Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.04.2024 – M 19 S 24.484
Titel:

Naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung eines Biotops nach Baumrodungen und Aufschüttungen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 114
BNatSchG § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 8, § 30
BayNatSchG Art. 3 Abs. 2 S. 2, Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 , Art. 23, Art. 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Der gesetzliche Biotopschutz ist in Wäldern unbeschränkt anwendbar und stellt das Naturschutzgesetz das dominante Regelungssystem dar. Eine generelle Zuständigkeitsverlagerung im Hinblick auf die im Wald geltenden Vorschriften des Naturschutzrechts auf die Forstbehörden war vom Gesetzgeber nicht intendiert. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Vorhandensein eines Biotops kommt den den Feststellungen im Rahmen einer Biotopkartierung eine erhebliche Indizwirkung zu. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Beurteilung des Vorhandenseins eines Biotops kommt es auf den Zustand des Eingriffszeitpunkts ank, so dass sich auch aus einer künstlichen Anlegung von Gewässern und einer Aufforstung über die Zeit ein naturnaher Zustand entwickeln kann, der für ein Biotop ausreichend ist. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung mit Sofortvollzugsanordnung, Rodungen und Auffüllungen einer Biotopfläche, Keine Widerlegung der Indizwirkung der Biotopkartierung, Abgrenzung der Rechtsgrundlagen für naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnungen, Zuständigkeit bezüglich im Wald liegender Biotopflächen, Ermessensanforderungen beim (teilweisen) Austausch von Rechtsgrundlagen, Naturschutz, Wiederherstellungsanordnung, Sofortvollzugsanordnung, Rodung, Wald, Teich, Auffüllung, Biotopfläche, Biotopkartierung, Ermessen, Zuständigkeit, Naturschutzbehörde, Forstbehörde
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.08.2024 – 14 CS 24.898
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15694

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung des Antragsgegners auf den Grundstücken FINr. 601, 611, 613, 615, 616, 617, 618 und 647 Gemarkung …, mit der ihm die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auf den Flurstücken auferlegt wird.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer und Bewirtschafter der genannten Flächen. Die Grundstücke FlNr. 611, 613 und 615 bis 618 sind in der Flachlandbiotopkartierung vom 25. Juni 1987 unter dem Namen „Teichkette östlich …“ als 1,31 ha großes, zusammenhängendes Biotop erfasst (Nr. ...); dieses erstreckt sich im Südosten zu einem kleinen Teil auch auf die Grundstücke FlNr. 601 und 647 (zum Umfang vgl. die Biotopkartierung im Umweltatlas). Es wird beschrieben als Kette ehemaliger Teiche, von denen nur noch der westliche in Nutzung sei. Die übrigen Teiche würden von einem dichten, erlen- und eschenreichen Gehölzsaum begleitet, der teilweise mit alten Hybridpappeln durchsetzt sei. Das Biotop setze sich wie folgt zusammen: Es beinhalte zu 50% Gewässer-Begleitgehölze und zu 25% sonstigen Feuchtwald (inklusive degenerierter Moorstandorte), die aufgrund methodischer Änderungen seit dem Zeitpunkt der Kartierung nicht eindeutig einem Biotoptyp zuzuordnen seien; der Schutz nach § 30 BNatSchG bzw. Art. 23 BayNatSchG sei von der jeweiligen Ausprägung des Biotoptyps abhängig. Die übrigen 25% setzten sich aus Schwimmblattvegetation, nasser Initialvegetation und Verlandungsröhricht zusammen, die konkreten Biotoptypen zuzuordnen seien. Im Biotop kämen u.a. Seggen- und Binsenarten und schmale randliche Röhrichtzonationen vor. Die Biotopfläche ist in historischen Karten als Waldfläche erfasst (vgl. Bl. 32 f., 55 ff. BA). Die beiden noch existierenden westlichen Weiher (FlNr. 611 und 613) werden zur Fischzucht genutzt.
3
Die Untere Naturschutzbehörde stellte anlässlich einer Ortseinsicht vom 6. April 2023 fest, es seien etwa auf der Hälfte des Biotops Baumrodungen und Aufschüttungen vorgenommen worden, die im Wesentlichen den südöstlichen Teil (FlNr. 615, 616 und 617) beträfen; die Gehölze seien in diesem Bereich bis zur FlNr. 613 fast vollständig gerodet (s. hierzu die Luftbilder aus den Jahren 2003 bis 2022 und die Veränderungen seit dem Jahr 2009 auf Bl. 55 ff. BA). Ausweislich des behördlichen Aktenvermerks vom 11. April 2023 über den genannten Ortstermin liege das Biotop in einer topografischen Senke, die mit deutlich über 500 qm und stellenweise einer Höhe von 1,5 m aufgefüllt worden sei. Die Auffüllung sei sichtbar mit Materialien aus dem Baugewerbe und weiterem Müll durchmischt. Zudem seien vor allem im nördlichen Teil an einigen Stellen Garten- und Holzabfälle gelagert worden.
4
Dem Anhörungsschreiben vom 11. Mai 2023 zufolge habe der Antragsteller entgegen des Verbots nach § 30 Abs. 2 BNatSchG ein Biotop zerstört. Die streitgegenständlichen Flächen wiesen nach wie vor nasse Initialvegetation, wie Binsen, Seggen und Röhrichte sowie vereinzelt Eschen und Erlen auf; im nördlichen Teil befinde sich Verlandungsröhricht (vgl. hierzu das Foto auf Bl. 4 BA).
5
Mit seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2023 brachte der Antragsteller vor, die Sachverhaltsdarstellung der Unteren Naturschutzbehörde sei in wesentlichen Teilen überzogen und unrichtig. Insbesondere handele es sich bei der streitgegenständlichen Fläche in tatsächlicher Hinsicht nicht um ein Biotop. Die Senke (Mulde) mit der ehemaligen Teichkette und der „charakteristisch nass-feuchte Standort“ seien künstlich angelegt und nach dem Zweiten Weltkrieg mit Ausnahme der beiden westlichen Weiher aufgeforstet worden. Das Weiherwasser stamme aus Drainagen und Oberflächenwasser. Da echte Gewässer nicht vorhanden seien, handele es sich bei dem Gehölz auf der streitgegenständlichen Fläche auch nicht um Gewässer-Begleitgehölz. Die Gehölze habe er zudem nicht gerodet, sondern es seien in den letzten 20 Jahren nur durch Sturm umgefallene Bäume entnommen oder aus Sicherheitsgründen gefällt worden. Die dem Hybridpappelbestand lediglich beigemischten Erlen seien wegen der hohen Wuchsleistung der Hybridpappeln von selbst untergegangen. Bezüglich der schichtweisen Verfüllung sei klarzustellen, dass diese zum Zweck einer nachhaltigen Bewirtschaftung erfolgt sei, um möglichst viele Stoffe wiederverwenden zu können und nicht entsorgen zu müssen. Die Auffüllung betrage lediglich ca. 30 m². Die Mulde werde zudem immer wieder als illegale Müllkippe genutzt; insoweit handele es sich nicht um Auffüllungen des Antragstellers. Die beiden noch existierenden Weiher seien vor dem Hintergrund veränderter klimatischer Verhältnisse nicht zu erhalten. Die streitgegenständliche Fläche müsse daher einer aus heutiger Sicht standortgerechten, zukunftsfähigen Nutzung zugeführt werden. Mit der seit über 10 Jahren erfolgenden Einbringung von Humus werde lediglich der ursprüngliche Zustand dieser Fläche, welche über 1.000 Jahre lang Ackerland gewesen sei, wiederhergestellt.
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Bei den gemeinsamen Orts- bzw. Erörterungsterminen des Antragstellers und der Unteren Naturschutzbehörde am 22. Juni 2023 und 2. August 2023 brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor, ein Biotop nach dem BNatSchG könne schon deshalb nicht vorliegen, weil es sich bei der streitgegenständlichen Fläche um Wald im Sinne des Waldgesetzes handele. Die Biotopkartierung sei fehlerhaft, jedenfalls mit der Zeit hinfällig geworden. Der Quellbereich der Teiche auf der FlNr. 615 sei nicht mehr vorhanden.
7
Eine Bestandserfassung der Unteren Naturschutzbehörde am 15. September 2023 ergab, dass auf allen streitgegenständlichen Grundstücken, mit Ausnahme der FlNr. 615 und den kleinen Teilen der Grundstücke FlNr. 601 und 647 (Flächen 1 und 2 in der von der Unteren Naturschutzbehörde vorgenommenen Aufteilung), noch prägende ursprünglich kartierte Arten vorkämen (vgl. hierzu die Auflistung auf Bl. 48 ff. BA).
8
Mit Schreiben vom 13. November 2023 beantragte der Antragsteller beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Fürstenfeldbruck die Rodung der Grundstücke FlNr. 615 bis 618. Als Ausgleichsfläche bot er eine 0,4 ha große Fläche auf dem Grundstück FlNr. 1020 Gemarkung …, Gemeinde S. (s. hierzu Bl. 74 ff. BA) an.
9
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2023, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 3. Januar 2024, gab der Antragsgegner dem Antragsteller auf, den durch die Fällung des Gehölzbestandes und die anschließende Auffüllung des Geländes mit Erdmaterial unbekannter Herkunft zerstörten Biotopkomplex (Quellbereich, nasse Initialvegetation und Verlandungsröhricht) auf den Grundstücken FlNr. 601, 611, 613, 615, 616, 617, 618 und 647 Gemarkung … wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen (Nr. 1 des Bescheids). Dazu wurde festgelegt, dass das aufgefüllte Erdmaterial bis spätestens 30. April 2024 oder im Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung binnen vier Monaten ab Bestandskraft der Anordnung durch den Antragsteller oder eine von ihm beauftragte Fachfirma mit geeigneten Maschinen bodenschonend und vollständig zu entfernen, zu beproben und zu entsorgen sowie die Entfernung der Unteren Naturschutzbehörde unverzüglich anzuzeigen ist (Nr. 1.1). Binnen eines Monats nach Feststellung der ordnungsgemäßen Entfernung des Erdmaterials sind die beeinträchtigten Flächen mit standortgerechtem, gebietsheimischem Saatgut, welches näher bezeichnet wird, einzusäen und 30 autochthone Rot-Erlen sowie fünf Bergahorne, die ebenfalls genauer bezeichnet sind, verteilt über die zerstörte Biotopfläche gemäß einem dem Bescheid angefügten Bepflanzungsplan vom 12. Dezember 2023 zu pflanzen (Nr. 1.2). Der Antragsgegner ordnete zudem die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids einschließlich der in Nrn. 1.1. und 1.2 konkretisierten Wiederherstellungsmaßnahmen an (Nr.2). Unter Nr. 3 des Bescheids wurde für den Fall, dass die Anordnung in Nr. 1.1. nicht fristgerecht oder nicht vollständig umgesetzt wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR angedroht. Unter Nr. 4 des Bescheids wurde für den Fall, dass die Anordnung in Nr. 1.2 des Bescheids nicht fristgerecht oder nicht vollständig umgesetzt wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR angedroht.
10
Rechtsgrundlage des Bescheids sei § 3 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2, § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG. Durch die Entfernung der Gehölzvegetation und die anschließende Auffüllung des Geländes habe der Antragsteller einen Eingriff in Natur und Landschaft i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG bewirkt. Zudem sei hierdurch ein nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG besonders geschützter Biotopkomplex in wesentlichen Teilbereichen zerstört worden. Die streitgegenständliche Fläche weise Feuchtwälder und Feuchtgebüsche, insbesondere die Vegetationstypen Großseggenried und Röhrichte, auf, die durch § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG bzw. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG geschützt seien. Das Biotop diene als ökologisch wertvolles Habitat für Amphibien-, Insekten-, Vogel- und Pflanzenarten. Es präge mit seiner auffallenden Gehölzstruktur auch das Landschaftsbild und beeinflusse durch seine nass-feuchten Standortverhältnisse das lokale Klima. Diese Funktionen seien durch die Auffüllung des Quellbereichs und die damit einhergehende verringerte Wasserverfügbarkeit sowie durch die Rodung beeinträchtigt worden. Eine Ausnahme im Einzelfall nach Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG sei weder beantragt noch seien hierfür Gründe ersichtlich. In ihren Ermessenserwägungen führte die Untere Naturschutzbehörde aus, die angeordneten Maßnahmen seien zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands geeignet, erforderlich und angemessen. Ausgleichsmaßnahmen nach § 15 BNatSchG an anderer Stelle kämen nicht in Betracht. Es sei zudem aus fachlicher Sicht auszuschließen, dass sich die Vegetation von selbst regeneriere. § 17 Abs. 8 BNatSchG regele ein intendiertes Ermessen. Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Naturschutzes für zukünftige Generationen und seines Verfassungsrangs in Art. 20a Grundgesetz (GG) müsse das Interesse des Antragstellers an einer Optimierung der landwirtschaftlichen Nutzung hinter der Wiedererschaffung der zerstörten Habitate und der Sicherung des Artenschutzes zurückstehen. Die Fristen seien angemessen, da sie die aktuellen Witterungsbedingungen berücksichtigten. Der Antragsteller sei als Handlungsstörer richtiger Adressat der Anordnungen. Dem Antragsteller sei die Wiederherstellung möglich, er könne beispielsweise eine Fachfirma beauftragen. Die sofortige Vollziehung sei erforderlich, da ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung – insbesondere wegen der fehlenden Beschattung und der Auffüllung im Quellbereich – eine irreparable weitere Verschlechterung des Biotops zur Folge habe. Die Gefahr des Entstehens nicht wieder gut zu machender Schäden für die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und das Landschaftsbild erforderten ein sofortiges Einschreiten. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiege daher die Interessen des Antragstellers. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder entspreche dem wirtschaftlichen Interesse.
11
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2024 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2023 erheben (M 19 K 24.483) und beantragte zugleich,
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die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
13
Zur Begründung trug er vor, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da die Untere Naturschutzbehörde für seinen Erlass nicht zuständig gewesen sei. Bei den Grundstücken FlNr. 615 bis 618 handele es sich um forstwirtschaftliche Grundstücke (Waldgrundstücke). Nach Art. 3 Abs. 2 BayNatSchG seien solche Grundstücke dem Regime des Naturschutzrechts entzogen; es gelte das Bayerische Waldgesetz. Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayNatSchG seien für den Vollzug des Art. 3 Abs. 2 BayNatSchG dementsprechend die Forstbehörden zuständig. Der Bescheid sei zudem deshalb formell rechtswidrig, weil die Bestandserfassung am 15. September 2023 ohne Kenntnis des Antragstellers stattgefunden habe und dieser daher nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Auch habe die Behörde die Anordnung des Sofortvollzugs nicht hinreichend begründet. Die Auffüllungen seien – wie der Antragsteller in seiner Anhörung auch vorgebracht habe – über einen Zeitraum von 30 Jahren erfolgt. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, warum gerade die Zeitdauer eines gerichtlichen Verfahrens nunmehr zu einer irreparablen Verschlechterung des Biotops führen solle. Die Behörde belege mit ihrem zeitverzögerten Handeln, dass ein Interesse am Sofortvollzug nicht bestehe. Vor diesem Hintergrund überwiege hier das Interesse des Antragstellers, zunächst eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, bevor er kostenintensive Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen müsse, die einen unumkehrbaren Zustand schaffen würden. Der Bescheid sei darüber hinaus materiell rechtswidrig, da dieser und die in Bezug genommene Flachlandbiotopkartierung unbestimmt und unrichtig seien. Es sei unklar, welche Flächen vom Biotop umfasst würden. Zudem läge in tatsächlicher Hinsicht kein Biotop vor. Die Flachlandbiotopkartierung gehe selbst davon aus, dass die Zuordnung der streitgegenständlichen Flächen zu einem Biotoptyp nicht möglich sei, sodass ein Biotop nicht hinreichend bestimmt werden könne. Überdies fordere die Behörde vom Antragsteller die Herstellung eines Zustands, der vom ursprünglichen Zustand abweiche. In der Flachlandbiotopkartierung sei primär ein Hybridpappelbestand verzeichnet. Die Behörde habe aber in ihrem dem Bescheid angehängten Bepflanzungsplan die Pflanzung von Rot-Erlen und Bergahorn angeordnet. Im Übrigen müsse der Antragsteller zur Umsetzung der Wiederherstellungsanordnung weitere Gehölze beseitigen, sodass ihm ein gegen § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG verstoßendes, naturschutzrechtswidriges Verhalten abverlangt werde.
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Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 23. Februar 2023 Stellung und beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
16
Im Wesentlichen wurde vorgetragen, die Untere Naturschutzbehörde sei für den Erlass des Bescheids zuständig gewesen. Sie sei aus naturschutzrechtlichen Gründen tätig geworden. Es gehe nicht um den Vollzug des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG, sondern des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG. Die Behörde habe der Anordnung eine umfassende Interessenabwägung zugrunde gelegt. Vor dem Hintergrund einer drohenden fortschreitenden, irreparablen Zerstörung der gesetzlich geschützten Biotopstrukturen im Falle eines Zuwartens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines erfahrungsgemäß mehrjährig andauernden Klageverfahrens sei dem Sofortvollzug der Vorrang einzuräumen. Das aufgefüllte Erdmaterial unbekannter Herkunft werde durch Regenereignisse in die noch unzerstörten Bereiche des Biotops geschwemmt. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Antragsteller sich eigenmächtig für einen großflächigen Eingriff in die Natur entschieden und nun die Konsequenzen hierfür zu tragen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Auffüllungen nach Aussagen des Antragstellers schon über einen Zeitraum von 30 Jahren stattfänden. Es handele sich um rechtswidrige und unabgestimmte Eingriffe, von denen die Behörde erst bei der Ortsbesichtigung am 6. April 2023 erfahren habe. Die Behauptung des Antragstellers, er müsse zur Umsetzung der Wiederherstellungsanordnung bestehende Gehölze beseitigen, sei unrichtig, da dieser fast alle Gehölze im östlichen Bereich des Biotops entfernt habe.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren sowie im zugehörigen Klageverfahren M 19 K 24.483 Bezug genommen.
II.
18
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
19
1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 1. Februar 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Dezember 2023 ist in interessengerechter Auslegung (vgl. § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) so zu verstehen, dass nur hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt ist (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) und hinsichtlich Nrn. 3 und 4 des Bescheids die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO).
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2. Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
21
a) Der Antrag ist zulässig.
22
Der vom Antragsteller erhobenen Klage gegen die Wiederherstellungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da die Behörde in Nr. 3 des Bescheids die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 angeordnet hat, sodass insoweit ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft ist. Der Klage kommt auch hinsichtlich der Nrn. 3 und 4 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung zu, sodass nach Art. 21a Satz 2 VwZVG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist.
23
Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller gegen den ihm am 3. Januar 2024 zugestellten Bescheid rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO Klage erhoben hat.
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b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
25
aa) Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 54 ff.).
27
Der Antragsgegner hat dargelegt, die sofortige Vollziehung sei erforderlich, da das nach Art. 19 Abs. 4 GG geschützte Interesse des Antragstellers an einem Zuwarten bis zur abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit der Wiederherstellungsanordnung hinter dem öffentlichen Interesse an einer zeitnahen Wiederherstellung der zerstörten Biotopstrukturen zurücktreten müsse. Es drohe in dem Zeitraum bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung – insbesondere wegen der durch die Rodung verursachten fehlenden Beschattung und der Auffüllung im Quellbereich – eine irreparable weitere Verschlechterung des Biotops. Eine selbstständige Regeneration sei ausgeschlossen, da die Standorteigenschaften grundlegend zerstört worden seien. Daher bestehe die Gefahr nicht wieder gut zu machender Schäden für die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds, die ein sofortiges Einschreiten erforderten. Die Behörde hat damit konsistent und nachvollziehbar sowie auf den Einzelfall bezogen erläutert, warum sie es hier ausnahmsweise für nötig befunden hat, den Suspensiveffekt der Klage auszuschließen.
28
bb) Die materielle Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
29
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung. Zentraler Maßstab ist unabhängig davon, ob die sofortige Vollziehbarkeit kraft Gesetzes besteht oder behördlich angeordnet wurde, dass der Rechtsschutzanspruch des Antragstellers umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je mehr die Maßnahmen Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 29; BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005.04 – juris Rn. 12; zum Ganzen Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 89 ff.).
30
Hier ergibt die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotene summarische Prüfung anhand der Gerichts- und Behördenakten, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die streitgegenständliche Anordnung ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31
(1) Richtige Rechtsgrundlage für die Wiederherstellungsanordnung ist § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG. Die als Generalklausel ausgestaltete Befugnisnorm des § 3 Abs. 2 BNatSchG ist die einschlägige Rechtsgrundlage, da der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG mangels Genehmigungsbedürftigkeit nicht eröffnet ist. Nach der von § 17 Abs. 3 BNatSchG abweichenden Vorschrift des Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 BayNatSchG bedarf es in Bayern für Eingriffe, die keiner behördlichen Zulassung oder Anzeige nach anderen Rechtsvorschriften bedürfen, keiner solchen Genehmigung. Von dem in § 30 Abs. 1, Abs. 2 BNatSchG normierten gesetzlichen Verbot darf lediglich im Einzelfall nach Ermessen eine Ausnahme (§ 30 Abs. 3 BNatSchG, Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG) zugelassen oder eine Befreiung (§ 67 BNatSchG, Art. 56 BayNatSchG) erteilt werden, sodass es sich hierbei um keine Genehmigungsbedürftigkeit i.S.d. § 17 Abs. 8 BNatSchG handelt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 14.3.2024 – M 19 K 23.950 – noch n.v. Rn. 27; B.v. 10.8.2021 – M 19 S 21.3137 – juris Rn. 47; Siegel in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 17 Rn. 33). Auch im Fall der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit sind die materiell-rechtlichen Vorschriften einzuhalten und kann damit Wiederherstellung angeordnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 a.a.O. Rn. 10; VG Lüneburg, U.v. 18.8. 2017 – 2 A 144/16 – juris Rn. 27; VG Oldenburg, U.v. 30.8.2017 – 5 A 4483/16 – juris LS 2, Rn. 29). Die Generalklausel wird dabei nicht dahingehend von § 17 Abs. 8 bzw. Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 BayNatSchG verdrängt, dass eine Wiederherstellungsanordnung nur bei illegalen Eingriffen in deren Sinne in Betracht käme; vielmehr ermächtigt die Generalklausel selbst zur Wiederherstellung (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 15.2206 – juris Rn. 31; B.v. 9.8.2012 a.a.O.; VGH BW, B.v. 30.3.2020 – 5 S 3419/19 – juris Rn. 18). Dies gilt insbesondere bei der Beeinträchtigung eines gesetzlich geschützten Biotops nach § 30 BNatSchG (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2015 – 14 CS 15.2144 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 9.8.2012 a.a.O.; VGH BW, B.v. 30.3.2020 a.a.O.).
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(2) Der Bescheid ist voraussichtlich formell rechtmäßig.
33
(a) Das Landratsamt war für den Erlass der Wiederherstellungsanordnung gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 2 Nr. 3 BayNatSchG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG sachlich und örtlich zuständig.
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Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 sind für den Vollzug der Naturschutzgesetze die Unteren Naturschutzbehörden zuständig. Vorliegend handelte der Antragsgegner auf Grundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG und damit in Vollziehung der Naturschutzgesetze.
35
Eine abweichende Zuständigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG, wonach für den Vollzug des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG die Forstbehörden zuständig sind, steht vorliegend nicht im Raum. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG, der in Abweichung von § 5 BNatSchG als allgemeine Grundregel die wichtigsten Fragen im Verhältnis des Naturschutzes zur Forstwirtschaft in Bayern festlegt (vgl. Fischer-Hüftle/Egner (Hrsg. u.a.), Naturschutzrecht in Bayern, Stand September 2023, § 5 BNatSchG, Rn. 1), hat die Forstwirtschaft die Vorschriften des Waldgesetzes für Bayern und die sonstigen für sie geltenden Vorschriften zu beachten. Diese Vorschrift ist nicht dahingehend zu verstehen, dass auf Wald- bzw. Forstflächen die Naturschutzgesetze grundsätzlich nicht anwendbar wären. Dies ergibt sich bereits aus dem Zusatz „und die anderen für sie geltenden Vorschriften“ und dem Verweis auf die Ziele des Erhalts der biologischen Vielfalt und der Schutzfunktionen des Waldes in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG dient auch dem Ziel des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG (vgl. Fischer-Hüftle/Egner (Hrsg. u.a.), a.a.O., Art. 3 BayNatSchG, Rn. 11) und damit Zwecken, die über das durch die Waldgesetze geschützte Ziel der nachhaltigen Nutzbarkeit hinausgehen. Insoweit ist anerkannt, dass insbesondere der gesetzliche Biotopschutz in Wäldern unbeschränkt anwendbar ist und das Naturschutzgesetz hier das dominante Regelungssystem darstellt (vgl. Rehbinder, NuR 40, 2 f. mit Verweis auf BVerwG, U. v. 5.2.2009 – 7 CN 1.08 – juris Rn. 33 f.). Eine andere Auslegung widerspräche dem klaren Wortlaut und den Zielen des § 30 BNatSchG, wonach der Biotopschutz ausdrücklich auch in Wäldern gilt (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG).
36
Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayNatSchG missverständlich formuliert ist, da er für sich genommen eine Interpretation zulässt, wonach die Forstbehörden auf forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken für die Umsetzung nicht nur der waldrechtlichen, sondern auch der im Wald geltenden naturschutzrechtlichen Vorschriften zuständig seien. Dem stehen jedoch die Gesetzesmaterialien entgegen, aus denen sich ergibt, dass mit Art. 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayNatSchG eine neue Vollzugszuständigkeit lediglich für den Staatswald geschaffen werden sollte, weil die „neuen Bewirtschaftungsregeln für den Staatswald sinnvoll nur durch die Unteren Forstbehörden vollzogen werden können“ (Bayerischer Landtag, Drs. 18/1816, S. 16). Dies verdeutlicht, dass eine generelle Zuständigkeitsverlagerung im Hinblick auf die im Wald geltenden Vorschriften des Naturschutzrechts auf die Forstbehörden vom Gesetzgeber nicht intendiert war. Eine solche Zuständigkeit der Forstbehörden würde im Übrigen dem in Art. 44 Abs. 2 BayNatSchG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis zuwiderlaufen, da naturschutzrechtlich relevante Flächen sehr häufig von Wäldern (mit-) geprägt werden.
37
(b) Den nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderlichen Anforderungen an eine Anhörung wurde voraussichtlich Genüge getan. Ein etwaiger Anhörungsmangel könnte zudem nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 geheilt werden.
38
Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 11. Mai 2023 über alle für den beabsichtigten Erlass der Wiederherstellungsanordnung entscheidungserheblichen Tatsachen informiert und ihm wurde unter Setzung einer angemessenen Frist die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (zu den generellen Anforderungen vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 28 VwVfG, Rn. 36).
39
Daraus, dass die Behördenvertreter die Bestandserfassung vom 15. September 2023 nach Aussage des Antragstellers ohne seine Kenntnis vorgenommen und ihm die Ergebnisse vor Bescheiderlass nicht mitgeteilt hätten, kann nach summarischer Prüfung keine Gehörsverletzung abgeleitet werden. Für eine ordnungsgemäße Anhörung ist es erforderlich, dass die Behörde dem späteren Bescheidadressaten die Ermittlungsergebnisse einschließlich der Ergebnisse von Beweisaufnahmen und wesentlichen Änderungen der entscheidungserheblichen Tatsachen mitteilt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 28 Rn. 29; Huck in ders./Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 28 Rn. 14). Diesen Anforderungen hat die Behörde nach Aktenlage bereits mit dem Schreiben vom 11. Mai 2023 entsprochen, in dem sie den Antragsteller darauf hinwies, dass es sich bei den beeinträchtigten Flächen um ein kartiertes Biotop handele und die Ortseinsicht vom 6. April 2023 die Biotopqualität bestätigt habe: Die Flächen wiesen nass-feuchte Standortverhältnisse auf, insbesondere nasse Initialvegetation, wie u.a. Binsen, Seggen und Röhrichte, sowie vereinzelt Eschen und Erlen; im nördlichen Bereich befinde sich Verlandungsröhricht. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht geboten, dass die Behörde dem Antragsteller das detailreiche Verzeichnis der Bestandserfassung, welches die bisherigen Ergebnisse lediglich untermauerte und keine Änderung der Tatsachengrundlage bewirkt hat, zukommen ließ. Ausreichend ist die Mitteilung der wesentlichen Ergebnisse der Sichtungen durch die Behörde, es bedarf keiner Unterrichtung über die einzelnen Schritte des Ermittlungsvorgangs.
40
(c) Die Wiederherstellungsanordnung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 BayVwVfG.
41
Der Umfang der Wiederherstellungsanordnung wird hinreichend geregelt, insbesondere ist die Biotopfläche ausreichend klar umrissen. Der Bescheid verweist nicht nur auf die den Akten beiliegende Beschreibung des Biotops, sondern auch auf die im Umweltatlas einsehbare Flachlandbiotopkartierung, in der die genaue Lage und der Umfang des Biotops festgehalten sind. Anhaltspunkte dafür, dass die in Bezug genommene Flachlandbiotopkartierung widersprüchlich und damit unbestimmt ist, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich der Beschreibung der Kartierung nicht entnehmen, dass eine Einordnung der kartierten Flächen als Biotop nicht möglich ist, sondern dass die Frage der Biotopqualität zu 75% (Gewässer-Begleitgehölze und sonstiger Feuchtwald) von der jeweiligen tatsächlichen Ausprägung der gesetzlichen Biotoptypen abhängt. Ob die Biotopqualität mittlerweile entfallen ist, d.h. ob die Kartierung auch heute noch den richtigen Zustand widerspiegelt, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids.
42
Auch die Art der Wiederherstellung ist durch den Tenor des Bescheids und den dort in Bezug genommenen Bepflanzungsplan klar bestimmt.
43
(d) Die Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG sind erfüllt. Es ist unschädlich, dass der Bescheid als Rechtsgrundlage für die Wiederherstellung des Biotops neben der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG noch § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG nennt. Das Gericht ist im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der verlangt, dass der Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig ist, verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 29). Die Angabe einer unrichtigen Rechtsgrundlage führt als solche nicht zu einem Verstoß gegen Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG, weil aus dieser Vorschrift lediglich eine formelle Begründungspflicht, nicht aber eine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung folgt. Hinsichtlich des Kriteriums, dass sich durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsgrundlage das Wesen des Bescheids nicht verändern darf, sind bei Ermessensentscheidungen allerdings engere Grenzen als bei gebundenen Verwaltungsakten zu beachten (s. hierzu unter (3) Unterpunkt b).
44
(3) Der Bescheid erweist sich nach Aktenlage auch als materiell rechtmäßig.
45
(a) Die Tatbestandsvoraussetzungen der naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsverpflichtung nach § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG liegen voraussichtlich vor.
46
Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie können daher auch im Falle von Verstößen gegen das Verbot der erheblichen Beeinträchtigung von Biotopen nach § 30 Abs. 2 BNatSchG die erforderlichen Maßnahmen der Folgenbeseitigung treffen.
47
(aa) Die Kammer geht davon aus, dass es sich bei der beeinträchtigten Fläche um ein Biotop handelt, das gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG bzw. § 30 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSch unter besonderem Schutz steht.
48
Ein Biotop ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG der Lebensraum einer Lebensgemeinschaft wildlebender Tiere und Pflanzen. Zur Bestimmung eines Biotops kommt es demnach auf die tatsächlichen Verhältnisse an, d.h. ob eine Fläche die charakteristischen Merkmale eines geschützten Biotoptyps erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2015 – 14 CS 15.2144 – juris Rn. 6; VG Augsburg, B.v. 6.4.2021 – Au 9 S 21.616 – juris Rn. 32; VG Lüneburg, B.v. 3.8.2018 – 2 B 48/18 – juris Rn. 26; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 30 BNatSchG, Rn. 12). Dabei kommt den Feststellungen im Rahmen einer Biotopkartierung eine erhebliche Indizwirkung für das Vorhandensein eines Biotops zu (vgl. NdsOVG, B.v. 4.12.2017 – 4 LA 335/16 – juris Rn. 4; VG Augsburg, B.v. 25.1.2019 – Au 9 S 18.2096 – juris Rn. 27; VG Lüneburg, B.v. 3.8.2018 a.a.O.). Aufgrund dieser Indizwirkung ist die Naturschutzbehörde im Rahmen der sie treffenden Ermittlungs- und Nachweispflichten nur dann gehalten, vor Erlass einer naturschutzrechtlichen Anordnung zum Schutz eines Biotops erneute Ermittlungen zu dessen Vorliegen anzustellen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die Biotopeigenschaft unabhängig von dem festgestellten beeinträchtigenden Ereignis verlustig gegangen wäre (NdsOVG, B.v. 4.12.2017 a.a.O. LS, Rn. 4; VG Lüneburg, B.v. 3.8.2018 a.a.O.; B. v. 21.6.2017 – 2 B 54/17 – juris Rn. 18).
49
Die vorliegende Wiederherstellungsanordnung bezieht sich auf ein amtlich kartiertes Biotop (Nr. Nr. 7733-0010 „Teichkette östlich …“), das die Grundstücke FINr. 601, 611, 613, 615, 616, 617, 618 und 647 bzw. Teile davon erfasst. Die Beschreibung der Kartierung geht davon aus, dass die Frage der Biotopqualität zu 75% (Gewässer-Begleitgehölze und sonstiger Feuchtwald) von der jeweiligen tatsächlichen Ausprägung der gesetzlichen Biotoptypen abhängt. Nach Aktenlage kommen auf allen streitgegenständlichen Grundstücken mit Ausnahme von FlNr. 615 und den kleinen Teilen der Grundstücke FlNr. 601 und 647 (Flächen 1 und 2 in der von der Unteren Naturschutzbehörde vorgenommenen Bestandserfassung), auf denen die Rodungen und Aufschüttungen im Wesentlichen vorgenommen wurden (südöstlicher Teil), noch prägende ursprünglich kartierte Arten vor. Bereits bei der Ortseinsicht der Behörde vom 6. April 2023 wurde festgestellt, dass die beeinträchtigte Fläche nass-feuchte Standortverhältnisse aufweist, insbesondere nasse Initialvegetation wie Binsen, Seggen und Röhrichte, und vereinzelt Eschen und Erlen. Nach der Bestandserfassung vom 15. September 2023 sind auf den Grundstücken FlNr. 616 und 618 (Fläche 3) Arten eines Feuchtgebüsches, insbesondere Seggen und Binsen, vertreten. Auf FlNr. 617 (Flächen 4 und 5) sind Landröhrichte, Großseggenried und andere Seggen und ein offenes Wasserrinnsal vorzufinden. Das Grundstück FlNr. 613 (Fläche 7) ist ebenfalls durch Seggen gekennzeichnet. Auf den Grundstücken FlNr. 616 und 618 sowie teilweise auf FlNr. 617 (Flächen 3 und 4) kommen noch größere Gehölze (Hybridpappeln, Eschen und Schwarzerlen) vor. All diese Pflanzen entsprechen Vegetationsarten, die in der Beschreibung der Biotopkartierung aufgelistet sind, nämlich nasse Initialvegetation, wie Seggen- und Binsenarten oder Röhrichtzonationen, Hybridpappeln, Schwarz-Erlen und Eschen. Daraus lässt sich schließen, dass auch auf den Flächen, die von den Rodungen und Auffüllungen im Wesentlichen betroffen sind, zuvor die Vegetationsarten des kartierten Biotops vorzufinden waren. Es liegt nahe, dass die feuchte Vegetation gerade durch die Rodungen und Auffüllungen, die ein Austrocknen bewirkt haben, verschwunden sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es sich zum maßgeblichen Eingriffszeitpunkt bei allen streitgegenständlichen Grundstücken um Biotopflächen handelte. Sämtliche Flurstücke weisen zudem die erforderlichen gesetzlichen Merkmale des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG („naturnahe Bereiche von Binnengewässern einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen naturnahen Vegetation“ jedenfalls hinsichtlich der Grundstücke FlNr. 611 und 613, auf denen sich die beiden noch ursprünglichen Teiche befinden) oder des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG („Röhrichte, Großseggenrieder, seggen- und binsenreiche Nasswiesen“) bzw. des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG („Landröhrichte“) auf.
50
(bb) Der Antragsteller bringt keine hinreichend substantiierten Gründe vor, welche geeignet sind, die Indizwirkung der Feststellungen im Rahmen der Biotopkartierung und der Ortsbesichtigungen der Unteren Naturschutzbehörde in Zweifel zu ziehen.
51
Soweit er die Biotopeigenschaft der streitgegenständlichen Grundstücksfläche mit dem Einwand bestreitet, die Senke mit der ehemaligen Teichkette und der damit einhergehende „charakteristisch nass-feuchte Standort“ seien künstlich angelegt worden und die streitgegenständliche Fläche sei zuvor Ackerland gewesen, wird verkannt, dass es auf den Zustand des Eingriffszeitpunkts ankommt. Zu diesem Zeitpunkt lag keine Ackerfläche mehr vor, sondern eine – spätestens seit dem Jahr 1987 existierende – Biotopfläche. Auch aus einer künstlichen Anlegung von Gewässern und einer Aufforstung kann sich über die Zeit ein naturnaher Zustand entwickeln, der für ein Biotop ausreichend ist (vgl. hierzu den Wortlaut in § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG).
52
Dem Einwand, das Wasser der beiden westlichen Weiher stamme lediglich aus Drainagen und Oberflächenwasser, sodass von einem echten Gewässer mit eigenem Wasserzufluss nicht ausgegangen werden könne, steht entgegen, dass ausweislich der dem Landratsamt vorliegenden Dokumente das Wasserwirtschaftsamt und der Antragsteller selbst davon ausgehen, dass es sich bei den Teichen um Gewässer im Sinne der Wassergesetze handelt (vgl. Bl. 34 f. BA). Nach den Aussagen des Antragstellers in einem Schreiben an das Wasserwirtschaftsamt vom 7. Dezember 1989 erfolgt der Zulauf über mehrere Quellen am östlichen Rand durch die Grundstücke FlNr. 615, 616, 617, 613 und 611. Dementsprechend beantragte der Antragsteller damals auch eine wasserrechtliche Genehmigung. Nach wie vor existiert ausweislich der Bestandserfassung der Behörde ein von einem Quellzufluss (vgl. hierzu auch das Merkmal in § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.E.) auf dem Grundstück FlNr. 615 ausgehendes Wasserrinnsal auf FlNr. 617. Da die Auffüllungen gerade am Quellbereich vorgenommen wurden, kann der Antragsteller nicht nachweisen, dass die Gewässer auf den Grundstücken FlNr. 616 und ggf. 617 unabhängig von diesem beeinträchtigenden Ereignis verlustig gegangen sind. Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden Sachlage vielmehr davon aus, dass diese zum Eingriffszeitpunkt noch vorhanden waren. Damit handelte es sich bei den beiden Teichen auf den Grundstücken FlNr. 611 und 613 und dem Zufluss auf den Grundstücken FlNr. 616 und 617 zu diesem Zeitpunkt um naturnahe Gewässer i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG und bei den auf diesen Flurstücken existierenden Gehölzen um durch die selbe Norm geschützte Gewässer-Begleitgehölze.
53
Dem Vortrag des Antragstellers, die Angaben der Behörde zum Umfang der dem kartierten Zustand entsprechenden Vegetation auf den streitgegenständlichen Flurstücken seien überzogen, ist entgegenzuhalten, dass § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG keine Maßgaben an einen bestimmten Umfang der dort genannten gesetzlichen Merkmale stellt.
54
(cc) Das Biotop wurde durch die Rodungen und Auffüllungen i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG zerstört bzw. erheblich beeinträchtigt.
55
Eine Zerstörung eines Biotops liegt vor, wenn die Substanz eines Gebiets vollständig oder teilweise vernichtet wird und das Biotop hierdurch gänzlich verloren geht. Eine Beeinträchtigung ist gegeben, wenn eine Verminderung des Wertes des Biotops und seiner Eignung als Lebensraum für die dort zu findenden Lebensgemeinschaften eintritt; erheblich ist jede Beeinträchtigung, die eine Verschlechterung der Biotopfunktion zur Folge haben kann. Im Hinblick auf die Kausalität genügt es, wenn eine Handlung im Sinne einer abstrakten Gefahr potenziell geeignet ist, eine Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung herbeizuführen (zum Ganzen Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 30 Rn. 29 m.w.N.). Auf einen Eingriff in die Natur i.S.d. § 14 BNatSchG kommt es nicht an. Es ist nicht erforderlich, dass die Zerstörung bzw. Beeinträchtigung die gesamte Biotopfläche betrifft (BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 20).
56
Die durch die Luftbilder (Bl. 55 BA) und Fotos von den Ortsterminen (Bl. 3 ff. und 16 ff. BA) nachweisbaren Rodungen und Auffüllungen, insbesondere im südöstlichen Teil, aber z.B. auch zwischen den beiden noch existenten Teichen (Bl. 58 BA), haben bereits dazu geführt, dass das Biotop auf den Grundstücken FlNr. 615, 601 und 647 verloren gegangen bzw. zerstört worden ist.
57
Auf den übrigen Grundstücken ist die Vegetation des Biotops wegen der Rodungen und Aufschüttungen ausweislich der Bestandserfassungen der Behörde rückläufig. Dies gilt für die größeren Gehölze, aber – u.a. aufgrund der fehlenden Beschattung – auch für die nasse Initialvegetation. Es befinden sich auf den noch existenten Biotopflächen mittlerweile Pflanzen, die der ursprünglichen Vegetation nicht entsprechen. Durch die Auffüllung des Quellbereichs wurde die Wasserführung des Zuflusses zu den Teichen stark reduziert. Auf dem Grundstück Flnr. 617 befindet sich nur noch ein Wasserrinnsal. Nach ökologischen Maßstäben handelt es sich hierbei um Verschlechterungen, die aufgrund der Dauerhaftigkeit der Veränderungen und der Vielzahl der entfernten Pflanzen auch die erforderliche Relevanzschwelle überschreiten und nicht lediglich eine Bagatelle darstellen (vgl. zur Rodung von Bäumen und Baumgruppen VG Düsseldorf, U.v. 9.9.2021 – 28 K 6001/19 – juris Rn. 37 ff.; OVG NW, B.v. 9.2.2017 – 8 A 2206/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.). Die Funktion des Biotops, das ausweislich der Kartierung durch erhaltenswerte Gehölz- und Wasserflächen in Siedlungsnähe gekennzeichnet und damit wichtiges Habitat für Vögel und Insektengruppen ist, wurde im Sinne einer jedenfalls abstrakten Gefahr erheblich gemindert. Denn durch die Rodungen und Aufschüttungen wurde Tieren und Pflanzen ein Lebensraum in Gestalt von Brutplätzen und Raum für Nahrungssuche sowie eine Rückzugs- und Schutzmöglichkeit genommen. Zudem prägt das Biotop mit seiner auffallenden Gehölzstruktur das Landschaftsbild; diese Prägungswirkung ist bereits gemindert worden. Schließlich ist der nass-feuchte Standort teilweise ausgetrocknet und es ist möglich, dass hierdurch das lokale Mikroklima negativ beeinflusst wird.
58
Der Annahme einer Zerstörung bzw. Beeinträchtigung des Biotops steht nicht entgegen, dass nach Aussage des Antragstellers manche Bäume durch Stürme und sonstige Naturereignisse verlustig gegangen sind. Aus den Luftbildern ergibt sich, dass primär der südöstliche Teil einen starken Gehölzrückgang aufweist. Naturereignisse wie Stürme würden wohl zu einem gleichmäßigeren Gehölzrückgang geführt haben, sodass hier von aktiven Rodungen auszugehen sein dürfte.
59
(dd) Der Vortrag des Antragstellers, er habe Bäume aus Sicherheitsgründen fällen müssen, vermag am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung der „erheblichen Beeinträchtigung von Natur und Landschaft“ nichts zu ändern. Dieser Vortrag hätte vor den eigenmächtig vorgenommenen Beeinträchtigungen im Rahmen eines Ausnahmegenehmigungsverfahrens nach Art. 23 Abs. 3 BNatSchG erfolgen können, das vom Antragsteller nicht wahrgenommen wurde. Zudem kann es sich bei Bäumen, die nicht verkehrssicher gewesen sein sollen, mit Blick auf den großen Umfang der Rodungen allenfalls um einen kleinen Bruchteil der gerodeten Gehölze gehandelt haben. Im Übrigen hätte auch in einem solchen Fall ein Ausgleich erfolgen müssen.
60
(ee) Gründe für eine Ausnahme nach Art. 23 Abs. 4 BayNatSchG oder für eine Befreiung nach § 67 BNatSchG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
61
(ff) Der Antragsteller ist als Eigentümer und Bewirtschafter jedenfalls Zustandsstörer im Sinne des – mangels spezialgesetzlicher Regelung anwendbaren – Art. 9 Abs. 2 LStVG. Damit bedarf es keiner abschließenden Beurteilung darüber, ob er auch (mittelbarer) Handlungsstörer aller seit 30 Jahren eingebrachten Auffüllungen ist und ob diese (in kleinen Teilen) zusätzlich durch illegale Müllablagerungen Dritter durchsetzt sind.
62
(b) Das im Rahmen der Wiederherstellungsanordnung ausgeübte Ermessen des Antragsgegners hält der nach § 114 VwGO durchzuführenden inhaltlichen Überprüfung stand. Auch im Hinblick auf die vom Gericht hinsichtlich des Biotops zugrunde gelegte Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG werden keine Ermessensfehler gesehen.
63
Die Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG stellt als „Kann-Vorschrift“ höhere Anforderungen an das behördliche Ermessen als die „Soll-Vorschrift“ des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG (intendiertes Ermessen; vgl. BayVGH U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 39). Ob diese erfüllt sind, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und in diesem Zusammenhang ggf. auch zu erwägen, ob die Verwaltung während des Prozesses möglicherweise Ermessenserwägungen in zulässiger Weise nachgeschoben hat und ob sich gegebenenfalls aufgrund solcher nachgeschobener Ermessenserwägungen eine nach dem ursprünglichen Bescheid unzureichende Ermessensausübung nunmehr als fehlerfrei darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2020 a.a.O. Rn. 32).
64
Hier hat die Behörde im streitgegenständlichen Bescheid umfangreiche Ermessenserwägungen angestellt (S. 6 bis 8 des Bescheids). Sie ist voraussichtlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Wiederherstellungsanordnung geeignet ist, um die erhebliche Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie des Landschaftsbildes zu beheben. Die Anordnung ist erforderlich, da mildere Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle nicht in Betracht kommen. Denn die Vegetation wurde aus naturfachlicher Sicht so stark beeinträchtigt, dass sich diese nicht von selbst regenerieren wird. Insbesondere etablieren sich nach den Ergebnissen der Ortsbesichtigungen der Behörde auf dem freigelegten Boden Pflanzengesellschaften, die nicht dem ursprünglich dort wachsenden Vegetationstyp entsprechen. Die Behörde ist nachvollziehbar zu dem Schluss gelangt, dass die Anordnung auch angemessen ist, da vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Naturschutzes für zukünftige Generationen und seines Verfassungsrangs in Art. 20a GG das Interesse des Antragstellers an einer Optimierung der landwirtschaftlichen Nutzung hinter der Wiederherstellung der zerstörten Habitate und der Sicherung des Artenschutzes zurückstehen muss. In ihrer Antragserwiderung vom 23. Februar 2023 dürfte die Behörde ihr Ermessen zudem in zulässiger Weise nach § 114 Satz 2 VwGO ergänzt haben (S. 3 und 4 der Erwiderung). Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass die Interessen des Antragstellers auch deshalb zurücktreten müssen, weil dieser sich eigenmächtig für einen großflächigen Eingriff in die Natur entschieden hat und es in seiner Hand gelegen hätte, Wiederherstellungsmaßnahmen durch eine Abstimmung mit der Behörde abzuwenden.
65
Hinsichtlich der vom Antragsgegner angeordneten Art der Wiederherstellung bestehen keine Bedenken. Zwar sieht der im Tenor des Bescheids in Bezug genommene angehängte Bepflanzungsplan die Pflanzung von Bergahorn und Rot-Erlen und keine Hybridpappeln vor. Allerdings spricht die Beschreibung der Biotopkartierung von einem „erlen- und eschenreichen Gehölzsaum“, der lediglich mit Hybridpappeln „durchsetzt“ ist. In der Aufzählung der Vegetationsarten findet sich neben Erlen auch der Bergahorn. Bei den Hybridpappeln handelt es sich um größere und demnach teurere Bäume. Die Behörde hat daher mit der Pflanzung von Rot-Erlen und Bergahorn das für den Antragsteller mildere Mittel gewählt. Ein solches Abweichen von der ursprünglichen Vegetation bedarf keiner gesonderten Begründung.
66
Schließlich hat der Antragsteller auch nicht substantiiert dargelegt, warum die Wiederherstellungsanordnung eine gegen § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG verstoßende Beseitigung des noch bestehenden Gehölzes erfordern sollte. Es erschließt sich insbesondere nicht, dass die beeinträchtigte Biotopfläche für Wiederherstellungsmaßnahmen nicht zugänglich wäre. Denn der Antragsteller hat den Gehölzbestand auf der südöstlichen Biotopfläche fast vollständig beseitigt.
67
Der Antragsteller als Eigentümer der Biotopfläche wurde in rechtmäßiger Weise jedenfalls als Zustandsstörer herangezogen. Da er auch aktueller Bewirtschafter der Fläche ist, kam nur er nach dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr als Verursacher in Betracht. Gründe dafür, dass ihm diese nicht zumutbar wäre, sind nicht ersichtlich. Die Behörde hat hinsichtlich ihres Auswahlermessens zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller die Wiederherstellung möglich ist. Er muss die Wiederherstellung nicht selbst vornehmen, sondern kann hierzu eine Fachfirma beauftragen.
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(4) Auch die Zwangsgeldandrohungen in Nrn. 3 und 4 des Bescheids erweisen sich vor diesem Hintergrund voraussichtlich als rechtmäßig, sodass der diesbezüglich gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ebenso wenig Erfolg hat.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs.