Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.06.2024 – 5 ZB 24.147
Titel:

Ausschlussgrund der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen (hier: aktive Mitgliedschaft in der PKK)

Normenketten:
StAG § 10, § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsätze:
1. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung des Sich-Abwenden iSd § 11 S. 1 Nr. 1 StAG zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen darf eine grundsätzlich dem Verwertungsverbot gem § 51 Abs. 1 BZRG unterliegende frühere Tat unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 BZRG ausnahmsweise berücksichtigt werde; dies gilt für die gesamte Prüfung, ob die Einbürgerung gem. § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG BeckRS 2012, 50800). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, Ausschlussgrund der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen (hier: aktive Mitgliedschaft in der PKK), Prüfung, ob eine Abwendung von der früheren Unterstützung derartiger, Bestrebungen glaubhaft gemacht wurde, ausnahmsweise Berücksichtigung einer Straftat trotz bereits erfolgter Tilgung, der betreffenden Eintragung im Bundeszentralregister, Einbürgerungsverfahren, Distanzierung von der PKK, Verpflichtungsklage, Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, aktive Mitgliedschaft in der PKK, Abwendung von der früheren Unterstützung, Berücksichtigung einer früheren Straftat, Tilgung, Eintragung im Bundeszentralregister, Sich-Abwenden, Glaubhaftmachung der Umstände, Verwertungsverbot
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 20.11.2023 – W 7 K 22.1009
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15413

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung.
2
Mit einem im Jahr 1995 ergangenen amtsgerichtlichen Urteil wurde der Kläger im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Autobahnblockade im Jahr 1994 wegen schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
3
Im Jahr 2000 verurteilte ein Oberlandesgericht den Kläger wegen der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als Mitglied in Tateinheit mit zweifacher Urkundenfälschung tateinheitlich begangen mit versuchtem bandenmäßigen Einschleusen von zwei Ausländern, mit einem weiteren Fall der Urkundenfälschung, sowie mit einem weiteren Fall der Urkundenfälschung in Tateinheit mit bandenmäßigem Einschleusen eines Ausländers, ferner mit 40-facher Urkundenfälschung in Tateinheit mit fünffacher bandenmäßiger Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen und mit zweifacher Urkundenfälschung zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
4
Mit Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2022 wurde ein vom Kläger am 14. Januar 2020 gestellter Einbürgerungsantrag gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG abgelehnt. Aufgrund der Mitgliedschaft und Funktion des Klägers in der PKK lägen weiterhin Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser Bestrebungen verfolge oder unterstützt habe, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Damit liege ein zeitlich unbefristetes Einbürgerungshindernis vor. Eine glaubhafte Distanzierung von der PKK sei beim Kläger nicht zu erkennen.
5
Gegen den Bescheid erhob der Kläger eine Klage mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 20. November 2023 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG, da dem ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe. Schon aufgrund seines eigenen Vorbringens sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung lägen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Kläger in der Vergangenheit Bestrebungen verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Er habe im Fragebogen für Einbürgerungsbewerber zum Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung am 14. Januar 2020 selbst angegeben, dass er Mitglied der PKK gewesen sei bzw. diese unterstützt habe. Bei der anschließenden Befragung habe er angegeben, 1994 bis 1995 Mitglied der PKK gewesen und 1999 nochmals mit der PKK in Kontakt getreten zu sein. 1995 sei er im Zusammenhang mit einer Autobahnblockade verurteilt worden und 1999, weil er unentgeltlich als „Schleuser“ in der PKK tätig gewesen sei. Die PKK verfolge gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG und gefährde die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StAG. Der Kläger habe auch nicht glaubhaft machen können, dass er sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung derartiger Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. abgewandt habe. Seine nunmehr über Jahrzehnte stabile familiäre und berufliche Integration in Deutschland stellten zwar gewichtige Anhaltspunkte für eine Distanzierung von der PKK dar, könnten diese allein jedoch ebenso wenig wie der lange Zeitraum seit seiner letzten aktiven Unterstützungshandlung begründen; es fehle an der zusätzlich notwendigen Glaubhaftmachung einer damit verbundenen inneren Haltungsänderung.
6
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
7
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
8
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
9
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
10
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
11
aa) Der im Jahr 1969 im Bundesgebiet geborene Kläger trägt im Wesentlichen vor, er habe seinen Lebensmittelpunkt mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn (beide deutsche Staatsangehörige) in Deutschland und sei privat wie beruflich sehr gut integriert. Die strafgerichtlichen Verurteilungen aus den Jahren 1995 und 2000 hätten sich wegen strafmildernder Umstände und günstiger Sozialprognose deutlich im unteren Bereich der jeweiligen Strafrahmen bewegt. Die Vollstreckung der im Jahr 1995 verhängten Freiheitsstrafe sei zur Bewährung ausgesetzt worden; nach gutem Verlauf der Bewährungszeit sei der Strafrest erlassen worden. Nach Verbüßung von 2/3 der im Jahr 2000 verhängten Strafe sei er aus der Haft entlassen worden; der Strafrest sei bis zum 21. Mai 2003 zur Bewährung ausgesetzt worden. Nach erfolgreichem Verlauf der Bewährung sei der Strafrest erlassen worden. Nach seiner Haftentlassung habe sich der Kläger betreffend kurdischer Belange völlig passiv verhalten; sein gesamter Lebensweg danach zeige eine vollständige äußerliche, aber auch eine innerliche Abkehr von der PKK und deren Zielen. Im Übrigen spreche auch der lange Zeitablauf seit der letzten Betätigung zugunsten der PKK für den Kläger. Von ihm, der die Unterstützung einer Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG in der Vergangenheit nicht bestreite, gehe keine Gefahr mehr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik aus. Die Erkenntnisse aus dem Strafurteil aus dem Jahr 1995 hätten nicht verwertet werden dürften; eine Ausnahme vom Verwertungsverbot gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG liege nicht vor. In der angefochtenen Entscheidung fehle der rechtlich gebotene Vergleich zwischen dem vorliegenden Sachverhalt und demjenigen, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. März 2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 zu beurteilen gehabt habe. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil betreffend die Feststellungen im Strafurteil aus dem Jahr 1994 widersprächen dem prozessualen Tatbegriff. Das Verwaltungsgericht habe unzutreffend angenommen, die PKK habe seit 2002 auf einer „EU-Terrorliste“ gestanden. Auch stehe eine solche Einstufung nicht mit Aktivitäten des Klägers in Zusammenhang. Bei Beachtung der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. März 2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 aufgestellten Rechtgrundsätze hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass sich der Kläger von seiner weit über zwei Jahrzehnte zurückliegenden Tätigkeit i. S. v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. abgewendet habe. Auch sei es ausreichend, dass ein Einbürgerungsbewerber jedenfalls nicht bestreite, in früherer Zeit derartige Bestrebungen verfolgt zu haben; ein Bedauern oder Abschwören sei nicht erforderlich. Das Verwaltungsgericht setzte sich hierzu in Widerspruch, wenn es Erklärungen des Klägers als Schutzbehauptungen auslege und ihm eine echte Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit abspreche. Die gebotene Zusammenschau und insbesondere die zeitliche Komponente hätten keine hinreichende Beachtung gefunden. Nicht berücksichtigt worden sei, dass die inkriminierten Aktivitäten des Klägers schon so lange zurücklägen, dass die entsprechenden Strafeintragungen getilgt seien und der Kläger ausführliche Angaben zu seinem als Fehler erkannten früheren Verhalten gemacht habe. Der Regelfall des Verwertungsverbotes als Folge des Ablaufs der Tilgungsfrist setze einen beachtlichen Anschein dafür, dass eine Abkehr als „glaubhaft gemacht“ anzusehen sei. Das Verwaltungsgericht habe unzulässiger Weise auch das Verhalten des Klägers vor der Straftatbegehung berücksichtigt. Es habe rechtsfehlerhaft das Einbürgerungsbegehren nicht auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geprüft.
12
bb) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen.
13
(1) Der Kläger bestätigt ausdrücklich die Bewertung des Verwaltungsgerichts, er habe in der Vergangenheit durch seine Aktivitäten zugunsten der PKK Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt (Antragsbegründung vom 20.2.2024 S. 8). Er macht vielmehr geltend, er habe glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe (§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E.).
14
(2) In die Prüfung, ob sich der Kläger von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat, hat das Verwaltungsgericht insbesondere auch den der strafrechtlichen Verurteilung aus dem Jahr 2000 zugrundeliegenden Sachverhalt einbezogen; der Kläger sei als Funktionär für das „Heimatbüro“ der PKK an herausgehobener organisatorischer Stelle über Jahre hinweg in die streng hierarchische Kaderstruktur dieser Organisation eingebunden gewesen (UA S. 24).
15
Zwar würde insoweit grundsätzlich das Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG gelten, weil der betreffende Eintrag im Bundeszentralregister gelöscht ist. Eine frühere Tat darf jedoch gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG u.a. dann ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, bei der im Jahr 2000 abgeurteilten Tat des Klägers seien die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG erfüllt, wird durch die Antragsbegründung nicht substantiiert in Frage gestellt. Eine in der Vergangenheit liegende Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG muss sich an der Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG messen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 40), d.h. vorliegend die im Jahr 2000 abgeurteilte Straftat. Ist der Ausnahmetatbestand erfüllt, sind die jeweiligen mittlerweile getilgten Taten nicht nur bei Prüfung, ob Bestrebungen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt wurden, sondern auch bei der Fragestellung, ob sich der Ausländer im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. von einer etwaigen Verfolgung oder Unterstützung abgewandt hat, zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat seine Bewertung, die im Jahr 2000 strafrechtlich geahndete Tat erfülle die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, nachvollziehbar begründet (UA S. 16 bis 19) und darauf abgestellt, ob Unterstützungshandlungen der PKK grundsätzlich (noch) als sicherheitsrelevant einzustufen sind. Damit hat sich der Kläger nicht substantiiert auseinandergesetzt.
16
Die Frage, ob auch das Strafurteil aus dem Jahr 1994 gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG berücksichtigt werden konnte, ist nicht entscheidungserheblich. Im angefochtenen Urteil wird ausgeführt (UA S. 19), auch ohne Berücksichtigung dieses Urteils lägen jedenfalls mit den Feststellungen im Strafurteil aus dem Jahr 2000 hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in der Vergangenheit die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der PKK über einen mehrjährigen Zeitraum in erheblichem – auch strafrechtlich relevantem – Umfang unterstützt habe.
17
Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Kläger glaubhaft gemacht hat, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, werden die Ereignisse im Jahr 1994 im angefochtenen Urteil lediglich im Zusammenhang mit eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung angesprochen (vgl. UA S. 25) und einzelnen Feststellungen in einem in der Ausländerakte befindlichen Polizeibericht gegenübergestellt. Eine Verwertung aktenkundiger Feststellungen zur Prüfung der Wahrheit der Einlassung eines Klägers verstößt nicht gegen § 51 Abs. 1 BZRG (Bücherl in BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, Stand 1.4.2024, § 51 BZRG Rn. 40). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den dem Strafrecht entstammenden prozessualen Tatbegriff geltend macht, ist im Übrigen nicht nachvollziehbar, inwieweit sich bereits hieraus ein Verfahrensfehler oder Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben könnten.
18
(3) Die Darlegungen des Klägers stellen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er habe nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt zu haben, nicht in Frage.
19
An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG werden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichnet ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2005 – 5 B 00.1819 – juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 16.04.2008 – 13 S 298/06 – juris Rn. 25). Die Anforderungen sind in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens ist und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreicht. Es ist eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 47; BayVGH, B.v. 1.4.2019 – 5 ZB 18.1882 – juris Rn. 26).
20
Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Bewertung (UA S. 23 bis 26) in Rechnung gestellt, dass zwar die nunmehr über Jahrzehnte stabile familiäre und berufliche Integration des Klägers in Deutschland gewichtige Anhaltspunkte für eine Distanzierung von der PKK darstellten. Es fehle jedoch an der zusätzlich notwendigen Glaubhaftmachung einer damit verbundenen inneren Haltungsänderung. Der lange Zeitraum seit den letzten aktenkundigen Unterstützungshandlungen spreche zwar ebenso für ein Abwenden von seinen früheren Unterstützungshandlungen wie sein kooperatives Verhalten während des Strafverfahrens im Jahr 2000. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Funktionär für das „Heimatbüro“ an herausgehobener organisatorischer Stelle über Jahre hinweg in die streng hierarchische Kaderstruktur der PKK eingebunden gewesen sei. Laut Verfassungsschutzbericht 2022 sei die Tätigkeit solcher PKK-Funktionäre in aller Regel zeitlich begrenzt. Mithin entspreche das Ausscheiden aus einer Kaderfunktion verbunden mit der Rückkehr in ein „ziviles Leben“ dem regulären Werdegang eines PKK-Funktionärs und müsse nicht zwangsläufig mit einer inneren Abkehr von deren Ideologie verbunden sein. Hinzu komme, dass das Ausscheiden aus dem PKK-Kader im Fall des Klägers gerade nicht auf einer willentlichen Entscheidung des Klägers selbst beruht habe, sondern durch seine Festnahme und anschließende Inhaftierung herbeigeführt worden sei. Da seine Alias-Identität und seine Funktionärstätigkeit durch das Strafverfahren aufgedeckt worden seien, dürfe er zudem auch für die PKK langfristig an strategischem Wert verloren haben, weil ein Wiederanknüpfen an seine frühere konspirative Tätigkeit damit hochgradig risikobehaftet gewesen wäre. Mithin könne aus dem bloßen Unterlassen weiterer Unterstützungshandlungen nicht bereits auf eine innere Abkehr geschlossen werden. Sie könne ebenso gut auch einer einvernehmlich mit den verbleibenden PKK-Kadern vereinbarten Risikovermeidungsstrategie entspringen. Soweit sich der Kläger sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung bei Gericht mehrfach dahingehend eingelassen habe, er habe Fehler gemacht und sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis von allem „Politischen“ distanziert, vermöge das Gericht darin nicht den für ein Abwenden gem. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG notwendigen individuellen Lernprozess zu erkennen. Die abstrakten Formulierungen „Fehler gemacht“, „falscher Weg“, „Er habe eingesehen, dass er Teil einer kriminellen Organisation gewesen sei“ stünden nämlich in auffälligem Kontrast zu den wortreichen und detaillierten Schilderungen, mit denen der Kläger seine früheren Unterstützungshandlungen und seine eigene Verantwortung dafür zu relativieren versucht habe. Die Darstellung, er sei lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und sei gutgläubig den falschen Menschen gefolgt, sei mithin eine – bewusste oder unbewusste – Schutzbehauptung, die gegen eine echte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und damit gegen den für ein Abwenden notwendigen inneren Lernprozess spreche. Bemerkenswert sei zudem, dass die detailreiche chronologische Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung just an den Punkten abgebrochen sei, an denen es im engeren Sinne um die ihm zur Last gelegte Unterstützung der PKK gegangen sei.
21
Diese Erwägungen stehen in Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs und werden durch den Vortrag des Klägers nicht in Frage gestellt. Insbesondere kommt es für die Bewertung, ob ein Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 a.E. StAG erfolgt ist, nicht allein darauf an, wie viele Jahre die letzten Unterstützungshandlungen zurückliegen. Zwar ist richtig, dass ein wie vorliegend langer Zeitraum im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein Aspekt sein kann, der für eine Distanzierung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 a.E. StAG spricht. Allerdings wird die Bedeutung des Zeitablaufs vorliegend schon dadurch relativiert, dass die Eintragung über die Verurteilung aus dem Jahr 2000 einer langen Tilgungsfrist von 15 Jahren unterlag. Insbesondere auch angesichts der Schwere der Straftaten, die der Kläger zur Unterstützung der PKK begangen hat, und der hohen kriminellen Energie, die er dabei aufgebracht hat, müssten deutliche Indizien für eine Abwendung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. vorliegen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger sich nach den von ihm zitierten Erwägungen im Strafurteil aus dem Jahr 2000 ohne finanzielle oder sonst eigennützige Interessen, sondern aus ideologischen Motiven als Mitglied in einer kriminellen Vereinigung betätigt hat. Es fehlt an objektiv feststellbaren Umständen, die für eine Abkehr des Klägers von dieser politischen Überzeugung aufgrund eines inneren Reifeprozesses und eine Distanzierung von seinen früheren Unterstützungsleistungen für die PKK sprächen.
22
Das Verwaltungsgericht (UA S. 24) weist zurecht darauf hin, dass das Ende der Unterstützungshandlungen des Klägers zugunsten der PKK nicht eindeutig auf einen Gesinnungswandel hindeutet. Der Kläger musste seine Mitarbeit im sogenannten „Heimatbüro“ der PKK gezwungenermaßen einstellen; angesichts des konspirativen Charakters dieser Organisationseinheit dürfte die PKK nach der strafrechtlichen Aufdeckung der Alias-Identität und der Funktionärstätigkeit des Klägers kein Interesse an einer Wiederaufnahme seiner Unterstützungstätigkeit gehabt haben, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist.
23
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund einer Auswertung von Aussagen des Klägers im Einbürgerungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar aufgezeigt, dass der für ein Abwenden gem. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG notwendige individuelle Lernprozess nicht zu erkennen ist (UA S. 25 f.). Der Kläger hat u.a. seine Funktionärstätigkeit im „Heimatbüro“ der PKK als krimineller Vereinigung im Einbürgerungsverfahren bagatellisiert. Die Feststellungen zu seinen Unterstützungshandlungen im Strafurteil aus dem Jahr 2000 beruhen im Wesentlichen auf weitgehenden Geständnissen des Klägers und eines Mittäters (vgl. S. 27 des Strafurteils, Ausländerakte Teil II Bl. 153). Danach brachte der Kläger spätestens seit September 1996 bis zu seiner Festnahme am 4. Februar 1999 ideologisch motiviert seine gesamte Arbeitskraft zur Erfüllung der Aufgaben des „Heimatbüros“ ein (a.a.O. S. 18 und 30). In einer Befragung am 1. Oktober 2020 gab der Kläger dagegen u.a. an, nach gerichtlicher Auffassung und Verurteilung sei er Mitglied bei der PKK gewesen, was er bis heute bestreite; eine Aufgabe oder Funktion bei der PKK habe er nicht gehabt. Er sei gerichtlich als Schleuser verurteilt worden und habe auch Personen von A nach B gebracht. Er sei sich aber nicht bewusst gewesen, dass die PKK „dieses infiziert“ gehabt habe. Heute würde er sagen, er sei damals ausgenutzt worden (Einbürgerungsakte Bl. 48).
24
Im Übrigen wird noch in der Antragsbegründung der Sache nach in Frage gestellt, ob die PKK im Zeitraum nach den Unterstützungshandlungen des Klägers weiterhin als terroristische Organisation angesehen werden könne; eine Auseinandersetzung mit den im angefochtenen Urteil (UA S. 12 f., 17 bis 19) angeführten Erkenntnissen der deutschen Verfassungsschutzbehörden und von EUROPOL findet in diesem Zusammenhang nicht statt. Der Kläger beschränkt sich vielmehr darauf, die Verwertbarkeit der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden pauschal zu bezweifeln und hält mit Hinweis auf die Stichworte „Ende der Friedensverhandlungen 2014“, den „Putsch 2016“ und einen „Paradigmen-Wechsel der PKK“ ohne nähere Begründung eine Beweiserhebung für erforderlich, weil in den vom Verwaltungsgericht zitierten Quellen diese Entwicklungen nicht berücksichtigt worden seien. Er verkennt dabei offenbar auch, dass der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren auswärtiger Belange betrifft und es insoweit insbesondere vor allem auch um die Aktivitäten der PKK im Bundesgebiet geht. Sein Vortrag deutet nicht auf eine vertiefte und kritische Auseinandersetzung mit den verfassungsfeindlichen Bestrebungen der PKK hin.
25
Die Rüge des Klägers, die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur im Jahr 1995 erfolgten Verurteilung beruhten auf einem Verstoß gegen den prozessualen Tatbegriff, stellt deren Ergebnisrichtigkeit nicht in Frage. Die kritisierten Ausführungen (UA S. 20 f.) sind Teil der nicht entscheidungserheblichen Feststellung, hinreichende Anhaltspunkte für eine Unterstützung der PKK durch den Kläger lägen im Übrigen selbst dann vor, wenn man beide strafrechtlichen Entscheidungen aus den Jahren 1995 und 2000 im Hinblick auf das Verstreichen der Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BZRG außer Betracht ließe (UA S. 19). Das Urteil beruht auf der selbständig tragenden Bewertung, bereits mit den Feststellungen im Urteil aus dem Jahr 2000 lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in der Vergangenheit die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der PKK über einen mehrjährigen Zeitraum in erheblichem – auch strafrechtlich relevantem – Umfang unterstützt habe (UA S. 19).
26
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung im angefochtenen Urteil (UA S. 17), die PKK sei auch seitens der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistet; somit seien nicht nur die Auswirkungen einer Einbürgerung des Klägers auf Deutschland, sondern auch auf die Europäische Union und den gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts relevant. Sein Hinweis darauf, dass seine Unterstützungshandlungen für die PKK in keinem Zusammenhang mit der erst später erfolgten Einstufung seitens der EU stünden, geht ins Leere; ein solcher Kausalzusammenhang wird im Urteil nicht behauptet. Die Behauptung des Klägers, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei die Aufnahme der PKK in die Liste der Terrororganisationen in den Jahren 2014 bis 2017 beanstandet worden, stellt die Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts zu Auswirkungen einer erst im Jahr 2020 beantragten Einbürgerung des Klägers nicht in Frage.
27
Der Kläger hat ohne weitere Begründung behauptet, es sei rechtlich geboten, sein Einbürgerungsbegehren auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu prüfen. Das genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen. Zudem ist anzumerken, dass die Ausschlusswirkung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eintritt; es besteht kein Raum für eine Abwägung mit individuellen Interessen des Klägers an der Einbürgerung.
28
b) Der Kläger hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, inwieweit der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
29
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung (entscheidungserheblich) war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
30
Der Kläger bezweifelt sinngemäß pauschal die Verwertbarkeit der Erkenntnisse einer Behörde wie des Bundesamtes für Verfassungsschutz „im Hinblick auf die Person des Behördenleiters und das Wirken seines Stabes“. Ein Klärungsbedarf, der zugleich entscheidungserheblich für das vorliegende Verfahren wäre, ergibt sich hieraus nicht. Im Verwaltungsprozess ist es Aufgabe des Gerichts, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, dazu von Amts wegen die erforderlichen Sachaufklärungen zu betreiben und sich seine eigene Überzeugung zu bilden (BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 9 C 11.11 – BVerwGE 145, 354 Rn. 28); das Verwaltungsgericht entscheidet nach eigener Rechtsüberzeugung über Inhalt und Umfang der Aufklärungsmaßnahmen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 31). Es ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Klägers und ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern der Behördenleiter und/oder der Stab des Bundesamts für Verfassungsschutz Einfluss auf im zu entscheidenden Fall relevante Umstände genommen haben könnte oder sollte. Auch ist nicht ersichtlich, aus welcher gesetzlichen Vorschrift sich das vom Kläger angenommene Beweisverwertungsverbot ergeben könnte. Das Verwaltungsgericht entscheidet, wie auch vorliegend in nicht zu beanstandender Weise geschehen, aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, ob im Rahmen der Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) behördliche Erkenntnisse beigezogen werden; diese unterliegen ggf. der freien gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 108 VwGO).
31
Weiter trägt der Kläger vor, bei vollständiger Offenlegung der bei der Entscheidung berücksichtigten Erkenntnismittel hätte er einen Beweisantrag zur grundsätzlich bedeutsamen Frage der Einstufung der PKK im Rahmen der Rechtsprechung „z.B. in Belgien“ gestellt. Dabei handelt es sich bereits nicht um eine für die angefochtene Entscheidung, sondern allenfalls im hypothetischen Fall, dass bestimmte gerichtliche Hinweise erteilt worden wären, entscheidungserhebliche Frage. Unabhängig davon kann eine etwaige Rechtsprechung nicht Gegenstand von Tatsachensachenbehauptungen sein, deren Richtigkeit unter Beweis gestellt werden könnte.
32
Schließlich stellt der Kläger die Fragen, „ob Straftaten, deren Tilgungsfrist schon überschritten ist und die daher in der Regel einem Verwertungsverbot unterliegen, nicht bereits für sich genommen zu einem Anschein von glaubhaft gemachter Abkehr im Sinne eines entsprechenden Anscheins führen“, und „ob einer Abkehr bzw. ihrer Glaubhaftmachung Umstände entgegenstehen können, die aus einer Zeit datieren, die lange vor den Straftaten liegt, deren Tilgung bereits eingetreten ist.“ Dies ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Danach ist die Klärung der Frage, ob sich der betreffende Ausländer im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat, anhand einer Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen (vgl. U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 47). Es kommt demnach nicht allein auf das Kriterium an, wie lange die Unterstützungshandlungen zurückliegen. Bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen darf eine grundsätzlich dem Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG unterliegende frühere Tat unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 BZRG ausnahmsweise berücksichtigt werden (U.v. 20. 3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 40); dies gilt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerbevollmächtigten für die gesamte Prüfung, ob die Einbürgerung gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 37).
33
c) Der Kläger hat nicht dargelegt, inwieweit die angefochtene Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2012 (a.a.O.) abweichen würde. Es fehlt bereits an einer Gegenüberstellung eines im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts enthaltenen Rechtssatzes mit einem davon abweichenden, im Urteil des Verwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz. Der Kläger rügt der Sache nach lediglich, dass das Verwaltungsgericht bei einem zutreffenden Vergleich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zu einer anderen Bewertung hätte gelangen müssen.
34
d) Der vom Kläger als Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
35
aa) Der Kläger beanstandet im Wesentlichen, das Verwaltungsgericht habe seine Bewertung unter anderem auf Tatsachen gestützt, mit deren Berücksichtigung er angesichts seiner ausführlichen Angaben gegenüber den Ausländerbehörden und in der mündlichen Verhandlung zu anderen Sachverhalten nicht habe rechnen müssen; er habe diesbezüglich keine Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Dies gelte erst recht für Sachverhalte, die teils 20 bzw. 30 Jahre zurücklägen. Es handele sich insoweit um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Der Kläger nennt in diesem Zusammenhang insbesondere eine im angefochtenen Urteil erwähnte Strafanzeige zu einem Vorfall am 18. August 1994 und Ermittlungsergebnissen aus einem Ortstermin am 24. März 1994. Im Falle von gleichfalls bei der Entscheidung berücksichtigten Publikationen des Verfassungsschutzes aus den Jahren 2019 und 2022 sei kein Zusammenhang mit den Taten des Klägers zu erkennen. Die Tatsachenfeststellungen vom 24. März 1994 seien zudem bereits im Strafurteil aus dem Jahr 1994 verwertet worden. Die betreffenden Erkenntnismittel hätten in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt werden müssen. Er hätte ggf. Beweisanträge betreffend die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und zur Bewertung der PKK gestellt sowie sich gegen die Verwertbarkeit der Publikationen des Verfassungsschutzes gewandt. Auch mit der Bewertung seines Verhaltens um die Zeit der Geburt seines Sohnes habe der Kläger nicht rechnen müssen. Der Kläger meint zudem sinngemäß, sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei auch dadurch verletzt worden, dass im angefochtenen Urteil eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 fehle. Zudem sei das Urteil insoweit nicht mit Gründen versehen.
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bb) Die Rüge einer Überraschungsentscheidung kann nur Erfolg haben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 138 Rn. 33 m.w.N.). Zur Darlegung einer Überraschungsentscheidung müssen tatsächliche oder rechtliche Ausführungen des Urteils bezeichnet werden, zu denen sich der Beteiligte wegen der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht äußern konnte. Auch muss substantiiert dargelegt werden, was andernfalls über das bisherige Vorbringen hinaus vorgetragen worden wäre, welche Beweisanträge gestellt worden wären und warum dies hätte entscheidungserheblich sein können, d.h. warum nicht ausgeschlossen ist, dass die Entscheidung bei Gewährung rechtlichen Gehörs anders ausgefallen wäre (vgl. Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2024, § 124a Rn. 79.1 m.w.N.).
37
cc) Der Kläger musste selbstverständlich damit rechnen, dass u.a. der gesamte Inhalt der ihn betreffenden Ausländerakte zum Gegenstand des Verfahrens gemacht würde. Der Umstand, dass bestimmte aktenkundige Ereignisse wie der Vorfall am 18. August 1994 und Ermittlungsergebnisse aus einem Ortstermin am 24. März 1994 im Einbürgerungsverfahren möglicherweise nicht oder jedenfalls nicht ausführlich in den Anhörungsterminen zur Sprache kamen, schränkt den Umfang der möglichen Beweismittel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ein. Im Übrigen war die frühere Tätigkeit des Klägers für die PKK zentraler Prüfungsgegenstand im Einbürgerungsverfahren. Der Kläger musste damit rechnen, dass dieser Themenkomplex in all seinen Facetten bewertet und wesentlicher Bestandteil der rechtlich gebotenen Gesamtbetrachtung (vgl. BVerwG, 20.3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 47) sein würde. Diejenigen Sachverhalte, die nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben, unterlagen i.Ü. nicht dem Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 41).
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Es bedarf keiner Entscheidung, ob es verfahrensrechtlich geboten gewesen wäre, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 und die Informationsbroschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur PKK (Stand Februar 2019), auf die im Urteil Bezug genommen wird, spätestens in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass er in diesem Fall möglicherweise Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Für die Richtigkeit der Behauptung, wegen der aus Sicht des Klägers fehlenden persönlichen Eignung eines früheren Behördenleiters komme diesen Publikationen kein Erkenntniswert zu, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die Bewertung des Erkenntniswerts ist auch keine Tatsachenbehauptung, die unter Beweis gestellt werden könnte, sondern Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung. Der Vortrag des Klägers, die Informationsbroschüre berücksichtige nicht die Gegebenheiten nach dem Ende der „Friedensverhandlungen 2014“, dem „Putsch 2016“, und dem „Paradigmen-Wechsel der PKK“, weshalb eine neue Beweisaufnahme erforderlich gewesen sei, ist unsubstantiiert. In der Informationsbroschüre werden insbesondere eine Ankündigung von Friedensverhandlungen und eines Waffenstillstands im März 2013 (S. 12) sowie Verhaftungen von prokurdischen, der PKK nahestehenden Politikern in der Türkei im Jahr 2016 (S. 26) angesprochen. Was der Kläger unter einem „Paradigmen-Wechsel der PKK“ versteht, bleibt unklar.
39
Aus eine nach Meinung des Klägers erforderliche, im angegriffenen Urteil unterbliebene Auseinandersetzung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132 kann keine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt werden; ein gerichtlicher Hinweis des Verwaltungsgerichts zu seiner vorläufigen Rechtsauffassung und deren rechtlicher Begründung ist verfahrensrechtlich nicht geboten. Auch besteht kein Zusammenhang zwischen Urteilsgründen, die den Kläger nicht zu überzeugen vermögen, und dem Verfahrensfehler einer Entscheidung, die nicht mit Gründen versehen ist (vgl. § 138 Nr. 6 VwGO). Nach § 108 Abs. 1 S. 2 VwGO sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 313 Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Gemessen am Zweck der Begründung ist eine Entscheidung dann nicht mit Gründen versehen, wenn eine Begründung entweder überhaupt oder zu wesentlichen Streitpunkten unterblieben ist (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 138 Rn. 54 ff.). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Dass der Kläger weitere Ausführungen für sinnvoll erachtet hätte, verhilft seiner Rüge nicht zum Erfolg.
40
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
42
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 52 Abs. 1 VwGO).
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Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).