Titel:
Zuständigkeitsbestimmung für Klage gegen Bürgen bei prorogiertem ausschließlichen Gerichtsstand für die Hauptschuld
Normenkette:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Hat der Generalunternehmer mit seinem Subunternehmer eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung für ein Gericht getroffen, an dem der gleichzeitig in Anspruch genommene Bürge keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ist ein Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur begründet, wenn dem Bürgen eine Inanspruchnahme vor diesem Gericht ausnahmsweise zugemutet werden kann. (Rn. 26 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies ist nicht der Fall, wenn der Zweck der Prorogation lediglich darin bestand, auch weitere Subunternehmer vor diesem Gericht in Anspruch nehmen zu können. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Generalunternehmer, Subunternehmer, Bürge, Beweissicherungsverfahren, ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung, Prorogation, Zuständigkeitsbestimmung, Zumutbarkeit
Fundstellen:
ZfIR 2024, 412
BeckRS 2024, 15492
LSK 2024, 15492
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des (örtlich) zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Die Antragstellerin beantragt, das örtlich zuständige Gericht für ein beim Landgericht Nürnberg-Fürth bereits eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerinnen (Az. 9 OH 2896/24) zu bestimmen.
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Zur Begründung bringt sie vor, sie sei als Bauherrin mit der (im Landgerichtsbezirk Nürnberg-Fürth ansässigen) Rechtsnachfolgerin der … AG …, der … GmbH …, in Form eines Generalübernahmevertrags zur Errichtung eines Hotels in … (Landgerichtsbezirk Stuttgart) verbunden. Die im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg ansässige Antragsgegnerin zu 1) sei eine von der Generalunternehmerin beauftragte Subunternehmerin im Rahmen dieses Bauvorhabens. In § 15 Ziff. 3 des Bauvertrags zwischen der Generalunternehmerin und der Antragsgegnerin zu 1) sei als ausschließlicher Gerichtsstand Frankfurt am Main vereinbart. Die im Bezirk des Landgerichts Hannover ansässige Antragsgegnerin zu 2) habe sich gegenüber der Generalunternehmerin für Gewährleistungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) verbürgt.
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Die Antragstellerin hat zunächst mit Schriftsatz vom 31. August 2022 beim Landgericht Nürnberg-Fürth einen Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens (Az. 9 OH 4951/22) gegen die Generalunternehmerin (dortige Antragsgegnerin zu 1]) und – gestützt auf eine mit der Generalunternehmerin als Zedentin geschlossene Abtretungsvereinbarung – fünfzehn Subunternehmer (unter anderem die hiesige Antragsgegnerin zu 1] als dortige Antragsgegnerin zu 2]) sowie die hiesige Antragsgegnerin zu 2] (als dortige Antragsgegnerin zu 17]) eingereicht. Nach Zurücknahme der Anträge im selbständigen Beweisverfahren gegen die Generalunternehmerin sowie die dortigen Antragsgegnerinnen zu 12), 13) und 15) hat das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 6. April 2023 (Az. 102 AR 152/22, veröffentlicht in juris) bezogen auf dieses selbständige Beweisverfahren einen Antrag der Antragstellerin auf Bestimmung des (örtlich) zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO mit der Begründung zurückgewiesen, dass nicht im Hinblick auf sämtliche Antragsgegner die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft vorlägen.
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Die Antragstellerin hat daraufhin beim Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt, das selbständige Beweisverfahren, soweit es sich gegen die hiesigen Antragsgegnerinnen richtet, abzutrennen. Das aus der Abtrennung hervorgegangene selbständige Beweisverfahren des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Az. 9 OH 4964/23) hat die Antragstellerin anschließend auf die Generalunternehmerin erweitert. Mit Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Mai 2024 ist auf Antrag der Antragstellerin das selbständige Beweisverfahren gegen die hiesigen Antragsgegnerinnen erneut abgetrennt worden, da nach dem Vortrag der Antragstellerin die Generalunternehmerin und die hiesigen Antragsgegnerinnen nicht bereit gewesen seien, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, und die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorgelegen hätten. Das aus dieser Abtrennung hervorgegangene, beim Landgericht Nürnberg-Fürth geführte und der vorliegend beantragten Gerichtsstandsbestimmung zugrunde liegende selbständige Beweisverfahren (Az. 9 OH 2896/24) richtet sich danach ausschließlich gegen die hiesigen Antragsgegnerinnen.
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Die Antragstellerin trägt vor, Gegenstand des selbständigen Beweissicherungsverfahrens sei die Feststellung von Mängeln bzw. deren Ursachen. Sie habe sich von der Generalunternehmerin sämtliche im Rahmen der Durchführung des Gesamtbauvorhabens erwachsenen Ansprüche gegen Nachunternehmer, insbesondere Handwerksunternehmen und Planer, sowie Ansprüche auf Erbringung der vertraglichen Primär- und Sekundärpflichten abtreten lassen. Zu diesen Projektbeteiligten gehöre auch die Antragsgegnerin zu 1). Diese sei nicht bereit, eine Gerichtsstandsvereinbarung hinsichtlich des Landgerichts Nürnberg-Fürth zu treffen. Auch die Antragsgegnerin zu 2) sei nicht bereit, ohne Zustimmung der Antragsgegnerin zu 1) eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen.
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§ 15 Ziff. 3 des zwischen der Generalunternehmerin und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossenen Bauleistungsvertrags lautet:
Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag ist der Ort des Bauvorhabens. Sind Auftraggeber und Auftragnehmer Vollkaufleute, gilt Frankfurt a.M. als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart. (…).
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In rechtlicher Hinsicht führt die Antragstellerin aus, das Bayerische Oberste Landesgericht sei gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zuständig, weil die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegnerinnen in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken lägen und das zuerst mit der Sache befasste Gericht dem Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg angehöre. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sei auch bei einem selbständigen Beweisverfahren möglich und auch in bereits rechtshängigen Verfahren anwendbar. Es seien weder Beweise erhoben noch ein Beweisbeschluss erlassen worden. Die Antragsgegnerinnen hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten. Passive Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO sei gegeben. Ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand habe nie bestanden. Insbesondere sei kein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsorts eröffnet. Nachdem mit der Antragstellerin zu 1) eine Prorogation hinsichtlich des Landgerichts Frankfurt am Main bestehe und das Bauvorhaben im Bezirk des Landgerichts Stuttgart liege, komme auch die Zuständigkeitsbestimmung eines dieser Gerichte grundsätzlich in Betracht. Um der Prorogation zu folgen, sollte Frankfurt am Main als Gerichtsstand bestimmt werden.
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Die Antragsgegnerinnen haben von der ihnen eröffneten Gelegenheit, sich zum Bestimmungsantrag zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.
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Die Akte 102 AR 152/22 des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat der Senat beigezogen.
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Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vorliegen.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung über das Bestimmungsgesuch nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO zuständig. Die Antragsgegnerinnen haben ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (R. und C.), so dass das für sie gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. Das mit der Sache bereits befasste Gericht, das Landgericht Nürnberg-Fürth, liegt in Bayern.
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2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts liegen jedoch nicht vor.
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a) Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts kann in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch für ein selbständiges Beweisverfahren vorgenommen werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. August 2022, 101 AR 54/22, juris Rn. 15; Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 AR 39/20, juris Rn. 29 m. w. N.).
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b) Der Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass das selbständige Beweisverfahren bereits anhängig ist (BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 AR 39/20, juris Rn. 30), denn über den Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinaus kann eine Bestimmung auch noch nach Rechtshängigkeit erfolgen (Toussaint in BeckOK, ZPO, 52. Ed. Stand 1. März 2024, § 36 Rn. 19). Der Senat ist auch nicht im Hinblick auf den Verfahrensstand an einer Zuständigkeitsbestimmung gehindert.
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c) Nach dem insoweit allein maßgeblichen (BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 20; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4)) Vorbringen der Antragstellerin sollen die Antragsgegnerinnen zudem als Streitgenossinnen im Sinne von § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
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Für das Vorliegen einer Streitgenossenschaft ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich aus dem Vortrag des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 21; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung nicht an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20; Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]).
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Auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin ist eine Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO zu bejahen.
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Mit dem Beweisantrag sollen nach dem Vorbringen der Antragstellerin behauptete Mängel bzw. deren Ursachen festgestellt werden. Die Ansprüche werden aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet, nämlich der behaupteten mangelhaften Ausführung von Bauleistungen seitens der Antragsgegnerin zu 1), für welche die Antragsgegnerin zu 2) eine Gewährleistungsbürgschaft übernommen haben soll. Dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu einzelnen Antragsgegnerinnen von Bedeutung sein mögen, ist unschädlich (vgl. BGH NJW 2018, 2200 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 43; Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 52/19, NZI 2019, 732 Rn. 20). Die Anspruchsgründe sind auch in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen gleichartig. Die Hauptschuld, für deren Erfüllung sich die Antragsgegnerin zu 2) nach dem Vortrag der Antragstellerin verbürgt hat, besteht in Gewährleistungsansprüchen gegen die Antragsgegnerin zu 1) aus dem zwischen ihr und der Generalunternehmerin geschlossenen Bauleistungsvertrag. Solche Mängelansprüche verfolgt die Antragstellerin aus ihr von der Generalunternehmerin abgetretenem Recht gegen die Antragsgegnerin zu 1). Auf demselben Rechtsverhältnis müssen die Ansprüche nicht beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 43).
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Darauf, ob die tatsächlichen Behauptungen der Antragstellerin zutreffen, kommt es im Bestimmungsverfahren nicht an. Dies gilt für das selbständige Beweisverfahren erst recht infolge des § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der für die Zuständigkeit, wenn Klage noch nicht erhoben ist, den Vortrag des Antragstellers für allein maßgebend erklärt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 AR 39/20, juris Rn. 33 m. w. N.).
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e) Ein die Gerichtsstandsbestimmung ausschließender gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht begründet.
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aa) Gemäß § 486 Abs. 2 ZPO ist für ein selbständiges Beweisverfahren, wenn, wie hier, ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, dasjenige Gericht zuständig, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre.
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bb) Im Hinblick auf die von der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Ansprüche aus abgetretenem Recht der Generalunternehmerin enthält der Bauleistungsvertrag vom 15. September/1. Oktober 2016 in § 15 Ziff. 3 eine Klausel, wonach das Landgericht Frankfurt am Main ausschließlich zuständig sein soll. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist wirksam und hat zum Inhalt, dass Frankfurt am Main als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart ist, § 38 Abs. 1, § 486 Abs. 2 ZPO; die Prorogation gilt auch für die Antragstellerin als Zessionarin.
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Die vertragliche Regelung bezieht sich auf Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Bauleistungsvertrag ergeben, und damit auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis im Sinne des § 40 Abs. 1 ZPO. Die Generalunternehmerin und die Antragsgegnerin zu 1) waren als Form-Kaufleute prorogationsbefugt, § 6 Abs. 1 HGB, § § 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG. An die Vereinbarung sind auch Sonderrechtsnachfolger, somit auch die Antragstellerin als Zessionarin, gebunden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 45), ohne dass es darauf ankäme, dass die Antragstellerin selbst prorogationsbefugt ist. Die Generalunternehmerin und die Antragsgegnerin zu 1) haben in § 15 Ziff. 3 des Bauleistungsvertrags Frankfurt am Main als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart. Die Ausschließlichkeit ist vorliegend somit im Wortlaut der Klausel explizit zum Ausdruck gebracht. Zudem bestand – anders als bei Verträgen, bei denen lediglich der jeweilige Sitz der Vertragspartner als gerichtsstandsbegründend in Betracht kommt – für beide Seiten die Gefahr, auch am Gerichtsstand des einheitlichen Erfüllungsorts des Bauvertrags im Landgerichtsbezirk Stuttgart verklagt zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10; NJW-RR 2010 [juris Rn. 8]; Beschluss vom 11. November 2003, X ARZ 91/09, BGHZ 157, 20 [juris Rn. 18]; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 82/22, NJW-RR 2022, 1605 Rn. 47; Beschluss vom 10. November 2003, 1Z AR 129/03, juris Rn. 7; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 29 Rn. 25.9 m. w. N.). Diese Möglichkeit wurde durch die Bestimmung eines Gerichtsstands in Frankfurt am Main ausgeschlossen, so dass die Ausschließlichkeit der Vereinbarung im übereinstimmenden Interesse der Vertragsparteien gelegen haben dürfte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 38). Schließlich führt auch der Zusatz, dass die Klausel nur gelten soll, wenn es sich bei Auftraggeber und Auftragnehmer um „Vollkaufleute“ handelt, nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Es ist – anders als im Falle einer salvatorischen Klausel (vgl. hierzu BayObLG, Beschluss vom 26. Oktober 2021, 101 AR 148/21, MDR 2022, 86 juris 30 ff.) – hinreichend klar, dass mit „Vollkaufleute“ Kaufleute im Sinne des § 38 Abs. 1 ZPO, §§ 1 bis 7 HGB gemeint sind. Dass die Gerichtsstandsklausel in § 15 Ziff. 3 des Bauleistungsvertrags eine Allgemeine Geschäftsbedingung sei, wird zudem weder von den Beteiligten behauptet noch gibt es dafür hinreichende Anhaltspunkte. Eine andere Bewertung folgt nicht daraus, dass die Verträge der Generalunternehmerin mit einigen der weiteren vierzehn Subunternehmern ausweislich der beigezogenen Akten des vorangegangenen Bestimmungsverfahrens (Az. 102 AR 152/22) entsprechende Klauseln enthalten. Auf die Frage, ob der Klausel die Anerkennung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB zu versagen ist, weil nicht der Sitz des Verwenders, sondern eine andere Großstadt bestimmt worden ist, kommt es somit nicht an (vgl. OLG München, Beschluss vom 20. August 2012, 34 AR 312/12, juris Rn. 10; Grüneberg in Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 307 Rn. 93; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 27), zumal vorliegend auch ein schützenswertes Interesse der betreffenden Subunternehmer bestanden haben könnte, einheitlich im Bezirk des zentral in Deutschland liegenden Landgerichts Frankfurt am Main verklagt zu werden.
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cc) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main besteht für die gegen die Antragsgegnerin zu 2) gerichteten Ansprüche nicht.
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Die Antragsgegnerin zu 2) ist als Bürgin nicht an die Prorogation des Gläubigers der Hauptschuld, vorliegend der Generalunternehmerin, gebunden. Allgemeiner Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 2) für Ansprüche der Antragstellerin aus der Bürgschaft nach behaupteter Abtretung der Ansprüche der Generalunternehmerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) ist Hannover, §§ 12, 17 ZPO. Auch unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) ist kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand in Frankfurt am Main begründet. Die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2) aus der Bürgschaft sind nicht auf Mangelbeseitigung, sondern auf Geldzahlung gerichtet. Da ein vereinbarter Erfüllungsort für die Bürgschaft nicht behauptet ist und sich auch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, nichts anderes entnehmen lässt, ist Erfüllungsort für die Verbindlichkeit aus der Bürgschaft der Ort, an dem die Antragsgegnerin zu 2) zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses ihren Sitz hatte, somit wiederum H., § 29 Abs. 1 ZPO, § 270 Abs. 4, § 269 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 21. November 1996, IX ZR 264/95, NJW 1997, 397 [juris Rn. 22]; BayObLG, Beschluss vom 25. Juli 2022, 101 AR 36/22, juris Rn. 25; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 21; Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 AR 94/19, NJW-RR 2020, 763 Rn. 31; Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 62/19, juris Rn. 10; Beschluss vom 31. März 1992, 1Z AR 15/92, juris Rn. 8; OLG Hamm, Beschluss vom 23. September 2014, I-32 SA 59/14, MDR 2014, 1247 [juris Rn. 12]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.14). Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass als abweichender Leistungsort der Erfüllungsort der Hauptverbindlichkeit maßgeblich sein solle. Überdies liegt der Erfüllungsort der Hauptverbindlichkeit ausweislich der mit der Antragsgegnerin zu 1) getroffenen Erfüllungsortvereinbarung (§ 15 Ziff. 3 des Bauleistungsvertrags) in St., § 29 Abs. 2 ZPO, und nicht in Frankfurt am Main.
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f) Der Zuständigkeitsbestimmung steht im Streitfall entgegen, dass mit der Antragsgegnerin zu 1) ein – nach dem klaren Wortlaut der Klausel – ausschließlicher Gerichtsstand bei einem Gericht vereinbart worden ist, an dem der andere Streitgenosse, die Antragsgegnerin zu 2), nicht ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.
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aa) Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt grundsätzlich voraus, dass die Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand eines von ihnen verklagt werden sollen. Nach ständiger Rechtsprechung können zwar besondere Sachgründe, gegebenenfalls auch eine durch Prorogation begründete ausschließliche Gerichtszuständigkeit, eine Ausnahme von dem Grundsatz zulassen (vgl. BGH NJW 2008, 3789 Rn. 11; Beschluss vom 9. Oktober 1986, I ARZ 487/86, NJW 1987, 439 [juris Rn. 7]; Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [159 f., juris Rn. 9 f.]; BayObLG, Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 17). Ein solcher Ausnahmefall ist aber nicht gegeben.
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(1) Im Streitfall liegt mit § 15 Ziff. 3 des Bauleistungsvertrags vom 15. September/1. Oktober 2016 eine wirksame, die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main begründende Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der Generalunternehmerin und der Antragsgegnerin zu 1) vor, während die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegnerinnen in den Landgerichtsbezirken Neubrandenburg und Hannover liegen.
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(2) Die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstands mit einem der Streitgenossen hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für die gemeinsame Klage bestimmt werden kann. Das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht kann dem durch die Prorogation Begünstigten grundsätzlich nicht durch eine Gerichtsstandsbestimmung entzogen werden (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1982, I ARZ 449/82, NJW 1983, 996 [juris Rn. 6]; BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 29; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 17; NJW-RR 2020, 763 Rn. 51; Beschluss vom 9. März 1999, 1Z AR 5/99, NJW-RR 2000, 660 [juris Rn. 8]).
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(3) Den anderen Streitgenossen kann dieses Gericht über eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur aufgedrängt werden, wenn – wie hier – ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand mit den übrigen Streitgenossen nicht bestanden hat und zudem den anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen (BGH NJW 2008, 3789 Rn. 11 m. w. N.; Beschluss vom 8. März 1957, I ARZ 12/57, BB 1957, 941; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 67/22, juris Rn. 48; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 30; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 17, 27; Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 AR 94/19, NJW-RR 2020, 763 Rn. 47; Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 62/19, juris Rn. 13; Beschluss vom 15. März 1999, 1Z AR 15/99, NJW-RR 2000, 1592 [juris Rn. 7]; NJW-RR 2000, 660 [juris Rn. 8]; OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 2020, 32 Sa 21/20, juris Rn. 13; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 24 m. w. N.). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.
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(a) Die Bestimmung des einseitig vereinbarten Gerichtsstands des Gläubigers der Hauptschuld für den durch die Prorogation nicht gebundenen Bürgen ist in der Regel als unzumutbar anzusehen (BayObLG, Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 28; NJW-RR 2000, 660 [juris Rn. 9]). Der Vertragspartner, der nur mit einem von mehreren Streitgenossen eine Gerichtsstandsvereinbarung mit ausschließlichem Charakter trifft, hat in der Regel die Folgen seiner Entscheidung zu tragen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 28).
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(b) Besondere Sachgründe, die eine Ausnahme dahingehend rechtfertigen, dass der Antragsgegnerin zu 2) unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen, sind nicht gegeben.
33
Eine Ausnahme ist vom Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen worden, in dem der als Streitgenosse in Anspruch genommene Partner der Gerichtsstandsvereinbarung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hatte (vgl. BGH NJW 1988, 646 [juris Rn. 8]). Dies ist hier nicht der Fall.
34
Zumutbarkeit ist weiter in Fällen bejaht worden, in denen eine über die Bürgschaft hinausgehende enge Verbundenheit zwischen dem durch die Prorogation gebundenen Hauptschuldner und dem nicht gebundenen Bürgen dergestalt bestanden hatte, dass der Bürge zugleich als gesetzlicher Vertreter der Hauptschuldnerin den die Gerichtsstandklausel enthaltenden Vertrag für diese unterzeichnet hatte und die Hauptschuldnerin ohnehin im Prozess vertrat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Juli 2022, 101 AR 36/22, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 62/19, juris Rn. 14; OLG München, Beschluss vom 26. September 2017, 34 AR 140/17, juris Rn. 8; allgemein: BGH, NJW 2008, 3789 Rn. 11; zur Zumutbarkeit des im Verhältnis zur Gesellschaft prorogierten Gerichts für das als Streitgenossen unter dem Gesichtspunkt des Delikts mitverklagten Vorstandsmitglied: BGH, NJW 1988, 646 [juris Rn. 8 f.]). Eine solche Konstellation liegt nicht vor.
35
Zumutbarkeit ist außerdem angenommen worden in einem Fall, in dem der Standort des zum Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemachten Bauwerks mit einem der in Anspruch genommenen Streitgenossen als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart war und die Bestimmung des Gerichts an diesem Ort – ohne Prorogation – zweckmäßig wäre, weil sie zur Erleichterung der Beweisaufnahme führte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. August 2022, 101 AR 54/22, juris Rn. 33). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das Bauwerk befindet sich nicht an dem mit der Antragsgegnerin zu 1) vereinbarten Gerichtsstand in Frankfurt am Main, sondern im Landgerichtsbezirk Stuttgart.
36
Der Zweck der Prorogation bestand aus Sicht der Generalunternehmerin darin, die Antragsgegnerin zu 1) und die weiteren Subunternehmer, mit denen eine auf Frankfurt am Main lautende Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen worden ist, an diesem Gericht, gegebenenfalls als Streitgenossen, in Anspruch nehmen zu können. Die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands nimmt der an sie gebundenen Partei das Recht, die Gegenpartei mit Hilfe einer Bestimmung des zuständigen Gerichts an ein anderes Gericht zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1987, I ARZ 903/86, NJW 1988, 646 [juris Rn. 8]). Wie bereits ausgeführt, ist die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands – zumindest im vorliegend gegebenen rein inländischen Kontext – auch bei der Durchsetzung der davon erfassten Ansprüche durch die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin zu beachten (zu Art. 25 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO vgl. EuGH, Beschluss vom 18. November 2020, C519/19, IPRax 2022, 280 Rn. 47; Grüneberg in Grüneberg, BGB, § 307 Rn. 93). Denn ein Zessionar kann einen Anspruch nur mit dem Inhalt erlangen, den dieser in der Hand des Zedenten hat. Zu den Modalitäten, die den Inhalt des Anspruchs ausmachen, gehört auch, dass er nur vor einem bestimmten Gericht oder auch nur vor einem anderen Gericht als den gesetzlich vorgesehenen erhoben werden kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 45 f.). Die Antragstellerin als Zessionarin muss sich danach an dem Zweck der Prorogation festhalten lassen. Der Bürgin darf der für die Hauptschuld prorogierte Gerichtsstand nicht aufgedrängt werden. Dass die Antragstellerin in der Antragsschrift angeregt hat, vorrangig das Landgericht Frankfurt am Main (und gegebenenfalls das Landgericht Stuttgart) auszuwählen, und die Antragsgegnerin zu 2) im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nicht erklärt hat, mit der Auswahl dieses Gerichts nicht einverstanden zu sein, rechtfertigt die Bestimmung des Landgerichts Frankfurt am Main (oder auch des Landgerichts Stuttgart) nicht.
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bb) Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgericht im vorangegangenen Verfahren (Az. 102 AR 152/22) führt zu keiner anderen Bewertung. In den Gründen der Entscheidung vom 6. April 2023 ist zwar ausgeführt, dass Streitgenossenschaft zwischen den hiesigen Antragsgegnerinnen (dortige Antragsgegnerinnen zu 2] und 17]) zu bejahen sein dürfte (juris Rn. 13), ihnen ist darüber hinaus jedoch keine Aussage zu den sonstigen Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung zu entnehmen. Wie bereits ausgeführt, ist in der genannten Entscheidung Streitgenossenschaft im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt gegen zahlreiche Antragsgegner gerichtete selbständige Beweisverfahren verneint und eine Gerichtsstandsbestimmung für einzelne Streitgenossen unter anderem deswegen abgelehnt worden, weil nicht ausreichend dargestellt worden sei, hinsichtlich welcher Antragsgegner insbesondere unter Berücksichtigung der Gerichtsstandsvereinbarungen eine gemeinsame Inanspruchnahme in Betracht komme (BayObLG a. a. O. juris Rn. 14).
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957 Rn. 5).