Inhalt

VG München, Urteil v. 12.06.2024 – M 1 K 20.1818
Titel:

Vorbescheid für Pensionspferdehaltung im Außenbereich – Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 36
BayBO Art. 67, Art. 71
Leitsätze:
1. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht daher nicht aus, dass das Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Tatbestandsmerkmal „dienen“ fordert keine betriebswirtschaftliche Risikominimierung, sondern sichert die funktionelle Beziehung zur landwirtschaftlichen Bodennutzung. Daran fehlt es nicht schon, wenn ein Vorhaben mit betrieblichen (Kosten-)Risiken verbunden ist, sondern erst dann, wenn solche Risiken in einem klaren Missverhältnis zu den angestrebten betrieblichen Vorteilen stehen, ihre Übernahme also aus Sicht eines vernünftigen, auch Innovationen gegenüber aufgeschlossenen Landwirts „unvernünftig“ erscheint. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage einer Gemeinde gegen Ersetzung des Einvernehmens, Vorbescheid für Pensionspferdestall, Dienende Funktion im Rahmen der landwirtschaftlichen Privilegierung (verneint), Bauvorbescheid, Ersetzung gemeindlichen Einvernehmens, Außenbereich, landwirtschaftlicher Betrieb, Pensionspferdehaltung, dienende Funktion, Wirtschaftlichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15695

Tenor

I.    Der Vorbescheid des Landratsamts R. vom 9. April 2020 wird aufgehoben.
II.    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens bei Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids an die Beigeladenen.
2
Die Beigeladenen bewirtschaften einen Nebenerwerbsbetrieb mit Mutterkuhhaltung und Direktvermarktung. Sie sind neben weiteren Flächen auch Eigentümer des Grundstücks FlNr. …1 Gem. G. … (Vorhabengrundstück), das zum Gemeindegebiet der Klägerin gehört. Dieses ist mit einem Stadel bebaut. Der Beigeladene zu 2 ist gelernter Maurermeister und Tiefbautechniker und tätig als geschäftsführender Gesellschafter eines Bauunternehmens.
3
Unter dem 28. Juni 2018 beantragten die Beigeladenen über die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids für den Abriss einer bestehenden Feldhütte und die Neuerrichtung eines Stallgebäudes für Pensionspferdehaltung auf dem Vorhabengrundstück. Ausweislich der zuletzt eingereichten Pläne vom 3. Juli 2018 misst das Gebäude (E + D) 8,02 m auf 12,24 m und hat eine Firsthöhe von 6,33 m. Es sollen zwei Pferde in Pferdeboxen auf einer Fläche von insgesamt 21,58 m² untergebracht werden. Ferner sind ein Quergang von 22 m², ein Lagerbereich für Futtermittel von 22,87 m², eine Sattelkammer von 12,13 m² und eine Lagerfläche für Sägespäne von 9,44 m² geplant. Im südlichen Gebäudeteil ist eins Miststatt von 20 m² vorgesehen. Westlich des Gebäudes soll ein eingezäunter Auslauf von 231,6 m² errichtet werden, nördlich eine befestigte Einfahrt von 180 m².
4
Der Gemeinderat der Klägerin entschied in seiner Sitzung am 7. August 2018, dem Vorhaben das Einvernehmen nicht zu erteilen. Es stelle sich die Frage der Privilegierung des Vorhabens und die der städtebaulichen Verträglichkeit. Es erschlösse sich kein Bedarf für die Ansiedelung einer Pferdehaltung 8 km vom eigentlichen Hofstandort entfernt. Dies könne auch im Umfeld des landwirtschaftlichen Anwesens untergebracht werden und wäre damit praktikabler.
5
Nach Erhalt der Bauantragsunterlagen bat das Landratsamt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten R.(im Folgenden: AELF) um Stellungnahme zu der Frage der Privilegierung.
6
Unter dem 15. Oktober 2018 äußerte sich das AELF zustimmend zum Vorhaben. Die Beigeladenen bewirtschafteten einen Betrieb mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von 16,42 ha und hielten gegenwärtig 20 Kühe, zwei Kälber und 33 Jungrinder. Die nach dem Bau des beantragten Vorhabens verfügbare Auslauf- und Weidefläche betrage 2100 m², hier könnten zwei Kleinpferde mit einer Widerristhöhe von bis zu 1,48 m gehalten werden. Der zweckmäßige, sinnvoll geplante Offenstall erfülle die Mindestanforderungen der Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Beurteilung von Pensionspferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten. Der in den Planungen noch fehlende Sanitärraum werden von den Beigeladenen mit einer Campingtoilette errichtet. Der Stall liege auf dem Fahrweg des Beigeladenen zu 2 nach Bad E. zu seiner anderen Arbeitsstelle und zu anderen Weideflächen, sodass die bei der Pferdehaltung anfallenden Arbeiten von den Beigeladenen erledigt werden könnten. Bei einem vorgesehenen Pensionspreis von 200 EUR je Pferd und Monat sei die wirtschaftliche Umsetzung der Baumaßnahme möglich. Die Beigeladene zu 1 müsse vor Erteilung einer Genehmigung eine Qualifikation zur Pferdehaltung nachweisen.
7
Ergänzend führte das AELF mit Schreiben vom 8. Februar 2019 aus, dass die Privilegierung auch damit begründet werde, dass der Standort des Stalles und die daran angrenzende benötigte Weidefläche im Eigentum des Beigeladenen zu 2 stünden. Die Haltung von Kleinpferden erfordere im Übrigen keine ständige Betreuung; insbesondere bei Vorratsfütterung sei kein wesentlicher Arbeitsaufwand zu erwarten. Die Beigeladene zu 1 stamme aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und habe schon seit ihrer Kindheit Erfahrung im Umgang mit Pferden. Die beabsichtigte Pferdehaltung könne unter Berücksichtigung der Haltungs- und Investitionskosten zu einer Erhöhung des Gewinns des landwirtschaftlichen Betriebes führen. Eine Tierhaltung an zwei verschiedenen Standorten sei nicht unüblich und werde bei einigen Betrieben im Landkreis praktiziert.
8
Die Beigeladene zu 1 legte dem Landratsamt mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 eine Teilnahmebestätigung eines Tierhaltungskurses Pferd des AELF F. vor.
9
Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 hörte das Landratsamt die Klägerin zur beabsichtigten Ersetzung des verweigerten Einvernehmens an.
10
In der Sitzung des Gemeinderates am 3. März 2020 hielt der Gemeinderat an der Verweigerung des Einvernehmens fest. Seit Jahrzehnten befasse man sich mit verschiedensten Baugesuchen für das Grundstück, das zuletzt überwiegend als Baustofflager für die Firma des Beigeladenen zu 2 und zur Unterbringung von Rindern in Boxen genutzt worden sei. Bis heute seien auf dem Vorhabengrundstück Bauteile vorhanden, die im Zuge der beabsichtigten und rechtskräftig abgelehnten Baugenehmigung für Rinderstall und Maschinenhalle errichtet worden seien.
11
Mit Bescheid vom 9. April 2020, der Klägerin am 23. April 2020 zugestellt, erteilte das Landratsamt den Beigeladenen einen Vorbescheid und entschied, dass das beantragte Vorhaben gemäß den eingereichten Unterlagen bauplanungsrechtlich zulässig ist (Bescheidsnr. 1). Das gemeindliche Einvernehmen wurde ersetzt (Nr. 2). Als Auflage wurde verfügt, dass zwei Kleinpferde mit einer Widerristhöhe von bis zu 1,48 m gehalten werden dürfen (Nr. 3), ferner ergingen Nebenbestimmungen zum Naturschutz. Seitens der Gemeinde seien keine Gründe vorgetragen worden, die die Versagung des Einvernehmens rechtfertigten. Das AELF habe in seiner Stellungnahme von 15. Oktober 2018 bestätigt, dass eine Privilegierung vorliege, wenn zwei Kleinpferde entsprechend der Auflage Nr. 3 gehalten würden. Der geforderte Pferdelehrgang sei absolviert worden.
12
Die Klägerin hat am 29. April 2020 durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage erheben lassen und beantragt,
13
Der Vorbescheid des Landratsamtes R. vom 9. April 2020, Az. … / R. …, wird aufgehoben.
14
Das gemeindliche Einvernehmen sei rechtswidrig ersetzt worden. Eine Pensionspferdehaltung mit zwei kleinen Pferden sei offensichtlich nicht privilegiert, sodass die Errichtung eines entsprechenden Stallgebäudes nicht rechtmäßig sei. Die Errichtung des Pferdestalls sei auch als sogenannte mitgezogene Nutzung zu dem bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde P. unzulässig. Bei einer Entfernung von etwa 8 km von dieser Hofstelle fehle es an der erforderlichen räumlichen Nähe und damit an einer Zuordnung des Stalles zu dem Betrieb. Ebenso wenig könne der erforderliche funktionale Zusammenhang mit dem Betrieb auch nur im Ansatz begründet werden. Das Vorhaben müsse durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt werden. Damit diese Zuordnung geben sei, sei gerade bei baulichen Anlagen auch eine räumliche Nähe zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe, vor allem der Hofstelle, erforderlich. An der Zuordnung fehle es, wenn es ohne weiteres in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle realisiert werden könne und der Alternativstandort für die Betriebsabläufe aufgrund der Nähe deutlich vorteilhafter wäre. Gerade bei Stallanlagen fehle es an einer (räumlich-)funktionalen Zuordnung, wenn diese nicht in unmittelbarer Nähe zu Hofstelle errichtet würden. Eine Pensionspferdehaltung zeichnet sich insbesondere durch den Kontakt zu den Kunden an Ort und Stelle aus, für diese sei es erforderlich, dass der Hofinhaber auch spontan greifbar sei. Dies sei aber um einiges besser gewährleistet, wenn sich der Pferdestall im Umgriff der Hofstelle befinde. Auch für die Gestaltung vorteilhafter Betriebsabläufe gelte dies. Ein vernünftiger Landwirt würde das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Hofstelle positionieren.
15
Der Beklagte beantragt
16
Klageabweisung.
17
Das Landratsamt sei vor dem Hintergrund der fachlichen Stellungnahme des AELF vom 15. Oktober 2018 von der Privilegierung ausgegangen. Auf diese sowie auf die Bescheidsgründe werde Bezug genommen. Das Stallgebäude für die Pensionspferdehaltung als neuer Betriebszweig innerhalb des bestehenden landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes sei dabei als Teil dieses Betriebes beurteilt worden.
18
Die Beigeladenen stellen
19
keinen Antrag.
20
Am 21. März 2023 ist mündlich verhandelt worden. Die Beteiligten haben sich mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
21
Das AELF nahm unter dem 21. Februar 2024 zu einer von den Beigeladenen neu vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 19. Dezember 2023 und einer Übersicht zu den bewirtschafteten Flächen erneut Stellung. Die dienende Funktion des Vorhabens könne nicht mehr angenommen werden. Durch den zwischenzeitlichen Umzug der Beigeladenen nach P. müssten nunmehr separate Fahrten zu dem Vorhaben unternommen werden. Es seien mindestens zwei Besuche täglich erforderlich. Die von den Beigeladenen nunmehr vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung, die einen Überschuss von 4.700 EUR ergebe, müsse korrigiert werden; es sei ein negativer Einkommensbeitrag zu erwarten.
22
Für den Vortrag im Übrigen und die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
23
Über die Klage konnte im Einverständnis mit den Beteiligten auf Grundlage vom § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden.
II.
24
Die zulässige Klage ist begründet.
25
Der Vorbescheid vom 9. April 2020, der die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Stallgebäudes für Pensionspferdehaltung auf dem Grundstück FlNr. … Gem. R. … feststellt, wird aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
26
1. Klagegegenstand ist der von der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 71 Satz 1 BayBO erteilte Bauvorbescheid. Dieser bildet mit der darin enthaltenen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens eine untrennbare Einheit. Das bedeutet, dass die Gemeinde, deren Einvernehmen zu Unrecht ersetzt worden ist, nicht die Ersetzung als solches, sondern den Vorbescheid anfechten muss (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand: 153. EL Januar 2024, Art. 67 Rn. 134).
27
2. Rechtsgrundlage für die Erteilung des Bauvorbescheides ist Art. 71 Satz 1 BayBO. Hiernach ist auf Antrag über einzelne Fragen des Bauvorhabens bereits vor Einreichung des Bauantrages ein Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben hinsichtlich der Fragestellung öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 71 Satz 4 BayBO).
28
Gegenstand des angegriffenen Bauvorbescheids ist die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen, auf dem Grundstück FlNr. …1 Gem. R. … ein Stallgebäude für Pensionspferdehaltung unter Abriss einer bestehenden Feldhütte zu errichten. Das Vorhaben der Beigeladenen ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Das Außenbereichsvorhaben ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert und als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig.
29
a) Das Vorhaben ist nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert.
30
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich u.a. dann zulassungsfähig, wenn es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient.
31
Zwar ist das Bestehen eines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs der Beigeladenen hier nicht ernstlich zweifelhaft. Dem Vorbescheidsvorhaben fehlt es jedoch an der dienenden Funktion.
32
aa) Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht daher nicht aus, dass das Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Dabei ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde, wobei hinzukommen muss, dass das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht. Die eigentliche Zweckbestimmung besteht darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können (BayVGH, U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2510 – juris Rn. 14). Die Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens kann zu verneinen sein, wenn es aus betriebsbezogenen Gründen – insbesondere unter Berücksichtigung sinnvoller betrieblicher Abläufe – von der räumlichen Lage abhängt, ob das Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ erfüllt ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten im Einzelfall. Die Forderung nach der betriebswirtschaftlich sinnvollen räumlichen Zuordnung einer dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden baulichen Anlage – i.d.R. zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe – verfolgt dabei keine Einschränkung bei der Standortwahl im Hinblick auf ggf. entgegenstehende oder beeinträchtigte öffentliche Belange, sondern zielt allein auf die funktionale Zuordnung der Betriebsteile zueinander (BayVGH, B.v. 8.6.2017 – 15 ZB 16.2504 – juris Rn. 13 m.w.N.).
33
Auf der Grundlage der von den Beigeladenen gemachten Angaben zum Betriebsablauf einschließlich der vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 19. Dezember 2023 ist eine dienende Funktion des Vorhabens nicht gegeben. Dies deckt sich im Übrigen mit der aktuellen fachlichen Einschätzung des AELF, das in seiner Stellungnahme vom 21. Februar 2024 die Privilegierung verneint.
34
(1) Das Vorhaben, das in ca. 30 km Entfernung zu der alten Hofstelle in … und ca. 8 km zur aktuellen Hofstelle in P. … gelegen ist, ist entsprechend den oben genannten Grundsätzen dem Betrieb nicht funktional zugeordnet. Denn die Haltung von zwei Pensionspferden kann ohne Weiteres in unmittelbarer Nähe der Hofstelle realisiert werden, und in Hofnähe wäre dies für die Betriebsabläufe deutlich vorteilhafter. Die Beigeladenen verfügen im Umgriff ihrer Hofstelle über ca. 7,5 ha Fläche (vgl. die vorgelegte Flächenaufstellung, S. 74 d. Gerichtsakte, dort unter den Nrn. 4-6 und 12-16). Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht möglich sein soll. Diese Annahme wird durch die in der mündlichen Verhandlung offenbar gewordene Tatsache bestätigt, dass die Beigeladenen – nach Beantragung des hier streitigen Vorbescheids – die Pferdehaltung auf ihrer alten Hofstelle aufnahmen. Auch an der neuen Hofstelle halten die Beigeladenen Pensionspferde (vgl. Stellungnahme der Beigeladenen vom 19. Dezember 2023). Zwar kann dem Vorhaben nicht abgesprochen werden, dass es auf einer im Eigentum der Beigeladenen stehenden Betriebsfläche errichtet wird. Gleichwohl kann die Nutzung des Vorhabens kaum sinnvoll in die Betriebsabläufe integriert werden. Die hier in Rede stehende Pferdehaltung erfordert laut AELF unter Einbeziehung des Fachzentrums für Pferdehaltung mindestens zwei Besuche täglich; dabei ist es mit der reinen Sichtkontrolle nicht getan, sondern es ist ein abendlicher Kontrollgang üblich, um die Unversehrtheit der Tiere und die korrekte Schließung von Türen und Toren vor der Nacht sicherzustellen (vgl. Stellungnahme des AELF v. 21.2.2024). Angesichts der gegebenen Fahrstrecke zwischen Hofstelle und Vorhaben ist es nicht ansatzweise ersichtlich und auch nicht dargetan, wie dies zu dem landwirtschaftlichen Betriebsablauf passt. Es erscheint im Übrigen für die Erledigung der anfallenden Arbeiten auch vernünftiger, Pferdehaltung an einem Standort zu bündeln, statt sie auf verschiedene Standorte aufzuteilen.
35
(2) Zu diesen Bedenken tritt hinzu, dass das Vorhaben wirtschaftlich nicht nur unrentabel ist, sondern ein negatives Ergebnis erwirtschaftet. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung und den fachlichen Ausführungen des AELF.
36
Bei der in Rede stehenden Pensionspferdehaltung handelt es sich nicht um die Neuaufnahme eines Nebenerwerbsbetriebs, sondern um einen neuen Betriebszweig im Rahmen des bestehenden Betriebs. Bisher führten die Beigeladenen einen Betrieb mit Mutterkuhhaltung und Direktvermarktung (vgl. Stellungnahme des AELF v. 15.10.2018). Zwar ist für einen Betriebszweig nicht zu fordern, dass er – wie der landwirtschaftliche Betrieb als solcher – selbst „ein auf Dauer gedachtes und wirtschaftlich lebensfähiges Unternehmen“ ist. Bei einem landwirtschaftlichen Betrieb sind vielmehr alle landwirtschaftlichen Betätigungen in den Blick zu nehmen, die das Unternehmen ausmachen, insbesondere ist es einem Landwirt nicht verwehrt, Überschüsse aus profitablen Betriebszweigen zur „Quersubventionierung“ einer weniger rentablen Sparte zu verwenden (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 4 C 7.04 – juris Rn. 14). Für die Sichtweise des vernünftigen Landwirts kann jedoch bedeutsam sein, ob die Kosten des Vorhabens in einem angemessenen Verhältnis zu den betrieblichen Vorteilen stehen. Das Tatbestandsmerkmal „dienen“ fordert keine betriebswirtschaftliche Risikominimierung, sondern sichert die funktionelle Beziehung zur landwirtschaftlichen Bodennutzung. Daran fehlt es nicht schon, wenn ein – unter Umständen innovatives – Vorhaben mit betrieblichen (Kosten-)Risiken verbunden ist, sondern erst dann, wenn solche Risiken in einem klaren Missverhältnis zu den angestrebten betrieblichen Vorteilen stehen, ihre Übernahme also aus der Sicht eines vernünftigen, auch Innovationen gegenüber aufgeschlossenen Landwirts „unvernünftig“ erscheint (OVG NRW, U.v. 27.9.2012 – 10 A 611/10 – juris Rn. 47).
37
Aus der vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beigeladenen ergibt sich, dass der neue Betriebszweig Verluste erwirtschaften würde.
38
Im Einzelnen legt das AELF plausibel dar, dass der Einkommensbeitrag, der durch das Vorhaben zu erwarten ist, – 535 EUR beträgt und damit einen Verlust erwirtschaftet würde. Die Beigeladenen sind dem substantiiertem Vorbringen nicht entgegengetreten. Konkret korrigiert das AELF den von den Beigeladenen angesetzten Pensionspferdepreis als Hauptertragsquelle von 7.200 EUR auf 4.800 EUR. Ferner werden höhere Kosten für die Abschreibung der Gebäude und deren Instandhaltung angesetzt, außerdem höhere Kosten für Stroh und Heu aufgrund höheren Bedarfs als von den Beigeladenen vorgesehen. Unter Berücksichtigung der Fahrtkosten für nur eine Fahrt täglich – die die Beigeladenen überhaupt nicht angesetzt haben –, ergibt sich das genannte negative Ergebnis in Höhe von – 535 EUR im Jahr. Hinzu träte der Ansatz des Arbeitsaufwands in Form von fiktivem Arbeitslohn für die Betreuung der Pferde.
39
Damit erweist sich das Vorhaben als wirtschaftlich sinnlos. Nach Auffassung des Gerichts steht damit fest, dass ein vernünftiger Landwirt unter Beachtung der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs das Vorhaben nicht verwirklichen würde.
40
b) Das Vorhaben ist als sonstiges Vorhaben unzulässig, weil es öffentliche Belange beeinträchtigt, § 35 Abs. 2 BauGB. Namentlich widerspricht das nicht privilegierte Vorhaben der Darstellung des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der das Gebiet als Fläche für die Landwirtschaft darstellt (vgl. S. 43 Behördenakte). Ferner werden die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), weil die wesensfremde Bebauung der naturgegebenen Bodennutzung widerspricht und die Erholungsfunktion des Außenbereichs mindert. Ferner ist das Entstehen einer Splittersiedlung zu befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB, weil die mit ihr vollzogene Streubebauung unorganisch und deshalb zu missbilligen sein würde und zur Zersiedelung der Landschaft führen würde.
41
c) Die Klägerin ist auch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil der mit den planungsrechtlichen Vorhaben nicht vereinbare Vorbescheid sie in ihrer Planungshoheit verletzt.
III.
42
Der Klage ist daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, daher tragen sie keine Kosten, § 154 Abs. 3 VwGO und haben ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.