Titel:
Nachbarklage, Unbeplanter Innenbereich, Gemengelage, Gebot der Rücksichtnahme, Heranrückende Wohnbebauung, Beabsichtigte Wiederaufnahme eines landwirtschaftlichen Betriebs
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4
BauNVO § 6
BayBO Art. 5
BayBO Art. 47
Schlagworte:
Nachbarklage, Unbeplanter Innenbereich, Gemengelage, Gebot der Rücksichtnahme, Heranrückende Wohnbebauung, Beabsichtigte Wiederaufnahme eines landwirtschaftlichen Betriebs
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15699
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, mit der sie eine den Beigeladenen durch den Antragsgegner erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage angefochten hat.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNrn. 72, 72/1, 72/2, 76, 84 und 89 Gem. H. … (alle im Folgenden genannten Grundstücke sind in dieser Gemarkung gelegen). Grundstücke FlNrn. 72 und 72/1 sind u.a. mit einem Wohnhaus bebaut. Bei Grundstück FlNr. 72/2 handelt es sich um ein Weggrundstück. Bei den übrigen im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke handelt es sich um Wiesenflächen.
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Südlich der Grundstücke FlNr. 72 und 72/1, durch eine Stichstraße (FlNr. 26/2) getrennt, befindet sich das Vorhabengrundstück, FlNr. 25. Mit am 26. September 2022 beim Antragsgegner eingegangen Antrag begehrten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage auf dem Vorhabengrundstück. Die Gemeinde erteilte mit Beschluss vom 6. September 2022 ihr Einvernehmen. Das Vorhaben befinde sich im unbeplanten Innenbereich und füge sich im dortigen faktischen Mischgebiet nach der Art der baulichen Nutzung ein. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2022 teilte der Antragsgegner den Beigeladenen jedoch mit, dass sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung derzeit nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. In Absprache mit den Beigeladenen wurde das Genehmigungsverfahren daher bis zur Fertigstellung des Rohbaus der Wohnhäuser auf den südlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücken ruhend gestellt.
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Unter dem 5. Januar 2023 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Teilbaugenehmigung. Diese erteilte der Antragsgegner sodann mit Bescheid vom 24. Januar 2023, welcher Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Klage (M 1 K 23.899) samt Eilantrag (M 1 SN 23.900, abgelehnt mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. Juni 2024) der Antragstellerin vom 27. Februar 2023 ist.
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Nach Fertigstellung des Rohbaus auf dem Nachbargrundstück erteilte der Antragsgegner sodann unter dem 19. Juli 2023 die streitgegenständliche Baugenehmigung „Neubau eines Bürogebäudes mit Tiefgarage“. Es liege kein Bebauungsplan vor, das Vorhabengrundstück befinde sich im Innenbereich. Das Gebiet sei aktuell überwiegend von Wohnbebauung geprägt, so befänden sich im Norden sowie Westen mehrere Wohngebäude. Auch auf dem südlich gelegenen Grundstück entstehe derzeit Wohnbebauung, zudem werde dort ein Kindergarten gebaut. Daneben befänden sich in dem Gebiet eine Gaststätte mit Tanzveranstaltungen und Beherbergung (FlNr. 28), ein Landmaschinenhandel (FlNr. 24), ein Tattoostudio (Vorhabengrundstück), ein Friseursalon (FlNr. 19/5), ein kleineres Lebensmittelgeschäft inkl. Postfiliale (FlNr. 19) sowie eine Steuerkanzlei (FlNr. 24). Insbesondere die Wirkung des „Tanzcafes“ und des Landmaschinenhandels schlössen eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus. Eine landwirtschaftliche Nutzung „der unter 1.1 aufgeführten Grundstücke“ finde gemäß einer Baukontrolle vom 14. Oktober 2022 schon seit mehreren Jahren nicht mehr statt, sodass mangels landwirtschaftlicher Prägung kein faktisches Dorfgebiet oder dörfliches Wohngebiet vorliege. Es komme demzufolge nur eine Einstufung als faktisches Mischgebiet in Betracht. Dort sei das Bürogebäude nach seiner Art der Nutzung zulässig. Auch nach dem Maß der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben in die nähere Umgebung ein. Es falle sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Kubatur geringer aus als die Bebauung auf den nördlich gelegenen Grundstücken. Zusammen mit dem Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück entstehe ein Übergang zu der nochmals niedrigeren Bebauung auf den FlNr. 72 und 72/1. Die Erschließung erfolge über die ausreichend breite Stichstraße (FlNr. 26/2), wobei die Straße direkt in die Tiefgaragenabfahrt münde. Die Fahrgassenbreite vor den oberirdischen Stellplätzen 24 und 25 betrage mehr als 6 m und sei daher bei einer Stellplatzbreite von 2,5 m ausreichend. Das Einparken dürfe hier auch rückwärts oder in mehreren Zügen erfolgen.
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Gegen diesen ihrer Prozessbevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 26. Juli 2023 zugestellten Bescheid hat die Antragstellerin am 25. August 2023 Klage (M 1 K 23.4247) erhoben und zugleich im Wege des Eilrechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Die Zufahrtsstraße sei aufgrund ihres Gefälles von 7% ungeeignet und mit einer Breite von ungefähr 3 m zu schmal um Begegnungsverkehr zu ermöglichen, es bestünden auch keinerlei Ausweichmöglichkeiten, abgesehen von den Grundstücken der Antragstellerin selbst. Die Tiefgarage sei daher nur unter Mitnutzung erheblicher Flächenanteile ihrer Grundstücke zu erreichen. Hierzu liege eine privatrechtliche Vereinbarung nicht vor. Schwierig gestalte sich zudem die Anfahrt zu den oberirdischen Stellplätzen 24 und 25, weil wegen des spitzwinklingen Verlaufs ein Einbiegen nicht möglich sei. Auch hier käme es zwangsläufig zu einem Ausweichen und Wenden zulasten der Grundstücke der Antragstellerin. Gleiches gelte für die Einfahrt von der H. Straße in die Stichstraße. Eine Feuerwehranfahrtsmöglichkeit fehle ebenfalls. Auch könnte ein mit der Umnutzung des Bestandsgebäudes verbundener erhöhte Stellplatzbedarf nicht erfüllt werden, was die bereits angespannte Stellplatzsituation zusätzlich verschärfen würde. Die Rigolenentwässerung verstoße gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot. Diese sei zu grenznah und zu unterdimensioniert geplant. Aufgrund des Gefälles des Vorhabengrundstücks nach Osten hin von 6-7% werden die Liegenschaften der Antragstellerin bei Starkregen Schaden erleiden. Der oberflächige beziehungsweise der interflow Abfluss werde die Grundstücke der Antragstellerin mit den Flurnummern 72 und 76 negativ beeinflussen. Die fehlende Rücksichtnahme zeige sich auch an der kürzlich vorgenommenen Erneuerung und Erweiterung des Daches des Garagennebengebäudes der Beigeladenen. Es werde Dachwasser von ca. 85 m² Dachfläche auf die öffentliche Straße und im weiteren Verlauf die Grundstücke der Antragstellerin abgeleitet. Daraus folge, dass das Bestandsgebäude samt Nebengebäude in die gesamte Abwasserplanung einzubeziehen sei. Zudem befinde sich auf dem Vorhabengrundstück im östlichen Teil ein Schmutzwasserpumpwerk der Stadt … … mit den dazugehörigen Zu- und Ableitungen. Die Schutzwasserableitung verlaufe an den Stellen, an welcher die Tiefgarage samt Zufahrt gebaut werden solle. Die Leitungen selbst, sowie der Zugang zwecks späterer Wartung und Reparatur werde unmöglich. Die Baupläne kreuzten diese Infrastruktur und sehen eine Verlegung in die Grundstücke der Antragstellerin, FlNrn. 72 und 76, vor. Eine entsprechende Vereinbarung sei nicht gegeben, obwohl sich die Planung in das Grundstück der Antragstellerin hinein erstrecke. Zudem seien aufgrund der Heranrückens an das landwirtschaftliche Anwesen der Antragstellerin Betriebsbeschränkungen zu befürchten. Es sei geplant, auf FlNr. 89 einen Hühnerstall einzurichten, sowie Schafe auf ihren Grundstücken zu halten. Es sei auch zu erwarten, dass Haustiere wie Hunde und Katzen auf den landwirtschaftlichen Flächen herumstreunen und eine ordentliche Nutzung aus hygienischen Gründen nicht mehr gewährleistet werden könne. Der Sohn der Antragstellerin habe seit 1994 die Grundstücke bzw. Teilflächen der Flurstücke Nrn. 72, 76, 84 und 89 gepachtet und dort eine Freiland-Mutterschaf-Haltung betrieben. Alle diesbezüglichen Gebäude seien nach wie vor vorhanden. Der Beitrag für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für alle Flächen werde bis heute ordnungsgemäß abgeführt. Der landwirtschaftliche Betrieb sei 2005 erfolgreich geprüft worden. Der Enkel der Antragstellerin absolviere seit dem Wintersemester 2023/2024 den Studiengang „Ökologisches Ressourcenmanagement“, um künftig den landwirtschaftlichen Betrieb fortzuführen. Die GRZ könne nicht überprüft werden, weil eine detaillierte Berechnung nicht vorliege. Die Skizze „Ergänzung zum Einfügungsnachweis“ sei irreführend, weil nicht das Gebäude mit der Hausummer 79 als nächstgelegenes Gebäude zum Planobjekt vergleichend dargestellt werde. Damit seien die Bauunterlagen zu unbestimmt. Hinzu komme die Höhe der geplanten Bebauung, die erdrückende Wirkung entfalte. In der Umgebung finde sich, mit Ausnahme der Bebauung im Bereich des Bebauungsplans Nr. 101, nur eine Bebauung mit Erdgeschoss, einem Stockwerk und Kniestock. Das Bauvorhaben füge sich an Ort und Stelle auch nicht ein. Gerade wegen des Maßes der baulichen Nutzung, aber auch wegen der Art der Nutzung, die nichts mehr mit dörflichem Charakter zu tun habe, sei der Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin verletzt. Nordwestlich des Klinikbereichs lebten auf einer fünffach so großen Fläche maximal 200 Personen. Nördlich des Baugrundstücks sei die Bebauung viel lockerer und vergleichsweise niedrig. Das Vorhaben überrage in der Höhe alle bestehenden Gebäude um ungefähr 5 m und stelle damit einen Fremdkörper dar, der die gewachsene Dorfstruktur zerstöre.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Eine erdrückende Wirkung des Vorhabens scheide schon deswegen aus, weil das streitgegenständliche Vorhaben zu den Grundstücken der Antragstellerin die Abstandsflächen einhalte. Zudem seien die Gebäude mindestens ca. 20 m voneinander entfernt. Der Erschließung komme weder drittschützende Wirkung zu, noch sei diese überhaupt problematisch, insbesondere, weil die Stichstraße direkt in die Tiefgarageneinfahrt münde. Die Fahrgassenbreite vor den Stellplätzen 24 und 25 betrage mehr als 6 m und sei daher für eine Stellplatzbreite von 2,5 m ausreichend. Die Entwässerung über Rigolen werde als plausibel erachtet.
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Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
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Unter dem 28. September 2023 erteilte der Beklagte eine Änderungsgenehmigung zur Teilbaugenehmigung vom 24. Januar 2023 betreffend die Prüfung des Brandschutznachweises, welche die Antragstellerin in ihre Klage (M 1 K 23.899) gegen die Teilbaugenehmigung einbezogen hat.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten, auch jeweils in den Verfahren M 1 K 23.4247, M 1 K 23.899 und M 1 SN 23.900 Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 19. Juli 2023 gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Danach fällt die Interessenabwägung zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus, weil die in der Hauptsache erhobene Klage keinen Erfolg haben wird.
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Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt sich, dass Nachbarn eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie durch die Genehmigung in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind. Zudem kann ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im jeweiligen Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren.
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Dies zugrunde gelegt, wird die Klage in der Hauptsache nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben, denn die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung nachbarschützender Normen, die Gegenstand des Prüfprogramms des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO waren, berufen.
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1.1 Streitgegenstand des zugrundeliegenden Hauptsacheverfahrens bildet die Baugenehmigung „Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage“ vom 19. Juli 2023. Deren Regelungsgehalt ist durch Auslegung nach den auf öffentlich-rechtliche Willenserklärungen entsprechend anzuwendenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Maßgebend ist der erklärte Wille der Behörde, wie er bei objektiver Würdigung vom Standpunkt des Adressaten zu verstehen ist. Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts der Baugenehmigung sind in erster Linie die Bezeichnung und die Regelungen im Baugenehmigungsbescheid einschließlich der in Bezug genommenen Bauvorlagen und weiteren Unterlagen, aber auch sonstige den Beteiligten bekannte oder erkennbare Umstände heranzuziehen (BayVGH, B.v. 31.08.2016 – 8 ZB 15.5 – BeckRS 2016, 51767 – Rn. 9).
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Danach ergibt sich, dass der Bescheid vom 19. Juli 2023 die baurechtliche Genehmigung des Gesamtvorhabens „Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage“ samt Errichtung einer Tiefgarage regelt und damit die Teilbaugenehmigung vom 24. Januar 2023 gegenstandslos geworden ist. Als Vorhaben wird im Bescheid vom 19. Juli 2023 das Gesamtvorhaben mit „Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage“ bezeichnet und nicht bloß die Errichtung eines Bürogebäudes. Ausweislich des Tenors (dort A.) wird der Bauantrag nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen im vereinfachten Verfahren genehmigt. Zudem nimmt der Tenor (dort B.) explizit Bezug auf die Auflagen zur Teilbaugenehmigung vom 24. Januar 2023 und ordnet an, dass diese entsprechend gelten. Einer solchen Anordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Baugenehmigung nicht auch die Errichtung der Tiefgarage umfassen sollte. Etwas Gegenteiliges, etwa ein Hinweis darauf, dass die Errichtung der Tiefgarage bereits mit Teilbaugenehmigung vom 24. Januar 2023 genehmigt worden sei, ergibt sich aus den Gründen der Baugenehmigung nicht. Vielmehr ist der Wille des Antragsgegners, mit der Baugenehmigung vom 19. Juni 2023 das gesamte Bauvorhaben einschließlich der Errichtung der Tiefgarage zu genehmigen, auch an den Hinweisen zur Baugenehmigung zu ersehen, insbesondere soweit diese den Baubeginn der Tiefgarage betreffen. Dass die – bereits mit Erlass der Teilbaugenehmigung am 24. Januar 2023 gestempelten – Eingabepläne der Tiefgarage bei Erteilung der Baugenehmigung nicht mit dem Genehmigungsstempel und dem Datum des Bescheidserlasses der Baugenehmigung (erneut) versehen worden sind, vermag den im Bescheidstext selbst erklärten Willen des Antragsgegners nicht entscheidend in Frage zu stellen. Hinsichtlich des im Nachgang erteilten „Änderungsbescheids zur Teilbaugenehmigung“ bedarf es im Rahmen der vorliegenden Nachbarklage indes keiner abschließenden Klärung, ob diese womöglich als Änderungsbescheid zur streitgegenständlichen Baugenehmigung auszulegen ist – denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, ergäbe sich hieraus keine Verletzung nachbarschützender Rechte der Antragstellerin.
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Die Baugenehmigung ist nicht zulasten der Antragspartei unbestimmt. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Genehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich dabei nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 9 ZB 19.1400 – juris Rn. 8 m.w.N.). Die Antragspartei hat vorgetragen, dass die Bauunterlagen unvollständig seien, weil hinsichtlich der Berechnung der Grundflächenzahl detaillierte Informationen nicht ersichtlich seien und der Einfügenachweis einzig die südlich gelegene Bebauung darstelle, nicht jedoch die direkt nördlich angrenzende Bebauung auf den Grundstücken der Antragspartei. Diese Informationen sind jedoch nicht erforderlich, um hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung eine Verletzung von Nachbarrechten zulasten der Antragspartei auszuschließen bzw. beurteilen zu können. Liegt, wie vorliegend, ein Bebauungsplan nicht vor, kommt eine Verletzung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nur insoweit in Betracht, als sich die Bebauung dem Nachbarn gegenüber als rücksichtlos darstellt. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage ist indes weder die Kenntnis der Grundflächenzahl erforderlich, noch eine Darstellung der Geschossigkeit der Anwesen der Antragspartei, die dieser im Übrigen selbst bekannt sein müsste. Relevant im Zusammenhang mit dem Rücksichtnahmegebot könnte insoweit alleine sein, ob das Vorhaben eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung gegenüber der Antragstellerin besitzt. Hierfür ist jedoch die Kenntnis der Höhe des Bauvorhabens sowie des Abstands der Gebäude voneinander, wie sie sich aus den Darstellungen in den Eingabeplänen (Ansicht Nord und Ost, sowie Schnitte bzw. Lageplan) ergeben bzw. herausmessen lassen, ausreichend.
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1.2 Das streitgegenständliche Vorhaben verletzt die Antragspartei im Hinblick auf die Art der Nutzung als Bürogebäude wohl nicht im grundsätzlich nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch. Im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, kann sich ein Nachbar (nur) dann auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, wenn sein Grundstück und das Vorhabengrundstück in einem (gemeinsamen) sog. faktischen Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. den Regelungen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) gelegen sind, weil die Eigenart der näheren Umgebung einer der dort genannten Baugebiete entspricht (BVerwG, B.v. 2.8.1998 – 4 B 79.98 – BauR 1999, 32). Das ist vorliegend wohl nicht der Fall. Nach der im Eilverfahren erforderlichen – aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung auf Grundlage der Akten sowie der im Bayernatlas und bei Googlemaps, sowie G. E. enthaltenen Informationen dürfte es sich bei der näheren Umgebung wohl um eine sog. Gemengelage handeln, weil die Eigenart der näheren Umgebung ihrer Art der Nutzung nach keinem der in der Baunutzungsverordnung geregelten Baugebiete faktisch entspricht. Die Zulässigkeit des Vorhabens ist daher nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. In diesem Falle steht der Antragspartei hinsichtlich der Frage des Einfügens nach Art der baulichen Nutzung allein das Gebot der Rücksichtnahme zur Seite.
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Gemäß der o.g. Informationen findet sich entlang der H. Straße im Abschnitt zwischen Einmündung A.straße im Norden und den Straßen Am K./S. straße im Süden weit überwiegend Wohnbebauung. Daneben finden sich im näheren Umgriff des Vorhabengrundstücks, westlich der H. Straße – der wohl im Hinblick auf ihre geringe Breite und Verkehrsbedeutung eine trennende Wirkung nicht zugeschrieben werden kann -ein Frisörsalon, ein kleines Lebensmittelgeschäft samt Postfiliale, eine Steuerberaterkanzlei, ein kleines Tattoostudio, ein Landmaschinenhandel sowie ein Tanzcafé samt Beherbergungsbetrieb. Auf dem Grundstück der Antragstellerin befindet sich, wie aus den bei G. E. verfügbaren Lichtbildaufnahmen hervorgeht, ein Gästehaus (s. Hinweisschild „Gästehaus W.“). Dabei bedarf es für das vorliegende Eilverfahren keiner abschließenden Beurteilung, wie weit die hinsichtlich der Art der Nutzung relevante „nähere Umgebung“ (im Sinne einer sich gegenseitig prägenden Bebauung) vorliegend zu ziehen ist. Denn selbst wenn man hierfür einen weiteren räumlichen Bereich als relevant erachtete, als der sich aus den unmittelbaren Umgriff des Vorhabengrundstücks ergebende Bereich westlich und östlich der H.Straße ab der Höhe von FlNr. 19/5 im Süden bis zur Höhe der FlNr. 63 im Norden, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Im weiteren Bereich findet sich, soweit anhand o.g. Informationen ersichtlich, ausschließlich Wohnbebauung. Die nähere Umgebung ist damit hinsichtlich der vorhandenen Nutzungsarten überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Bei dem Frisörsalon, dem „Kramerladen“ samt Postfiliale, dem Gästehaus, dem Beherbergungsbetrieb und dem Tattoostudio handelt es sich jeweils im Nutzungen, die ebenfalls in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO (ausnahmsweise) zulässig wären. Dies wäre auch für die Steuerberatungskanzlei zu bejahen, sofern es sich lediglich um Räume handelte, s. § 13 BauNVO. Nicht einem Wohngebiet zulässig aufgrund des Störgrads wären das wohl als Vergnügungsstätte zu qualifizierende Tanzcafé und wohl auch der Landmaschinenhandel. Die Annahme eines faktischen Mischgebiets scheitert jedoch daran, dass es an einem gleichwertigen und gleichgewichtigen Nebeneinander von Wohnen und das Wohnen nicht störendem Gewerbe, wie es für ein Mischgebiet gerade typisch ist (BayVGH, B.v. 30.04.2020 – 15 ZB 19.1349 – juris Rn. 8) offensichtlich fehlt, vielmehr besteht ein deutliches Übergewicht der Wohnnutzung. Die nähere Umgebung ist daher vielmehr als eine Gemengelage einzustufen, die deutlich durch Wohnnutzung geprägt ist.
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Dass sich das streitgegenständliche Vorhaben zur Errichtung eines Bürogebäudes in dieser Umgebung hinsichtlich seiner Art der Nutzung als rücksichtslos darstellt, ist angesichts des geringen Störpotentials, das mit einer Büronutzung einhergeht, fernliegend. Insbesondere kann dem Vorbringen der Antragspartei nicht gefolgt werden, dass eine solche Nutzung ihrer Art nach mit dem „dörflichen Charakter“ der Umgebung nicht vereinbar sei, die „ländlich geprägt“ sei. Mangels aktiver landwirtschaftlicher Betriebe (zur Frage, ob bei der Antragstellerin ein aktiver landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, s.u. 1.3.1) handelt es sich hier, was auch von der Antragstellerseite nicht behauptet wird, nicht um ein faktisches Dorfgebiet. Im Übrigen ist weder der Zustand „ländlicher Prägung“ ein Begriff im Sinne des Bauplanungsrechts noch überhaupt erkennbar, weshalb sich ein Bürogebäude in dieser Umgebung, in der bereits ein Landmaschinenhandel und ein Tanzcafe vorhanden sind, als rücksichtslos gegenüber der Antragstellerin erweisen soll.
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1.3 Auch in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung geht von dem Vorhaben keine Verletzung von Rechten der Antragstellerin aus.
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Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, § 16 BauGB, gilt, dass dieses im unbeplanten Innenbereich nicht per se, sondern nur insoweit Drittschutz vermittelt, als durch ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, d.h. insoweit, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dies gilt für diejenigen (Ausnahme) Fälle, in denen – erstens – die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist, und – zweitens – eine besondere Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist. Die Schutzwürdigkeit, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen.
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1.3.1 Eine heranrückende Wohnbebauung bzw. eine sonstige heranrückende immissionsempfindliche Nutzung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden (insbes. landwirtschaftlichen) Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb aufgrund der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 28 m.w.N.).
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Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots unter dem Aspekt der heranrückenden Wohnbebauung scheidet vorliegend jedoch schon deswegen aus, weil die Antragstellerin schon nicht vorgetragen hat, selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb zu unterhalten. Hierfür ist im Übrigen, zumal im Hinblick auf ihr hohes Lebensalter, auch nichts ersichtlich. Soweit vorgetragen wurde, dass der Sohn der Antragstellerin 0,88 ha der Wiesenfläche als Grünland (lt. „Anlage zum Beitrags- und Veranlagungsbescheid vom 31.7.2023“, Anlage ASt 09) gepachtet habe und plane, auf den landwirtschaftlichen Flächen der Antragstellerin einen Hühnerstall zu errichten und Schafe zu halten, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zum einen kommt es auf bloße Absichten landwirtschaftlicher Nutzung nicht an (ausführlich hierzu: BVerwG, B.v. 5.9.2000 – 4 B 56/00 – NVwZ-RR 2001, 82). Zum anderen besteht derzeit auch hinsichtlich des Sohnes der Antragstellerin kein landwirtschaftlicher Betrieb, da hierfür eine Grünfläche von 0,88 ha offensichtlich nicht ausreicht.
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1.3.2 Auch im Hinblick auf den von der Antragstellerin vorgetragenen Höhenunterschied des Vorhabens im Vergleich zu ihren Anwesen, der danach ca. 5 m betragen soll, ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
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Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Als Beispiele für eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung sind zu nennen ein zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus oder eine grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet im Sinne einer Indizwirkung in aller Regel aber bereits dann aus, wenn – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten werden. Denn in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das diesbezügliche Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat. Im Übrigen ist die Annahme einer erdrückenden Wirkung bei einem Höhenunterschied von 5 m auf eine Entfernung der Gebäude zueinander von ca. 20 m schon von vornherein fernliegend.
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1.3.3 Schließlich ergibt sich auch durch die vorgesehene Schmutz- und Oberflächenentwässerung keine Verletzung der Rechte der Antragspartei durch die streitgegenständliche Baugenehmigung. Denn diese ist schon kein Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO, weswegen die entsprechenden Bauunterlagen auch keinen Genehmigungsstempel der Bauaufsichtsbehörde tragen.
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1.4 Die Erschließung des Vorhabens stellt sich ebensowenig in nachbarrechtsrelevanter Weise als rechtswidrig dar.
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Mit dem Erfordernis der Erschließung (§ 34 Abs. 1 BauGB) soll insgesamt berücksichtigt werden, dass ein Mindestmaß an Zugänglichkeit der Grundstücke für Kraftfahrzeuge, und zwar nicht nur des Nutzers, sondern auch von öffentlichen Zwecken dienenden Fahrzeugen, wie z.B. die der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung, erfüllt wird (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 152. EL Oktober 2023, § 30 Rn. 42, 147. EL 2022). Dieses Erfordernis dient jedoch grundsätzlich nur öffentlichen Interessen; es hat keine nachbarschützende Funktion (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 14 m.w.N.).
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Ein – sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebendes – Abwehrrecht des Nachbarn ist in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Erschließung eines Bauvorhabens nur für den Fall anerkannt, dass eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts, § 917 Abs. 1 BGB, bewirkt (BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – juris). Die Bejahung der gesicherten Erschließung hätte privatrechtsgestaltende Wirkung, wenn sie ein Notwegerecht zu Lasten des Grundstücks der Klägerin entstehen ließe und damit die „ordnungsgemäße Benutzung“ der Vorhabengrundstücke im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz BGB feststünde. Einem Eigentümer wäre in einem Zivilprozess das Berufen auf die damit einhergehende Eigentumsverletzung abgeschnitten. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher zu prüfen, ob der Beigeladene auf ein Notwegerecht angewiesen ist.
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Ein solches Notwegerecht, auch nicht in Form eines ergänzenden Notwegerechts, zulasten der Antragstellerin wird durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht ausgelöst, weil die Erschließung über die im öffentlichen Eigentum stehende Stichstraße erfolgen soll. Soweit die Antragstellerin darauf Bezug nimmt, dass das Einfahren in diese Straße sowie das Beparken von Stellplätzen die faktische Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücksflächen zur Folge hätte, ist sie, abgesehen von der Möglichkeit, das Befahren ihrer Grundstücke durch Zäune o.ä. zu verhindern, auf die Mittel des Privatrechts zu verweisen.
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1.5 Auch ergibt sich zulasten der Antragstellerin keine Rechtsverletzung daraus, dass die Zufahrt womöglich die Anforderungen des Art. 5 BayBO an den Zugang für die Feuerwehr nicht erfüllt. Diese Anforderungen sind weder Gegenstand des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO (es handelt sich bei dem Vorhaben zweifelsohne nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO), noch kommt ihnen drittschützende Wirkung zu. Sie dienen allein dem Interesse der Bewohner und Benutzer des jeweiligen Baugrundstücks an einer raschen und wirksamen Brandbekämpfung vor Ort (s.a. Strohhäker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Rn. 1 zu Art. 5).
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1.6 Was den im Nachgang zur Baugenehmigung unter dem 28. September 2023 erlassenen Bescheid, der vom Antragsgegner mit „Änderungsbescheid zur Teilbaugenehmigung“ bezeichnet ist, angeht, so kann für das vorliegende Nachbarstreitverfahren dahinstehen, ob der Antragsgegner den Bescheid als (weitere) Teilbaugenehmigung erlassen konnte (wogegen zumindest der Wortlaut von Art. 70 Satz 1 BayBO – Gestattung „vor Erteilung der Baugenehmigung“ – spricht) oder dieser womöglich als Änderungsbescheid zur hier streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 19. Juli 2023 ausgelegt werden kann. Denn selbst wenn es sich hierbei um einen eigenständigen Bescheid handelte, ergäbe sich hieraus keine Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin. Der Bescheid hat allein die geänderte Prüfung des Brandschutznachweises zum Gegenstand und damit offensichtlich keine Belange, die (zumindest auch) dem Schutze eines benachbarten Dritten zu dienen bestimmt sind (Shirvani in Busse/Kraus, BayBO, 153. EL Januar 2024, Rn. 22 zu Art. 62).
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1.7 Es bedarf schließlich keiner Erörterung, ob für das Vorhaben die erforderlichen Stellplätze nachgewiesen werden können, weil die Stellplatzpflicht (Art. 47 BayBO) keinen Drittschutz vermittelt. Die Pflicht des Bauherrn, Stellplätze zu schaffen, soll verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet wird. Die Stellplatzpflicht dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen (BayVGH, B.v. 23.12.2013 – 15 CS 13.1445 – juris Rn. 27). Sofern Stellplätze der Antragstellerin oder deren Grundstück durch die Beigeladenen genutzt würden, wäre die Antragstellerin auf den Privatrechtsweg zu verweisen.
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2. Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen und der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen, § 154 Abs. 1 VwGO. Hierbei entsprach es der Billigkeit i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO, die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil diese mangels eigener Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen sind, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.