Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Anhaltspunkten für eine Demenzerkrankung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1,, Nr. 2, Nr. 3a, Abs. 5, § 173 S. 1
ZPO § 418 Abs. 2
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11, § 46 Abs. 1 S. 1, 2, § 47 Abs. 1, Anl. 4 Nr. 7.3
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Hinsichtlich des Einsatzberichts ist zu berücksichtigen, dass polizeilichen Aussagen nach der Rechtsprechung im Fahrerlaubnisrecht regelmäßig erhöhte Bedeutung zukommt. Nach der Rechtsprechung des VGH München müssen polizeiliche Einsatzberichte jedenfalls substantiiert bestritten werden (vgl. VGH München BeckRS 2022, 1938). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar ist von Nr. 7.3 Anl. 4 FeV nur die schwere Altersdemenz umfasst, die Behörde kann jedoch mangels eigener medizinischer Fachkenntnisse ohne Einholung medizinischer Nachweise nicht beurteilen, welcher Schweregrad der Demenz vorliegt, sodass hier unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem ersten Schritt ein MMS-Test angefordert worden ist (vgl. auch VGH München BeckRS 2019, 7170). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar umfasst Nr. 7.3 Anl. 4 FeV lediglich schwere Fälle der Demenz und kommen andere Nummern der Anlage nach bisherigem Kenntnisstand vorliegend nicht in Betracht. Jedoch kann die Fahrerlaubnisbehörde dann, wenn der Antragsteller die angeforderten medizinischen Unterlagen zum Schweregrad der Demenz nicht vorlegt, das Vorliegen einer schweren Demenz nicht selbstständig ausschließen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Einschätzung des Facharztes ersetzt nicht die Vorlage der medizinischen Untersuchungsergebnisse und -befunde. Ärztliche Beurteilungen müssen nachvollziehbar sein; die Nachvollziehbarkeit erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Anhaltspunkte für eine Demenzerkrankung nach Nr. 7.3. der Anlage 4 zur FeV, Keine Vorlage des Punktewerts eines Mini-Mental, Status-Tests (MMS-Test), Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, Anhaltspunkte für eine Demenzerkrankung, Mini-Mental Status-Test (MMS-Test), Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens, Begutachtungsstelle für Fahreignung, Demenz, polizeilicher Einsatzbericht, Zweifel an der Fahreignung, Altersdemenz, Einsichtsfähigkeit, mangelndes Problembewusstsein
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.06.2024 – 11 CS 24.441
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15382
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
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Am 19. Juli 2022 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners durch Mitteilung der Polizeiinspektion … (Bl. 1 ff. BA) – konkretisiert durch ergänzende E-Mail vom 6. September 2022 (Bl. 34 f. der BA) – bekannt, dass der Antragsteller am … Juli 2022 aufgrund seiner unsicheren und langsamen Fahrweise (unvermitteltes Halten an einer Einmündung ohne jeden Grund, Fahren mitten auf der Fahrspur mit ca. 15 km/h statt der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h) auffällig geworden sei, den Anhaltesignalgeber der Polizei über eine Strecke von ca. 700 m nicht bemerkt und bei der daran anknüpfenden polizeilichen Kontrolle einen verwirrten Eindruck hinterlassen habe. Insbesondere habe dieser nicht gewusst, dass er sich in … befinde und habe in seinem Auto 10 bis 15 Minuten die angeforderten Dokumente gesucht, welche schließlich die Polizeibeamten ausfindig gemacht hätten. Er habe angegeben, auf dem Weg von seiner Wohnung in A... … zu seiner Wohnanschrift in G... … zu sein, aber die falsche Strecke genommen zu haben und sich nun nicht mehr auszukennen. Nach dem polizeilichen Einsatzbericht wurde die Weiterfahrt daraufhin unterbunden.
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Die Fahrerlaubnisbehörde lud den Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 2022 zu einer Vorsprache am 17. August 2022 vor und forderte ihn dazu auf, zum Vorladungstermin einen aktuellen ärztlichen Befundbericht vorzulegen, aus dem der Ausschluss einer Demenz-Erkrankung hervorgehen solle. Der Antragsteller nahm diesen Termin nicht wahr.
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Nach Gewährung einer Fristverlängerung zur Vorlage des ärztlichen Befundberichts seitens der Behörde übermittelte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … August 2022 einen Befundbericht einer Hausarztpraxis in G... … vom 8. August 2022 (Bl. 21 BA), wonach ein beim Antragsteller durchgeführter MMS- und Uhren-Test vollkommen unauffällig verlaufen sei und das Vorliegen einer fortgeschrittenen Demenz ausgeschlossen werden könne. Des Weiteren teilte der Prozessbevollmächtigte zum Vorfall am … Juli 2022 mit, dass an jenem Tag auf dem Rückweg des Antragstellers von seinem Grundstück in A... … zu seinem Wohnsitz in G... … die übliche Auffahrt zur Bundeautobahn gesperrt gewesen sei und er daher eine ihm bislang unbekannte Route genommen habe. Der Antragsteller habe sich nicht anders verhalten als ein anderer Kraftfahrzeugführer, der eine unbekannte Strecke zurücklege. Insbesondere stehe sein Fahrverhalten nicht um Zusammenhang mit seinem hohen Alter.
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Mit Schreiben vom 29. August 2022, dem Antragsteller zugestellt am 1. September 2022, bat die Fahrerlaubnisbehörde den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, den Punktewert mitzuteilen, der im Rahmen des MMS-Tests erreicht wurde. Anhand der Punkteskala könne eingeschätzt werden, ob beim Antragsteller Indizien für eine leichte, mittlere, schwere oder gar keine Demenz-Erkrankung vorlägen. Die Behörde wies außerdem darauf hin, dass leichte kognitive Beeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen bei Menschen mit hohem Bildungsstand durch den MMS-Test schwer feststellbar seien. Um eine Demenz-Erkrankung mit absoluter Sicherheit ausschließen zu können, bat die Behörde um die Durchführung eines ergänzenden DemTect-Tests.
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Nachdem trotz mehrfacher Aufforderung keine Reaktion von Antragstellerseite erfolgte, forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller mit Schreiben vom 24. April 2023 – diesem zugestellt am 25. April 2023 – auf, bis zum 28. Juni 2023 ein Gutachten eines Arztes bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 46 Abs. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV und Nr. 7.3 der Anlage 4 zur FeV vorzulegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aufgrund des Vorfalls vom … Juli 2022 und des Ablaufs des Fahrerlaubnisverfahrens berechtigte Zweifel an dessen Fahreignung ergäben. Der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers zu den tatsächlichen Umständen am … Juli 2022 sei nicht geeignet, die bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung auszuräumen. Insbesondere sei der Einwand, der Antragsteller habe sich auf der Strecke nur deshalb nicht ausgekannt, weil er normalerweise die Bundesautobahn (A... und A......) fahre, die übliche Auffahrt aber gesperrt gewesen sei und er daher die Staats straße … habe nehmen müssen, unglaubhaft. Denn jedenfalls habe er aufgrund der Ortsschilder erkennen müssen, dass er sich in … befinde. Es sei daher zu klären, ob eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 7.3 der Anlage 4 der FeV die Fahreignung infrage stelle und falls ja, ob der Antragsteller (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden, ob eine ausreichende Compliance vorliege und ob Auflagen gemäß Anlage 4 oder Nachuntersuchungen erforderlich seien. Auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV im Fall der Nichtbeibringung des Gutachtens wurde hingewiesen. In ihren Ermessenserwägungen führte die Behörde aus, die Begutachtungsaufforderung sei geeignet, erforderlich und angemessen, insbesondere stelle sie im Vergleich zur unmittelbaren Fahrerlaubnisentziehung das mildere Mittel dar.
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Da die Vorlage des Gutachtens unterblieb, hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 24. Mai 2023 zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung an.
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Mit Bescheid vom 4. Juli 2023, dem Antragsteller zugestellt am 5. Juli 2023, entzog die Fahrerlaubnisbehörde diesem die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), forderte den Antragsteller zur Ablieferung seines Führerscheins binnen einer Frist von sieben Tagen nach Zustellung dieses Bescheids auf (Nr. 2), drohte für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung in Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- EUR an (Nr. 3) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 4).
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Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller das angeordnete Gutachten nicht beigebracht habe. Deshalb könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine Fahrungeeignetheit geschlossen werden. Hierauf sei in der Begutachtungsaufforderung auch hingewiesen worden. Die Anordnung des Gutachtens sei rechtmäßig erfolgt, da Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers bestünden. Insoweit wurden die Ausführungen in der Begutachtungsaufforderung vertieft.
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Mit Schreiben vom … Juli 2023 ließ der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten bei der Fahrerlaubnisbehörde Widerspruch gegen den Entziehungsbescheid erheben.
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Am … Juli 2023 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers vor dem Verwaltungsgericht München einen Eilantrag und beantragte,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2023 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Als Begründung führte er im Wesentlichen aus, es lägen keine Anzeichen für eine Demenzerkrankung beim Antragsteller und damit auch keine Zweifel an seiner Fahreignung vor, sodass die Begutachtungsaufforderung rechtwidrig ergangen sei. Der von den Polizeibeamten geschilderte Sachverhalt am … Juli 2022 habe sich anders dargestellt. Der Antragsteller habe den Anhaltesignalgeber deshalb anfangs nicht beachtet, da an der rechten Seite an der entsprechenden Stelle ein Halteverbot gewesen sei. Zudem sei es nicht richtig, dass er die angeforderten Dokumente 10 bis 15 Minuten gesucht habe, vielmehr habe er genau gewusst, wo diese sich befänden. Es habe ihn lediglich einige Zeit gekostet, an die Dokumente heranzukommen, da er im Heck des Fahrzeugs noch Werkzeug zur Seite habe räumen und aufgrund des mitgeführten Anhängers zudem über die Haltevorrichtung habe steigen müssen. Zudem lasse die Behörde den durch die Jagdbehörde nach persönlicher Vorsprache des Antragstellers erst im Januar 2023 verlängerten Jagdschein außer Acht, der zeige, dass an der Zuverlässigkeit des Antragstellers keine Zweifel bestünden. Jedenfalls seien etwaige Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers durch das ärztliche Attest vom 8. August 2022 ausgeräumt worden. Hinsichtlich der Anordnung des DemTect-Tests sei anzumerken, dass es nicht Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde sei, dem Arzt seine diagnostischen Mittel vorzugeben und für dessen Anordnung daher keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Schließlich sei die Anordnung auch deswegen rechtswidrig, weil die Fahrerlaubnisbehörde nur von einer beginnenden Demenzerkrankung ausgegangen sei, in der Begutachtungsaufforderung jedoch unzulässigerweise nach einer schweren Altersdemenz oder schweren Persönlichkeitsveränderung durch pathologische Alterungsprozesse i.S.d. Nr. 7.3 der Anlage 4 zur FeV gefragt habe. Es sei auch unklar, ob die Fahrerlaubnisbehörde ein ärztliches Gutachten oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung habe anordnen wollen.
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Der Antragsgegner legte daraufhin am 25. Juli 2023 auf elektronischem Weg die Behördenakte vor und beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung verwies der Antragsgegner vollumfänglich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid vom 4. Juli 2023. Ergänzend wies er darauf hin, dass es für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsaufforderung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses ankomme und die vom Antragsteller erst in der Begründung des Eilantrags gemachten Ausführungen zum Vorfall am … Juli 2022 daher keine Berücksichtigung mehr finden könnten. Der Antragsteller habe lange genug Zeit gehabt, den Sachverhalt klarzustellen. Vor diesem Hintergrund sei sein nunmehr vom Polizeibericht deutlich abweichender Vortrag unglaubhaft. Ein polizeilicher Ereignisbericht sei als öffentliche Urkunde anzusehen und erbringe vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen; der Bericht könne daher nur durch Gegenbeweis erschüttert werden.
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Mit Schriftsatz vom 14. August 2023 ergänzte der Antragsgegner seine Antragserwiderung. Er trug im Wesentlichen vor, dass ärztliche Berichte die konkreten Untersuchungsergebnisse erkennen lassen müssten. Hausärzten fehle die nötige Distanz, Angaben des Patienten zu hinterfragen und Informationen weiterzugeben, die dem Patienten im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren zum Nachteil gereichen könnten.
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Nach Aktenlage hat der Antragsteller seinen Führerschein bisher nicht abgegeben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, wenn die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs begehrt wird, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO) oder durch Sofortvollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist, d.h. wenn streitgegenständlich in der Hauptsacheklage die Rechtmäßigkeit eines angegriffenen Verwaltungsakts ist. Dies ist hier der Fall.
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Dem vom Antragsteller eingelegten Widerspruch vom 10. Juli 2023 gegen die Verwaltungsakte in Nr. 1 und 2 des Bescheids kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da die Behörde in Nr. 4 des Bescheids die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 und 2 angeordnet hat. Dem Widerspruch kommt auch hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung zu, sodass nach Art. 21a Satz 2 VwZVG ebenfalls ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO statthaft ist.
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b) Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da gegen den angefochtenen Bescheid vom 4. Juli 2023 rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Frist nach § 70 Abs. 1 VwGO am 10. Juli 2023 Widerspruch erhoben wurde. Der eingelegte Widerspruch ist statthaft. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist als „personenbezogene Prüfungsentscheidung“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) anzusehen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 11 CS 20.316 – juris Rn. 13; B.v. 26.1.2009 – 11 CS 08.2028 – juris Rn. 15), sodass die Erhebung des Widerspruchs hier wahlweise anstelle der Anfechtungsklage möglich war. Der streitgegenständliche Bescheid ist damit nicht in Bestandskraft erwachsen.
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b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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aa) Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Nr. 1 und 3 des Bescheids genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43).
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat ausführlich dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Durch die Nichtausräumung der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund einer möglicherweise vorliegenden Demenz-Erkrankung bestünden für andere Verkehrsteilnehmer erhebliche Gefahren. Durch diese Krankheit könne die Aufmerksamkeit absorbiert und die Leistungsfähigkeit abgesenkt werden. Das öffentliche Interesse, welches den Schutz der höchsten Rechtsgüter – Leben und Gesundheit – umfasse, überwiege das private Interesse des Antragstellers und rechtfertige hier den Sofortvollzug. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2012 – 11 CS 11.2272 – juris).
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bb) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
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Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Widerspruch gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 13). Da im vorliegenden Fall ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist, kommt es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an.
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Nach summarischer Prüfung erweist sich der streitgegenständliche Bescheid zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sodass der Widerspruch voraussichtlich erfolglos bleiben wird.
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(1) Der Bescheid erweist sich in Nr. 1 voraussichtlich als rechtmäßig.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist, vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 2 Abs. 4 StVG.
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Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Die Behörde darf in diesem Fall also aufklären, ob Erkrankungen i.S.d. Anlage 4 der FeV vorliegen, welche einen Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ausschließen. Hierfür reichen begründete Zweifel an der Fahrgeeignetheit des Betroffenen, dessen Fahrungeeignetheit muss – wie ein Vergleich zu § 11 Abs. 7 FeV zeigt – nicht feststehen. Bringt der Bewerber ein nach diesen Grundsätzen rechtmäßig angefordertes ärztliches Gutachten nicht oder nicht fristgerecht bei, darf die Behörde auf die Nichteignung des Bewerbers schließen (§ 11 Abs. 8 FeV).
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So liegt der Fall hier. Die Begutachtungsanordnung vom 24. April 2023 erging rechtmäßig auf Grundlage des § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV. Der Schluss aus der Nichtbeibringung des angeforderten ärztlichen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung war gerechtfertigt, da die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19 m.w.N.).
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(a) Der Antragsgegnerin wurden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen. Denn es lagen aufgrund des Vorfalls am … Juli 2022, der unterlassenen Vorlage des Punktewerts des MMS-Tests vom 8. August 2022 und auch des Verhaltens des Antragstellers im Fahrerlaubnisverfahren Tatsachen vor, die auf eine Erkrankung i.S.d. Nr. 7.3 der Anlage 4 der FeV (schweren Altersdemenz oder schweren Persönlichkeitsveränderung durch pathologische Alterungsprozesse) beim Antragsteller hinwiesen.
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(aa) Der Vorfall am … Juli 2022 begründete zunächst Tatsachen für eine mögliche beginnende Demenzerkrankung des Antragstellers und bot daher berechtigten Anlass für die Anforderung eines MMS-Tests.
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Nach dem polizeilichen Einsatzbericht sei der Antragsteller am … Juli 2022 aufgrund seiner unsicheren und langsamen Fahrweise (unvermitteltes Halten an einer Einmündung ohne jeden Grund, Fahren mitten auf der Fahrspur mit ca. 15 km/h statt der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h) auffällig geworden, habe den Anhaltesignalgeber der Polizei über eine Strecke von ca. 700 m nicht bemerkt und bei der daran anknüpfenden polizeilichen Kontrolle einen verwirrten Eindruck hinterlassen. Insbesondere habe er nicht gewusst, dass er in … sei und 10 bis 15 Minuten nach seinen Papieren gesucht. Hinsichtlich des Einsatzberichts ist zu berücksichtigen, dass polizeilichen Aussagen nach der Rechtsprechung im Fahrerlaubnisrecht regelmäßig erhöhte Bedeutung zukommt. Teilweise wird vertreten, es handele sich dabei um öffentliche Urkunden i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO, § 415 ff. ZPO, deren Beweiswert nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch Gegenbeweis erschüttert werden könne (OVG Nds, B.v. 11.3.2004 – 11 LA 380/03 – juris Rn. 4). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs müssen polizeiliche Einsatzberichte jedenfalls substantiiert bestritten werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 11 CS 21.2385 – juris Rn. 17).
38
Dies ist dem Antragsteller hier nicht gelungen. Entscheidend ist dabei, dass für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung der Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich ist (BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.29 – juris Rn. 14). Zum Zeitpunkt des Erlasses der Begutachtungsaufforderung am 24. April 2023 hatte der Antragsteller dem im polizeilichen Einsatzbericht geschilderten Sachverhalt zum Vorfall am … Juli 2022 lediglich mit Schreiben vom 23. August 2022 entgegengebracht, dass er sich auf der gefahrenen Strecke deshalb nicht ausgekannt habe, weil die übliche Auffahrt zur Bundesautobahn gesperrt gewesen sei und er daher von A... … nach G... … eine andere Strecke habe nehmen müssen; er habe sich daher nicht anders verhalten als jeder andere Kraftfahrer, dem eine Strecke unbekannt sei. Diesbezüglich ist dem Antragsgegner darin zuzustimmen, dass dieser Vortrag selbst bei unterstelltem Wahrheitsgehalt jedenfalls keine Erklärung dafür bietet, dass der Antragsteller – was unbestritten blieb – bei der Polizeikontrolle trotz der Beschilderungen nicht wusste, dass er sich in … befand. Auch die übrigen Ausfallerscheinungen sind dadurch nicht erklärt, insbesondere würde ein geeigneter Kraftfahrzeugführer auch auf einem unbekannten Weg – selbst wenn er die richtige Einmündung suchen würde – nicht über eine längere Strecke und auf der Mitte der Fahrspur nur 15 km/h statt der erlaubten 50 km/h fahren. Soweit der im polizeilichen Einsatzbericht geschilderte Sachverhalt in der Begründung des Eilantrags vom 11. Juli 2023 im Übrigen bestritten wird, kann dies für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung nicht mehr berücksichtigt werden. Dem Antragsteller wurde vor Erlass der Begutachtungsaufforderung von der Behörde mehrfach die Gelegenheit einer Stellungnahme eingeräumt, sodass ihm ein rechtzeitiges Bestreiten möglich war. Ungeachtet dessen ist sein spätes und nunmehr – im Gegensatz zum Schreiben vom 23. August 2022 – weitreichendes Bestreiten erst nach Erlass der Begutachtungsanordnung und des Entziehungsbescheids wenig glaubhaft, zumal diese Angaben in weiten Teilen unschlüssig sind (insbesondere würde ein Halteverbot am rechten Fahrbahnrand nicht erklären, warum der Antragsteller über eine Strecke von ca. 700 m in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, den Anhaltesignalgeber der Polizei bemerkt zu haben).
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Damit waren hinreichende Tatsachen für das mögliche Vorliegen einer beginnenden Demenz gegeben, welche die Anforderung eines MMS-Tests rechtfertigten. Ein solche kam im Wege eines Erst-recht-Schlusses als milderes Mittel zur Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 und Nr. 7.3 der Anlage 4 der FeV in Betracht. Zwar ist von Nr. 7.3 der Anlage 4 der FeV nur die schwere Altersdemenz umfasst, die Behörde kann jedoch mangels eigener medizinischer Fachkenntnisse ohne Einholung medizinischer Nachweise nicht beurteilen, welcher Schweregrad der Demenz vorliegt, sodass hier unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem ersten Schritt ein MMS-Test angefordert worden ist (zur Rechtmäßigkeit der Anforderung eines MMS-Test bei Anzeichen für eine beginnende Demenz vgl. im Ergebnis auch BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 11 CS 18.2334 – juris Rn. 3 und 21).
40
(bb) Aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller trotz mehrfacher behördlicher Aufforderung (bis heute) nur die ärztliche Schlussfolgerung aus dem MMS-Test (hausärztliches Attest) vorgelegt, jedoch nicht das konkrete Ergebnis des Tests (erreichter Punktewert) mitgeteilt hat, bestanden in Verbindung mit dem Vorfall am … Juli 2022 Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers, die – in einem zweiten Schritt – einen hinreichenden Anlass für die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV boten. Es bedarf hier daher keiner Entscheidung, ob die zusätzliche behördliche Anforderung eines DemTect-Tests zeitgleich mit der Aufforderung zur Vorlage des Punktewerts des MMS-Tests rechtmäßig erfolgte, namentlich darin eine unzulässige Vorgabe diagnostischer Methoden gegenüber dem Arzt zu sehen ist, und ob die Behörde hieraus weitere Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers ziehen durfte. Zwar gilt auch hier zu berücksichtigen, dass die Nr. 7.3 der Anlage 4 zur FeV lediglich schwere Fälle der Demenz umfasst und andere Nummern der Anlage nach bisherigem Kenntnisstand vorliegend nicht in Betracht kommen (vgl. VG München, B.v. 28.5.2010 – M 1 S 10.2060 – juris Rn. 24). Jedoch kann die Fahrerlaubnisbehörde dann, wenn der Antragsteller die angeforderten medizinischen Unterlagen zum Schweregrad der Demenz nicht vorlegt und somit die ihm angebotenen – im Vergleich zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens milderen – Aufklärungsmöglichkeiten nicht wahrnimmt, das Vorliegen einer schweren Demenz nicht selbstständig ausschließen. Dies gilt auch dann, wenn sie – wie hier – bisher selbst eher von einer leichten Demenz ausgeht. Sie darf daher die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen und so für den Fall einer weiteren Verweigerung der Mitwirkung durch den Antragsteller die Grundlage für eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 11 Abs. 8 FeV schaffen. Kommt der Betroffene einer ihm möglichen und zumutbaren Mitwirkung nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), die auch erforderlich ist, weil sie seinen persönlichen Lebensbereich betrifft und ggf. die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht voraussetzt, nicht nach, berechtigt dies die Behörde zu einer für ihn nachteiligen Beweiswürdigung (BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 11 C 20.545 – juris Rn. 25). Dies bedeutet zwar nicht, dass die Behörde die mangelnde Mitwirkung sanktionieren und allein deshalb eine für den Antragsteller negative Entscheidung treffen darf. Bleiben jedoch aufgrund der mangelnden Mitwirkung entscheidungserhebliche Umstände aus der Sphäre des Antragstellers unaufgeklärt, die für eine aus seiner Sicht günstige Entscheidung erforderlich sind, geht dies zu Lasten des Antragstellers und darf die Behörde eine für ihn negative Entscheidung fällen.
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Dem steht hier nicht entgegen, dass ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Attests seiner Hausarztpraxis in G... … „der MMS-Test vollkommen unauffällig verlaufen sei.“ Auch wenn ein Hausarzt im Laufe einer länger andauernden Behandlung mehr Informationen über seinen Patienten gesammelt haben mag als ein Klinikarzt, besteht die Gefahr, dass ihm aufgrund des Vertrauensverhältnisses zu seinem Patienten bzw. wegen der zu diesem entwickelten Empathie die notwendige Distanz fehlt, um dessen Angaben kritisch zu hinterfragen oder Informationen weiterzugeben, die dem Patienten im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren zum Nachteil gereichen (vgl. hierzu die gesetzgeberische Wertung in § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV, vgl. auch BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 11 Cs 19.1451 – juris Rn. 19). Die Einschätzung des Facharzts ersetzt daher nicht die Vorlage der medizinischen Untersuchungsergebnisse und -befunde. Ärztliche Beurteilungen müssen nachvollziehbar sein; die Nachvollziehbarkeit erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde (OVG SH, B.v. 22.7.2021 – 5 MB 16/21 – juris Rn. 10). Es dürfen keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung mehr verbleiben. Aus den hierzu vorgelegten Unterlagen muss eindeutig auch für den (medizinisch und psychologisch nicht geschulten) Laien nachvollziehbar hervorgehen, dass die ursprünglichen Bedenken unbegründet sind (BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 11 ZB 20.145 – juris Rn. 12). Gemessen hieran konnte das ärztliche Attest die durch den Vorfall vom … Juli 2022 aufgeworfenen Zweifel im Hinblick auf eine die Fahreignung des Antragstellers ausschließende Demenzerkrankung nicht ausräumen, die Verweigerung der Vorlage des konkreten Punktewerts des MMS-Tests durch den Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderung hat diese Zweifel sogar verstärkt. Denn das Verhalten des Antragstellers legt nahe, dass ihm an einer Verdeckung der medizinischen Testergebnisse gelegen ist und eine fahreignungsrelevante Demenzerkrankung vorliegt. Es legt auch ein mangelndes Problembewusstsein und eine fehlende Einsichtsfähigkeit nahe, die in Verbindung mit einer (nur) beginnenden Demenz unterhalb der Schwelle der Nr. 7.3 der Anlage 4 zur FeV im Übrigen ebenfalls Fahreignungszweifel i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz FeV begründen und damit eine Begutachtungsanordnung rechtfertigen könnten (s. hierzu den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV: „insbesondere“; vgl. zudem Kapitel 3.12.2 des Kommentars zu den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018; vgl. auch VG Augsburg, U.v. 29.4.2008 – Au 3 K 07.1299 – juris Rn. 22 f.).
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Schließlich stand der Begutachtungsanordnung – anders als der Bevollmächtigte des Antragstellers meint – auch nicht der Umstand entgegen, dass die Jagdbehörde Anfang Januar 2023 und damit nur kurze Zeit vor dem Vorfall am … Juli 2023 den Jagdschein des Antragstellers verlängert hat. Auch wenn die Jagdbehörde in diesem Zusammenhang die Zuverlässigkeit des Antragstellers geprüft haben mag, umfasst diese Prüfung andere Aspekte als die Prüfung der Fahreignung. Hinzu kommt, dass nur der Tenor eines Verwaltungsakts Tatbestandswirkung für weiteres Behördenhandeln entfaltet, nicht jedoch seine Begründung.
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(b) Der Antragsgegner hat sein Ermessen nach Aktenlage fehlerfrei ausgeübt.
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Die Anordnung ist geeignet, die bestehenden Fahreignungszweifel zu beseitigen. Zu Recht ist die Behörde auch davon ausgegangen, dass die Begutachtungsanordnung erforderlich ist, da mildere gleich effektive Mittel nicht ersichtlich sind. Das ärztliche Attest konnte die bestehenden Zweifel im Hinblick auf eine mögliche fahreignungsrelevante Demenzerkrankung des Antragstellers nicht ausräumen. Die Anordnung ist nach summarischer Prüfung auch angemessen, weil das Interesse an der allgemeinen Verkehrssicherheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers im konkreten Fall überwiegt. Hierbei ist es unerheblich, dass die Behörde auf eine leichte Demenz beim Antragsteller abstellt, obwohl sie ihre Fragestellungen an den Gutachter auf eine schwere Demenzerkrankung beschränkt. Denn diese Ausführungen gelten erst recht für eine hier aufzuklärende schwere Demenzerkrankung. Eine fahreignungsrelevante Demenzerkrankung kann zu erheblichen Reaktionsleistungsschwächen und Fehlreaktionen führen, die besonders gefahrenträchtige Situationen für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer mit sich bringen.
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(c) Auch in formeller Hinsicht bestehen bezüglich der Begutachtungsanordnung keine Bedenken. Der Antragsgegner durfte sich bei seiner Anordnung auf Nr. 7.3 der Anlage 4 der FeV stützen (s.o.). Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist die Begutachtungsanordnung auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 11 Abs. 6 FeV. Insbesondere geht aus ihr hervor, dass keine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 11 Abs. 3 FeV angeordnet wurde, sondern die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV. Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass die in der Begründung der Begutachtungsanordnung auf Seite 6 verwendete Formulierung „Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung“ missverständlich ist. Es ist dort jedoch auch fettgedruckt darauf hingewiesen worden, dass der Antragsteller zur Vorlage eines Gutachtens eines Arztes bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV i.V.m. Nr. 7.3 der Anlage 4 zur FeV aufgefordert wird. Eine andere Rechtsgrundlage wird nicht genannt. Die Anordnung ist auch im Übrigen bestimmt, insbesondere hat sich die Behörde hier sogar zugunsten des Antragstellers auf eine konkrete Nummer (Nr. 7.3) der Anlage 4 zur FeV gestützt, sodass der Gutachter auf die Untersuchung einer schweren Altersdemenz oder schweren Persönlichkeitsveränderung durch pathologische Alterungsprozesse beschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 21; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV, Rn. 39). Grundsätzlich muss nicht stets verlangt werden, bereits im Rahmen der Gutachtensanforderung genau die Nummer(n) der Anlage 4 zur FeV festzulegen, vielmehr reicht es aus, dass sich die zu klärende Fragestellung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Anordnung ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 11 C 10.2329 – juris Rn. 37; B.v. 18.3.2019 – 11 CS 19.37 – juris Rn. 17).
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(d) Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV sind erfüllt. Der Antragsteller hat das rechtmäßig angeordnete ärztliche Gutachten nicht innerhalb der gesetzten dreimonatigen Frist beigebracht, obwohl er auf die Folgen des § 11 Abs. 8 FeV in der Anordnung hingewiesen worden ist. Die Antragsgegnerin durfte daher ohne weitere Prüfung von der Fahruntauglichkeit des Antragstellers ausgehen und diesem nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1, 2 FeV die Fahrerlaubnis entziehen.
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(2) Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, ist auch die Abgabeverpflichtung als begleitende Anordnung (Nr. 2 des Bescheids), die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.
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(3) Auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids erweist sich vor diesem Hintergrund voraussichtlich als rechtmäßig, sodass der diesbezüglich gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ebenso wenig Erfolg hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.