Titel:
Entziehung der Fahrterlaubnis bei Nichtbeibringung des angeordneten ärztlichen Gutachtens wegen Schwindelanfalls
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2 S. 1, S. 3 Nr. 5, Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 11.4
Leitsatz:
Ist die Fahrerlaubnisinhaberin alleinbeteiligt ohne Fremdeinwirkung mit ihrem Pkw nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und hat sie angegeben, dass ihr aus ihr nicht erklärlichen Gründen schwindelig und schwarz vor den Augen geworden sei, sie sei kurz bewusstlos gewesen und dass sie deshalb von der Fahrbahn abgekommen sei, sind diese Tatsachen begründet, Zweifel an ihrer Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu begründen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Rechtmäßigkeit der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung, Migräne mit Schwindel, Fahrerlaubnis, Entziehung, Eignungszweifel, Gutachtenanordnung, ärztliches Gutachten, gesundheitliche Eignung, Schwindelanfälle, Migräne
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15710
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis (Fahrerlaubnisklasse 3 alten Rechts). Der vorliegende Antrag hat die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruchs zum Ziel.
2
Die Fahrerlaubnisbehörde erlangte Kenntnis von einem Verkehrsunfall der Antragstellerin, der sich am … September 2022 ereignete. Aus der Verkehrsunfallanzeige der Polizeiinspektion N. vom … September 2022 ergibt sich, dass die Antragstellerin alleinbeteiligt ohne Fremdeinwirkung mit ihrem Pkw nach rechts von der Fahrbahn abgekommen sei. Die Antragstellerin sei ins Klinikum N. gebracht worden. Vor Ort habe nur kurz Kontakt zu ihr aufgenommen werden können. Hier habe sie angegeben, dass ihr während der Fahrt aus ihr nicht erklärlichen Gründen schwindelig und schwarz vor Augen geworden sei und sie deshalb von der Fahrbahn abgekommen sei. Zudem habe die Antragstellerin angegeben, dass dieser Vorfall der erste dieser Art gewesen sei und sie sich vor Fahrtantritt fahrtüchtig gefühlt habe. Im Rahmen der Betroffenenanhörung am … September 2022 habe die Antragstellerin erklärt, ihr sei auf einmal schwarz vor Augen geworden und sie sei ganz kurz bewusstlos gewesen.
3
Mit Schreiben vom 29. November 2022 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin auf, bis zum 29. Dezember 2022 eine ärztliche Bestätigung ihres behandelnden Hausarztes vorzulegen, die folgende Fragen zu beantworten habe:
1. „Liegen bei Frau K. Erkrankungen vor, welche die Fahreignung in Frage stellen könnten?
2. Kann der Umstand, dass Frau K. kurz vor dem Verkehrsunfall schwindelig und schwarz vor den Augen wurde auf eine Erkrankung zurückgeführt werden? Wenn nein, wie sind diese Anzeichen am Tag des Verkehrsunfalls zu erklären?
3. Sind weitere Vorfälle bekannt, bei denen Frau K. ähnliche und/oder gleiche Anzeichen (Schwindel, schwarz vor den Augen etc.) verspürte? Wenn ja, wann und durch welche Anzeichen?
4. Sind aufgrund der Verletzungen (Mittelohrkompression und Rippenprellungen) Folgeschäden und/oder Einschränkungen vorhanden?
5. Wir bitten um Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes sowie des Krankheitsverlaufs bei ggf. vorliegenden Erkrankungen von Frau K.
6. Müssen aufgrund der ggf. vorliegenden Erkrankungen Medikamente eingenommen werden? Könnte durch diese Medikation die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden? Es muss der komplette Medikamentenplan übermittelt werden! Werden die Medikamente zuverlässig eingenommen?
7. Sind aufgrund der ggf. vorliegenden Erkrankungen Folgeschäden vorhanden?
8. Der Unterzeichner soll bestätigen, wie lange er bereits der behandelnde Arzt ist.
9. Der behandelnde Arzt soll bestätigen, dass ihm dieses Schreiben bei der Ausstellung des Attestes vorlag.“
4
Zur Begründung wurde auf die Verkehrsunfallanzeige der Polizeiinspektion N. vom … September 2022 sowie die Betroffenenanhörung vom … September 2022 verwiesen. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass bei nicht fristgerechter Vorlage der Bestätigung weitere kostenpflichtige Maßnahmen einzuleiten seien.
5
Mit Schreiben vom 5. Januar 2023 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin erneut auf, bis zum 30. Januar 2023 eine ärztliche Bestätigung ihres behandelnden Hausarztes vorzulegen. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass im Nachgang eine Begutachtungsaufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch einen Arzt in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erforderlich werden könne.
6
Mit Schreiben vom 17. Februar 2023 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin nochmals auf, bis zum 20. März 2023 eine ärztliche Bestätigung ihres behandelnden Arztes vorzulegen und gab der Antragstellerin Gelegenheit, sich zum Sachverhalt zu äußern. In dem Schreiben wurde wiederum darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der ärztlichen Bestätigung oder im Falle der weiterhin bestehenden Fahreignungszweifel im Nachgang eine Begutachtungsaufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch einen Arzt in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erfolgen werde.
7
Mit E-Mail vom 11. April 2023 und 28. April 2023 gewährte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin nochmals die Möglichkeit, bis zum 18. April 2023 bzw. 5. Mai 2023 das geforderte ärztliche Attest einzureichen.
8
Am 8. Mai 2023 ging die ärztliche Bestätigung vom … Mai 2023, ausgestellt durch Dr. M. B., beim Landratsamt E. ein. Im Rahmen des ärztlichen Attestes wurde die Frage 1 wie folgt beantwortet „Einzige uns bekannte Erkrankung ist eine klassische Migräne (G43.1).“. Hinsichtlich Frage 2 heißt es in dem Attest „Ja, der Schwindel kann im Rahmen einer Migräne-Aura aufgetreten sein.“. Bezüglich Frage 8 wurde angegeben, dass die Patientin seit dem …2022 in hausärztlicher Behandlung sei. Die übrigen Fragen wurden verneint.
9
Mit Schreiben vom 10. Mai 2023 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin auf, bis zum 14. Juni 2023 eine ärztliche Bestätigung des behandelnden Facharztes beizubringen, die folgende Fragen zu beantworten habe:
1. „Liegt bei Frau K. eine zentral-vestibulärer Schwindelform oder eine vestibuläre Migräne (Migräneschwindel) vor? Sofern eine vestibuläre Migräne vorliegt, liegt diese mit Prodromi oder ohne Prodromi vor und ist hierzu eine Diagnose bekannt oder handelt es sich beim Vorfall am … September 2022 um eine erstmalige Attacke unter noch nicht gesicherter Diagnose?
2. Der Unterzeichner soll bestätigen, wie lange er bereits der behandelnde Arzt ist.
3. Der behandelnde Facharzt soll bestätigen, dass ihm dieses Schreiben bei der Ausstellung des Attestes vorlag.“
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die ärztliche Bestätigung des behandelnden Hausarztes nicht alle Fahreignungszweifel geklärt werden konnten, da weitere Tatsachen bekannt geworden seien. Als Tatsachen, die Bedenken gegen die Eignung der Antragstellerin zum verkehrssicheren Führen von Kraftfahrzeugen begründen, wurde die Verkehrsunfallanzeige, die Betroffenenanhörung vom … September 2022 und die Beantwortung der Frage 2 im Rahmen der ärztlichen Bestätigung vom … Mai 2023 „Ja, der Schwindel kann im Rahmen einer Migräne-Aura aufgetreten sein.“ genannt.
11
Mit Schreiben vom 27. Juni 2023 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin nochmals auf, bis zum 12. Juli 2023 eine ärztliche Bestätigung ihres behandelnden Facharztes vorzulegen und gab der Antragstellerin Gelegenheit, sich zum Sachverhalt zu äußern. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der ärztlichen Bestätigung oder im Falle der weiterhin bestehenden Fahreignungszweifel im Nachgang eine Begutachtungsaufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch einen Arzt in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erfolgen werde.
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Nachdem das geforderte Attest nicht vorgelegt worden war, forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. Juli 2023, zugestellt am 22. Juli 2023, auf, bis zum 28. September 2023 ein ärztliches Gutachten eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B inklusive aller Unterklassen beizubringen. Grundlage des Gutachtens sollten folgende Fragestellungen sein:
1a. „Liegen bei der oben genannten Person Erkrankungen vor, die nach Nr.(n) 11.4 (Schwindel) der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellen?
1b. Wenn ja: Ist oben genannte Person (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden?
2. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z. B. Krankheitseinsichtigkeit, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige/überwachte Medikamenten- bzw. Cannabiseinnahme [Hinweise auf – ggf. selbstinduzierte – Unter- oder Überdosierung] usw.) vor und wird diese auch umgesetzt?
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z. B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? Welcher Arzt (Qualifikation) muss die Kontrolluntersuchungen attestieren? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen, wenn ja, warum?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je nach Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i. S. einer erneuten [Nach-]Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“
13
Zur Begründung wurde auf die Verkehrsunfallanzeige, die Beschuldigtenanhörung vom … September 2022 sowie die ärztliche Bestätigung vom … Mai 2023 verwiesen. Infolge der bekannt gewordenen Tatsachen begründen sich Bedenken gegenüber der weiterhin gegebenen gesundheitlichen Eignung zum verkehrssicheren Führen von Kraftfahrzeugen hinsichtlich einer ggf. vorliegenden Erkrankung nach Nr. 11.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV). In der Regel sei die Fahreignung bei zentral-vestibulären Schwindelformen nicht gegeben. Die vestibuläre Migräne sei eine häufige Ursache für spontan rezidivierende Schwindelattacken. Aus der ärztlichen Bestätigung gehe hervor, dass bei der Antragstellerin eine klassische Migräne vorliegt und der Schwindel kurz vor dem Verkehrsunfall im Rahmen einer Migräne-Aura aufgetreten sein könne. Aufgrund der neuen Tatsachen sei erneut eine ärztliche Bestätigung des behandelnden Facharztes angefordert worden. Die Antragstellerin habe keine weitere ärztliche Bestätigung vorgelegt, sodass die entstandenen Fahreignungszweifel nicht ausgeräumt werden konnten. Insbesondere sei aufzuklären gewesen, ob bei der Antragstellerin eine zentral-vestibuläre Schwindelform oder eine zentral-vestibuläre Migräne vorliegt und sofern eine vestibuläre Migräne besteht, ob diese mit oder ohne Prodomi vorliegt. Zudem sei aufzuklären gewesen, ob der Vorfall am … September 2022 die erstmalige Attacke unter noch nicht gesicherter Diagnose war oder ob bereits eine Diagnose vorliegt. Hierbei sei zu beachten, dass als Fahrerlaubnisinhaber bei der Aufklärung sowie bei der Feststellung der Fahrtauglichkeit eine Mitwirkungspflicht bestehe. Das genaue Ausmaß, der Krankheitsverlauf und der Schweregrad der Erkrankungen sei nicht bekannt. Es könne nicht abgewartet werden, bis sich erneut ein folgenschwerer Unfall ereignet. Als Rechtsgrundlage wurde § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 2 Sätze 1, 2, Satz 3, Nr. 11.4 Anlage 4 FeV, Nr. 3.10 Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung genannt.
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Die Anordnung enthält den Hinweis, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn der Betroffene sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder er der Fahrerlaubnisbehörde das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt (§ 11 Abs. 8 FeV).
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Mit Schreiben vom … Oktober 2023 hörte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin zur geplanten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Antragstellerin wurde die Gelegenheit gegeben, sich bis zum 19 Oktober 2023 zum Sachverhalt zu äußern.
16
Mit Bescheid vom 13. November 2023, gegen Postzustellungsurkunde zugestellt am 15. November 2023, entzog die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis in allen Klassen (Ziffer 1 des Bescheids), gab ihr auf, ihren Führerschein der Klasse 3 unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Bescheidszustellung beim Landratsamt E. abzugeben (Ziffer 2 des Bescheids), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 EUR an für den Fall der nicht fristgerechten Befolgung der Verpflichtung aus Ziffer 2 (Ziffer 3 des Bescheids) und ordnete unter Ziffer 4 die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 an.
17
Am … November 2023 ging der Führerschein der Antragstellerin beim Landratsamt E. ein.
18
Mit E-Mail vom … November 2023 und Schreiben vom … November 2023, beim Landratsamt E. eingegangen am 23. November 2023, legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Entziehungsbescheid ein.
19
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2023 teilte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werde.
20
Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2023 zeigte die Bevollmächtigte der Antragstellerin unter Vollmachtsvorlage die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin bei der Fahrerlaubnisbehörde an.
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Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2023 begründete die Bevollmächtigte der Antragstellerin den eingelegten Widerspruch. Die Begründung entspricht im Wesentlichen der Begründung des hier streitgegenständlichen Antrags.
22
Ein Widerspruchsbescheid ist bis zur Entscheidung des Gerichts in diesem Eilverfahren nicht ergangen.
23
Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2024 ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte beantragen,
Die sofortige Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners vom 13.11.2023 wird ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin vom 22.11.2023 wird wiederhergestellt.
24
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den von der Antragstellerin abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder herauszugeben und für den Fall, dass der Führerschein unbrauchbar gemacht wurde, einen neuen Führerschein der Klasse 3, heute B, BE, C1, C1E, AM und L auszustellen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an eine Begründung der sofortigen Vollziehung nicht erfüllt seien. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. November 2023 ergebe sich daraus, dass die Anordnung des ärztlichen Gutachtens mit Schreiben vom … Juli 2023 nicht veranlasst und damit rechtswidrig gewesen sei. Die Antragstellerin habe keine Ausführungen hinsichtlich eines Schwindels getätigt. Die Herausstellung des Wortes Schwindel sei aufgrund der Anmerkung der Polizei erfolgt und könne daher alleine nicht Grundlage der Anforderung eines ärztlichen Gutachtens sein. Bereits das Fordern der hausärztlichen Bestätigung dürfte daher nicht rechtens gewesen sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Nach Vorliegen der Ausführungen des Hausarztes hätte eine weitere ärztliche Bestätigung ausreichen müssen. Die Fragestellung betreffend die Begutachtungsaufforderung vom … Juli 2023 sei nicht anlassbezogen und nicht verhältnismäßig. Der Antragsgegner wolle die Zweifel der Eignung aus der Erkrankung einer klassischen Migräne ableiten. Hierbei werde verkannt, dass Migräne nicht in Anlage 4 zu § 11 FeV genannt ist. Es erscheine nicht zulässig, von der klassischen Migräne auf eine Gleichgewichtsstörung im Sinne von Nummer 11.4 zu schließen bzw. Fahreignungszweifel diesbezüglich begründen zu wollen. Auch die Frage im Gutachten sei fehlerhaft gestellt. Nummer 11.4 beinhalte nicht Schwindel, sondern Gleichgewichtsstörungen.
26
Der Antragsgegner beantragte am 8. März 2024, den Antrag abzulehnen.
27
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Behauptung, dass von der Antragstellerin nicht angegeben worden wäre, dass ihr schwindelig wurde, sei als Schutzbehauptung zu werten. Dies sei erstmals in der Begründung des Widerspruchs vorgetragen worden. Die Aussage, die Fahrerlaubnisbehörde wolle die Zweifel an der Eignung aus der Erkrankung einer klassischen Migräne ableiten, sei zu entkräften. Es gehe vielmehr darum aufzuklären, ob bei der Antragstellerin eine zentral-vestibuläre Schwindelform oder eine vestibuläre Migräne vorliegen. Diese Schwindelformen und die vestibuläre Migräne seien unter dem Stichwort „Störungen des Gleichgewichtssinnes“ aufgeführt. Dementsprechend sei bei der Fragestellung nach dem Vorliegen einer Erkrankung nach Nr. 11.4 (Schwindel) der Anlage 4 FeV gefragt worden. Der Antragstellerin sei ausreichend die Möglichkeit gegeben worden, die Fahreignungszweifel durch die Vorlage einer fachärztlichen Bestätigung auszuräumen.
28
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2- VwGO analog).
29
Der Antrag nach § 80 V VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
30
1. Der Antrag ist zulässig. Nach Auslegung des nicht zwischen den Ziffern des Bescheides differenzierenden Antrages (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 1 gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides begehrt, deren sofortige Vollziehung der Antragsgegner in Ziffer 4 des Bescheides angeordnet hat. Es ist nach Auslegung davon auszugehen, dass die Antragstellerin nicht auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der gem. Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides begehrt, da in dem Antrag lediglich von Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung die Rede ist. Ein solcher Antrag wäre im Übrigen mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Das angedrohte Zwangsgeld kann aufgrund der bereits erfolgten Ablieferung des Führerscheins bei dem Antragsgegner nicht mehr fällig werden. Die Zwangsgeldandrohung hat sich somit erledigt. Nicht erledigt durch die Ablieferung des Führerscheins hat sich hingegen die Verpflichtung zur Abgabe desselben in Ziffer 2 des Bescheides, denn diese stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für den Antragsgegner dar (BayVGH, B.v. 12.02.2014 – 11 CS 13.2281 – juris). Der Antrag zu 2. ist als Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung bzgl. Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaft, da das Gericht bei einer bereits erfolgten Vollziehung deren Aufhebung anordnen kann.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches hinsichtlich Ziffer 1 und 2 des Bescheides vom 13. November 2023 war nicht wiederherzustellen.
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2.1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 4 des Bescheides genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. Im Bereich des Sicherheitsrechts ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B. v. 9.2.2012 – 11 CS 11. 22 72 – juris). Wenn Erlass- und Vollzugsinteresse, wie bei der Fahrerlaubnisentziehung wegen mangelnder Eignung, schon aufgrund der zu regelnden Materie zusammenfallen, ist eine auf die hier abzuwehrenden Gefahren abstellende, eher formelhafte Begründung nicht zu beanstanden (Hoppe in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55, 46). Dem genügt die auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf Seite 5, 6 im Bescheid vom 13. November 2023. Der Antragsgegner hat ausreichend dargelegt, dass im Interesse und zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer die sofortige Vollziehung gerechtfertigt sei, besonders angesichts der bekannt gewordenen Bedenken hinsichtlich einer möglichen Erkrankung nach Nr. 11.4 der Anlage 4 FeV, die erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin zum verkehrssicheren Führen von Kraftfahrzeugen begründe und aufgrund der fehlenden abschließenden und fundierten Aufklärung möglicher Gefahren für die Verkehrssicherheit aufgrund der Nichtvorlage des ärztlichen Gutachtens. Zudem wird auf die bereits eingetretene Verkehrsauffälligkeit, den Verkehrsunfall, hingewiesen. Zur Begründung wird weiter ausgeführt, dass nicht abgewartet werden könne, bis sich die offenkundige Nichtmitwirkung bezüglich einer Eigen- und Fremdgefährdung im Straßenverkehr zu einem weiteren konkreten Schadensereignis manifestiert hat. Auch die sofortige Vollziehbarkeit hinsichtlich der Abgabeverpflichtung des Führerscheins wird ausreichend damit begründet, dass der Führerschein anderenfalls einen über den tatsächlichen Umfang der Fahrberechtigung hinausgehenden, unzutreffenden Rechtsschein erzeugen würde.
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2.2. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt vorliegend zulasten der Antragstellerin aus, weil der Bescheid vom 13. November 2023 bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, so dass der hiergegen erhobene Widerspruch voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO hat der Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs – hier des Widerspruchs – zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, da an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Lässt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht eindeutig klären, ist eine umfassende Interessenabwägung veranlasst. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist.
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2.3. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetzes – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
36
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, unter anderem ein Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen.
37
Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteilen, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 26). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Gleiches gilt für den genauen Grad der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss (BVerwG, B.v. 5.02.2015 – 3 B 16.14 – BayVBl 2015, 421 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.03.2021 – 11 CS 20.2627 u.a. – juris Rn. 16 m.w.N.).
38
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss von der Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung auf die Nichteignung des Kraftfahrers hat seine wesentliche Grundlage in der Verletzung der dem Betroffenen obliegenden Mitwirkungspflicht und der Annahme, der Betreffende wolle Eignungsmängel verbergen, indem er nicht hinreichend mitwirkt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 7.08.2018 – 11 CS 18.1270). Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).
39
2.3.1. Diese Voraussetzungen lagen vor.
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Es liegen Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin vor, die die Antragstellerin auch nicht ausgeräumt hat.
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Grundsätzlich ist es Sache der Fahrerlaubnisbehörde, Zweifel an der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers aufzuklären und nachzuweisen, jedoch kommt dem Betroffenen eine Mitwirkungsobliegenheit dahingehend zu, seinen notwendigen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, um die im Raum stehende, möglicherweise fehlende Fahreignung aufzuklären (VG Ansbach, B.v. 21.02.2024 – AN 10 S 24.188). Wenn die Fahrerlaubnisbehörde einem Betroffenen die Gelegenheit gegeben hatte, zu seinem Gesundheitszustand (fach-)ärztliche Atteste vorzulegen, diese die Bedenken gegen seine Fahreignung aber nicht eindeutig ausgeräumt haben, sondern Restzweifel hinsichtlich seiner Fahreignung verbleiben, ist sie nicht verpflichtet, weiter zuzuwarten und ihm aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufzugeben, die Eignungsbedenken durch andere Beweismittel als die in § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV vorgesehene ärztliche Begutachtung auszuräumen (BayVGH, B.v. 28.06.2022 – 11 ZB 22.640).
42
2.3.2. Zweifel an der Fahreignung ergeben sich aus dem von der Polizei mitgeteilten Sachverhalt und selbstständig aus dem hausärztlichen Befundbericht vom … Mai 2023.
43
Durch Mitteilung der Polizei erlangte der Antragsgegner Kenntnis von dem Verkehrsunfall der Antragstellerin vom … September 2022. Ausweislich der Verkehrsunfallanzeige habe die Antragstellerin angegeben, dass ihr aus ihr nicht erklärlichen Gründen schwindelig und schwarz vor den Augen geworden sei und sie deshalb von der Fahrbahn abgekommen sei. Im Rahmen der Betroffenenanhörung am … September 2022 habe die Antragstellerin angegeben, dass ihr schwarz vor den Augen geworden sei und sie ganz kurz bewusstlos gewesen sei. Das Bekanntwerden vorgenannter Tatsachen ist ausreichend, um Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu begründen. Das Sicherheitsrisiko wird unmittelbar ersichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass beim Abkommen nach rechts von der Fahrbahn aus ungeklärten Gründen auch ein Mensch (z.B. Fußgänger oder Radfahrer) hätte verletzt oder getötet werden können.
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Die Beantwortung der Fragen in dem ärztlichen Attest des behandelnden Hausarztes vom … Mai 2023 schafft eine neue Tatsachengrundlage, die selbstständige Bedeutung hat und unabhängig davon verwertbar ist, ob die ursprüngliche Anforderung rechtmäßig war (BayVGH, B.v. 21.03.2023 – 11 CS 23.273 – juris). Aus dem ärztlichen Attest ergibt sich, dass die Antragstellerin an einer klassischen Migräne (G43.1) leidet und der Schwindel im Rahmen einer Migräne-Aura aufgetreten sein kann. Der behandelnde Hausarzt spricht im Zusammenhang mit dem Vorfall ebenfalls von Schwindel.
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Entgegen der Ansicht der Antragspartei ist folglich ihr Vortrag nicht erheblich, die Antragstellerin habe die Anzeichen vor dem Unfall selbst nicht als Schwindel bezeichnet Ohne dass es darauf noch ankommt, hat das Gericht im Übrigen keine ernstlichen Zweifel daran, dass es sich bei der bei der Antragstellerin aufgetretenen Bewusstseinsstörung auch um eine Art von Schwindel gehandelt hat. Auch hat der Polizeibeamte in dem Polizeibericht auf der Grundlage der Schilderungen der Antragstellerin die Bezeichnung Schwindel verwendet. Insbesondere da die Ursache der Bewusstseinsbeeinträchtigung am … September 2022, die in der Folge zu dem Verkehrsunfall geführt hat, eine medizinische Indikation vermuten lässt, war die Fahrerlaubnisbehörde sogar gehalten, Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Einwand der Antragstellerin, diese habe keine Äußerungen hinsichtlich eines Schwindels getätigt, so dass die Fragestellung in Nr. 2 fehlerhaft sei, greift somit ins Leere.
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2.3.3. Durch das ärztliche Attest konnten die entstandenen Fahreignungszweifel nicht ausgeräumt werden. Vielmehr ergaben sich hieraus weitere Hinweise, dass bei der Antragstellerin eine Schwindelform, die möglicherweise in Zusammenhang mit der Migräne steht, vorliegen könnte.
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Störungen des Gleichgewichtssinnes können nach Nr. 11.4 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung ausschließen. Zentralvestibuläre Schwindelformen und der Migräneschwindel fallen unter den Begriff der Störungen des Gleichgewichtssinnes, denn sie werden unter Nr. 3.10 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Störungen des Gleichgewichtssinnes) aufgeführt.
48
Das Vorgehen des Antragsgegners, nicht gleich ein Gutachten anzuordnen, sondern zunächst mittels Aufforderung zur Beibringung einer ärztlichen Bestätigung eines behandelnden Facharztes zu klären, ob bei der Antragstellerin eine zentral-vestibuläre Schwindelform oder eine vestibuläre Migräne (Migräneschwindel) vorliegt, entspricht dem Gebot des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
49
Weil die Antragstellerin der wiederholten Aufforderung nicht nachgekommen ist, bestand weiterhin Unklarheit über die Ursache der bei der Antragstellerin aufgetretenen Anzeichen, die möglicherweise auf eine zentral-vestibuläre Schwindelform oder eine vestibuläre Migräne zurückzuführen sind.
50
Nachdem das vorgelegte Attest des behandelnden Hausarztes die Fahreignungszweifel nicht ausräumen konnte und die Antragstellerin ihrer Mitwirkungsobliegenheit im Hinblick auf die Vorlage weiterer (fachärztlicher) Unterlagen gerade nicht nachgekommen ist, die Fahreignungszweifel somit nicht geklärt werden konnten, durfte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auffordern.
51
2.3.4. Die Begutachtungsanordnung selbst ist verhältnismäßig.
52
Nachdem zentral-vestibuläre Schwindelformen und der Migräneschwindel unter Nr. 3.10 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung fallen, ist es entgegen der Ansicht der Antragstellerin unschädlich, dass in der Frage 1a, die im Rahmen des Gutachtens geklärt werden sollte, von Schwindel und nicht von Gleichgewichtsstörung die Rede ist. Selbst wenn man die zu klärende Fragestellung insgesamt als relativ weit gefasst ansieht, hat sich die Antragstellerin dies im Hinblick auf ihre völlig unzureichende Mitwirkung an der Aufklärung selbst zuzuschreiben. Trotz wiederholter Aufforderung wurde von der Antragstellerin keine ärztliche Bestätigung eines behandelnden Facharztes vorgelegt. Hierin zeigt sich auch, dass die Antragstellerin ihre eigene Verantwortung im Hinblick auf die von ihr möglicherweise ausgehende Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer nicht sieht. Es beruht auf einem glücklichen Zufall, dass die Antragstellerin nach rechts – ohne dass sich dort jemand befunden hat – und nicht nach links von der Fahrbahn abgekommen ist, wodurch es zu einer Kollision mit dem Gegenverkehr hätte kommen können.
53
Die Gutachtensanforderung genügt auch im Übrigen den an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Anlassbezogenheit der Fragestellung nach § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FeV. Danach soll der Betroffene durch die Darlegung der Gründe, die Zweifel an der Fahreignung begründen, ebenso wie durch die Mitteilung der Fragestellung bereits in der an ihn gerichteten Beibringungsanordnung in die Lage versetzt werden, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung zu dessen Beibringung rechtmäßig insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Sowohl durch die Gutachtensanordnung als auch durch den vorangegangenen Austausch mit der Behörde hatte der Antragstellerin die Möglichkeit, sich ein Urteil über die Gründe für die Zweifel an ihrer Fahreignung und der Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung zu bilden.
54
2.4. Die Entziehung der Fahrerlaubnis konnte somit auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden, da die Antragstellerin das formell und materiell rechtmäßig angeforderte ärztliche Gutachten eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht fristgerecht vorgelegt hat.
55
Somit ist auch die – auf die Entziehung gestützte – Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
57
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Antragstellerin war im Besitz der (alten) Fahrerlaubnisklasse 3. Der Führerschein am 04.07.1997 durch die Stadt Landshut ausgestellt. Nach Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV umfasst die Fahrerlaubnis gemäß Abschnitt A I, Nr. 19 (Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 nach dem 31.12.1988), die Fahrerlaubnisklassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE und L sowie verschiedene Schlüsselzahlen mit gewissen Einschränkungen gemäß Anlage 9 zur FeV. Nach dem Streitwertkatalogs 2013 sind nur die Fahrerlaubnisklassen B und C1 je mit dem Auffangstreitwert von 5000.- EUR maßgeblich, die die anderen Fahrerlaubnisklassen mit abdecken (vgl. § 6 Abs. 3 FeV). Die Fahrerlaubnisklassen A und A1 wirken sich nicht streitwerterhöhend aus, weil sie mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 versehen sind. Ebenso wirkt sich die Führerscheinklasse CE mit Schlüsselzahl 79 nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.01.2014 – 11 CS 13.2342 – juris). Die Fahrerlaubnisklasse 3 (alt, erteilt nach dem 31.12.1988) ist mit einem Streitwert von 10.000.- EUR im Vergleich zum Streitwert für die Klasse B (5000.- EUR) angemessen bewertet (vgl. BayVGH, B.v. 30.01.2014 – 11 CS 13.2342 – juris). Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war der volle Streitwert von 10.000.- EUR im Eilverfahren zu halbieren, so dass letztlich 5000.- EUR festzusetzen waren