Inhalt

LG München I, Beschluss v. 02.07.2024 – 14 T 6262/24
Titel:

Hinterlegung der Insolvenzverwaltervergütung nach Tod des vormaligen Insolvenzverwalters

Normenkette:
BGB § 372, § 398
Leitsätze:
1. Beschwerdeberechtigt in analoger Anwendung des § 64 Abs. 3 InsO sind Dritte, wenn diese durch die Vergütungsfestsetzung und die Art und Weise der Entnahme der Vergütung in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt werden können. Soweit solche Betroffene in § 64 Abs. 3 InsO nicht genannt werden, weist die Norm eine planwidrige Regelungslücke auf. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters ist abtretbar. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer tatsächlich Forderungsinhaber ist, ist weder vom Insolvenzgericht noch vom Beschwerdegericht zu prüfen. Notfalls ist die Berechtigung nach Hinterlegung anhand eines rechtskräftigen Urteils nachzuweisen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzverwaltervergütung, Auszahlung, Hinterlegung, Tod, Rechtsnachfolge, Forderungsinhaber, erhebliche Ungewissheit, Abtretung, Prüfungsumfang
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 26.03.2024 – 1506 IN 1447/03
Fundstellen:
ZInsO 2024, 1734
RPfleger 2024, 707
BeckRS 2024, 16048
FDInsR 2024, 016048
NZI 2024, 740

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.03.2024, Az. 1506 IN 1447/03, in Ziffer 2. abgeändert:
Der aktuelle Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. W. R2. wird angewiesen, die auf die Tätigkeit des früheren Verwalters Dr. B3. K2. entfallende und mit Beschluss vom 26.03.2024 festgesetzte Vergütung in Höhe von 184.450,67 € aus dem auf dem Verfahrenskonto befindlichen Schuldnervermögen zu entnehmen und gemäß § 372 S. 2 BGB zu hinterlegen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 61.483,55 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Beschluss vom 18.06.2003 wurde Herr Rechtsanwalt Dr. B3. K2. zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt (Bl. 18-20 d.A.).
2
Mit Beschluss vom 12.09.2003 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 102-104 d.A.).
3
Mit selbigem Beschluss vom 12.09.2003 wurde Herr Rechtsanwalt Dr. K2. zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 102-104 d.A.).
4
Mit Schriftsatz vom 06.01.2023 reichte der Insolvenzverwalter Herr Dr. K2. seinen Insolvenzschlussbericht über die Schuldnerin ein (Bl. 723-784 d.A.).
5
Mit Schriftsatz vom 06.01.2023 beantragte der Insolvenzverwalter Herr Dr. K2. die Festsetzung der Vergütung und der zu erstattenden Auslagen sowie die Erteilung der Zustimmung zur Entnahme der Vergütung aus dem auf dem Verfahrenskonto befindlichen Schuldnervermögen nach Abzug bereits bezahlter Vorschüsse – in Höhe von 184.450,67 € nach § 63 Abs. 1 S. 1 InsO gemäß Schlussrechnung vom 30.11.2022 (Bl. 703-722 d.A.).
6
Mit Beschluss vom 04.04.2023 wurde Herr Rechtsanwalt C. P. mit der Prüfung der Schlussrechnung beauftragt (Bl. 815-817 d.A.)
7
Mit Schriftsatz vom 30.07.2023 (Bl. 1-8 des Sonderbandes zur Akte) wurde eine Abtretung der Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters an Frau Dr. B2. B1. (Beschwerdeführerin) angezeigt und durch die Beschwerdeführerin beantragt, dass die Beschwerdeführerin ermächtigt werde, die festzusetzende Vergütung der Insolvenzmasse bzw. vom für die Verwaltung der Insolvenzmasse eingerichteten Bankkonto zu entnehmen und der Bank Anweisungen zu erteilen. Der Insolvenzverwalter Herr Dr. K2. solle nicht berechtigt sein, die festgesetzte Vergütung der Insolvenzmasse selbst zu entnehmen oder der Bank Anweisungen zu erteilen. Hilfsweise wurde beantragt, gerichtlich die Hinterlegung der festgesetzten Vergütung anzuordnen.
8
Mit Schriftsatz vom 15.11.2023 wurde mitgeteilt, dass der Insolvenzverwalter Herr Dr. K2. am ....2023 verstorben ist. Zugleich wurde ein Antrag auf Verwalterbestellung im Insolvenzverfahren durch Herrn Rechtsanwalt Dr. W. R2. gestellt (Bl. 818 d.A.).
9
Das Gutachten über den Schlussbericht und die Schlussrechnung des Herrn Rechtsanwalt C. P.ging bei Gericht am 22.11.2023 ein (Bl. 819 d.A.).
10
Mit Schriftsatz vom 21.12.2023 (Bl. 25-31 des Sonderbandes der Akte) stellte die Beschwerdeführerin folgende Anträge:
1. Die auf die Tätigkeit des früheren Verwalters Dr. B3. K2. entfallende Vergütung zugunsten der Antragstellerin festzusetzen
2. Hilfsweise: den Verwalter anzuweisen, die Vergütung an die Antragstellerin auszuzahlen und ihm zu untersagen, die Vergütung an die Erben des Herrn Dr. K2. auszuzahlen oder für sich selbst zu entnehmen.
3. Weiter hilfsweise: den Verwalter anzuweisen, die auf die Tätigkeit des früheren Verwalters Dr. B3. K2.entfallende Vergütung zu hinterlegen.
11
Mit Beschluss vom 17.01.2024 wurde zum einen festgestellt, dass das Amt des bisherigen Insolvenzverwalters Herr Rechtsanwalt Dr. K2. seit seinem Tod am ....2023 beendet ist, und zum anderen wurde Herr Dr. R2. zum neuen Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 830-832 d.A.).
12
Mit Beschluss vom 20.03.2024 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin in den Schriftsätzen vom 30.07.2023 und 21.12.2023 als unzulässig zurückgewiesen (Bl. 49-51 des Sonderbandes zur Akte).
13
Mit Beschluss vom 26.03.2024 (Bl. 841-846 d.A.) wurde die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters Herr Dr. K2. festgesetzt. Der Gesamtbetrag für Vergütung und Auslagen betrug hierbei 267.449,75 €. Nach Abzug des bereits erbrachten Vorschusses ergab sich ein Endbetrag in Höhe von 184.450,67 €.
14
Die Ziffer 2. des Beschlusses vom 26.03.2024 lautet wie folgt:
„Dem aktuellen Insolvenzverwalter wird gestattet, den Betrag von 184.450,67 € der Insolvenzmasse zu entnehmen und den Rechtsnachfolgern des Herrn Dr. B3. K2. auszuzahlen.“
15
Mit Schriftsatz vom 09.04.2024 legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.03.2024 ein (Bl. 52-56 d. Sonderbandes der Akte; das Verfahren trägt das Aktenzeichen 14 T 7076/24).
16
Mit Schriftsatz vom 09.04.2024 legte die Beschwerdeführerin eine weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.03.2024 ein (Bl. 848/849 d.A.; das Verfahren trägt das gegenständliche Aktenzeichen).
17
Mit Schreiben vom 17.04.2024 zeigte sich Frau I. K3. unter Vorlage eines Erbscheins als alleinige Erbin des verstorbenen Insolvenzverwalters Herrn Dr. K2. an und verlangte die Rechtsnachfolge im Rubrum zu vermerken(Bl. 854/855 d.A.).
18
Mit Schriftsatz vom 17.05.2024 wurde die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.03.2024 unter Verweis auf die Anträge im Schriftsatz vom 21.12.2023 begründet (Bl. 863/864 d. A.; das Verfahren trägt das gegenständliche Aktenzeichen).
19
Mit Beschluss vom 28.05.2024 half das AG München – Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde vom 20.03.2024 nicht ab und legte die Akte dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor (Bl. 59/60 des Sonderbandes der Akte; das Verfahren trägt das Aktenzeichen 14 T 7076/24).
20
Mit weiteren Beschluss vom 28.05.2024 half das AG München – Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde vom 26.03.2024 nicht ab und legte die Akte dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor (Bl. 865/866 d.A.; das Verfahren trägt das gegenständliche Aktenzeichen).
II.
21
Der Entscheidung liegt die sofortige Beschwerde vom 09.04.2024 (Bl. 848/849 d.A.) gegen Ziffer 2. des Beschlusses vom 26.03.2024 (Bl. 841-846 d.A.) zugrunde.
22
Die zulässige und statthafte Beschwerde ist nur teilweise begründet.
1. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde
23
Die sofortige Beschwerde ist zulässig gem. §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 S. 1, 293 Abs. 2 InsO, § 567 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG.
24
a) Gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Insolvenzgerichts findet die sofortige Beschwerde statt, für die § 567 Abs. 2 ZPO entsprechend gilt. Da die InsO ausdrücklich gegen die Entscheidung des Rechtspflegers das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorsieht, gilt § 11 Abs. 1 RPflG.
25
Dies gilt auch für Begleitverfügungen des Rechtspflegers zum Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2024 soweit die Art und Weise der Entnahme der Insolvenzverwaltervergütung betroffen ist (BGH, Beschluss vom 22. 9. 2010 – ZB 195/09).
26
b) Die Beschwerdeführerin ist hierbei auch beschwerdeberechtigt.
27
Beschwerdeberechtigt sind grundsätzlich der Verwalter, der Schuldner und die sich aus dem Schlussverzeichnis ergebenden Insolvenzgläubiger (FK-Grote/Lackmann, § 293 InsO Rn 30; Uhlenbruck/Sternal, 15. Aufl. 2019, § 293 InsO Rn. 20).
28
Beschwerdeberechtigt sind aber auch Dritte, wenn diese durch die Vergütungsfestsetzung und die Art und Weise der Entnahme der Vergütung in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt werden können. Soweit solche Betroffene in § 64 Abs. 3 InsO nicht genannt sind, weist die Norm eine planwidrige Regelungslücke auf. Ihnen muss in analoger Anwendung ein Beschwerderecht zuerkannt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2014, ZB 32/12; BeckOK InsR/Budnik, 35. Ed. 15.4.2024, InsVV § 16 Rn. 7).)
29
Die Beschwerdeführerin behauptet aus abgetretenem Recht Inhaberin des Vergütungsanspruchs zu sein. Damit wäre die Beschwerdeführerin unmittelbar von der Festsetzung und der mit der Festsetzung zugleich ausgesprochenen Erlaubnis zu Entnahme der Vergütung durch den Insolvenzverwalter und Auszahlung an die Rechtsnachfolger betroffen.
30
c) Die sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt, § 569 ZPO.
2. Begründetheit der sofortigen Beschwerde
31
Die sofortige Beschwerde vom 09.04.2024 gegen den Beschluss vom 26.03.2024 ist begründet, soweit die Beschwerdeführerin die Hinterlegung der festgesetzten Vergütung beantragt (Antrag Ziffer 3.).
32
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ergibt sich dies aus § 372 S. 2 BGB.
33
a) Es besteht aus Sicht des Schuldners eine nicht auf Fahrlässigkeit beruhende Ungewissheit über die Person des Gläubigers der gegenständlichen Verbindlichkeit, so dass der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht mit Sicherheit erfüllen kann.
34
aa) Mit Ziffer 2. des Beschlusses vom 26.03.2024 wurde dem Insolvenzverwalter Dr. W. R2. gestattet, die Insolvenzverwaltervergütung zu entnehmen und an den Rechtsnachfolger des verstorbenen zuvor tätigen Insolvenzverwalters Dr. K2. auszubezahlen. Die Anordnung lautet konkret:
35
Dem aktuellen Insolvenzverwalter wird gestattet, den Betrag von 184.450,67 € der Insolvenzmasse zu entnehmen und den Rechtsnachfolgern des Herrn Dr. B3. K2. auszuzahlen.
36
Die Anordnung der Auszahlung an die Rechtsnachfolger birgt die Gefahr, dass trotz Leistung keine Erfüllung eintreten könnte.
37
bb) Der Nachweis der Rechtsnachfolge im Sinne des § 1922 Abs. 1 BGB hatte Frau I. K3. mit Schreiben vom 17.04.2024 unter Vorlage eines Erbscheins als alleinige Erbin des verstorbenen Insolvenzverwalters Herrn Dr. K2. zwar geführt (Bl. 854/855 d.A.).
38
Die Beschwerdeführerin trägt in ihrem Schriftsatz vom 30.07.2023 (Bl. 1-7 des Sonderbandes zur Akte) jedoch zugleich vor, Gläubigerin des Vergütungsanspruchs aufgrund einer bereits zur erfolgten wirksamen Abtretung zu sein, vgl. § 398 S. 2 BGB. Die Behauptung einer wirksamen Abtretung solle sich aus einem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 2014 (dort § 14) ergeben, der im Rahmen der Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Sozietät K.) unter anderem auch von dem verstorbenen Insolvenzverwalter Dr. K2. geschlossen worden sei, deren alleinige rechtskräftig festgestellte Rechtsnachfolgerin nunmehr die Beschwerdeführerin ist.
39
Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters ist auch abtretbar (vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2020 – 6 AZR 566/18).
40
Es besteht somit eine erhebliche Ungewissheit über die Person des Gläubigers des Vergütungsanspruchs.
41
b) Wie bereits in der Entscheidung BGH, Beschluss vom 22.09.2010 – ZB 195/09 erkennbar, kann ein Rechtspfleger grundsätzlich selbst Begleitverfügungen zur Auszahlung der Insolvenzverwaltervergütung anordnen, wobei die materielle Rechtslage zum Vergütungsanspruch berücksichtigt wird. Dies gilt auch für das Beschwerdegericht.
42
Da vorliegend die Gefahr besteht, dass die Zahlung an Frau I. K3. keine Erfüllungswirkung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB hat (vgl. Zur Erfüllungswirkung BGH Urteil vom 29.6.2023 – ZR 152/22 Rz. 15), war vorliegend die Hinterlegung zur Sicherung des Anspruchs beider in Betracht kommender Gläubiger anzuordnen.
43
Der Verbleib des Vergütungsbetrages in der Insolvenzmasse hätte hingegen keine dem § 378 BGB vergleichbare Wirkung.
44
c) Aufgrund der bestehenden Ungewissheit über die Gläubigerstellung, waren zugleich die Anträge Ziffer 1., und 2. zurückzuweisen.
45
Weder kann die Vergütung zugunsten der Beschwerdeführerin festgesetzt werden (behauptet wird ja gerade eine Abtretung) noch kann der Insolvenzverwalter bei der bestehenden Ungewissheit über die Gläubigerstellung an die Beschwerdeführerin ausbezahlen (Gefahr des pflichtwidrigen Handelns).
46
Anders als in der Entscheidung BGH, Beschluss vom 22.09.2010 – ZB 195/09 (hier Prüfung der Verjährung) geht es vorliegend nicht um das Bestehen und die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs selbst, sondern um die Frage, wer Inhaber dieser Forderung ist.
47
Wer tatsächlich Forderungsinhaber ist, ist weder vom Insolvenzgericht noch vom Beschwerdegericht zu prüfen. Notfalls ist die Berechtigung im Sinne des § 380 BGB anhand eines rechtskräftigen Urteils nachzuweisen (MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, § 380 Rn. 6).
48
Der sofortigen Beschwerde bleibt daher teilweise der Erfolg versagt.
III.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
50
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, §§ 4 InsO, 574 ZPO, bestehen nicht.
51
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO; sie bestimmt sich nach dem Beschwerdeziel, hier die Sicherung des Anspruchs auf Auszahlung der Vergütung. Das Interesse wurde mit 1/3 der Summe bewertet.