Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 26.01.2024 – 3 Ta 233/23
Titel:

Gegenstandswertfestsetzung bei Prozesstrennung

Normenketten:
ZPO § 145
RVG § 33
Leitsätze:
Im Fall der Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche in getrennte Prozesse gem. § 145 ZPO ist aufgrund des bestehenden Wahlrechts betreffend die Gebührenabrechnung der Gegenstandswert vor und nach der Prozesstrennung festzusetzen. (Rn. 21)
1. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung des Erstgerichts über den Gegenstands- und Streitwert ist vom Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr hat das Beschwerdegericht eine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Antrag auf Auskunft gemäß DS-GVO ist regelmäßig mit 500,00 € zu berücksichtigen, sofern nicht Umstände vorliegen, die über das allgemeine Auskunftsinteresse der Klagepartei hinausgehen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gegenstandswert, Prozesstrennung, Vergleichsabschluss, unabhängige Ermessensentscheidung, Ermessensfehler, Vergleichsmehrwert
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 14.09.2023 – 24 Ca 279/20
Fundstellen:
BeckRS 2024, 1614
FDRVG 2024, 001614

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigen der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 14.09.2023 – 24 Ca 279/20 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung vor Trennung wird für das Verfahren auf 196.753,89 € festgesetzt.
2. Der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung nach Trennung wird für das Verfahren auf 19.100,53 € festgesetzt.
3. Die Festsetzung eines Gegenstandswerts für den Vergleich unter Berücksichtigung eines Mehrwerts wird dem Arbeitsgericht unter Beachtung der nachfolgenden Ausführungen übertragen.

Gründe

1
Im Ausgangsverfahren zum Az. 24 Ca 233/23 hat sich die Klägerin zunächst gegen zwei Kündigungen der Beklagten zu 1) jeweils zum 31.03.2020, gewandt und einen allgemeinen Feststellungsantrag erhoben. Mit Klageerweiterung vom 28.10.2020 hat sie gegen die Beklagte zu 1) hilfsweise Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.553,36 €, Anträge auf Einsicht in die Personalakte sowie eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Personalakte (Anträge zu V.), Auskunft nach dem Datenschutzrecht (Anträge zu IV. bis VII.), Anträge auf Unterlassung von Äußerungen (Anträge zu VIII. bis XI.) und einen Schmerzensgeldantrag (Antrag zu XII.) gestellt. In dieser Klageerweiterung wurde die Klage zudem hinsichtlich der Unterlassungsanträge und des Schmerzensgeldantrags um die Beklagten zu 2.) bis 9.) erweitert.
2
Am 29.10.2020 fand eine Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts statt.
3
Durch Beschluss vom 17.12.2020 hat das Arbeitsgericht die Anträge V. bis XII. gem. § 145 Abs. 1 ZPO zur Verhandlung in einem getrennten Verfahren abgetrennt; es wird unter dem Az. 24 Ca 1588/20 geführt.
4
In der Kammerverhandlung vom 18.02.2021 schlossen die Parteien einen Vergleich über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses (Ziff.1) und Urlaubsabgeltung (Ziff.2). Des Weiteren regelten sie Folgendes:
„…
3. Die Beklagte zu 1) sowie die Z. GmbH und die Y. GmbH verpflichten sich, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 100.000,00 € netto steuerfrei Abstandszahlung für die Nichtübernahme des Marktes N. durch die Klägerin, zu bezahlen.
4. Die Parteien sind sich einig, dass insbesondere zwischen der Klägerin einerseits und den Unternehmen der X., insbesondere C. GmbH, Z. GmbH und Y. GmbH andererseits sowie zwischen den weiteren Parteien des Verfahrens 24 Ca 1588/20 vor dem Arbeitsgericht München, Kammer Ingolstadt, betreffend sämtlicher Ansprüche aus den Anstellungsverhältnissen der Klägerin zur X. insbesondere dem aktuellen Anstellungsverhältnis zur Beklagten zu 1) sowie allen Ansprüchen, seien sie bekannt oder unbekannt, zwischen allen Beteiligten im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis der Klägerin als Kauffrau zur Einarbeitung und den streitgegenständlichen Ansprüchen erledigt sind.
5. Mit diesem Verfahren ist auch das Verfahren 24 Ca 1588/20 vor dem Arbeitsgericht München, Kammer Ingolstadt, miterledigt.
Die Beklagtenvertreterin erklärt, dass dies mit dem Vertreter der Beklagten in dem genannten Verfahren abgestimmt ist.“
5
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat das Arbeitsgericht im Verfahren 24 Ca 1588/20 den „Wert des Streitgegenstandes … auf 207.500,00 € festgesetzt“ und ist hierfür deren Begründung, für die auf Bl. 626 ff in der Akte 24 Ca 1588/20 Bezug genommen wird, gefolgt.
6
Mit Antrag vom 30.08.2023 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Streitwert im hiesigen Verfahren 24 Ca 279/20 für die Kündigungsschutzanträge mit drei Bruttomonatsgehältern auf 12.547,17 € und als überschießenden Vergleichswert 1.375.500,00 € festzusetzen. Der Vergleichsmehrwert sollte sich aus dem miterledigten Verfahren zum Aktenzeichen 24 Ca 1588/20 in Höhe von 207.500,00 € und im Hinblick auf den nicht anhängigen Anspruch auf Übernahme des R. Marktes in N. gegen die Z. GmbH … in Höhe von 1.168.000 € ergeben.
7
Durch Beschluss vom 14.09.2023 hat das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 12.547,17 € und für den Vergleich auf 112.547,17 € festgesetzt. Der Verfahrenswert ergebe sich aus den Kündigungsschutzanträgen mit drei Bruttomonatsgehältern. Der Streitwert des Verfahrens zum Az. 24 Ca 1588/20 erhöhe den Vergleichsstreitwert nicht, weil er bereits im dortigen Streitwertbeschluss vom 23.03.2021 berücksichtigt worden sei. Als weiteren überschießenden Vergleichswert hinsichtlich der die Regelung etwaiger Ansprüche aus der Nichtübernahme des Marktes N. sei der im Vergleich geregelte Zahlbetrag von 100.000,00 € angemessen. Die angeführte Berechnung des Unternehmenswertes sei zum einen nicht nachvollziehbar, da der übersandte Gesellschaftsvertrag einen Blankoentwurf mit handschriftlichen Einfügungen ohne erkennbaren Bezug zur Klägerin darstelle. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung mit ihrer Position als Kauffrau in Einarbeitung eine derartig gesicherte Chance auf Übernahme des R.-Marktes mit dem behaupteten Unternehmenswert gehabt hätte, dass der gesamte Unternehmenswert bei der Bemessung des Vergleichsmehrwerts zu berücksichtigen wäre. Der Beschluss enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
8
Am 09.10.2023 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin „Streitwertbeschwerde“ ein und beantragten,
I. den Wert des Streitgegenstands für das Verfahren auf 12.547,17 € festzusetzen,
II. den überschießenden Vergleichswert auf 1.375.500,00 € festzusetzen.
9
Da durch den im hiesigen Verfahren geschlossenen Vergleich vom 18.02.2021 das rechtshängige Verfahren zum Az. 24 Ca 1588/20 miterledigt worden sei, sei sein Wert für den Vergleichsmehrwert des hiesigen Verfahrens zu berücksichtigen. Denn durch den Vergleichsschluss sei ein weiterer Rechtsstreit und / oder außergerichtlicher Streit erledigt und / oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt worden. Vergleichsweise miterledigte anderweitig rechtshängige Verfahren führten dann zu einem Vergleichsmehrwert, wenn sie bei Geltendmachung in einem Verfahren zu einer Werterhöhung führen würden.
10
Darüber hinaus werde für die Erledigung der Ansprüche aus der Nichtübernahme des Marktes N. an einem Wert von 1.168.000,00 € festgehalten. Der Unternehmenswert sei anhand der Bewertungsmethoden nach den BewG errechnet worden. Die Klägerin hätte zum Zeitpunkt der Kündigung als Kauffrau in Einarbeitung zum Zwecke der Übernahme des Marktes N. eine gesicherte Chance zur Übernahme eben dieses Marktes mit dem errechneten Unternehmenswert gehabt. Die Klägerin hätte sich genau auf diese Position beworben und bereits 2018 eine Zusage seitens der Beklagten erhalten. Die Übersendung des personalisierten Gesellschaftsvertrags hätten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 10.09.2020 bei der Beklagten angefordert. Hinsichtlich der gesicherten Übernahme des konkreten Marktes sei im hiesigen Verfahren auch mehrfach vorgetragen worden; insoweit wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 09.10.2023, Seite 3 – 5 = Bl. 675 – 677 d. A. Bezug genommen.
11
Im Rahmen ihrer Stellungnahme erklärte die Klägerin, dass die Beschwerde inhaltlich dem damaligen Vorgang bei Verweigerung der Übertragung des R.-Marktes auf sie entspreche. Sie habe auf die Übertragung, für die sie das Einarbeitungsverhältnis eingegangen sei, vergleichsweise zur Vermeidung einer belastenden gerichtlichen Auseinandersetzung verzichtet.
12
Durch Beschluss vom 30.11.2023 hat das Arbeitsgericht München die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Eine nochmalige Berücksichtigung des Streitwerts des Verfahrens 24 Ca 1588/20 könne im vorliegenden Verfahren nicht erfolgen. Der Wert des Streitgegenstandes „Nicht-Übernahme des Marktes N.“ sehe das Gericht nicht bei dem nach der Bewertungsmethode des Bewertungsgesetzes errechneten Unternehmenswert. Die Übernahme sei, wie das vorliegende Verfahren mit Trennung der Parteien gezeigt habe, fraglich gewesen. Zudem hätte die Klägerin mit der Übernahme des R.-Marktes als selbständige Kauffrau neben dem Unternehmenswert auch das unternehmerische Risiko übernommen, weshalb nicht der volle Unternehmenswert angesetzt werden könne. Der im Vergleich geregelte Ausgleichsbetrag erscheine nach wie vor angemessen.
II.
13
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat Erfolg.
14
1. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig.
15
a) Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der „Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren“ (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 –). Danach hätte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen gehabt. Als Streitwert bezeichnet § 3 Abs. 1 GKG den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert nach § 63 Abs. 2 GKG (vgl. in diesem Sinne auch LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2022 – 26 Ta (Kost) 6057/22 –). Ein etwaig missverständlicher Antrag ist als Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auslegen (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 30.11.1984 – 2 AZN 572/82 (B) – unter B I.1. der Gründe zur Vorgängerbestimmung).
16
b) Die Beschwerde ist aber nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung statthaft. Denn verlautbart das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form oder liegt ein Verfahrensfehler des Gerichts vor, der – bei objektiver Betrachtungsweise – die von der Entscheidung Betroffenen in Unsicherheit über die Art des zulässigen Rechtsmittels versetzen, steht ihnen sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch dasjenige, das bei einer in der richtigen Form ergangenen Entscheidung zulässig wäre (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.1992 – 2 AZR 443/91 – unter II. 2. b) der Gründe; BGH, Beschluss vom 03.11.1998 – VI ZB 29/98 unter II. 2. b) bb) der Gründe). Entscheidet ein Gericht also nach § 33 RVG statt nach § 32 Abs. 2 RVG i. V. m. § 63 Abs. 2 GKG oder umgekehrt, stehen dem Beschwerdeführer sowohl die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG als auch die Beschwerde nach § 32 Abs. 2. S. 1 RVG i. V. m. § 68 GKG zu (vgl. auch Holthau in: Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht 4. Auflage, Edition 3 2023, Stichwort „Streitwert“ Rn. 30).
17
c) Sowohl eine nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG als auch eine nach § 32 Abs. 2. S. 1 RVG  i. V. m. § 68 GKG eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist form-, aber auch fristgerecht. Eine Frist für das Rechtsmittel hatte nicht begonnen, weil dem Beschluss keine schriftliche Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG. Der Beschwerdewert von 200,00 € ist jeweils erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG und § 32 Abs. 2 RVG i. V.m. § 68 Abs. 1 S. GKG.
18
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
19
a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 50 f.).
20
b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2018, abgedruckt in NZA 2018, 497 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 – 4 Ta 83/14 – Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 – 2 Ta 72/21 – Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 – 1 Ta 280/15 – Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 – 5 Ta 264/15 – Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 – 5 Ta 7/16 – Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 – 4 Ta 172/13 (2) – unter II. 1 der Gründe LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 – 8 Ta 198/22 – Rn. 11). Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 52.).
21
c) Im Fall der Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche in getrennte Prozesse gem. § 145 ZPO besteht für den Prozessbevollmächtigen ein Wahlrecht, ob die vor der Trennung entstandenen Gebühren oder die danach entstandenen Gebühren abgerechnet werden. § 15 Abs. 2 RVG verhindert den wiederholten Gebührenanfall nicht; er verbietet lediglich die kumulative Geltendmachung von in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit mehrfach entstandenen Gebühren (vgl. BGH, Urteil vom 24.9.2014 – IV ZR 422/13 – Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.01.2016 – 5 WF 245/15 – Rn. 2; VGH DStadt, Beschluss vom 08.08.2017 – 14 C 17.559 – Rn. 19 ff.). Um eine Ausübung des Wahlrechts zu ermöglichen, ist der Gegenstandswert deshalb vor und nach Prozesstrennung festzusetzen (vgl. das Rechenbeispiel Prozesstrennung und Vergleichsschluss nur in einem Verfahren: Hartung/Schons/Enders/Enders, RVG, 3 Aufl. 2017, § 15 RVG Rn. 30).
22
d) Vor der Prozesstrennung ist der Gegenstandswert für das Verfahren auf 196.753,89 € festzusetzen.
23
aa) Die Kündigungsschutzanträge mit dem jeweils gleichen Beendigungstermin waren mit 12.547,17 € anzusetzen.
24
bb) Hilfsweiser Urlaubsabgeltungsanspruch zu IV. in der geltend gemachten Höhe von 6.553,26 €. Addition gem. § 45 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 GKG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG, da wegen der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses über ihn „entschieden“ wurde.
25
cc) Der Antrag zu V., 1. Spiegelstrich auf Einsichtnahme in die Personalakte ist mit 500,00 € zu bewerten (vgl. LAG München, Beschluss vom 02.08.2023 – 3 Ta 142/23 – Rn. 33 f.).
26
Der Antrag zu V, 2. Spiegelstrich auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der zugänglich gemachten Personalakte ist mit 1/5 des Hauptantrags, d. h. 100,00 € zu bemessen. Maßgeblich ist für den hier geltend gemachten Auskunftsanspruch gem. § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG das Interesse der Klagepartei an einer zutreffenden Auskunft. Regelmäßig geht es der Klagepartei nur noch um die Differenz zwischen den von dem Beklagten mit der erteilten Auskunft bereits eingeräumten Umständen, die als solche keiner besonderen Bestätigung mehr bedürfen (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO Rn. 16 – „Eidesstattliche Versicherung“).
27
dd) Der Antrag zu VI. auf Auskunft gem. DS-GVO ist regelmäßig mit 500,00 € zu berücksichtigen (vgl. LAG München, Beschluss vom 02.08.2023 – 3 Ta 142/23 – Rn. 19 ff.; vom 16.11.2023 – 3 Ta 177/23 –). Umstände, die über das allgemeine Auskunftsinteresse der Klagepartei hinausgehen, sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.
28
ee) Der Antrag zu VII. auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten ist Teil des Auskunftsanspruchs und ist nicht gesondert zu bewerten (vgl. LAG München, Beschluss vom 16.11.2023 – 3 Ta 177/23 –).
29
ff) Die Anträge zu IX. und X. in Bezug auf die Beklagte zu 2) (Frau W.) sind gem. § 48 Abs. 2 GKG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG mit jeweils 5.000,00 € ausreichend bewertet. Für den Antrag zu IX. ist eine besondere Bedeutung nicht anzunehmen. Die Bedeutung für das Kündigungsschutzverfahren ergibt im Rahmen der dortigen etwaigen Beweiswürdigung; dem kann durch eine Unterlassungserklärung in einem weiteren Verfahren nicht vorgegriffen werden. Gleiches gilt für die strafrechtlichen Folgen im Fall der Äußerung im Kündigungsschutzverfahren. Für den Antrag zu X. legt auch der Klägerinvertreter 5.000,00 € zugrunde.
30
gg) Der Antrag zu VIII. in Bezug auf die Beklagte zu 3) (Frau V.) ist gem. § 48 Abs. 2 GKG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG mit 5.000,00 € ausreichend bewertet. Ein beharrliches Bestreiten, das im Übrigen nicht nachvollziehbar vorgetragen worden ist, rechtfertigt keine Werterhöhung. Es ist das Recht der Beklagten zu 3), eine ihr zugeschriebene Aussage als nicht getätigt zu bestreiten.
31
hh) Der Antrag zu VIII. in Bezug auf die Beklagte zu 5) (Frau U.) ist gem. § 48 Abs. 2 GKG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG mit 5.000,00 € ausreichend bewertet. Ein beharrliches Bestreiten, das im Übrigen nicht nachvollziehbar vorgetragen worden ist, rechtfertigt keine Werterhöhung. Es ist das Recht der Beklagten zu 5), eine ihr zugeschriebene Aussage als nicht getätigt zu bestreiten.
32
ii) Den weiteren Unterlassungsanträgen hat der Klägerinvertreter im Schriftsatz vom 22.03.2021 im Verfahren 24 Ca 1588/20 keinen gesonderten Wert zugemessen und beantragt.
33
jj) Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wird mit 150.000,00 € angesetzt, nachdem die Klägerin diesen Betrag als Mindestbetrag gefordert hat (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 16.171).
34
e) Nach Prozesstrennung ist der Gegenstandswert für das Verfahren auf 19.100,53 € festzusetzen. Dieser Wert ergibt sich aus den Kündigungsschutzanträgen (12.547,17 €) und dem Hilfsantrag auf Zahlung von Urlaubsabgeltung (6.553,36 €), § 42 Abs. 2, 3 und 3 GKG.
35
f) Darüber hinaus ist nach der Prozesstrennung ein Gegenstandswert für den Vergleich unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts festzusetzen.
36
aa) Im Rahmen dessen ist die Erledigung des Verfahrens 24 Ca 1588/20 als Vergleichsmehrwert zu berücksichtigen, Ziff. II. 25.1. Streitwertkatalog 2018, da der hiesige Vergleich ein anderweitig rechtshängiges Verfahren – nämlich das zum Az. 24 Ca 1588/20 – miterledigt hat (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.10.2012 – 5 Ta 164/12 unter II. 2. b) der Gründe).
37
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht dem nicht entgegen, dass in dem Verfahren zum Az. 24 Ca 1588/20 durch Beschluss vom 23.03.2021 ein Wert festgesetzt worden ist. Zum einen ist dieser Beschluss gegenüber der Klägerin noch nicht wirksam geworden, weil er ihr nicht – wenigstens formlos – übermittelt worden ist (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 172 ZPO Rn. 12). Eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten genügt insoweit nicht, weil im Wertfestsetzungsverfahren der Prozessbevollmächtigte nicht als Vertreter seiner Partei auftritt, sondern ihr wie eine andere Partei gegenübersteht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2017 – 17 Ta (Kost) 6006/17 Rn. 6). Mangels Wirksamkeit kann er das Beschwerdegericht folglich nicht binden. Dabei dürfte die hiesige Wertfestsetzung bzgl. der Anträge zu V. bis XII. Anlass für die Klägerin sein, die Wertfestsetzung im Verfahren Az. 24 Ca 1588/20 zu prüfen und ggf. Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG einzulegen. Zum anderen lautet der Tenor des Beschlusses vom 23.03.2021 im Verfahren 24 Ca 1588/20: „Der Wert des Streitgegenstands wird auf 207.500,00 € festgesetzt.“ und lässt offen, für welche anwaltlichen Tätigkeiten die Wertfestsetzung gilt. Da nur im hiesigen Verfahren 23 Ca 279/20 ein Vergleich geschlossen worden ist, kann auch nur dort die Einigungsgebühr abgerechnet werden (vgl. Hartung/Schons/Enders/Enders, RVG, a.a.O., § 15 RVG, Rn. 30). Der Tenor des Beschlusses vom 23.03.2021 im Verfahren 24 Ca 1588/20: „Der Wert des Streitgegenstands wird auf 207.500,00 € festgesetzt.“ ist also zu lesen als „Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren ist auf 207.500,00 € festgesetzt.“ und trifft für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich im hiesigen Verfahren keine Aussage.
38
Das Arbeitsgericht hat die Übermittlung des Beschlusses vom 23.03.2021 im Verfahren 24 Ca 1588/20 an die Klägerin nachzuholen und nach Bestandskraft des Beschlusses den hiesigen Vergleichs- und Vergleichsmehrwert festzusetzen.
39
bb) Mit dem Arbeitsgericht wäre für die Reglung im Zusammenhang mit der Nichtübernahme des Marktes durch die Klägerin ein Vergleichsmehrwert von 100.000,00 € zu berücksichtigen. Das seit dem 01.06.2023 für Beschwerden nach § 33 RVG und § 68 GKG zuständige Beschwerdegericht schließt sich den überzeugenden Argumenten des Arbeitsgerichts an. Als „Partner in Einarbeitung“ war die Klägerin kündbar und hatte folglich keine gesicherte Position hinsichtlich der angestrebten Übernahme des Marktes. Dem Ansatz des vollen Unternehmenswertes stand zudem ein unternehmerisches Risiko gegenüber. Gegen beide Gesichtspunkte, die das Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss aufgezeigt hat, hat sich der Klägerinvertreter bis dato nicht gewandt.
40
cc) Darüber hinaus sind die durch Vergleich erledigten Gegenstände des hiesigen Ausgangsverfahrens mit 19.100,53 € zu berücksichtigen, die den Kündigungsschutz- und den hilfsweisen Urlaubsabgeltungsantrag umfassen (12.547/17 € und 6.553,36 €).
41
Der Wert des Vergleichs wäre sodann aus der Summe von den rechtshängigen und nicht rechtshängigen Gegenständen zu bestimmen und der Mehrwert gesondert auszuweisen (vgl. LAG München Beschluss vom 21.12.2023 – 3 Ta 187/23 –).
III.
42
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG. Die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG fällt nicht an, weil der Beschwerde stattgegeben wurde.
IV.
43
Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.