Titel:
Erfolglose Berufungszulassung: Nutzungsänderung einer Wettannahmestelle in ein Büro für Sportwetten wegen vergleichbarem Außenauftritt
Normenketten:
BauGB § 31 Abs. 2
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 1 Abs. 9, § 7
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Da es sich bei einem Wettbüro und einer Wettannahmestelle um bauplanungsrechtlich verschiedene bauliche Anlagetypen handelt, kommt einem eventuell vergleichbaren unauffälligen "Außenauftritt" bei einer genehmigten Wettannahmestelle und einem beabsichtigten Wettbüro keine maßgebliche rechtliche Bedeutung zu. Ein Oberbegriff "Wettvermittlungsstellen" ist nicht relevant. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsänderung zur Errichtung eines Büros für Sportwetten, Ausschluss von Wettbüros im Bebauungsplan, Grundzug der Planung, Wettbüro, Wettannahmestelle, Wettvermittlungsstelle, Nutzungsänderung, Sportwette, Baugenehmigung, Außenauftritt
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 25.01.2024 – Au 5 K 22.2546
Fundstellen:
BayVBl 2024, 635
BeckRS 2024, 15397
LSK 2024, 15397
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 28.338,-- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin, die eine baurechtlich als Wettannahmestelle genehmigte Anlage betreibt, begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung zur Errichtung eines Büros für Sportwetten. Ihr dahingehender Bauantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 8. Dezember 2022 abgelehnt. Zur Begründung führte diese aus, dass nach dem Bebauungsplan Nr. 401 für das Gebiet „Zwischen V.-, P.-, B.-, Sch.- und H. straße“ der Beklagten in der Fassung der Änderung vom 19. Mai 2017 u.a. Wettbüros in dem festgesetzten Kerngebiet nicht zulässig sind. Eine Befreiung komme nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt seien.
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Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben, die von diesem mit Urteil vom 25. Januar 2024 abgewiesen wurde. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich nicht zulässig, da der Ausschluss von Wettbüros im Bebauungsplan zulässig erfolgt sei. Auch eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung komme nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt seien. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
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a) Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts geltend, weil der Ausschluss von Wettbüros städtebaulich nicht ausreichend begründet sei. Notwendig seien ein Qualitätsverlust und eine Niveauabsenkung des Gebiets, die mit einer nach außen nicht wahrnehmbaren Nutzungsänderung nicht begründet werden könnten. Da sich die Außendarstellung des beantragten Wettbüros nicht von der allgemein zulässigen, bereits betriebenen Wettannahmestelle unterscheide, liege eine überschießende Wirkung in Bezug auf die Annahme eines Trading-Down-Effekts vor. Mit ihrem maßgeblichen Zulassungsvorbringen (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) bleibt die Klägerin jedoch erfolglos.
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Das Verwaltungsgericht (UA S. 14) ist zutreffend von dem allgemeinen Erfahrungssatz ausgegangen, dass sich Vergnügungsstätten, zu denen das beantragte Wettbüro zählt (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22), negativ auf ihre Umgebung auswirken können und deren Verhinderung einen besonderen Grund i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 28.7.2023 – 9 N 20.2183 – juris Rn. 27). In der Planung komme zudem ein konkreter Bezug zum Plangebiet durch die Bezugnahmen auf eine Bestandsaufnahme, Leerstände und einen Ansiedelungsdruck zum Ausdruck (UA S. 15). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Soweit die Klägerin konkrete Anzeichen für einen eintretenden oder eingetretenen Trading-Down-Effekt bemängelt, ist ein solcher Nachweis nicht erforderlich. Vielmehr kann schon im Vorfeld vorsorgend ein Bebauungsplan aufgestellt werden, um den befürchteten negativen Entwicklungen zu begegnen (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2023 – 9 N 20.2183 – juris Rn. 27). Auf den behaupteten vergleichbaren unauffälligen „Außenauftritt“ eines Wettbüros und einer Wettannahmestelle kommt es, ebenso wie auf die fehlende Ansiedelung vergleichbarer Vergnügungsstätten hierbei nicht an (vgl. VGH BW, B.v. 16.11.2023 – 8 S 1148/23 – juris Rn. 18). Maßgebend für ein Wettbüro ist dessen Anreiz zum Verweilen und zur Platzierung weiterer Wetten (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.7.2023 – OVG 10 N 67.19 – juris Rn. 22) und nicht dessen „Außenauftritt“. Im Hinblick auf die unterschiedliche bauplanungsrechtliche Einstufung von Wettbüros und Wettannahmestellen (vgl. OVG NW, B.v. 27.2.2024 – 7 B 1423/23 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.) ist der von der Klägerin bemühte „Oberbegriff Wettvermittlungsstellen“ nicht relevant.
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Entgegen der Darstellung im Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht die Verhinderung eines Trading-Down-Effekts auch nicht als einziges städtebauliches Planungsziel angeführt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass auch die dauerhafte und nachhaltige Steuerung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zur Sicherung und Stärkung kerngebietstypischer Nutzungen sowie der Erhalt und die qualitative Aufwertung der wichtigen Achse Bahnhof – Innenstadt und somit des zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt eine wesentliche Rolle spielen (UA S. 14 f.). Dem Plangeber kommt es gerade auf die Stärkung der kerngebietstypischen Nutzungen im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt an (UA S. 14). Dem setzt die Klägerin nichts entgegen.
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b) Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass nach dem Verwaltungsgericht die Erteilung einer Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht in Betracht kommt. Denn es stellt zutreffend darauf ab (UA S. 18), dass die Art der baulichen Nutzung typischerweise zur Grundkonzeption eines Bebauungsplans gehört und dementsprechend regelmäßig einen Grundzug der Planung darstellt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2024, § 31 Rn. 36). Das beantragte Wettbüro stellt sich in Bezug auf die bestandskräftig genehmigte Wettannahmestelle auch nicht als „vernünftigerweise gebotene“ Nutzungserweiterung dar (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – juris Rn. 30). Da es sich bei einem Wettbüro und einer Wettannahmestelle um bauplanungsrechtlich verschiedene bauliche Anlagetypen handelt, kommt dem angeführten „Außenauftritt“ nicht die von der Klägerin gewünschte rechtliche Bedeutung zu.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2022 – 15 ZB 22.732 – juris Rn. 18) und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine hinreichend sichere Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2023 – 15 ZB 23.1404 – juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht von einer Einzelrichterübertragung abgesehen hat, lässt sich ein Schluss auf besondere Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht begründen (BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 15 ZB 17.45 – juris Rn. 20). Auch eine indizielle Wirkung ergibt sich hieraus aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen und Wirkungen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2023 – 23 ZB 22.2639 – juris Rn. 11; B.v. 5.8.2002 – 7 ZB 02.507 – juris Rn. 6).
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Die Abgrenzung zwischen Wettbüro und Wettannahmestelle ist vor dem Hintergrund ersichtlich einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht rechtlich schwierig (vgl. VGH BW, B.v. 16.11.2023 – 8 S 1148/23 – juris Rn. 19). Auf die von der Klägerin geltend gemachten fehlenden optischen, nach außen in Erscheinung tretenden Umstände kommt es mangels bauplanungsrechtlicher Vergleichbarkeit und – unabhängig davon, dass diese von nicht vollumfänglich beeinflussbaren Veränderungen seitens des Betreibers abhängen – mangels alleiniger Relevanz eines Trading-Down-Effekts als Planungsziel der Beklagten nicht an. Die Erfassung dieser Planungsziele anhand der vorliegenden Planungsunterlagen weist hier keine von der Mehrzahl verwaltungsgerichtlicher Verfahren abweichenden Besonderheiten auf.
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 16.1.2024 – 15 ZB 23.1894 – juris Rn. 15).
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a) Die Frage, ob „die Annahme eines möglichen Trading-Down-Effekts zur Begründung eines Ausschlusses nach § 1 Abs. 3, Abs. 9 BauNVO von Wettbüros im Lichte der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Bordellen und bordellartigen Betrieben” (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – juris Rn. 14) voraussetzt, „dass Wettbüros nach außen besonders in Erscheinung treten, d.h. insbesondere über im Baugebiet allgemein zulässige Wettannahmestellen hinaus besonders in Erscheinung treten” ist nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat einen Trading-Down-Effekt nicht als einziges Planungsziel der Beklagten angeführt (UA S. 14 f.).
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b) Auch die Frage, “ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Bordellen / bordellartigen Betrieben (…) auf Wettvermittlungsstellen und deren Besonderheit, dass sie in zwei Formen vorkommen (Wettannahmestelle und Wettbüro), die sich optisch nach außen in keiner Weise unterscheiden, übertragbar ist”, ist nicht entscheidungserheblich. Denn das maßgebliche Kriterium für die Abgrenzung der unterschiedlichen bauplanungsrechtlichen Einstufung einer Wettannahmestelle gegenüber einem Wettbüro richtet sich danach, ob die in Frage stehende Nutzung einen Anreiz zum Verweilen und zur Platzierung weiterer Wetten bietet (vgl. OVG Berlin-Bbg. B.v. 28.7.2023 – OVG 10 N 67.19 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Darüber hinaus kommt es bei der bauplanungsrechtlich relevanten und geklärten Abgrenzung von Wettbüro und Wettannahmestelle auf eine „milieaubedingte Unruhe“, auf die bei Bordellen / bordellartigen Betrieben abgestellt wird, und für die das Bundesverwaltungsgericht ein nach außen in Erscheinung Treten voraussetzt (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – a.a.O.), nicht an. Entsprechendes wird auch im Zulassungsvorbringen nicht dargelegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).