Titel:
Unfallversicherung: Mitwirkung einer Vorerkrankung bei Amputation
Normenketten:
AUB 2000 Nr. 3
ZPO § 287 Abs. 1
Leitsatz:
Erleidet der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung bei einem Bagatellunfall geringfügige Verletzungen, die bei einem gesunden Menschen folgenlos ausgeheilt wären, aufgrund einer Vorerkrankung bei ihm aber zur Amputation einer Zehe führen, so ist von einem unfallfremden Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung von 100% auszugehen (vgl. LG Dortmund BeckRS 2014, 12104; LG Heilbronn BeckRS 2015, 122808). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unfallversicherung, Bagatelltrauma, Bagatellunfall, Vorerkrankung, Mitwirkung
Vorinstanz:
LG Bayreuth, Endurteil vom 15.01.2024 – 23 O 546/22
Fundstellen:
VersR 2025, 86
LSK 2024, 15782
r+s 2024, 864
BeckRS 2024, 15782
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 15.01.2024 Az 23 O 546/22, gemäß S 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, deren Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.000,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25.07.2024.
Gründe
1
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist ebenfalls nicht geboten.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, da das angefochtene Urteil richtig ist und nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (S. 546 ZPO), Auch rechtfertigen die nach S. 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung, Der Kläger hat wegen des Unfalls vom 20.02.2020 keinen Anspruch auf Leistungen aus dem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag (vglt S. 178 Abst 1 VVG).
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Unabhängig von der Frage der (Mit-)Ursächlichkeit des Unfallereignisses vom 20.02.2020 für die Amputation der zweiten Zehe rechts am 17.07.2020 hat das Landgericht zu Recht jedenfalls eine 100%ige Mitwirkung unfallunabhängiger Krankheiten i. S. d. Ziffer 3 AUB 2000 angenommen.
4
Der Kläger litt zum Unfallzeitpunkt bereits seit Jahren an Erkrankungen des arteriellen Systems ... insbesondere einer chronischen ... und einer Aneurysmakrankheit der Knieschlagader beidseits. Die durch den Unfall vom 20,022020 hervorgerufene Prellung mit Bluterguss ... von dem gerichtlichen Sachverständigen als Bagatelltrauma bezeichnet ... ist nach den überzeugen„den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen auf S, 24 des Gutachtens vom 23.07.2023 und auf 6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2023 bei einem normal gesunden Menschen kein hinreichender Grund für einen Zehenverlust.
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2. Auf dieser medizinischen Beurteilungsgrundlage ist die vom Landgericht im Rahmen einer Schätzung nach S. 287 Abs. 1 ZPO vorgenommene Bezifferung des Mitwirkungsanteils der Vorerkrankung auf 100% nicht zu beanstanden. Der Kläger hat bei einem Bagatellunfall eine geringfügige Verletzung erlitteten die bei einem gesunden Menschen folgenlos ausgeheilt wäre. Die Amputation der Zehe hat mithin bei wertender Betrachtung allein wegen der Vorerkrankung stattgefunden. Die Berufung argumentiert in diesem Zusammenhang selbst mit der von dem gerichtlichen Sachverständigen verwendeten Figur des „Kipp-Punktes“, an dem die chronische Ischämie dekompensiert sei (S. 23* 24 des Gutachtens vom 23.07.2023). Der Unfall war dementsprechend zwar möglicherweise der Auslöser, nicht aber die eigentliche Ursache für den zur Amputation führenden weiteren Verlauf. In einer solchen Konstellation ist von einem unfallfremden Mitwirkungsanteil von 100% auszugehen (vgl. zu einem ähnlichen Fall LG Heilbronn Urteil vom 24*09.2015, Az. 4 O 181/14, BeckRS 2015, 122808; ferner LG Dortmund, Urteil vom 13.09.2013, Az. 2 O 213/11 (zur Vorerkrankung Diabetes mellitus); Kloth in Grimm/Klothi Unfallversicherung 6. Auflage 2021* AUB 2014 Ziffer 3 Rn. 26).
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (S. 522 Abs. 2 Satz 1 2 und Nr. 3 ZPO) sind nicht erfüllt Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, Es handelt sich um eine im Rahmen tatrichterlicher Würdigung getroffene Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls. Soweit Rechtsfragen zu beantworten sind, weicht der Senat nicht von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ab.
7
Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (S. 522 Abs. 2 Satz 1 Nrx 4 ZPO). Der Senat schließt aus dass hierdurch neue im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die in der Sache zu einer anderen Beurteilung führen würden. Es sind auch keine besonderen Gründe ersichtlich die unter dem Aspekt der prozessualen Fairness die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen würden.
8
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren erfolgt gemäß § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
9
Auf die im Fall der Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gebührenermäßigung (Nr. 1220, 1222 KV zum GKG) wird hingewiesen.