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BayObLG, Beschluss v. 03.01.2024 – 207 StRR 411/23
Titel:

Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Unterschlagung bei vertragswidriger Weitervermietung eines Mietfahrzeuges

Normenkette:
StGB § 246 Abs. 1
Leitsatz:
Allein die vertragswidrige Weitervermietung eines Mietfahrzeuges, in Kenntnis des Angeklagten davon, dass er hierzu vertraglich nicht berechtigt war, ist nicht ausreichend für die Verwirklichung des Unterschlagungstatbestandes. Anders liegt es, wenn der Angeklagte, über die bloß vertragsverletzende Gebrauchsanmaßung hinaus, sich die Fahrzeuge bzw. deren Sachwert durch Weiterverwertung selbst zueignen wollte, oder aber, für die gleichfalls in Betracht kommende Variante der drittzueignenden Unterschlagung, das Sich-Zueignen durch die jeweiligen Fahrzeugmieter durch unwiederbringliche Verbringung der Fahrzeuge ins Ausland vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat. (Rn. 4 – 9) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Weitervermietung eines Mietfahrzeuges, drittzueignende Unterschlagung, Zueignung des Sachwertes, Verbringung der Fahrzeuge ins Ausland, Unterschlagung eines Mietfahrzeuges
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 14.06.2023 – 26 Ns 233 Js 125588/19
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14. Juni 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

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1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der allein auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 8. November 2023 nach Maßgabe folgender Ausführungen Bezug genommen.
2. Der ergänzenden Erörterung bedarf Folgendes:
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Die Feststellungen des Berufungsurteils dazu, dass der Angeklagte im Dezember 2018, am 3. Januar 2019 und am 23. Januar 2019 jeweils einen VW Golf bei der Firma B. angemietet habe, obwohl dies, wie er gewusst habe, nach den Vertragsbedingungen nicht erlaubt gewesen sei, sowie dazu, dass sich der Mieter des Angeklagten in der Folge mit den Fahrzeugen ins Ausland abgesetzt habe (UA S. 7/8), tragen den Schuldspruch wegen Unterschlagung in drei Fällen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht. Auch die Beweiswürdigung hierzu erweist sich als lückenhaft. Der Bestand des Urteils ist gleichwohl hierdurch nicht gefährdet, denn der Senat vermag aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die für die Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Tatsachen gerade noch zu ersehen.
Im Einzelnen:
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a) Eine Unterschlagung gemäß § 246 StGB setzt voraus, dass der Täter sich oder einem Dritten eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig zueignet. Gegenstand der Zueignung ist die Sache selbst oder der in ihr verkörperte Sachwert. In subjektiver Hinsicht ist Zueignungsabsicht demzufolge dann gegeben, wenn der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018, 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344 Rn. 8).
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b) Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6) lassen die Verwirklichung dieser Voraussetzungen nur unzureichend erkennen. In objektiver Hinsicht ist lediglich ersichtlich, dass der Angeklagte die Fahrzeuge an Dritte weitervermietet und nicht mehr zurückgegeben hat, weil sie von diesen Dritten ins Ausland verbracht worden sind. Damit ist hinreichend festgestellt, dass der Eigentümerin (Fa. B.) die Fahrzeuge dauerhaft durch widerrechtliche Aneignung jedenfalls seitens der unbekannten Mieter entzogen worden sind.
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Die Darstellung lässt jedoch die erforderlichen Feststellungen zur Frage vermissen, aus welchen Gründen dem Angeklagten dieser Erfolg täterschaftlich zuzurechnen sei. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen zum subjektiven Tatbestand. Die Urteilsgründe, auch im Rahmen der Beweiswürdigung, lassen besorgen, dass das Landgericht bereits die vertragswidrige Weitervermietung der Fahrzeuge als solche, in Kenntnis des Angeklagten davon, dass er hierzu vertraglich nicht berechtigt war, als ausreichend für die Verwirklichung des Unterschlagungstatbestandes angesehen hat. Diese Auffassung wird den dargestellten materiellrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Das Landgericht hätte Feststellungen dazu treffen müssen, dass der Angeklagte, über die bloß vertragsverletzende Gebrauchsanmaßung hinaus, sich die Fahrzeuge bzw. deren Sachwert durch Weiterverwertung selbst zueignen wollte, oder aber, für die gleichfalls in Betracht kommende Variante der drittzueignenden Unterschlagung, Feststellungen dazu, dass der Angeklagte das Sich-Zueignen durch die jeweiligen Fahrzeugmieter durch unwiederbringliche Verbringung der Fahrzeuge ins Ausland vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat.
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c) Dem Senat ist es zwar verwehrt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen. Er kann den weiteren Urteilsgründen jedoch ergänzende feststellende Elemente und eine hierfür noch ausreichende Beweisgrundlage entnehmen, die den Schuldspruch im Ergebnis tragen.
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Auszugehen ist zunächst davon, dass, was das Landgericht erkennbar zugrunde gelegt hat, objektiv vertragswidrigem Verhalten, welches wie hier im Ergebnis zur dauerhaften Entziehung der Sachsubstanz führt, Beweiswert in Bezug auf die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen zukommen kann, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, dass das bloße Unterlassen einer geschuldeten Rückgabe regelmäßig nicht schon für sich als Manifestation eines Zueignungswillens angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1987, 1 StR 693/86, juris Rn. 22 f.). Das Landgericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 9/10) aber von über die bloße Nicht-Rückgabe hinausgehenden Umständen überzeugt, die den Schluss darauf zulassen, dass der Angeklagte die Fahrzeuge seinem Vermögen bzw. zumindest dem Vermögen Dritter einverleiben wollte. Er hat der Geschädigten die Namen seines bzw. seiner Anmieter nicht preisgegeben und hat sie ferner – wenngleich das Landgericht hierzu lückenhaft keine genauen Daten oder zumindest Zeiträume nennt – auf ihr Rückgabeverlangen hin, „immer wieder“, also ersichtlich vielfach, vertröstet. Schließlich ist festgestellt, dass es sich um drei gleichgelagerte Sachverhalte innerhalb weniger Monate handelte.
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Aus diesem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich ersehen, dass die Berufungskammer das subjektive Vorstellungsbild des Angeklagten, wenn auch fehlerhaft ohne es ausdrücklich zu benennen, in noch hinreichender Weise in den Blick genommen hat und dessen Zueignungsabsicht, zumindest bezogen auf eine Drittzueignung durch den oder die Anmieter, seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.