Titel:
Erfolglose Beschwerde einer Standortgemeinde auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Baugenehmigung
Normenketten:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 4
BauGB § 34 Abs. 1
BayBO Art. 8 S. 2
Leitsätze:
1. Eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung verlangt vom Beschwerdeführer innerhalb der Monatsfrist vorzutragen, warum er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für nicht tragfähig und änderungsbedürftig hält. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Änderung des ursprünglichen Antrags ist im Beschwerdeverfahren regelmäßig wegen der Entlastung des zweiten Rechtszuges nicht zulässig und gilt jedenfalls dann, wenn mit der Antragsumstellung eine wesentliche Änderung der zu prüfenden Gesichtspunkte einhergeht, das Verwaltungsgericht in dem ersten Rechtszug die dort gestellten Anträge vollständig beschieden hat und das Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nichts anderes gebietet. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einfügensgebot, Ortsgestaltungsrichtlinie, schützenswertes Ortsbild, Verunstaltungsverbot, Sanierungssatzung, Antragsänderung im Beschwerdeverfahren, Eilrechtsschutz, Beschwerdeverfahren, Baurecht, Gestaltungsform, Dachform, Fensterformat, Ortsbildbeeinträchtigung, Antragsänderung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 29.01.2024 – AN 3 S 23.2625
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15417
Tenor
I. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin als Standortgemeinde ihren erstinstanzlichen Sachantrag weiter, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sowie gegen die sanierungsrechtliche Genehmigung anzuordnen (Ziffer I). Darüber hinaus begehrt sie im Beschwerdeverfahren, den Beigeladenen einstweilen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zur Ausführung des Bauvorhabens zu unterlassen (Ziffer II).
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits mangels Darlegung und in Ziffer II auch aus einem weiteren Grund unzulässig.
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1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in einer den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise begründet wurde. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
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Eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung verlangt vom Beschwerdeführer, innerhalb der Monatsfrist vorzutragen, warum er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für nicht tragfähig und änderungsbedürftig hält (Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand März 2023, § 146 Rn. 13c). Ausgehend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts muss der Beschwerdeführer aufzeigen, in welchen Punkten und weshalb sie aus seiner Sicht nicht tragfähig ist. Das setzt voraus, dass er den Streitstoff prüft, sichtet sowie rechtlich durchdringt und sich mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses befasst. An der nötigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung fehlt es, wenn der Beschwerdeführer lediglich sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt oder sich mit pauschalen, formelhaften Rügen begnügt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 22). Vielmehr müssen die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Rechtssätze oder die dafür erheblichen Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden. Diese Anforderungen lassen sich, wie in der Rechtsprechung geklärt ist, grundsätzlich nur im Wege einer substantiellen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung erfüllen (VGH BW, B.v. 1.7.2002 – 11 S 1293.02 Rn. 5 m.w.N.).
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An der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss fehlt es hier.
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a) Dass die Dachform oder sonstige Gestaltungsmerkmale kein Einfügenskriterium nach § 34 Abs. 1 BauGB sind, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Um derartigen, die Dachform und die Fensterformate betreffende Gestaltungsvorgaben, die von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden (BVerwG vom 11.5.2000 Az. 4 C 14.98, Rn. 23), Rechtsverbindlichkeit zu verleihen, bedürfte es einer eigenen (Gestaltungs-) Satzung (BayVGH, B.v. 1.12. 2011 – 14 CS 11.2577 – juris Rn. 25). Schlüssige Gegenargumente, die diese Ausführungen in Frage stellen, hat die Antragstellerin, die sich lediglich auf die Ortsgestaltungsrichtlinie der Antragstellerin beruft, nicht genannt. Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der vom 1. Bürgermeister unterschriebenen Ortsgestaltungsrichtlinie nicht um eine ordnungsgemäß in Kraft gesetzte Rechtsnorm handelt. Sie ist lediglich Verwaltungsvorschrift.
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b) Auch zur Ortsbildbeeinträchtigung hat sich die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht ausreichend mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, sondern lediglich ihre gegenteilige Auffassung wiedergegeben. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (BA S. 20), dass die Beeinträchtigung des Ortsbilds nur unter städtebaulichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei, nicht aber in baugestalterischer Hinsicht. Diese das Ortsbild schützende Vorschrift stelle auf einen größeren maßstabsbildenden Bereich als die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung ab. Das Landratsamt hat in seiner Erwiderung beim Verwaltungsgericht vorgetragen, das von der Antragstellerin vorgelegte Bildmaterial suggeriere fälschlicherweise eine Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung. Die vorgelegten Fotoaufnahmen seien allerdings unvollständig. Aufnahmen von vorhandenen Gebäuden mit Pult- oder Zeltdach oder mit liegender Fensteranordnung würden fehlen, könnten auf richterlichen Hinweis aber nachgereicht werden. Hierauf komme es aber nicht an, da das Ortsbild der Antragstellerin nicht die erforderliche Wertigkeit für die Allgemeinheit aufweise. Ein schützenswertes Ortsbild im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 liege nicht vor. Zu all dem verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
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c) Schließlich geht die Antragstellerin mit ihren Ausführungen zum Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot aus Art. 8 Satz 2 BayBO an der Argumentation des Verwaltungsgerichts vorbei, wonach selbst bei dessen etwaiger Verletzung keine Rechtsverletzung der Antragstellerin in ihrer gemeindlichen Planungshoheit vorliegen könne.
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d) Das Vorbringen der Antragstellerin, die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung sei rechtswidrig, verfängt mangels ausreichender Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen ebenfalls nicht. Soweit das Verwaltungsgericht in Bezug auf die sanierungsrechtliche Genehmigung ausführt, es fehle bereits an einem Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele, setzt die Antragstellerin dem nichts Stichhaltiges entgegen. Dem Vortrag, mit der Ortsgestaltungsrichtlinie seien Sanierungsziele festgelegt, ist entgegenzuhalten, dass kein Zusammenhang zwischen der Sanierungssatzung und der Ortsgestaltungsrichtlinie besteht. Die Sanierungssatzung der Antragstellerin vom 4. September 2019 weist keinen Bezug zur Ortsgestaltungsrichtlinie auf. Die Übereinstimmung ihrer Geltungsbereiche genügt hierfür nicht. In den Sanierungszielen (vgl. Abschlussbericht zu den Vorbereitenden Untersuchungen Entwicklungskonzept; Entwicklungskonzept mit Sanierungszielen, Seite 18) sind die Dachform oder sonstige Gestaltungsvorgaben nicht genannt. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird (vgl. § 136 Abs. 2 BauGB). Die Erhaltung des historischen Ortsbilds und Dachformen lassen sich nur durch den Erlass einer örtlichen Bauvorschrift (Satzung) nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO regeln.
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2. Der unter Ziffer II gestellte Antrag ist schon deshalb unzulässig, weil er erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt wird. Vor dem Verwaltungsgericht hatte die Antragstellerin noch beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zur Ausführung des Bauvorhabens zu unterlassen. Soweit die Antragstellerin ihren Antrag im Beschwerdeverfahren unmittelbar gegen die Beigeladenen richtet, scheitert dieser bereits an der Unzulässigkeit der Antragsänderung. Eine solche ist im Beschwerdeverfahren regelmäßig nicht zulässig. Das folgt aus der auf die Entlastung des zweiten Rechtszuges abzielenden Regelung des § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO. Das gilt jedenfalls dann, wenn mit der Antragsumstellung eine wesentliche Änderung der zu prüfenden Gesichtspunkte einhergeht, das Verwaltungsgericht in dem ersten Rechtszug die dort gestellten Anträge vollständig beschieden hat und das Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nichts anderes gebietet (vgl. BayVGH, B. v. 3.3.2016 – 11 CE 16.219 – juris Rn. 17 m.w.N.). Derartige Umstände, die es ausnahmsweise geboten erscheinen lassen, eine Umstellung des Antrags im Beschwerderechtszug zuzulassen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere richtet sich das Begehren nunmehr unmittelbar gegen die ursprünglich Beigeladenen und damit gegen Privatpersonen, was im Rahmen des gewählten Rechtswegs nicht zulässig ist und bei entsprechender Antragstellung vor dem Verwaltungsgericht von diesem im Rahmen der Rechtswegzuständigkeit zu prüfen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien gegebenenfalls an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen gewesen wäre, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG.
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Aber auch bei Auslegung des Antrags der Antragstellerin dahingehend, dass sie ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgt, ist die Beschwerde mangels Darlegung ebenfalls als unzulässig zu werfen. Soweit sie die Zulässigkeit ihres Antrags beim Verwaltungsgericht in Ziffer 2 auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München (Az. M 11 E 18.4972) stützt, übersieht sie, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung die grundsätzliche Möglichkeit eines entsprechenden Antrags nicht negiert hat, sondern im konkreten Fall das Rechtsschutzbedürfnis hierfür verneint hat, da nicht ersichtlich sei, dass sich die Beigeladenen nicht an eine etwaige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage halten würden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Argumentation findet in der Beschwerdeschrift nicht statt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 9.10, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).