Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 24.04.2024 – 11 Wx 340/24
Titel:

Zweifelsvorlage des Standesamts zu einem Geburtseintrag

Normenketten:
BGB § 1592 Abs. 1 Nr. 1
PStG § 10, § 49 Abs. 2
PStV § 35
FamFG § 107 Abs. 1, § 121 Nr. 3
EGBGB Art. 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 14, Art. 19 Abs. 1
AufenthaltsV § 4 Abs. 6 S. 1
Leitsätze:
1. Das Vorlagerecht des Standesbeamten gem. § 49 Abs. 2 PStG dient nicht dazu, durch das Amtsgericht eine abstrakte Rechtsfrage oder Vorfragen der tatsächlich zu treffenden Entscheidung klären zu lassen. Gegenstand der Entscheidung kann nur sein, ob der Standesbeamte zu einer konkret anstehenden Amtshandlung anzuweisen ist oder nicht (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 2017, 149683 Rn. 13 f.). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Demgemäß ist die Frage, ob die von der Kindsmutter religiös in der Islamischen Republik Iran geschlossene Ehe nach deutschem Recht als wirksam anzusehen ist, für eine Zweifelsvorlage nicht geeignet. Es handelt es sich hierbei um eine reine Vorfrage, die für die zu klärende Eintragung des Vaters des Kindes in das Geburtenregister von Bedeutung ist und allein inzident bei dieser Eintragung zu klären ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die positive Prüfung der Wirksamkeit einer im Ausland erfolgten Eheschließung reicht es aus, dass die Ehegatten, die die Ehe wirksam geschlossen haben, und diejenigen Personen, deren Eintragung als Eltern eines Kindes der Ehefrau zu klären ist, identisch sind und aus den in Betracht kommenden Rechtsordnungen (hier bei der Ehefrau das afghanische Recht und beim Ehemann das iranische oder afghanische Recht) keine Eheschließungshindernisse erkennbar sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist die Identität des Ehemannes nicht ausreichend geklärt, weil sein Reiseausweis ausdrücklich den Hinweis enthält, dass die Personendaten auf eigenen Angaben beruhen, ist seine Eintragung mit einem Zweifelshinweis nach § 35 PStV zu versehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Personenstandssache, Abstammung, Standesamt, Zweifelsvorlage, Eheschließung, Eheschließungshindernisse, Zweifelshinweis
Vorinstanz:
AG Weiden, Beschluss vom 18.12.2023 – UR III 15/22
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 29.05.2024 – 11 Wx 340/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15779

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18.12.2023 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Identität der Beteiligten zu 2 als geklärt anzusehen ist.
2. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beteiligten zu 3) wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe mit Wirkung ab Antragstellung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe

1
l. Gegenstand des Verfahrens ist eine Zweifelsvorlage des Standesamts zu einem Geburtseintrag.
2
Das Kind wurde am ... in W. i.d.OPf. geboren. Die Kindesmutter ist die – nicht nachgewiesen – afghanische Staatsangehörige geboren am ... . Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom die Flüchtlingseigenschaft nach S. 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Sie verfügte bei Antragstellung über einen gültigen Reiseausweis für Flüchtlinge. Dieser Ausweis enthält keinen Vermerk nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthV, wonach die Personendaten auf den eigenen Angaben der Antragstellerin beruhen. Afghanische Identitätsdokumente in Form eines Reisepasses oder eine Identitätskarte existieren nicht.
3
Die Kindesmutter hat am ... 2015 in der Islamischen Republik Iran nach religiösem Ritus die Ehe mit dem afghanischen Staatsangehörigen geboren am ... derzeit wohnhaft ebenfalls in Deutschland, geschlossen. Die Ehe wurde am ... 2021 in der Islamischen Republik Iran per Videotelefonie nach religiösem Ritus geschieden. Für den Ehemann liegt bei der Ausländerbehörde am Landratsamt W. ein iranischer Flüchtlingsausweis vor.
4
Der mit der Mutter zusammen lebende syrische Staatsangehörige geboren am ..., dem mit Bescheid vom ... die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde, hat die Vaterschaft für das Kind (Urkunden-Registernummer ..., Stadtjugendamt W. i. d.OPf.) anerkannt; die Mutter hat der Anerkennung zugestimmt (Urkundenregisternummer ..., Stadtjugendamt W. i.d. OPf.). Die Eltern haben eine Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge abgegeben.
5
Die Mutter hat bereits am ... 2016 in M. ein erstes Kind geboren. Im Geburtenregister sind keine Angaben über die Ehe der Mutter enthalten.
6
Das Standesamt hat sich deshalb gemäß S. 49 Abs. 2 PStG an das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. gewandt und im Wege einer Zweifelsvorlage folgende Fragen gestellt:
7
1. Ist die von der Kindsmutter am ... 2015 religiös in der Islamischen Republik Iran geschlossene Ehe nach deutschem Recht als wirksam anzusehen, sodass der Ehemann geboren am ... als Vater des Kindes in das Geburtenregister einzutragen ist?
8
2. Ist die Identität der Kindsmutter und des Ehemannes auf Grundlage der Heiratsurkunde, die Identitätsangaben sowie Lichtbilder des Ehepaares enthalten, als geklärt anzusehen, sodass Zweifelsvermerke nach S. 35 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 PStV bei der Kindsmutter und dem Ehemann im Geburtenregister unterbleiben können?
9
Der Zweifelsvorlage sind Kopien des Reiseausweises der Mutter, eines Reiseausweises des (früheren) Ehemannes der Mutter, der einen Hinweis nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthaltsV enthält, und Kopien einer bis zum 14.06.2014 gültige nationale ID-Karte der Islamischen Republik Iran des (früheren) Ehemannes sowie Kopien der Heiratsurkunde für eine dauerhafte Trauung (speziell für afghanische Einwanderer) samt Übersetzung vom 1393 (2015) beigefügt, zudem werden Unterlagen zur Scheidung vorgelegt.
10
Eine Anerkennung der Scheidung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts München liegt nicht vor. Auf entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichtes München wurde der Antrag auf Scheidungsanerkennung zurückgenommen.
11
Das Standesamt W. i.d.O.. hat bereits im ersten Rechtszug darauf hingewiesen, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt für afghanische Staatsangehörige keine Möglichkeit bestehe, einen afghanischen Reisepass bei den zuständigen konsularischen Vertretungen der Islamischen Republik Afghanistan im Bundesgebiet zu beschaffen. Die Kindesmutter habe jedoch zwischenzeitlich eine Identitätsbescheinigung des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan M. vom 13.03.2022 vorgelegt. Zu diesem Dokument führt das Standesamt aus, das bayerische Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration habe im Rahmen der Dienstbesprechung zum Staatsangehörigkeitsrecht am 06.07.2022 darauf hingewiesen, dass die von den afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellten „Eigenerklärungen“ mangels Zugriffs der Auslandsvertretungen auf afghanische Register keine Beweiskraft hätten, die mit einem Reisepass vergleichbar sei. Sie könnten lediglich in eine Bewertung im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Stufenmodells zur Identitätsklärung einbezogen werden. Nach afghanischen Recht komme eine Ehe durch Angebot und Annahme zustande. Aus formeller Sicht sei nur die Anwesenheit von zwei Zeugen erforderlich.
12
Das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. hat mit Beschluss vom 18.12.2023 das Standesamt angewiesen, bei der Beurkundung als Vater des Kindes den Beteiligten zu 4, den Ehemann der Mutter, in das Geburtenregister einzutragen. Bei der Beurkundung der Geburt des Kindes im Geburtenregister sei die Identität der Mutter und ihres Ehemannes nicht allein aufgrund der Angaben in der Heiratsurkunde betreffen die Heirat am ... 2015 im Iran als geklärt anzusehen.
13
Zur Begründung führt das Gericht aus, als Vater des Kindes sei der Beteiligte zu 4, der Ehemann der Mutter, einzutragen. Die Abstammung des Kindes richte sich nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Die Abstammung unterliege vorliegend dem deutschen Recht, da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Gehe man von einer wirksamen Eheschließung der Mutter aus, richte sich die Abstammung bei Anwendung des Art. 19 Abs. 1 Satz 3, Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ebenfalls nach deutschem Recht. Vater des Kindes sei gemäß S. 1592 Abs. 1 BGB der Ehemann der Mutter, da sie mit ihm zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet sei. Die nach religiösem Ritus geschlossene Ehe sei wirksam. Für Auslandseheschließungen von zwei Ausländern gelte die alternative Formanknüpfung an die Heimatrechte der Verlobten oder an das Ortsrecht. Sei die Eheschließung nach einer Variante wirksam, so bleibe die Verletzung des jeweils anderen Rechts unbeachtlich (favor negotii). Für Eheschließungshindernisse nach iranischen Ortsrecht bestehe kein Anhaltspunkt. Der Umstand, dass die Eheschließung bei der zuständigen Stelle nicht eingetragen worden sei, führe nach iranischen Ortsrecht nicht zur Unwirksamkeit der Ehe. Da nach iranischen Ortsrecht von einer wirksamen Eheschließung auszugehen sei, komme es vorliegend auf die Heimatrechte der Mutter und ihres Ehemannes nicht an. Für die Abstammung des Kindes entfalte die religiöse Ehescheidung keine Wirkungen, da eine Anerkennung der Ehescheidung nicht erfolgt sei. Die Identität der Mutter und ihres Ehemanns können nicht allein aufgrund der iranischen Heiratsurkunde als geklärt angesehen werden. Bei der Heiratsurkunde handle sich um eine religiöse Urkunde, die nach Art. 1287 ZGB schon im Iran nicht als öffentliche Urkunde gelte und der auch im Iran keine besondere Beweiskraft zukomme.
14
Mit am 03.01.2024 eingegangen Schreiben legt die Standesamtsaufsicht gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach eine nach religiösem Ritus erfolgt die Eheschließung in der Islamischen Republik Iran trotz fehlende Registrierung bei den iranischen Behörden als wirksam anzusehen sei, werde geteilt. Für die positive Prüfung der Wirksamkeit im Ausland erfolgten Eheschließung bedürfe es [aber] einer geklärten Identität beider Ehegatten. Dabei finde die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Vierstufentheorie Anwendung. Im vorliegenden Fall begegne es durchgreifenden Zweifeln, ob in Anlehnung hieran die Identität der Ehegatten als geklärt anzusehen und die Ehe damit als wirksam zu betrachten sei. Den Ehegatten sei eine Passbeschaffung weder objektiv möglich noch aufgrund der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft subjektiv zumutbar. Der dem Ehemann erteilte Reiseausweis für Flüchtlinge enthalte einen einschränkenden Vermerk nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthV. Damit sei sein Reiseausweis einem Nationalpass nicht gleichgestellt. Gemäß den Informationen des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan M. auf der dortigen Homepage sei jedoch die Ausstellung von afghanischen Geburtsurkunden weiterhin möglich. Eine solche konsularische Geburtsurkunde fehle.
15
Die Mutter, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, schließt sich vollinhaltlich den Ausführungen der Stadt W. i.d.OPf. an und bittet, den Beschluss entsprechend abzuändern. Das Kind sei mittlerweile 2 Jahre ohne Geburtsurkunde. Sollte das Gericht keine Abänderung vornehmen, sei sie beauftragt namens und im Auftrag der Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ebenfalls als Anschlussbeschwerde einzulegen.
16
Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
17
Die Beschwerden sind gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, S. 63 FamFG, S. 51 Abs. 1 PStG zulässig, aber weitgehend unbegründet.
18
1. Zunächst hat das Amtsgericht sich in seiner Entscheidung zutreffend auf die Beantwortung der Frage beschränkt, ob der Ehemann der Mutter als Vater des Kindes einzutragen ist.
19
Nach S. 49 Abs. 2 PStG kann der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus eine Entscheidung des Amtsgerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Die Vorlage des Standesbeamten gilt für das weitere Verfahren als Ablehnung der Amtshandlung. Bereits daraus ergibt sich, dass die Zweifel des Standesbeamten sich auf die Vornahme einer konkreten Amtshandlung beziehen müssen, und das Vorlagerecht nicht dazu dient, durch das Amtsgericht eine abstrakte Rechtsfrage oder Vorfragen der tatsächlich zu treffenden Entscheidung klären zu lassen (OLG Hamm stAZ 2018, 221 juris Rn. 13 f.; Düsseldorf StAZ 1970, 128). Die Frage, ob die von der Kindsmutter am .2015 religiös in der Islamischen Republik Iran geschlossene Ehe nach deutschem Recht als wirksam anzusehen sei, ist deshalb als Zweifelsvorlage nicht geeignet. Hier handelt es sich um eine reine Vorfrage, die für die zu klärende Eintragung des Vaters des Kindes von Bedeutung ist und allein inzident bei dieser Eintragung zu klären ist.
20
Der Senat hat schon in einer vorangegangenen Entscheidung (FamRZ 2023, 1459 juris Rn. 26) darauf hingewiesen, dass Entscheidungen in Personenstandssachen nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (Abramenko, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., S. 45 Rn. 1 1; Jokisch, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl., S. 45 Rn. 30) und es bedauerlich ist, dass anders als bis zum Eheschließungsrechtsgesetz von 1998 im deutschen Verfahrensrecht keine Möglichkeit mehr offen steht, die (Un-)Wirksamkeit einer Eheschließung mit Wirkung für und gegen alle rechtskräftig feststellen zu lassen. Anders als im früheren S. 638 S. 2 ZPO fehlte schon in S. 632 ZPO und fehlt nunmehr auch in S. 121 Nr. 3 FamFG (OLG München, StAZ 2013, 143; FamRZ 2009, 1845, juris Rn. 8; Schwamb, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., S. 121 Rn. 3) eine solche Bestimmung, obwohl mit dem Eheschließungsrechtsgesetz die früheren Regelungen „ohne sachliche Änderungen“ nur zusammengefasst werden sollten (BT-Drucks. 13/4898, S. 26; hierzu auch Helms, in: Prütting/Helms, S. 121 Rn. 11). Das hier vorliegende Verfahren zeigt erneut, dass ein Bedürfnis für eine materiell rechtskräftige Feststellung der (Un-)Wirksamkeit einer Eheschließung mit Wirkung für und gegen alle besteht (hierzu ausführlich Frank, StAZ 2012, 236).
21
2. a) Die Abstammung des Kindes richtet sich gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie kann im Verhältnis zu jedem Elternteil aber auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Letztlich bestimmt sich das auf die Abstammung anzuwendende Recht, wenn die Mutter verheiratet ist, auch nach dem für die allgemeinen Ehewirkungen anzuwendendem Recht zum Zeitpunkt der Geburt (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB i.V.m. Art. 14 EGBGB). Art. 19 EGBGB regelt das Verhältnis der danach in Betracht kommenden verschiedenen Anknüpfungen untereinander nicht (BGH FamRZ 2016, 251 Rn. 28). Der Sinn der Mehrfachanknüpfung liegt darin, dem Kind nach Möglichkeit zu einem rechtlichen Vater zu verhelfen (BGH FamRZ 2017, 1687 Rn. 19).
22
Das Kind hat im vorliegenden Verfahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Abstammung von dem Ehemann der Mutter ergibt sich aus der Anwendung deutschen Sachrechts (S. 1592 Abs.l Nr. 1 BGB).
23
b) Die zugrundeliegende Ehe ist wirksam geschlossen.
24
aa) Ob eine wirksame Ehe besteht, hängt wiederum davon ab, nach welchem Recht sich die Eheschließung richtet. Diese Vorfrage ist selbstständig anzuknüpfen und richtet sich, da ein gemeinsames Heimatrecht der Ehegatten nicht sicher festgestellt werden kann, in formeller Hinsicht gemäß Art. 1 1 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB nach der Ortsform der Eheschließung.
25
Nach Yassari (in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ländetteil Iran, Stand 01 .05.2023, S. 48 ff.; dieser zustimmend auch Zimmermann StAZ 2014, 120, 121) ist die Ehe ein zweiseitiger zivilrechtlicher Vertrag, der durch die übereinstimmenden Willenserklärungen der Verlobten zustande kommt (Art. 1062 iranisches ZGB – im Folgenden: „ZGB“). Die Verlobten müssen ehemündig sein (Art. 1041 ZGB) und die Absicht haben, miteinander eine Ehe einzugehen (Art. 1064 ZGB). Eine Ehe ist somit nur gültig, wenn sie vom Willen der Parteien getragen wird (Art. 1070 ZGB). Es darf kein Irrtum über die beteiligten Personen vorliegen (Art. 1067 ZGB) und die Ehe darf an keine Bedingung geknüpft sein (Art. 1068 ZGB). Die Ehe im iranischen Recht ist somit, in Anlehnung an die zwölfer-schiitische Rechtsschule, eine Konsensualehe, es kommt auf die übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien an. Der Eheschließungswille muss dem Verlobten gegenüber erklärt werden.
26
Für die Eheschließung schreibt das iranische Recht keine Form vor. Auch die Mitwirkung von Zeugen an der Eheschließung ist keine Voraussetzung für das gültige Zustandekommen der Ehe. Ebenso wenig bedarf es der Mitwirkung eines Geistlichen. Die Nupturienten schließen die Ehe grundsätzlich selbst. Zugleich bestimmen Art. 10 PStG und Art. 20 FSchG 2013, dass die Ehegatten ihre Eheschließung bei den örtlich zuständigen amtlichen Eheschließungs- und Ehescheidungsstellen eintragen lassen müssen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Eintragungspflicht nicht als konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ehe erachtet wird (so auch OLG Hamburg FamRZ 2021, 954 = StAZ 2021, 1 13 juris Rn. 20; Zimmermann a.a.O.). Die Eintragung wirkt nur deklaratorisch. Auch eine nicht eingetragene Ehe ist nach dem iranischen Recht eine wirksame Ehe. Der wesentliche Unterschied zwischen der eingetragenen und der nichteingetragenen Ehe Iran liegt ihrer Beweisbarkeit.
27
Die genannten Voraussetzungen haben die Beteiligten laut der vorgelegten, mit Fotos versehenen (religiösen) Heiratsurkunde erfüllt.
28
bb) Neben der Erfüllung der Formvoraussetzungen müssen die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen, welche gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Verlobten nach seinem jeweiligen Heimatrecht vorliegen (allg. Meinung, etwa BGH FamRZ 2022, 93 Rn. 1 1), bestehen. Hieraus wird in einzelnen Entscheidungen geschlossen (etwa OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2023, Az. 7 W 39/22, juris Rn. 6), dass es für die positive Prüfung der Wirksamkeit einer im Ausland erfolgten Eheschließung stets einer geklärten Identität beider Ehegatten bedarf. Aus Sicht des Senats ist dies grundsätzlich richtig. Von der Rechtsordnung her reicht es aber aus, dass die Ehegatten, die die Ehe wirksam geschlossen haben, und diejenigen Personen, deren Eintragung als Eltern eines Kindes der Ehefrau zu klären ist, identisch sind und aus den in Betracht kommenden Rechtsordnungen (hier bei der Ehefrau das afghanische Recht und beim Ehemann das iranische oder afghanische Recht) keine Eheschließungshindernisse erkennbar sind. Ein solcher Sonderfall liegt hier vor. Die bereits genannten Dokumente und auch die vorgelegten Scheidungsunterlagen sprechen für die Übereinstimmung der Personen. Zweifel, dass die beiden damals Eheschließenden die Beteiligten zu 2 und 4 sind, werden von keinem Beteiligten genannt.
29
Mit dem Amtsgericht ist deshalb von einer wirksamen Eheschließung auszugehen.
30
c) Mangels Anerkennung durch das Oberlandesgericht München ist nicht von einer wirksamen Scheidung dieser Ehe auszugehen (S. 107 Abs. 1 FamFG; hierzu ausführlich Wall StAZ 2021, 102 ff.).
31
3. Mit dem Amtsgericht und der Beschwerde geht der Senat auch davon aus, dass die Identität des Ehemannes nicht ausreichend geklärt ist. Sein Reiseausweis enthält ausdrücklich den Hinweis, dass die Personendaten auf eigenen Angaben des Antragstellers beruhen. Die religiöse Heiratsurkunde stellt ebenfalls keinen ausreichenden Identitätsnachweis dar. Diese gilt, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, schon im Iran nicht als öffentliche Urkunde und ihr kommt auch im Iran keine besondere Beweiskraft zu. Bei dem Ehemann ist deshalb die Eintragung mit einem Zweifelshinweis nach S. 35 PStV zu versehen. Die Frage, ob dieser Hinweis nach Vorlage einer möglicherweise beschaffbaren Geburtsurkunde zu streichen sein wird, bedarf vorliegend keiner Klärung. Dem Ehemann ist diese Möglichkeit spätestens seit der Übersendung der Beschwerdeschrift bekannt. Dem Standesamt oder dem Senat ist die Beschaffung einer solchen Geburtsurkunde jedenfalls nicht möglich.
32
4. Die Identität der Mutter ist demgegenüber zwischenzeitlich geklärt. Ihr Reiseausweis enthält zunächst keinen Hinweis nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthaltsV (vgl. hierzu Senat StAZ 2021, 47 mit kritischer Anmerkung Wührl S. 49 f. zu dem damals zu entscheidenden Fall). Es liegen auch weitere im Rahmen der gestuften Prüfung (BVerwG StAZ 2021, 174; OLG Düsseldorf NJOZ 2023, 802) Unterlagen vor, die einen für „das praktische Leben brauchbaren Grad“ von Gewissheit zu ihrer Identität (hierzu BVerwG a.a.O. Rn. 20) erreichen lassen. Neben dem Reiseausweis ist hier – die für sich allein nicht ausreichende (vgl. soeben beim Ehemann) – mit Fotos versehene Heiratsurkunde und die für sich allein ebenfalls nicht ausreichende „Bestätigung der afghanischen Identität“ vom 13.03.2023 zu nennen. Bei letzterer ist zwar mit dem Hinweis des Standesamts davon auszugehen, dass ihre Beweiskraft mit einem Reisepass (hierzu Senat MDR 2024, 172) nicht vergleichbar ist –, gleichwohl kann es in das Stufenmodell zur Identitätsklärung einbezogen werden. Unter diesen Umständen bedarf es auch keiner – möglicherweise erlangbaren – weiteren Beschaffung einer Geburtsurkunde der Mutter mehr. Die teilweise unterschiedliche Schreibweise des Vornamens „Z...“ (afghanischer Identitätsnachweis) und „Za...“ (Heiratsurkunde und deutscher Reiseausweis) dürfte ihren Grund in der Transliteration haben.
33
Die Standesamtsaufsicht ist von Gerichtskosten befreit (S. 51 Abs. 1 S. 2 PStG). Der Senat hat von der Erhebung von Kosten – auch für die Anschlussbeschwerde – abgesehen (S. 81 Abs. 1 FamFG).
34
Der Anschlussbeschwerdeführerin ist Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug zu bewilligen.
35
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Dass im vorliegenden Verfahren insbesondere aufgrund der mit Fotos versehenen Heiratsurkunde die Prüfung der materiellen Ehevoraussetzungen keine sichere Klärung der Identität der Einzelpersonen voraussetzt, betrifft keine Vielzahl an Verfahren.