Inhalt

LG Traunstein, Urteil v. 01.02.2024 – 3 NBs 510 Js 16720/22
Titel:

Schuldangemessenheit, Notwendige Auslagen, Kostenentscheidung, Geldstrafe, Tagessatzhöhe, Strafbefehl, Unterhaltsansprüche, Strafkammer, Berufungshauptverhandlung, Bundeszentralregister, Volksverhetzung, Staatsanwaltschaft, Kosten des Verfahrens, Beweisaufnahme, Freiheitsstrafe, Demonstrationsteilnehmer, Tateinheitliches, Wirtschaftliche Verhältnisse, Freiheitsrecht, Verlesung

Schlagworte:
Volksverhetzung, Holocaust-Verharmlosung, Demonstration, Davidstern-Symbolik, öffentliche Ordnung, Strafzumessung, Glaubhaftigkeit der Aussagen
Vorinstanz:
AG Traunstein vom -- – 531 Cs 510 Js 16720/22
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 02.07.2024 – 206 StRR 199/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15778

Tenor

1. Die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
2. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschat und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen der Angeklagten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Traunstein vom 9.5.2023 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Die hiergegen eingelegten Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft erwiesen sich als erfolglos.
II.
(pers. Verhältnisse…)
2
Das Bundeszentralregister weist für die Angeklagte eine Eintragung wegen Beleidigung in 2 tateinheitlichen Fällen auf, angewendete Vorschriften, §§ 185, 194, 52 StGB. Gegen die Angeklagte wurde deswegen am 24.1.2022 durch das Amtsgericht R. ein Strafbefehl erlassen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 €. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit 1.2.2022.
3
Dem Strafbefehl liegt zugrunde, dass die Angeklagte am 24.4.2021 auf dem …-Platz in … zwei Polizeibeamte mit den Worten „Kasperlverein“ und „ihr könnt mich mal, an Scheiß muss ich“, beleidigten, um ihre Missachtung auszudrücken. Strafantrag wurde jeweils gestellt.
III.
4
Die Strafkammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
5
Die Angeklagte begab sich am Nachmittag des 29.1.2022 mit ihrer Mutter zum Festplatz in Traunstein, um dort an der Demonstration „Schluss mit Corona Maßnahmen – Wiederherstellung der Grund- und Freiheitsrechte“ teilzunehmen. An einem Arm ihres Mantels trug sie eine gelbe Binde mit der Aufschrift „ungeimpft“, ferner im linken Brustbereich auf dem Mantel einen weißen Botton, welcher einen gelben 6-zackigen Stern, einen sog. Davidstern zeigte. Dieser Stern trug ebenfalls die Aufschrift „ungeimpft“. Der gelbe Botton mit dem Stern wurde von dem Zeugen PHM S. welcher im Kommunikationsteam als Ansprechpartner im Rahmen der Veranstaltung eingesetzt war, aus einer Entfernung von mehreren Metern bemerkt und beanstandet.
6
Der Angeklagten war bewusst, dass der Botton mit dem David-Stern von einer nicht eingegrenzten Anzahl von Personen, vor allem den weiteren Teilnehmern der Demonstration wahrgenommen werden konnte. Weiter war der Angeklagten bewusst, dass gerade dieser Botton geeignet war, bei anderen Personen, insbesondere den Demonstrationsteilnehmern Assoziationen zwischen damals aktuellen Corona-Maßnahmen und der Judenverfolgung im „Dritten Reich“ zu wecken, wobei ihr ebenfalls bewusst war, dass ein solcher Zusammenhang in keiner Weise vorlag. Die Angeklagte wusste vor allem, dass Menschen, die sich nicht zu einer Schutzimpfung gegen das Corona-Virus entschließen konnten, keine staatlichen Maßnahmen zu befürchten hatten, die auch nur annähernd mit der damals systematisch betriebenen Vernichtung der Juden vergleichbar gewesen wären. Der gleichwohl gezogene Vergleich, der sich durch das Tragen des David-Sterns aufdrängt, war, wie der Angeklagten bewusst war, einerseits geeignet, die damaligen Greueltaten zu verharmlosen und andererseits die zum Schutz der Bevölkerung getroffenen coronabedingten Einschränkungen viel massiver und gravierenden erscheinen zu lassen, als dies tatsächlich der Fall war. Der Angeklagten war auch bewusst, dass die vorbeschriebene Symbolik geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören und aus einer ohnehin aufgeheizten Stimmung der Teilnehmer heraus eine latente Gewaltbereitschaft zum Ausbruch zu bringen. Hierbei ist Schutzgut des öffentlichen Friedens im Sinne eines Verständnisses als Gewährleistung von Friedlichkeit zu verstehen (vgl. hierzu BayObLandesG vom 12.5.2022, 207 StRR 108/22).
IV.
7
Die Angaben zur Person beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben der Angeklagten, dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister sowie der auszugsweisen Verlesung des dort bezeichneten Strafbefehls.
8
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der zum äußeren Sachverhalt geständigen Angaben der Angeklagten sowie der Aussagen der vernommenen Polizeibeamten PHM S. und POMin S.
9
Die Angeklagte räumte zwar ein, den Botton getragen zu haben, erklärte aber, der Botton sei weitgehend verdeckt gewesen durch einen Schal, den sie zum Mantel getragen habe. Zudem habe sie neben dem Botton mit dem gelben Stern noch einen weiteren, blauen, Botton mit der Aufschrift „Grundgesetz schützen“ getragen. Sie habe in keiner Weise eine Herabwürdigung vornehmen oder die Stimmung anheizen wollen. Dies liege ihr schon deshalb fern, weil sie sich von Kindheit an mit dem Holocaust befasst und sich umfassend informiert habe. Allerdings habe sie damals durchaus Angst gehabt, weil ein Onkel von ihr nach der 3. Impfung gegen Corona gestorben sei, sie leide seit dem 20sten Lebensjahr unter einer Zwangsstörung. Auch habe sie beängstigende Dinge gehört, etwa, dass Leute, die sich nicht impfen lassen würden, ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Zudem seien erst recht wenig Personen dagewesen, etwa 50 bis 60. Später sei der Veranstaltungsbereich allerdings schon voll geworden. Sie räumte allerdings auf Vorhalt des Staatsanwalts ein, selbst keine Angst vor einer Zwangsimpfung gehabt zu haben.
10
Der Zeuge PHM S. gab an, er sei als Ansprechpartner im Kommunikationsteam am Südeingang eingesetzt gewesen und habe den „Stern“ an der Kleidung der Angeklagten bereits aus einer Entfernung von 15 – 20 Meter gesehen. Dies sei in der Hauptzulaufphase zu der Demonstration gewesen, es seien sehr viele Leute gekommen. Der Botton sei nicht verdeckt gewesen, er könne sich auch weder an einen Schal noch einen weiteren Botton auf der Kleidung der Angeklagten erinnern. Auf Vorhalt gab der Zeuge an, seinen zeugenschaftlichen Bericht vom 1.2.2022 aus seiner damaligen frischen Erinnerung abgefasst zu haben. Dieser Bericht enthält eine Wiedergabe einer -korrigiertenÄußerung der Angeklagten ihm gegenüber, sie fühle sich wie zur Nazizeit diskriminiert.
11
Die Zeugin POMin S. gab auf Vorhalt an, sie habe kurz nach dem Tattag einen Übergabebericht gefertigt, in dem sie ihre aktuelle Erinnerung an die bei der Angeklagten getroffenen Maßnahmen niedergelegt habe. So sei die Angeklagte mit der Sicherstellung und Einziehung des Bottons einverstanden gewesen. Sie habe auch geäußert, sie sei bei einer früheren Veranstaltung schon einmal darauf aufmerksam gemacht worden, den Botton abzunehmen. Dies kommentierte die Angeklagte dahingehend, das sei bei einem „Montagsspaziergang“ in Waging gewesen, wobei es auch sein könne, dass sie damals nur die Binde am Arm getragen habe.
12
Aufgrund der klaren und ohne Belastungstendenz gemachten Angaben der Polizeibeamten war zur Überzeugung der Strafkammer einerseits die Einlassung der Angeklagten zum objektiven Sachverhalt weitgehend bestätigt, andererseits jedoch in subjektiver Hinsicht widerlegt.
13
Gerade aus ihrer selbst vorgetragenen intensiven Befassung mit dem Thema Holocaust ergibt sich, dass die Angeklagte zum einen wusste, dass es sich bei dem „Judenstern“ um eine vom Nazi-Regime zwangsweise eingeführte Kennzeichnung von jüdischen Mitbürgern handelte, die über eine systematische Ausgrenzung hinaus zu den durch das damalige Regime betriebene Massenverfolgung und -vernichtung führte. Wie bereits der Titel der Demo-Veranstaltung zeigt, sollte sich diese gegen die coronabedingten Einschränkungen im Leben der Bevölkerung richten, so dass sich hierdurch Menschen angesprochen fühlten, die sich besonders hierdurch betroffen fühlten und jedenfalls bereits waren, hierfür „auf die Straße zu gehen“. Dass die Angeklagte diesen Botton gerade bei einer solchen gegenüber den Corona-Maßnahmen kritischen Demonstration tragen wollte und im Zulauf dorthin auch trug, zeigt, dass die Angeklagte einen -völlig absurdenVergleich zu den jetzigen Maßnahmen gegen das Corona Virus als Botschaft sehr wohl herstellen wollte, wie sie selbst gegenüber dem Polizeibeamten S. äußerte. Aus der Aussage gegenüber der Polizeibeamtin S. ergibt sich, dass die Angeklagte auch durch frühere Hinweise nicht zu einem Umdenken zu bewegen war. Die Angeklagte nahm hierbei in Kauf, dass dieser Vergleich dann auch von anderen Personen bei Erblicken ihres Bottons gezogen werden würde und eine aggressive Haltung bis hin zu entsprechenden Handlungen verstärkt werden könnte.
14
Gerade vor diesem Hintergrund dieser Äußerungen hält die Strafkammer die Behauptung der Angeklagten hinsichtlich eines weiteren Bottons für nicht glaubhaft, sie wurde zudem durch die Beweisaufnahme in keiner Weise bestätigt.
V.
15
Die Angeklagte hat sich somit strafbar gemacht der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB. Der Strafrahmen dieser Vorschrift umfasst Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren.
16
Innerhalb dieses Rahmens erschien die Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe noch ausreichend, aber auch notwendig.
17
Zugunsten der Angeklagten ist anzuführen, dass sie den äußeren Sachverhalt einräumte.
18
Andererseits ist ein etwas schwieriges Verhältnis gegenüber staatlichen Organen und deren Anordnungen festzustellen, was sich einmal in der Vorahnung im Bundeszentralregister, welche auch verlesen wurde, ergibt, aber auch daraus, dass es der Angeklagten nach dem Eindruck der Strafkammer aus der Berufungshauptverhandlung an der Einsicht in ihr Handeln durchaus in gewissen Umfang fehlt, wenn sie auch auf polizeiliche Anordnung hin den hier verfahrensgegenständlichen Botton abgenommen hat. Zudem hat sie trotz früher bereits erfolgten Beanstandung dieses Bottons ihn erneut zu einer Demonstration angelegt.
19
Unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände erschien die vom Erstgericht verhängte Geldstrafe von 90 Tagessätzen tat- und schuldangemessen. Eine Erhöhung entsprechend dem staatsanwaltschaftlichen Antrag erschien nicht notwendig. Die Tagessatzhöhe entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Mieteinnahmen und eines Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Ehemann von geschätzt mind. 1.500 €.
VI.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.