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VG München, Urteil v. 18.03.2024 – M 5 K 23.30988
Titel:

Asylklage, Uganda, Homosexualität (lesbisch), Unglaubhaft, Angebliche Entführung in Tschechien, Ausgeheilte Syphillis-Infektion

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3
AsylG § 78
AufenthG § 60
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Homosexualität (lesbisch), Unglaubhaft, Angebliche Entführung in Tschechien, Ausgeheilte Syphillis-Infektion
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15708

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die 1995 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste am … Juni 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Oktober 2021 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da sie lesbisch sei. Sie habe immer nur bei Frauen starke Gefühle entwickelt. Sie habe eine lesbische Beziehung geführt, die entdeckt worden sei. Sie sei von Dezember 2018 bis April 2019 in Haft gewesen. Ihr Onkel habe sie dann freibekommen. Sie sei zunächst nach Kenia gegangen und dann nach Tschechien weitergereist. Dort sei sie von dem Mann, der sie unter Vermittlung ihres Onkels in Empfang genommen haben, über 2 Jahre festgehalten worden. Sie habe im Haushalt arbeiten müssen und sei von diesem und einem anderen Mann vergewaltigt worden. Als einmal ein Fenster nicht verschlossen gewesen sei, habe sie fliehen können. Sie habe das Haus durchsucht und ihren Pass gefunden. Über das Handy des Mannes habe sie eine Freundin anrufen können.
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Nach ärztlichen Attesten (* …2021, …2022, …2022, …2022) wurde eine Syphilis-Infektion festgestellt, die ausgeheilt sei und regelmäßig überwacht werden sollte.
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Mit Bescheid vom ... Mai 2023 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 15. Mai 2023 Klage erhoben und beantragt,
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I. Der Bescheid der Beklagten vom … Mai 2023 wird mit Ausnahme der Ziffer 2 aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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III. (Hilfsweise:) Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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IV. (Hilfsweise:) Die Beklagte wird verpflichtet, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Am 18. März 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Protokoll vom 18. März 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei lesbisch und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen lesbischen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Die ablehnende Haltung gegenüber Homosexualität war in Uganda auch bereits vor der jüngsten Gesetzesverschärfung in Bezug auf Homosexualität verbreitet und ausgeprägt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin nichts Überzeugendes vorgetragen. Insgesamt wirkt der Vortrag der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt.
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Eine plausible Darstellung eines solchen Prozesses ist auch von einer lesbischen Frau zu fordern. Denn das Ausleben der eigenen Sexualität in völligem Gegensatz zu den gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen stellt sich bei einer Frau ebenso wie bei einem Mann. Warum das grundsätzlich anders sein soll als bei einem homosexuellen Mann, wurde von der Klagepartei nicht vorgetragen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Auch wenn im Aufsatz von Berlit/Dörig/Storey (ZAR 2016, 332 ff.) angegeben ist, dass diese Analyse grundsätzlich nur für Fälle homosexueller Männer gilt und nicht für Fälle homosexueller Frauen, so stellt sich die oben dargestellte Grundproblematik sowohl bei homosexuellen Männern wie Frauen. Für etwas grundlegend Anderes ist nichts ersichtlich.
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Hierzu hat die Klägerin nichts Überzeugendes vorgetragen. Insgesamt wirkt der Vortrag der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt. Ihre Angabe, dass sie das am Anfang versucht habe zu negieren, es später aber akzeptiert habe, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Auch der weitere Hinweis auf Nachfragen des Gerichts, dass sie sich über die Gefährlichkeit ihres Tuns schon Gedanken gemacht habe und sie sich Gedanken gemacht habe, ob sie das ausleben soll, aber sie habe „schon Gefühle entwickelt“, wirkt platt und oberflächlich. Ein „inneres Ringen“ zwischen den von ihr erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht ansatzweise vorgetragen worden. Insgesamt wirken die Ausführungen der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr distanziert, knapp und oberflächlich.
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Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin durch den Umstand, dass sie beim Bundesamt angegeben hat, sich ihrer lesbischen Veranlagung im Alter von 18 oder 19 Jahren bewusst geworden zu sein (Anhörungsprotokoll S. 6), in der mündlichen Verhandlung hat sie das aber mit etwa 17 Jahren angegeben. Ihre Erklärung hierfür, dass sie gemeint habe, dass sie damit den Altersbereich 17/18 Jahre gemeint habe, die Klasse „Senior 4“, es stimme aber 18 oder 19 Jahre, so überzeugt das nicht. Denn ihre lesbische Veranlagung soll den Grund für ihre Ausreise aus Uganda darstellen. Andererseits muss dann auch erwartet werden, dass sie die Grundumstände ihrer Sexualität stimmig und plausibel darstellen kann. Die differierenden Altersangaben zum Bewusstwerden ihrer lesbischen Veranlagung (17 Jahre, 17/18 Jahre, es stimme aber 18 oder 19 Jahre) unterstreichen, dass die Klägerin etwas behauptet, was nicht zutrifft.
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Auch der Umstand, dass ihr ein Onkel die Ausreise ermöglicht habe, obwohl dieser Homosexualität strikt ablehne, ist unplausibel. Ihre Erklärung hierfür, dass dieser nicht gewollt habe, dass seine verstorbene Schwester ohne Nachkommen bleibe, wirkt konstruiert und aufgesetzt. Schließlich wirkt es auch nicht plausibel, dass die Klägerin angeblich zwei Jahre in Tschechien festgehalten worden sein soll, ihr dann aber von dort die Flucht gelungen sei. Die von ihr geschilderten Umstände ihrer Flucht – Entwenden des Telefons eines Entführers – Anruf bei einer Freundin in Deutschland – sind unlogisch. Wenn die Klägerin über zwei Jahre gefangen gehalten worden sein will, so ist es nicht nachvollziehbar, dass sie sich nicht an die Polizei wendet, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Schließlich ist es nicht nachvollziehbar und unlogisch, dass ihre Entführer der Klägerin das Notizbuch belassen haben, in dem sich angeblich die Telefonnummer ihrer Freundin befand. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wie eine Bekannte aus Deutschland der Klägerin bei einer Reise von Tschechien nach Deutschland geholfen haben soll. Insgesamt wirkt dieser Vortrag völlig unplausibel und frei erfunden.
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b) Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft vortragen können, lesbisch zu sein.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Die Gefahr muss zudem konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179, juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt nicht schon dann vor, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist (OVG NRW, B.v. 15.9.2003 – 13 A 3253/03.A – juris). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat gleichwertig ist mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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Die Syphilis-Infektion der Klägerin ist nach den vorgelegten ärztlichen Attesten ausgeheilt und sollte lediglich überwacht werden. Für das Vorliegen einer aktuell behandlungsbedürftigen Erkrankung ist weder etwas konkret vorgetragen noch ansonsten ersichtlich.
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d) Es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnten. Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid vom ... Mai 2023 verwiesen (§ 77 Abs. 2 Asylgesetz/AsylG).
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Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich lesbisch veranlagt sei, kann sie ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Im Übrigen kann sie hierfür – landesüblich – auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom … Mai 2023 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.