Titel:
Ablehnung eines Antrages auf Beiladung der Gemeinde im Rahmen einer Nachbaranfechtungsklage
Normenkette:
VwGO § 65 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Hat die Gemeinde zu dem streitgegenständlichen Bauvorhaben das gemeindliche Einvernehmen erteilt, so ist sie durch die gerichtliche Entscheidung im Rahmen einer Nachbaranfechtungsklage gegen die von der Baugenehmigungsbehörde erlassenen Baugenehmigung insoweit nicht in ihren Rechten betroffen. Eine notwendige Beiladung der Gemeinde gem. § 65 Abs. 2 VwGO im Verfahren der Nachbaranfechtungsklage hat nicht zu erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn in einem anderen Verfahren auch eine Normenkontrolle bezüglich der Wirksamkeit des maßgeblichen Bebauungsplans der Gemeinde anhängig ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO vorliegen, ist die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ein Anspruch auf Beiladung besteht bei der einfachen Beiladung nicht. Das Gericht hält im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung im vorliegenden Fall eine einfache Beiladung der Gemeinde für nicht geboten und hat in vergleichbaren Konstellationen auch in der Vergangenheit die Standortgemeinde nicht beigeladen. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablehnung eines Antrages auf Beiladung der Gemeinde im Rahmen einer Nachbaranfechtungsklage, Beiladung, einfache Beiladung, notwendige Beiladung, Gemeinde, Nachbarklage, Nachbaranfechtungsklage, Baugenehmigung, Baurecht, Normenkontrolle, Anhängigkeit, gemeindliches Einvernehmen, Kommune, Ermessen, Interessenabwägung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.06.2024 – 15 C 24.1013
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15396
Tenor
Der Antrag des Herrn Rechtsanwalt …,,, die Gemeinde ... zum Verfahren Au 5 K 23.1070 beizuladen, wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage vom 10. Juli 2023 gegen eine der Beigeladenen durch den Beklagten, vertreten durch das Landratsamt ... (im Folgenden Landratsamt), erteilte Baugenehmigung, Az., vom 22. Juni 2023 für den Neubau eines Mehrfamilienhauses (8 Wohneinheiten) mit Tiefgarage (13 Stellplätze) und 5 Außenstellplätzen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ....
2
Am 29. April 2024 hat das Gericht in dem Verfahren einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin durchgeführt. Als Termin für die mündliche Verhandlung hat das Gericht den 1. August 2024 bestimmt.
3
Rechtsanwalt ... ... hat mit Schreiben an das Gericht vom 13. Mai 2024 beantragt, die Gemeinde ... zu dem Verfahren beizuladen. Zur Begründung des Antrages auf Beiladung wird in dem Schreiben vom 13. Mai 2024 ausgeführt, die Kläger hätten beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollklage erhoben mit dem Antrag, die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes „... Süd“, in dessen Umgriff das Baugrundstück liege, festzustellen. Er vertrete die Gemeinde ... auch im dortigen Verfahren. Da es im vorliegenden Verfahren auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes inzidenter anzukommen scheine, sei die Gemeinde ... durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in ihren Rechten betroffen.
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Der Antrag auf Beiladung nach § 65 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO wird abgelehnt.
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1. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.
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Eine notwendige Beiladung ist nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig, wenn der beizuladende Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich – nicht jedoch notwendig auch im gleichen Sinn – ergehen kann, wenn also die von den Klägern begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des beizuladenden betroffen, d. h. gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden, sodass aus Rechtsgründen die Entscheidung den Hauptbeteiligten und dem Beigeladenen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Auflage 2023, § 65 Rn. 14).
7
Die Gemeinde ... hat zu dem streitgegenständlichen Bauvorhaben das gemeindliche Einvernehmen erteilt, so dass sie durch die gerichtliche Entscheidung im Rahmen der Nachbaranfechtungsklage insoweit nicht in ihren Rechten betroffen ist. Soweit die Kläger neben der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung auch einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellt haben, hat dies nicht zur Folge, dass die Entscheidung des Gerichts über die Nachbarklage unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beigeladenen im oben genannten Sinne betrifft.
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2. Nach § 65 Abs. 1 VwGO kann das Gericht im Rahmen einer einfachen Beiladung auf Antrag Dritte, deren rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.
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Voraussetzung für die einfache Beiladung ist, dass durch die zu erwartende Entscheidung des Gerichts, nicht aber auch durch bloße Feststellungen im Tatbestand oder durch die nicht von der Rechtskraft erfassten Entscheidungen über Vorfragen die rechtlichen Interessen des Beizuladenden berührt werden können (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 8).
10
Aber auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung vorliegen, ist die Entscheidung darüber, anders als bei der notwendigen Beiladung, in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ein Anspruch auf Beiladung besteht bei der einfachen Beiladung nicht.
11
Das Gericht hält im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung im vorliegenden Fall eine einfache Beiladung der Gemeinde ... für nicht geboten und hat in vergleichbaren Konstellationen auch in der Vergangenheit die Standortgemeinde nicht beigeladen.