deutlich wird, dass es (zum Teil) nicht mehr zu einer Verteilung der Aufwendungen als AfA kommen wird, weil sie voraussichtlich dauerhaft ohne Gegenleistung bleiben und weil insoweit ihre Rückzahlung nicht zu erlangen sein wird. Für die Prognose ist keine Gewissheit erforderlich; es genügt eine große Wahrscheinlichkeit (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, zu Herstellungskosten; BFH-Urteil vom 9. Mai 2017 IX R 24/16, BFHE 257, 429, BStBl II 2018, 168, m. w. N.).
94
b) Nach diesen Maßgaben erzielte der Kläger einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 38.519 € in 2018.
95
Hinsichtlich des Vertrags C hat der Kläger kein Eigentum an den Containern nachgewiesen. Auch wenn daher objektiv kein Veräußerungstatbestand vorliegt, ist nach der insofern maßgeblichen subjektiven Sichtweise (BFH-Urteil vom 7. Februar 2018 X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630; m. w. N.) die Einkunftsart der privaten Veräußerungsgeschäfte gegeben.
96
Der Kläger hat sich mit Vertrag vom xx 2018 mit A-GmbH auf eine Rückkaufpreisforderung in Höhe von 74.250 € geeinigt, die der Höhe nach unter den verlorenen Aufwendungen (111.875 €) blieb. In Höhe des Differenzbetrags von 37.625 € konnte bereits 2018 keine Zahlung mehr erwartet werden und ist somit 2018 ein Werbungskostenüberschuss abziehbar (a. A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November 2023 8 K 2173/21, EFG 2024, 384, wonach insgesamt die Höhe des Forderungsausfalls 2018 noch nicht hinreichend absehbar gewesen sei, zudem Prüfung eines Abzugs als Werbungskosten bei Einkünften gem. § 22 Nr. 3 EStG).
97
Mangels Eigentumserwerbs an Containern kann kein Restbuchwert als Anschaffungskosten abgezogen werden.
98
Ein Wertverlust der Forderung aufgrund der Insolvenz der A-GmbH kann in 2018 nicht berücksichtigt werden, da bis Ende 2018 noch nicht absehbar war, inwiefern der Kläger aus der Insolvenzmasse noch Zahlungen auf die Forderung erlangen könnte.
99
Zusätzlich sind in 2018 StB-Kosten in Höhe von brutto 894 € als Werbungskosten abziehbar.
100
Die Verluste sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 7 EStG nicht verrechenbar.
101
9. Der Einkommensbesteuerung 2018 und 2019 sind somit abweichend von den bisherigen Bescheiden folgende Einkünfte zu Grunde zu legen:
sonstige Einkünfte aus Leistungen des Klägers in Höhe von -2.488 € in 2018 und 0 € in 2019, sonstige Einkünfte aus Leistungen der Klägerin in Höhe von 0 € in 2018 und 0 € in 2019, sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (nicht verrechenbar) des Klägers in Höhe von -38.519 € in 2018, sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin in Höhe von je 0 € in 2018 und 2019,
weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers (als Einzelunternehmer) in Höhe von
- 48.224 € in 2018 und -134.218 € in 2019 sowie weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin (als Einzelunternehmerin) in Höhe von
- 174.589 € in 2018 und 4.774 € in 2019.
102
10. Die zum 31. Dezember 2017 festgestellten Verlustvorträge für die Einkünfte aus sonstigen Leistungen können nicht in einen gewerblichen Verlust umqualifiziert werden. Die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gem. § 22 Nr. 3 Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 EStG hat Bindungswirkung für die Einkommensbesteuerung. Bei der Einkommensbesteuerung dürfen somit nicht abweichend davon Verluste einer anderen Einkunftsart als festgestellt angesehen und mit anderen Einkünften verrechnet werden.
103
11. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer 2018 und 2019 wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
104
12. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
105
13. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.
106
14. Die Revision wird zugelassen im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Verfahren mit den Az. III R 35/22 und X R 4/23 (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FGO).