Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 26.06.2024 – 101 Sch 116/23 e
Titel:

Behauptete Ordre-public-Verstöße im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs

Normenketten:
UNÜ Art. IV Abs. 1, Art. V
GG Art. 103 Abs. 1
CISG Art. 6
CIETAC-SchO Art. 39 Abs. 2, Art. 43, Art. 52 Abs. 1
ZPO § 1061 Abs. 1
BGB §§ 339 ff., § 341 Abs. 3
HGB § 348
Leitsätze:
1. Fehlentscheidungen in der Sache sind bei Schiedssprüchen hinzunehmen (Anschluss an BGH BeckRS 2023, 41676). (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Schiedspartei ist es nur dann verwehrt, eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht, die sie entgegen den Regelungen der CIETAC nicht unverzüglich gerügt hat, erstmals im Verfahren der Vollstreckbarerklärung geltend zu machen, wenn sie die Möglichkeit hatte, bereits im Schiedsverfahren der nunmehr behaupteten Gehörverletzung durch unverzügliche Rüge entgegenzuwirken, und zudem die Möglichkeit bestand, diese Verletzung zu heilen (Anschluss an BGH BeckRS 2023, 41676).  (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs verletzt den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint; die Geltung des ordre public ist dabei nicht weit auszulegen (Anschluss an BGH BeckRS 2017, 115833; Festhaltung an BayObLG BeckRS 2020, 29200). (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Anwendungsbereich des CISG ist die inhaltliche Zulässigkeit von Vertragsstrafen nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Vertragsstrafe wegen Verzugs in Höhe von zehn Prozent des Vertragsgesamtpreises verstößt nicht gegen den ordre public (Festhaltung an BayObLG BeckRS 2020, 29200). (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
ausländischer Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärung, Versagung, ordre public, revision au fond, Fehlentscheidung, Vertragsstrafe, rechtliches Gehör, Rügemöglichkeit, Terminsverlegung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – I ZB 45/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 15167

Tenor

1. Auf Antrag der Antragstellerin zu 1) wird der in dem Schiedsverfahren vor der Chinesischen Internationalen Schiedskommission für Wirtschafts- und Handelssachen zwischen der Antragstellerin zu 1) als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Vorsitzenden Schiedsrichter … und den Schiedsrichtern … und … am 16. Januar 2023 in Shanghai erlassene Schiedsspruch (… [Verfahren 1]), in dem die Antragsgegnerin verurteilt wurde a) der Antragstellerin zu 1) Schadensersatz i. H. v. 2.055.358,86 Yuan Renminbi zu zahlen,
b) der Antragstellerin zu 1) für Anwaltskosten für die Vertretung im Schiedsverfahren 200.000 Yuan Renminbi zu zahlen,
c) der Antragstellerin zu 1) für die Kosten des Schiedsverfahrens insgesamt 246.217,21 Yuan Renminbi zu zahlen, für vollstreckbar erklärt.
2. Auf Antrag der Antragstellerin zu 2) wird der in dem Schiedsverfahren vor der Chinesischen Internationalen Schiedskommission für Wirtschafts- und Handelssachen zwischen der Antragstellerin zu 2) als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Vorsitzenden Schiedsrichter … und den Schiedsrichtern … und … am 16. Januar 2023 in Shanghai erlassene Schiedsspruch (… [Verfahren 2]), in dem die Antragsgegnerin verurteilt wurde
a) die unter dem Vertrag No.: …511 gelieferte Ausrüstung auf eigene Kosten abzubauen und zu entfernen,
b) der Antragstellerin zu 2) 11.026.517,87 Yuan Renminbi zuzüglich Zinsen i. H. v. 4,75% p. a. seit dem 13. Januar 2020 zu zahlen,
c) der Antragstellerin zu 2) Schadensersatz i. H. v. 2.540.592,56 Yuan Renminbi zu zahlen,
d) der Antragstellerin zu 2) weiteren Schadensersatz i. H. v. 3.920.373,07 Yuan Renminbi zu zahlen,
e) der Antragstellerin zu 2) für Kosten – insbesondere Anwaltskosten – für die Vertretung im Schiedsverfahren 697.506,60 Yuan Renminbi zu zahlen,
f) der Antragstellerin zu 2) für die Kosten des Schiedsverfahrens insgesamt 372.904 Yuan Renminbi zu zahlen, für vollstreckbar erklärt.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
4. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf bis zu 2.800.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die in China ansässigen Antragstellerinnen begehren jeweils die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC), den sie gegen die in Bayern ansässige Antragsgegnerin erwirkt haben.
2
Die Antragstellerin zu 1) schloss am 4. Januar 2018 als Käuferin mit der Antragsgegnerin als „Verkäuferin A“ einen Vertrag über den Kauf und die Montage (einschließlich der Durchführung von Probeläufen und Leistungstests) von Anlagen zur Herstellung von Fertigbetonverbundplatten (Anlage AS 3). In diesem Vertrag ist ein weiteres Unternehmen als „Verkäuferin B“ aufgeführt.
3
Am 28. Mai 2018 schloss die Antragstellerin zu 2) als Käuferin mit der Antragsgegnerin als Verkäuferin einen Vertrag mit der Nr. …511 über den Kauf und die Montage (einschließlich der Durchführung von Probeläufen und Leistungstests) von Anlagen zur Herstellung von Fertigbetonverbundplatten (Anlage AS 4).
4
Beide Verträge enthalten jeweils in Ziffer 15.1 – in deutscher Übersetzung – folgende Regelung:
„Falls irgend eine Streitigkeit im Zusammenhang mit diesem Vertrag nicht binnen 45 (fünfundvierzig) Tagen nach ihrem Entstehen durch gütliche Gespräche gelöst werden kann, kann jede Partei bezüglich dieser Streitigkeit bei der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) ein Schiedsverfahren einleiten, welches gemäß den Schiedsregeln der Commission geführt werden soll, wie sie bei Beantragung des Schiedsverfahrens gelten. Ort des Schiedsverfahrens ist Shanghai. Die Sprache des Schiedsverfahrens ist Chinesisch und Englisch, beide sind gleichwertig. Der Schiedsspruch ist für beide Parteien endgültig und verbindlich und das anwendbare Recht ist das materielle Recht der Volksrepublik China.“
5
Der Schiedsantrag der hiesigen Antragstellerin zu 2) vom 13. April 2021, ergänzt am 16. April 2021, der den Vertrag vom 28. Mai 2018 betrifft, wurde bei der CIETAC unter dem Aktenzeichen … [Verfahren 2] geführt. In diesem Verfahren hat die Antragsgegnerin am 30. September 2021 (Anlage B 1) beantragt, die für den 22. Oktober 2021 terminierte Anhörung zu vertagen, „bis die Pandemie vorbei ist“ und sie ihre Interessen in China selbst vertreten könne. An der Verhandlung vom 22. Oktober 2021 hat die Antragsgegnerin allerdings online teilgenommen. Sie hat am 2. November 2021 (Anlage B 2) zu dem Vorbringen der Antragstellerin zu 2) – unter Vorlage verschiedener Nachweise – Stellung genommen und die Begutachtung des streitgegenständlichen Showrooms durch einen unabhängigen Sachverständigen beantragt. Am 17. November 2021 (Anlage B 3) hat sie beantragt, die nächste Anhörung am Aufstellungsort [der streitgegenständlichen Anlage] durchzuführen. Nachdem das Schiedsgericht am 21. Dezember 2021 (Anlage AS 12) Termin für eine zweite Verhandlung am 26. Januar 2022 bestimmt hatte, hat die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 22. Dezember 2021 (Anlage B 4 bzw. AS 13) mitgeteilt, sie könne aufgrund von Covid nicht nach China reisen; daher sollte jede Anhörung verschoben werden, bis sie in der Lage sei, persönlich bei der CIETAC zu erscheinen. Sie hat außerdem daran erinnert, dass sie um eine Anhörung auf der Baustelle vor Ort gebeten habe. Am 5. Januar 2022 (Anlage AS 14) hat das Schiedsgericht es abgelehnt, eine Anhörung auf der Baustelle durchzuführen und den Termin vom 26. Januar 2022 auf den 17. Februar 2022 verlegt. Die Antragsgegnerin hat darauf mit Schreiben vom 5. Januar 2022 (Anlage B 5 bzw. AS 15/AS 15a) auszugsweise Folgendes geantwortet:
1. Aufgrund der derzeitigen negativen Marktentwicklung durch COVID 19 ist [die Antragsgegnerin] aufgrund der finanziellen und personellen Situation nicht in der Lage, ein Schiedsgerichtsverfahren in China anzutreten.
2. In der Schiedssache … [Verfahren 2] hat der Unterzeichner an der ersten Verhandlung teilgenommen und anschließend die schriftliche Erklärung abgegeben.
3. [Die Antragsgegnerin] bat um einen Termin vor Ort, damit sich das Schiedsgericht ein eigenes Urteil über die Funktionsfähigkeit der gelieferten Maschinen bilden kann.
4. Offensichtlich wird dieser Termin nicht stattfinden, da das Gericht eine weitere OnlineAnhörung angesetzt hat.
5. [Die Antragsgegnerin] wird an dieser 2. Anhörung nicht teilnehmen, da es den bisherigen Positionen von [der Antragsgegnerin] nichts hinzuzufügen gibt.
6. [Die Antragsgegnerin] erwartet entweder einen Termin vor Ort oder die Entscheidung des CIETAC auf der Grundlage der Akten.
6
Das Schiedsgericht hat am 11. Januar 2022 (Anlage AS 16) zu einer der Verhandlung vorgelagerten Online-Konferenz eingeladen und am 21. Januar 2022 (Anlage AS 17) hervorgehoben, diese Konferenz werde sich auf verfahrenstechnische Fragen beschränken. Am 21. Januar 2022 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie werde nicht an der vom Schiedsgericht für den 24. Januar 2022 geplanten, der Verhandlung vorgelagerten Online-Konferenz teilnehmen. Das Schiedsgericht hat diese Konferenz darauf abgesagt (Anlage AS 18). Bei der Verhandlung des Schiedsgerichts am 17. Februar 2022 in Shanghai war die Antragsgegnerin nicht anwesend. Das Schiedsgericht hat am 18. Februar 2022 (Anlage AS 19) die Antragsgegnerin über die Verhandlung informiert und ihr Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Darauf hat die Antragsgegnerin nicht reagiert.
7
Mit Schiedsspruch vom 16. Januar 2023, Az. … [Verfahren 2] (Anlagen AS 2 und AS 6 deutsche Übersetzung), hat das Schiedsgericht der Schiedsklage der hiesigen Antragstellerin zu 2) überwiegend stattgegeben und entschieden:
(I) Der am 28. Mai 2018 zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin geschlossene fallgegenständliche Vertrag wird aufgehoben und die Antragsgegnerin übernimmt auf eigene Kosten die Demontage und Rücknahme sämtlicher Vertragsanlagen.
(II) Die Antragsgegnerin erstattet der Antragstellerin den Vertragspreis von 11.026.517,87 Yuan Renminbi und zahlt für den betreffenden Betrag Zinsen zu einem Jahreszinssatz von 4,75% vom Tag der tatsächlichen Zahlung bis zum Tag der tatsächlichen Erstattung.
(III) Die Antragsgegnerin zahlt an die Antragstellerin 2.540.592,56 Yuan Renminbi als Entschädigung für die von der Antragstellerin für den Import der Vertragsanlagen gezahlten jeweiligen Kosten.
(IV) Die Antragsgegnerin zahlt an die Antragstellerin 3.920.373,07 Yuan Renminbi als Ersatz für den der Antragstellerin durch die Vertragsverletzung der Antragsgegnerin entstandenen Schaden.
(V) Die Antragsgegnerin zahlt an die Antragstellerin 697.506,60 Yuan Renminbi als Entschädigung für die bei der Antragstellerin für den vorliegenden Fall entstandenen Rechtsanwaltskosten usw.
(VI) Die übrigen Schiedsanträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
(VII) Die Schiedskosten im vorliegenden Fall von 362.676 Yuan Renminbi werden vollständig durch die Antragsgegnerin übernommen. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der Schiedskosten in entsprechender Höhe mit Verrechnung geleistet hat, hat die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 362.676 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen.
8
Die tatsächlichen Schriftführerkosten bei der Verhandlung des vorliegenden Falles von 3.550 Yuan Renminbi werden vollständig durch die Antragsgegnerin übernommen. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der betreffenden Schiedskosten von 30.000 Yuan Renminbi mit Verrechnung geleistet hat, ist der Restbetrag von 26.450 Yuan Renminbi durch die Schiedskommission an die Antragstellerin zu erstatten, während die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 3.550 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen hat.
9
Die tatsächlichen Kosten der Handhabung des vorliegenden Falles durch die von der Antragstellerin ausgewählte Schiedsperson, …, von 6.678 Yuan Renminbi werden vollständig durch die Antragsgegnerin übernommen. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der betreffenden Schiedskosten von 15.000 Yuan Renminbi geleistet hat, ist der Restbetrag von 8.322 Yuan Renminbi durch die Schiedskommission an die Antragstellerin zu erstatten, während die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 6.678 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen hat.
10
Die gemäß dem genannten Urteil zu leistenden Zahlungen oder zu erfüllenden Pflichten hat die Antragsgegnerin innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Urteilsspruchs im vorliegenden Fall an die Antragstellerin zu leisten oder zu diese zu erfüllen.
11
Zur Begründung führt das Schiedsgericht in dem Schiedsspruch mit dem Aktenzeichen … [Verfahren 2] aus, die Antragsgegnerin habe sich – selbst nach ihrer eigenen Einlassung – mit der Lieferung der Anlage mit über 19 Wochen im Verzug befunden. Bei den Leistungstests seien Probleme zu Tage getreten. Zum Beweis der bei den Anlagen bestehenden technischen Probleme habe die Antragstellerin zu 2) eine Fachinstitution, das … Service-Center, herangezogen. Die in dessen „Gutachterstellungnahme“ protokollierten technischen Störungen der Schalungs- und Entschalungsanlage umfassten: Nicht exakte Positionierung der Entschalung; fehlende Rückkopplungsvorrichtung des Schalungsroboters, unangemessene Konstruktion; Störung des Scansensors; Fehler des Anzeigesystems und mangelnde Präzision der Schalung. Gegen diese Stellungnahme habe die Antragsgegnerin keine konkreten Einwände vorgebracht. Der Vorschlag der Antragsgegnerin, die „strittigen Probleme des Showrooms“ durch einen unabhängigen Sachverständigen beurteilen zu lassen, sei zu vage. Durch die „Gutachterstellungnahme“ und die sonstigen von der Antragstellerin zu 2) eingereichten Beweise sei der Beweis geführt, dass die Anlagen nicht ordnungsgemäß betrieben werden könnten und die vertragliche Vereinbarung nicht erfüllten. Dies stelle eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Die Störungen hätten über lange Zeit nicht beseitigt und die Leistungstests nicht abgeschlossen werden können. Die Antragstellerin zu 2) sei daher zur Aufhebung des Vertrags und zur Warenrücksendung berechtigt (Ziffer I des Tenors). Die Antragsgegnerin sei zur Erstattung des gezahlten Vertragspreises von 11.026.517,87 Yuan Renminbi und des der Antragstellerin zu 2) durch die Zahlung entstandenen Zinsschadens (Ziffer II des Tenors), zum Ersatz der der Antragstellerin zu 2) durch den Import der Vertragsanlagen entstandenen Kosten (Ziffer III des Tenors) sowie zum Ersatz der der Antragstellerin zu 2) für die Montage und Probeläufe der Anlagen entstandenen Kosten und sonstiger Kosten (Ziffer IV des Tenors) verpflichtet, wobei das Schiedsgericht die von der Antragstellerin zu 2) geltend gemachte Miete für den Produktionsbereich der Werkgebäude nicht zugesprochen hat.
12
Der Schiedsantrag der hiesigen Antragstellerin zu 1) vom 30. Juni 2021, der den Vertrag vom 4. Januar 2018 betrifft, wurde bei der CIETAC unter dem Aktenzeichen … [Verfahren 1] geführt. Am 21. Dezember 2021 (Anlage AS 20/AS 20a) hat das Schiedsgericht einen Verhandlungstermin für den 11. Februar 2022 bestimmt und auf die Möglichkeit einer virtuellen Verhandlung hingewiesen:
13
Die Regeln der Internationalen Schiedskommission für Wirtschaft und Handel in China bezüglich virtueller Verhandlungen (Trial) und die Zustimmung zur virtuellen Verhandlung sind ebenfalls diesem Schreiben angehängt. Falls eine der Parteien beantragt, der vorgenannten Verhandlung virtuell beizuwohnen, dann unterzeichnen Sie bitte die anhängende Zustimmung zur mündlichen Verhandlung und reichen Sie sie ein.
14
Mit E-Mail vom 23. Dezember 2021 (Anlage AS 21) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie könne aufgrund von Covid nicht nach China reisen; daher sollte jede Anhörung verschoben werden, bis sie in der Lage sei, persönlich bei der CIETAC zu erscheinen. Sie hat außerdem daran erinnert, dass sie um eine Anhörung auf der Baustelle vor Ort gebeten habe. Das Schiedsgericht hat darauf am 4. Januar 2022 (Anlage AS 22) geantwortet, dass es sich bei diesem Verfahren, dem Verfahren … [Verfahren 1], nicht um das Verfahren … [Verfahren 2] handele und die Antragsgegnerin sich zunächst für dieses Verfahren registrieren lassen müsse. In der oben wiedergegebenen Stellungnahme vom 5. Januar 2022 (Anlage B 5 bzw. AS 15/AS 15a) hat die Antragsgegnerin beide Aktenzeichen angegeben. Das Schiedsgericht hat am 11. Januar 2022 (Anlage AS 23) zu einer der Verhandlung vorgelagerten Online-Konferenz eingeladen und am 21. Januar 2022 (Anlage AS 17) hervorgehoben, diese Konferenz werde sich auf verfahrenstechnische Fragen beschränken. Am 21. Januar 2022 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie werde nicht an der vom Schiedsgericht für den 24. Januar 2022 geplanten, der Verhandlung vorgelagerten Online-Konferenz teilnehmen. Das Schiedsgericht hat diese Konferenz darauf abgesagt (Anlage AS 18). Zu der Verhandlung am 11. Februar 2022 ist die Antragsgegnerin nicht erschienen. Das Schiedsgericht hat am 18. Februar 2022 (Anlage AS 24) der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Darauf hat die Antragsgegnerin nicht reagiert.
15
Das Schiedsgericht hat mit Schiedsspruch vom 16. Januar 2023, Az. … [Verfahren 1] (Anlagen AS 1 und AS 5 [deutsche Übersetzung]) der Schiedsklage der hiesigen Antragstellerin zu 1) zum Teil stattgegeben und entschieden:
(I) Die Antragsgegnerin zahlt an die Antragstellerin 2.055.358,86 Yuan Renminbi als Entschädigung für ihre Vertragsverletzung gegenüber der Antragstellerin.
(II) Die Antragsgegnerin zahlt an die Antragstellerin 200.000 Yuan Renminbi als Entschädigung für die bei der Antragstellerin für den vorliegenden Fall entstandenen Rechtsanwaltskosten usw.
(III) Die übrigen Schiedsanträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
(IV) Die Schiedskosten im vorliegenden Fall von 477.687 Yuan Renminbi werden durch die beiden Parteien jeweils zu 50% übernommen, was bedeutet, dass jede Partei 238.843,50 Yuan Renminbi übernimmt. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der Schiedskosten in entsprechender Höhe mit Verrechnung geleistet hat, hat die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 238.843,50 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen.
16
Die tatsächlichen Schriftführerkosten bei der Verhandlung des vorliegenden Falles von 3.400 Yuan Renminbi werden durch die beiden Parteien jeweils zu 50% übernommen, was bedeutet, dass jede Partei 1.700 Yuan Renminbi übernimmt. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der betreffenden Schiedskosten von 30.000 Yuan Renminbi mit Verrechnung geleistet hat, ist der Restbetrag von 26.600 Yuan Renminbi durch die Schiedskommission an die Antragstellerin zu erstatten, während die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 1.700 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen hat.
17
Die tatsächlichen Kosten der im vorliegenden Fall durch die Antragstellerin beantragten Zustellung von Schiedsdokumenten per DHL-Versand an die Antragsgegnerin von 3.424,41 Yuan Renminbi werden durch die beiden Parteien jeweils zu 50% übernommen, was bedeutet, dass jede Partei 1.712,21 Yuan Renminbi übernimmt. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der betreffenden Schiedskosten von 5.000 Yuan Renminbi mit Verrechnung geleistet hat, ist der Restbetrag von 1.575,59 Yuan Renminbi durch die Schiedskommission an die Antragstellerin zu erstatten, während die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 1.712,21 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen hat.
18
Die tatsächlichen Kosten der Handhabung des vorliegenden Falles durch die von der Antragstellerin ausgewählte Schiedsperson, …, von 7.923 Yuan Renminbi werden durch die beiden Parteien jeweils zu 50% übernommen, was bedeutet, dass jede Partei 3.961,50 Yuan Renminbi übernimmt. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bereits eine Anzahlung der betreffenden Schiedskosten von 15.000 Yuan Renminbi mit Verrechnung geleistet hat, ist der Restbetrag von 7.077 Yuan Renminbi durch die Schiedskommission an die Antragstellerin zu erstatten, während die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 3.961,50 Yuan Renminbi zum Ausgleich der durch die Antragstellerin in Vertretung ausgelegten Schiedskosten zu zahlen hat.
19
Die gemäß dem genannten Urteil zu zahlenden Kosten hat die Antragsgegnerin innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Urteilsspruchs im vorliegenden Fall vollständig an die Antragstellerin zu zahlen.
20
Das Schiedsgericht führt im Schiedsspruch mit dem Aktenzeichen … [Verfahren 1] aus, die Antragsgegnerin habe weder eine schriftliche Stellungnahme zur Verteidigung eingereicht noch habe sie an der Verhandlung teilgenommen. Mit der Lieferung der Anlagen sei die Antragsgegnerin über 18 Wochen im Verzug gewesen, mit dem Abschluss des Testbetriebs 22 Monate. Die Abnahme hätte bis zum 7. Februar 2019 erfolgen sollen, die Vertragsanlagen hätten aber erst am 26. November 2020 die Abnahme erfolgreich bestanden. Das Schiedsgericht stützt die Verurteilung zur Zahlung von 2.055.358,86 Yuan Renminbi auf die Regelungen zur Vertragsstrafe bei Lieferverzug in Ziffern 5.14 und 9.8 des Vertrags (Anlage AS 5 Seiten 14 und 21) und führt weiter aus (Anlage AS 5, Seite 22), da sowohl Lieferverzug als auch Verzug bei Probeläufen und Leistungstests vorliege, könne die Antragstellerin zu 1) wegen beider Pflichtverletzungen jeweils die Zahlung einer Vertragsstrafe verlangen. Nach Ziffer 5.14 dürfe die Vertragsstrafe bei Lieferverzug 5% des Vertragsgesamtpreises nicht überschreiten. Ziffer 9.8 nehme auf Ziffer 15.4 Bezug. Auf diese Weise sei die „gemeinsame Vertragsstrafe der Verkäuferin für die beiden Umstände von Lieferverzug und Verzug bei Probeläufen und Leistungstests“ eindeutig auf 10% des Vertragsgesamtpreises begrenzt. Angesichts des tatsächlichen Ausmaßes des Verzugs der Antragsgegnerin bei Lieferverzug und Verzug von Probeläufen und Tests habe die zu zahlende Vertragsstrafe bereits den Maximalbetrag von 10% erreicht. Dem Antrag der Antragstellerin zu 1), die vereinbarte Vertragsstrafe nach § 114 Abs. 2 des Vertragsgesetzes heraufzusetzen, hat das Schiedsgericht nicht stattgegeben (Anlage AS 5, Seite 22 f.). Das Schiedsgericht kommt zu dem Ergebnis, die Antragsgegnerin habe 10% des Vertragspreises, also 2.055.358,86 Yuan Renminbi, „als Entschädigung für ihre Vertragsverletzung“ zu zahlen und weist darüberhinausgehende Schadensersatzansprüche der Antragstellerin zu 1) mit der Begründung ab, die Parteien hätten bezüglich der Verantwortlichkeit bei Lieferverzug und Verzug bei Montage, Probeläufen und Tests der Anlagen ein Berechnungsverfahren und eine Obergrenze vereinbart. Der Antrag auf Schadensersatz ermangele der materiellen und rechtlichen Grundlage, sodass die Schiedskammer diesem bezüglich des die vereinbarte Obergrenze der Vertragsstrafe überschreitenden Teils nicht stattgebe, sondern der Auffassung sei, dass die Zahlung der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe von 10% des Vertragspreises durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu 1) angemessen sei (Anlage AS 5 Seite 24). Zur Begründung der Kostenentscheidung führt das Schiedsgericht aus, die Antragstellerin zu 1) sei teilweise erfolgreich, wobei der ihr zugesprochene Betrag ungefähr 7,12% des Gesamtbetrags ihrer Schiedsanträge ausmache. Allerdings sei „der vorliegende Fall durch die schwerwiegende Vertragsverletzung der Antragsgegnerin hervorgerufen“, sodass „unter Gesamtberücksichtigung der verschiedenen Aspekte des vorliegenden Falls“ die Schiedskosten jeweils zur Hälfte von der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegnerin zu übernehmen seien.
21
Die Antragstellerinnen tragen insbesondere vor, die Anerkennung und Vollstreckung der streitgegenständlichen Schiedssprüche richte sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (im Folgenden: UNÜ). Die Antragsgegnerin verkenne den Prüfungsmaßstab im Vollstreckbarerklärungsverfahren und lege keine Umstände dar, auf deren Basis die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der beiden Schiedssprüche nach Art. V UNÜ verweigert werden könnte. Sie zeige insbesondere nicht auf, dass die Schiedsgerichte ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätten. Die Schiedsklauseln seien wirksam.
22
Sie beantragen,
- den Schiedsspruch i.S. … [Antragstellerin zu 1] ./. … [Antragsgegnerin] vom 16. Januar 2023 (CIETAC-Schiedsverfahren Nr. … [Verfahren 1]), in dem die Antragsgegnerin verurteilt wurde a) der Antragstellerin zu 1) Schadensersatz i.H.v. 2.055.358,86 Renminbi („CNY“) zu zahlen,
b) der Antragstellerin zu 1) für Anwaltskosten für die Vertretung im Schiedsverfahren CNY 200.000 zu zahlen,
c) der Antragstellerin zu 1) für die Kosten des Schiedsverfahrens insgesamt CNY 246.217,21 zu zahlen, in vollem Umfang für vollstreckbar zu erklären;
1. den Schiedsspruch i.S. … [Antragstellerin zu 2] ./. … [Antragsgegnerin] vom 16. Januar 2023 (CIETAC-Schiedsverfahren Nr. …[Verfahren 2]), in dem die Antragsgegnerin verurteilt wurde
a) die unter dem Vertrag No.: …511 gelieferte Ausrüstung auf eigene Kosten abzubauen und zu entfernen,
b) der Antragstellerin zu 2) CNY 11.026.517,87 zuzüglich Zinsen i.H.v. 4,75% p.a. seit dem 13. Januar 2020 zu zahlen,
c) der Antragstellerin zu 2) Schadensersatz i.H.v. CNY 2.540.592,56 zu zahlen,
d) der Antragstellerin zu 2) weiteren Schadensersatz i.H.v. CNY 3.920.373,07 zu zahlen,
e) der Antragstellerin zu 2) für Kosten – insbesondere Anwaltskosten – für die Vertretung im Schiedsverfahren CNY 697.506,60 zu zahlen,
f) der Antragstellerin zu 2) für die Kosten des Schiedsverfahrens insgesamt CNY 372.904 zu zahlen,
in vollem Umfang für vollstreckbar zu erklären.
23
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung der beiden streitgegenständlichen Schiedssprüche kostenpflichtig zurückzuweisen und die beiden streitgegenständliche Schiedssprüche im Inland nicht anzuerkennen.
24
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der von der Antragstellerin zu 1) beantragten Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 16. Januar 2023, Az. … [Verfahren 1], stünde entgegen, dass es an einer wirksamen Schiedsabrede fehle. Für die Verkäuferin B sei der Vertrag vom 4. Januar 2018 nicht von deren vertretungsberechtigten Geschäftsführer unterzeichnet worden. Die Regelung in Ziffer 15 des Vertrags, wonach chinesisches Recht anwendbar sei, sei unwirksam, da das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (im Folgenden: CISG) zwingend anzuwenden sei. Aus diesem Grund sei auch die Schiedsabrede unwirksam. Die Vollstreckbarerklärung sei nach Art. V UNÜ zu versagen, da sie, die Antragsgegnerin, wichtige Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Schiedsverfahren nicht habe geltend machen können. Sie habe am 23. Dezember 2021 gegenüber dem Schiedsgericht eine Verschiebung des für den 11. Februar 2022 anberaumten Verhandlungstermins mit der Begründung beantragt, wegen der Pandemie sei eine Einreise nach China nicht möglich. Zugleich habe sie die Durchführung eines Ortstermins beantragt. Bei einer persönlichen Teilnahme, insbesondere bei einem Ortstermin hätte sie dem Schiedsgericht darlegen können, dass kein Lieferverzug und insbesondere kein Verzug in der vom Schiedsgericht angenommenen Größenordnung bezüglich der Probeläufe und Abnahme der Anlagen vorgelegen habe. Das Schiedsgericht, das hinsichtlich des Lieferverzugs den Zeitraum zwischen dem Verlassen und der Ankunft am Hafen auf einen Monat geschätzt habe, wäre verpflichtet gewesen, die genauen Daten aufzuklären. Das zwingend anzuwendende CISG kenne keine Vertragsstrafe, sodass die Verurteilung zu einer Vertragsstrafe nicht möglich gewesen sei; darin liege ein Verstoß gegen den ordre public. Die Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 10% der Auftragssumme, zu der sie, die Antragsgegnerin, verurteilt worden sei, sei unangemessen hoch. Eine Vertragsstrafe könne nur einmal verwirkt werden, die vom Schiedsgericht vorgenommene Kumulierung führe zur Sittenwidrigkeit und einem Verstoß gegen den ordre public. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin zu 1) die Geltendmachung der Vertragsstrafe bei Abnahme vorbehalten habe. Die Verurteilung zu einer Vertragsstrafe ohne Vorbehalt bei der Abnahme verstoße gegen zwingendes deutsches Recht. Das Schiedsgericht habe ohne weitere notwendige Beweisaufnahme den von der Antragstellerin zu 1) behaupteten Sachverhalt des Verzugs mit Probeläufen und der Abnahme als bewiesen angenommen, ohne dass es über die dafür erforderliche technische Expertise verfüge. Ihrem Antrag, ein unparteiisches Sachverständigengutachten einzuholen, sei das Schiedsgericht nicht nachgekommen. Darin sei ein Gehörsverstoß zu sehen. Schließlich verstoße die Kostenentscheidung gegen zwingendes Verfahrensrecht und gegen den ordre public. Tragender Grundsatz des deutschen Kostenrechts sei die sogenannte Unterliegenshaftung; bei einem teilweisen Unterliegen seien die Kosten anteilsmäßig zu teilen (§ 92 ZPO). Das Schiedsgericht hätte ihr lediglich 7,12% der Kosten auferlegen dürfen.
25
Gegen den Antrag der Antragstellerin zu 2), der den Schiedsspruch vom 16. Januar 2023, Az. … [Verfahren 2] betrifft, wendet die Antragsgegnerin ein, das Schiedsgericht habe wesentlichen Vortrag unberücksichtigt gelassen. Sie habe unter anderem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie mit der Gesellschafterin der Antragstellerin zu 2) ein Joint Venture abgeschlossen, die Gesellschafterin ihre Zusagen aber nicht eingehalten habe. Da es sich bei der Anlage nur um ein Ausstellungsstück gehandelt habe, habe kein Zeitdruck bestanden. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Showrooms sei die Anlage geliefert und fertig montiert gewesen. Das Schiedsgericht habe sich mit der Problematik eines möglichen Verschuldens des Gemeinschaftsunternehmens an der nicht fristgerechten und fachgerechten Montage der Anlage nicht auseinandergesetzt. Dies stelle einen Verstoß gegen fundamentale Rechtsgrundsätze dar, insbesondere gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens. Die Vereinbarung in Ziffer 15 des Vertrags vom 28. Mai 2018, dass chinesisches Recht anwendbar sei, sei aus den oben genannten Gründen unwirksam. Die Ablehnung ihres Antrags auf Verschiebung des Verhandlungstermins wegen der Corona-Einreisebeschränkungen stelle eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar. Nur bei einer persönlichen Teilnahme am Verhandlungstermin hätte sie dem Schiedsgericht detailliert darlegen können, dass weder Verzug bei der Lieferung der Bauteile der Anlage vorgelegen habe noch Mängel der Anlage bestanden hätten. Bei einer persönlichen Teilnahme am Termin hätte sie Zeugen mitbringen können, die hätten bestätigen können, dass die Anlage funktionsfähig gewesen sei. Im Rahmen einer Videokonferenz sei es nicht möglich, dies im Detail unter Vorlage technischer Dokumentationen dem Schiedsgericht nachvollziehbar darzulegen. Was die angebliche Mangelhaftigkeit der Anlage, insbesondere des Roboters betreffe, stütze sich das Schiedsgericht ausschließlich auf eine Stellungnahme des … ServiceCenter, das von der Antragstellerin zu 2) mit einer technischen Begutachtung beauftragt worden sei. Diese Begutachtung habe ohne ihre Beteiligung stattgefunden. Ein solches Privatgutachten als Beweismittel zu verwenden, verstoße gegen Art. V Nr. 1 Buchst. b) UNÜ. Das Schiedsgericht, das sicherlich nicht über die erforderlichen technischen Kenntnisse verfüge, um beurteilen zu können, ob eine solch komplexe Anlage funktionsfähig sei oder nicht, wäre verpflichtet gewesen, einen unabhängigen Sachverständigen einzuschalten. Es habe auch ihr Beweisangebot im Schriftsatz vom 17. November 2021 übergangen und dadurch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Mit E-Mail vom 22. Dezember 2021 habe sie gegenüber dem Schiedsgericht nochmals ausdrücklich eine Verschiebung des Anhörungstermins beantragt, da aufgrund der Pandemie eine Reise nach China nicht möglich gewesen sei, und auf die Beantragung eines Ortstermins hingewiesen. Dem sei das Schiedsgericht nicht nachgekommen, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle. Sie habe gegenüber dem Schiedsgericht auch ausreichend dargelegt, dass es im Rahmen einer Videokonferenz nicht möglich sei, das Schiedsgericht davon zu überzeugen, dass keine Mängel der Anlage vorhanden seien. Dies habe sich bei der ersten Verhandlung vom 22. Oktober 2021 gezeigt, an der sie per Videoschaltung teilgenommen habe. Aus diesem Grund habe sie nochmals beantragt, die streitgegenständliche Anlage vor Ort zu besichtigen. Das Schiedsgericht habe schließlich übersehen, dass die Antragstellerin zu 2) ihre Rechte auf Rückabwicklung des Vertrags vom 28. Mai 2018 mangels einer fristgerechten Rüge nach Art. 38 bzw. 39 CISG verloren habe.
26
Das Oberlandesgericht München hat den ursprünglich an dieses Gericht adressierten Antrag auf Vollstreckbarerklärung vom 12. April 2023 mit Beschluss vom 18. April 2023 auf entsprechenden Antrag der Antragstellerinnen zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
27
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. März 2024 die mündliche Verhandlung angeordnet und rechtliche Hinweise erteilt.
28
Ergänzend wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Mai 2024 (Blatt 94/96 d. A.) und auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
29
Die zulässigen Anträge sind begründet.
30
1. Die Anträge auf Vollstreckbarerklärung sind zulässig.
31
a) Für die Anträge ist das Bayerische Oberste Landesgericht gemäß § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Var. 1 und Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu zuständig, weil kein deutscher Schiedsort besteht und die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
32
b) Die Anträge beziehen sich auf (ausländische) Schiedssprüche. Die Vorlageerfordernisse nach dem vorliegend anwendbaren New Yorker Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) sind erfüllt.
33
Die Schiedssprüche und die Schiedsvereinbarungen wurden zwar nicht in der Form des Art. IV Abs. 1 UNÜ vorgelegt. Denn die Unterschriften unter den Schiedssprüchen, von denen jeweils eine anwaltlich beglaubigte Abschrift sowie die Übersetzung durch eine staatlich geprüfte Übersetzerin der englischen Sprache gefertigt worden sind, sind nicht legalisiert; die Schiedsvereinbarungen ergeben sich lediglich aus den in Kopie vorgelegten Verträgen (Anlagen AS 3 und AS 4), dem Zitat in dem Schiedsspruch … [Verfahren 2] (Anlage AS 6, Seite 7) und den im Antrag der Antragstellerinnen vom 12. April 2023 wiedergegebenen Übersetzungen.
34
Dies genügt jedoch; die Regelungen in Art. IV Abs. 1 Buchst. a) und b), Abs. 2 UNÜ sind nicht als Zulässigkeitsvoraussetzungen, sondern als Beweisbestimmungen zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001, III ZB 71/99, WM 2001, 971 [972, juris Rn. 11]; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 51; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 52. Ed. Stand: 1. März 2024, § 1064 Rn. 3; Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2023, Anh § 1061 UNÜ Art. IV Rn. 1; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1064 Rn. 4). Jedenfalls sind die gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ zu berücksichtigenden anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 ZPO) erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2003, III ZB 68/02, SchiedsVZ 2003, 281 [juris Rn. 9]). Im Übrigen sind der Abschluss der Schiedsvereinbarung, die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs sowie dessen Inhalt zwischen den Parteien jeweils unstreitig.
35
c) Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge. Die Antragstellerinnen begehren die Vollstreckbarerklärung jeweils nur insoweit als die Schiedsgerichte zu ihren Gunsten entschieden haben.
36
2. Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 16. Januar 2023 (CIETAC-Schiedsverfahren Nr. … [Verfahren 1]) ist begründet. Gründe, nach denen dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland zu versagen wäre, liegen nicht vor, § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ.
37
a) Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung nicht nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Art. II UNÜ zu versagen. Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, die im Vertrag vom 14. Januar 2018 getroffene Schiedsvereinbarung sei unwirksam.
38
Nach Art. II Abs. 1 UNÜ erkennt jeder Vertragsstaat eine schriftliche Vereinbarung an, durch die sich die Parteien verpflichten, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entstehen, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen. Nach Art. II Abs. 2 UNÜ ist unter einer „schriftlichen Vereinbarung“ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
39
Der Vertrag vom 4. Januar 2018 wurde unstreitig von der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegnerin unterzeichnet. Nur darauf kommt es an (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2023, I ZB 33/22, SchiedsVZ 2023, 228 Rn. 23 und 25). Ob der Vertrag auch für die weder am Schiedsverfahren noch am Verfahren über die Vollstreckbarerklärung beteiligte, als „Verkäufer B“ bezeichnete Gesellschaft von einer vertretungsberechtigten Person unterschrieben worden ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
40
Nicht nachvollzogen werden kann die Argumentation der Antragsgegnerin, zum Mindestinhalt einer wirksamen Schiedsvereinbarung gehöre die Bezeichnung des anzuwendenden Rechts und die Schiedsvereinbarung sei deshalb unwirksam, weil die in Ziffer 15.1 des Vertrags getroffene Rechtswahl unwirksam sei, da es sich bei der Antragsgegnerin um ein deutsches Unternehmen handle, somit das CISG anwendbar und es rechtlich nicht möglich sei, die Anwendbarkeit chinesischen Rechts zu vereinbaren.
41
Es ist zwischen einer Rechtswahl für die Schiedsvereinbarung und einer Rechtswahl für den Hauptvertrag zu unterscheiden. Fehl geht bereits die Annahme der Antragsgegnerin, die Bezeichnung des auf die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Rechts gehöre zum „Mindestinhalt für eine wirksame Schiedsvereinbarung“. Das auf die Schiedsvereinbarung anzuwendende Recht (Schiedsvereinbarungsstatut) bestimmt sich nach Art. V Abs. 1 Buchst. a) UNÜ (vgl. BGH, Urt. v. 26. November 2020, I ZR 245/19, WM 2022, 786 Rn. 48 und 51). Nach dieser Vorschrift kann die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs versagt werden, wenn die Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist.
42
Ob die getroffene Rechtswahl sich hier nur auf den Hauptvertrag bezieht oder als stillschweigende Rechtswahl auch für die Schiedsvereinbarung gewertet werden kann, bedarf keiner Entscheidung, denn auch der Einwand der Antragsgegnerin, die Parteien hätten nicht wirksam die Anwendbarkeit chinesischen Rechts unter Ausschluss des CISG vereinbaren können, geht fehl. Nach Art. 6 CISG kann die Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossen werden. Im Übrigen geht das Schiedsgericht nicht davon aus, die Parteien hätten die Anwendbarkeit des CISG ausgeschlossen, sondern hält es vielmehr für anwendbar (Anlage AS 5, Seite 13 oben).
43
Gründe, aus denen die Schiedsvereinbarung nach chinesischem Recht einschließlich des CISG unwirksam sein könnte, zeigt die Antragsgegnerin nicht auf. Ihrer auf das CISG Bezug nehmenden Argumentation, „diese verbindliche Formvorschrift“ sei nicht eingehalten worden, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Formgültigkeit einer Schiedsvereinbarung richtet sich auch in einem dem CISG unterliegenden Vertrag nach den einschlägigen Spezialvorschriften wie dem UNÜ oder § 1031 ZPO, sodass auch im Rahmen des Meistbegünstigungsgrundsatzes eine Anwendung der Formfreiheit des Art. 11 Satz 1 CISG nicht in Betracht kommt (vgl. BGH WM 2022, 786 Rn. 38 m. w. N.). Der Vertrag vom 14. Januar 2018 wurde allerdings nicht formfrei, sondern schriftlich geschlossen.
44
b) Das Vorbringen der Antragsgegnerin unter Einbeziehung der vorgelegten Anlagen trägt den Vorwurf nicht, das Schiedsgericht habe im Verfahren … [Verfahren 1] den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Aus diesem Grund ist die Vollstreckbarerklärung weder insgesamt noch hinsichtlich einzelner Regelungen des Tenors (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2017, I ZB 42/16, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 22) abzulehnen.
45
aa) In einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt regelmäßig auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, I ZB 37/23, juris Rn. 12; Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, UNÜ Art. 5 Rn. 26). Die Einhaltung des ordre public ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar von Amts wegen zu prüfen. Der Beibringungsgrundsatz gilt jedoch insoweit, als eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (vgl. zu § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO: BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 14; Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, WM 2022, 576 Rn. 53).
46
Nach den – hier jeweils in Ziffer 15.1 der Verträge vom 4. Januar 2018 und vom 28. Mai 2018 vereinbarten – Schiedsregeln der CIETAC kann eine Partei eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, die sie nicht unverzüglich und eindeutig schriftlich rügt, später im Schiedsverfahren nicht mehr geltend machen. Einer Partei ist es allerdings nur dann verwehrt, eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht, die sie nicht unverzüglich gerügt hat, erstmals im Verfahren der Vollstreckbarerklärung geltend zu machen, wenn sie die Möglichkeit hatte, bereits im Schiedsverfahren der nunmehr behaupteten Gehörverletzung durch unverzügliche Rüge entgegenzuwirken, und zudem die Möglichkeit bestand, diese Verletzung zu heilen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, I ZB 37/23, WM 2024, 370 Rn. 17 ff.; Beschluss vom 2. Mai 2017, I ZB 1/16, SchiedsVZ 2017, 317 Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 90).
47
Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, NJW-RR 2022, 1425 Rn. 19 unter Verweis auf BVerfGE 65, 293, 295 [juris Rn. 11]; BVerfGE 70, 288, 293 [juris Rn. 16]; BVerfGE 86, 133, 145 f. [juris Rn. 39]). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, begründet aber der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht der Partei auf Äußerung in dieser Verhandlung (BGH NJW-RR 2022, 1425 Rn. 24 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 2126/11, BVerfGK 19, 377 [juris Rn. 20 f.]; BVerfGE 42, 364 [juris Rn. 17]). Führt die offensichtlich fehlerhafte Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags dazu, dass eine Partei in der mündlichen Verhandlung nicht anwaltlich vertreten ist und ihr Äußerungsrecht daher nicht sachgerecht wahrnehmen kann, verletzt dies das Gehörsrecht der betroffenen Partei (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Februar 1992, 4 C 42/89, NJW 1992, 2042 [juris Rn. 15] m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 10. Dezember 2003, 2Z BR 254/03, NJW-RR 2004, 804 [juris Rn. 10]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2013, 5 UF 55/13, FamRZ 2013, 1831 [juris Rn. 7]). Dieser Fall kann nicht anders gesehen werden als der einer – ebenfalls gehörswidrigen – Nichtberücksichtigung von Vorbringen wegen offensichtlich fehlerhafter Anwendung von Präklusionsvorschriften. Zudem ist das Recht der betroffenen Partei auf prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) berührt (BGH NJW-RR 2022, 1425 Rn. 24; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020, I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 19).Auch die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2016, 2 BvR 1997/15, juris Rn. 15 m. w. N.).
48
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen, an denen mit Blick auf den verfahrensrechtlichen ordre public auch der Schiedsentscheid zu messen ist (vgl. BGH SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 17 f.; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 62, jeweils m. w. N.), ist dem Schiedsspruch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör oder gegen den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit die Anerkennung zu versagen.
49
(1) Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, sie habe am 23. Dezember 2021 gegenüber dem Schiedsgericht eine Verschiebung des für den 11. Februar 2022 anberaumten Verhandlungstermins mit der Begründung beantragt, dass wegen der Pandemie eine Einreise nach China nicht möglich sei, und zugleich habe sie die Durchführung eines Ortstermins beantragt. Insoweit sind verschiedene Aspekte zu unterscheiden, unter denen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder des Grundsatzes prozessualer Waffengleichheit zu erörtern ist, nämlich die fehlerhafte Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags (s. u. [a]), die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der eine Partei anwesend ist und die andere – nur – die Möglichkeit hat, sich unter Einsatz von Videotechnologie online dazu zu schalten (s. u. [b]), sowie die unterlassene Durchführung eines Ortstermins (s. u. [c]).
50
(a) Dass das Schiedsgericht die für den 11. Februar 2022 anberaumte mündliche Verhandlung gemäß Art. 39 Abs. 2 der CIETAC-SchO in Abwesenheit der Antragsgegnerin in Shanghai abgehalten hat und „die Begründung der Verweigerung der Antragsgegnerin zur Teilnahme an der Verhandlung“ nicht als triftig angesehen hat (Anlage AS 5 Seite 12), ist nicht zu beanstanden.
51
(aa) Nach Art. 39 Abs. 2 Halbsatz 1 CIETAC-SchO kann das Schiedsgericht in Abwesenheit des Schiedsbeklagten verhandeln und unter Berücksichtigung des Sachverhalts und der Beweislage (vgl. Brödermann/Etgen in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2018, VIII. Kap. Art. 39 CIETAC Rn. 1) einen Schiedsspruch erlassen, wenn der Beklagte ohne hinreichenden Grund einer mündlichen Verhandlung fernbleibt.
52
(bb) Unter Berücksichtigung des vorgelegten Schriftverkehrs ist die Einschätzung des Schiedsgerichts, die Antragsgegnerin habe keinen hinreichenden Grund genannt, warum sie an der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2022 nicht teilnehmen könne, – unter dem Gesichtspunkt des verfahrensrechtlichen ordre public – nicht zu beanstanden.
53
Auch wenn das Schiedsgericht den Vertagungsantrag vom 23. Dezember 2021 in seinem Schiedsspruch nicht explizit erwähnt, ist ein Verstoß gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht erkennbar, denn das Schiedsgericht hat zum einen das Vorbringen der Antragstellerin in vertretbarer Weise dahin verstanden, dass sie im vorliegenden Fall ihre Verweigerung der Teilnahme an der Verhandlung damit begründe, dass ihr in einem anderen korrespondierenden Schiedsfall (gemeint: Verfahren mit dem Az. … [Verfahren 2] – dazu s. u. 3.) gestellter Antrag auf Verhandlung auf der Baustelle durch die Schiedskammer des anderen Schiedsfalls abgelehnt worden sei; diese Ausführungen hat das Schiedsgericht ohne wesentlichen Verfahrensfehler nicht als ausreichende Begründung angesehen.
54
Als erste Reaktion auf die Terminsladung vom 21. Dezember 2021 hat die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 23. Dezember 2021 ausgeführt, sie könne aufgrund von Covid nicht nach China reisen, daher solle jede Anhörung verschoben werden, bis sie in der Lage sei, persönlich bei der CIETAC zu erscheinen. Außerdem erinnerte sie daran, dass sie um eine Anhörung auf der Baustelle vor Ort gebeten habe. Auf den Hinweis des Schiedsgerichts vom 4. Januar 2022 (Anlage AS 22), dass es sich bei dem für den 11. Februar 2022 terminierten Verfahren nicht um das CIETAC-Schiedsverfahren Nr. … [Verfahren 2], sondern um ein neues Verfahren handle, für das sie zunächst ihre Registrierungs- und Autorisierungsdokumente einreichen müsse, hat die Antragsgegnerin am 5. Januar 2022 eine Stellungnahme abgegeben, bei der die Aktenzeichen beider Schiedsverfahren angegeben sind. Dass die Stellungnahme grundsätzlich für beide Verfahren gelten sollte, ergibt sich auch aus deren Ziffer 8., die mit den Worten „Unabhängig vom Ausgang der beiden Schiedsverfahren …“ eingeleitet wird. Welche Ausführungen sich im Einzelnen auf welches Verfahren beziehen sollen, bedarf indes der Auslegung. Die Ziffern 3. bis 6. beziehen sich auf den in dem anderen Verfahren gestellten Antrag, einen „Termin vor Ort“ durchzuführen; dort wird ausgeführt, dieser Termin [vor Ort] werde offensichtlich nicht stattfinden, da das Gericht eine weitere Online-Anhörung (gemeint: mündliche Verhandlung unter Einsatz von Videotechnologie am 17. Februar 2022 im Parallelverfahren – dazu s. u. 3. b] [1]) angesetzt habe, an der die Antragsgegnerin nicht teilnehmen werde, da es ihren bisherigen Positionen nichts hinzuzufügen gebe. Dass das Schiedsgericht dies auch als Begründung dafür angesehen hat, dass die Antragsgegnerin im Verfahren … [Verfahren 1] am 11. Februar 2022 nicht erscheinen werde, ist nicht zu beanstanden, denn mit dem Termin am 11. Februar 2022 befasst sich die Stellungnahme vom 5. Januar 2022 nicht ausdrücklich.
55
Zum anderen hätte die Antragsgegnerin – trotz etwaiger pandemiebedingter Einreisebeschränkungen im Zeitraum Ende 2021 / Anfang 2022 – die Möglichkeit gehabt, an der Verhandlung online teilzunehmen, wovon sie keinen Gebrauch gemacht hat (s. u. [b]). Dass ihr dies konkret am 11. Februar 2022 nicht möglich gewesen wäre, hat sie nicht behauptet. Erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung auf einen – ungewissen – Zeitpunkt, zu dem am vereinbarten Schiedsort keine Einreisebeschränkungen oder Quarantäneverpflichtungen mehr bestehen, lagen somit nicht vor. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin in der Nachricht vom 23. Dezember 2021 nicht ausdrücklich auf Einreisebeschränkungen berufen. Die Formulierung, sie könne „aufgrund von Covid nicht nach China reisen“, ließe sich zwar isoliert betrachtet dahingehend verstehen, in ihrer Stellungnahme vom 5. Januar 2022 führt die Antragsgegnerin in Ziffer 1. jedoch aus, sie sei aufgrund der derzeitigen negativen Marktentwicklung durch COVID 19 aufgrund der finanziellen und personellen Situation nicht in der Lage, ein Schiedsgerichtsverfahren in China anzutreten. Auch unter Berücksichtigung dieser Äußerung ist die Annahme des Schiedsgerichts, die Antragsgegnerin habe keinen triftigen Grund genannt, nicht zu beanstanden.
56
(b) Die Antragsgegnerin hat nicht dargetan, dass sie ihr Äußerungsrecht deshalb nicht sachgerecht habe wahrnehmen können, weil sie nur online an der Verhandlung habe teilnehmen können.
57
Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 (Seite 3 f. unter Ziffer 3. …), bei einer persönlichen Teilnahme und insbesondere bei einem Ortstermin hätte sie die Möglichkeit gehabt, dem Schiedsgericht darzulegen, dass weder Lieferverzug noch Verzug in der vom Schiedsgericht angenommenen Größenordnung bezüglich der Probeläufe und Abnahme der Anlagen vorgelegen habe. Abgesehen davon, dass die Frage der Durchführung einer mündlichen Verhandlung am vereinbarten Schiedsort Shanghai als Videokonferenz von der Frage der Durchführung eines Ortstermins (dazu unten [c]) zu unterscheiden ist, hat die Antragsgegnerin diese Argumentation gegenüber dem Schiedsgericht nicht vorgebracht.
58
Sie ist in der Ladung vom 21. Dezember 2021 (Anlagen AS 20 und AS 20a) darauf hingewiesen worden, dass sie beantragen könne, der Verhandlung virtuell beizuwohnen. Spezielle Regelungen zur Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung enthält die CIETAC-SchO zwar nicht. Gegen den Einsatz von Videotechnologie im Schiedsverfahren, die in gerichtlichen Verfahren nach nationalem Recht zulässig ist (z. B. § 128a ZPO), bestehen im Hinblick auf den verfahrensrechtlichen ordre public aber keine grundsätzlichen Bedenken. Eine Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung bietet gerade bei einem in Folge einer Pandemie drohenden Stillstand der Rechtspflege eine rechtsstaatliche Möglichkeit, die Ansprüche auf effektive Rechtsdurchsetzung und auf rechtliches Gehör zu vereinen (vgl. OGH Wien, Beschluss vom 23. Juli 2020, OGH 18ONc 3/20s, SchiedsVZ 2021, 163 Rn. 53 ff.).
59
Die Antragsgegnerin hat im Schiedsverfahren keine Gründe vorgebracht, die im konkreten Verfahren gegen eine Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung sprechen könnten, obwohl ihr das Schiedsgericht ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt hat, sich zu Verfahrensfragen zu äußern. Denn am 11. Januar 2022 (Anlage AS 23) hat das Schiedsgericht eine der Verhandlung vorgelagerte Online-Konferenz terminiert, die sich ausweislich des Hinweises vom 21. Januar 2022 (Anlage AS 17) auf Verfahrensfragen und nicht auf die Begründetheit konzentrieren sollte. Bei dieser Online-Konferenz hätte die Antragsgegnerin Gelegenheit gehabt, etwaige Bedenken gegen den Einsatz von Videotechnologie bei der Verhandlung vom 11. Februar 2022 vorzutragen. Nachdem die Antragsgegnerin jedoch mitgeteilt hatte, sie werde daran nicht teilnehmen, hat das Schiedsgericht am 24. Januar 2022 die vorgelagerte OnlineKonferenz abgesagt (Anlage AS 18).
60
Im Übrigen ist auch aus den inhaltlichen Ausführungen zu dem vom Schiedsgericht festgestellten Verzugszeitraum im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 (dazu s. u. [2]) nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ihre Einwendungen nicht auch bei einer online-Verhandlung hätte vortragen und sich sachgerecht verteidigen können. Die pauschale Argumentation der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. April 2024 (Seite 5 …), ihr sei keine Gelegenheit gegeben worden, ihre Bedenken und Einwände im Rahmen der Verhandlung persönlich vorzutragen, und sie habe also einen legitimen Grund gehabt, dem Verhandlungstermin fernzubleiben, trägt daher nicht.
61
(c) Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin entgegen ihrer Behauptung im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 (Seite 3 unter Ziffer 3. …) im Verfahren … [Verfahren 1] am 23. Dezember 2021 nicht die Durchführung eines Ortstermins beantragt, sondern an einen – anderen – Antrag erinnert hat. In der EMail (Anlage AS 21) heißt es „I kindly like to remind that we were asking for a hearing at the construction site“. Dass es in diesem Verfahren einen früheren Antrag gegeben hätte, ist weder aus dem Schiedsspruch noch den vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Letztlich hat auch das Schiedsgericht die E-Mail vom 23. Dezember 2023 dahin verstanden, dass die Antragsgegnerin auf den in dem anderen Verfahren gestellten Antrag Bezug nahm (Anlage AS 5, Seite 11; missverständlich allerdings Anlage AS 5, Seite 2).
62
Dass das Schiedsgericht einen Beweisantrag oder sonstiges Vorbringen zu ihrer Verteidigung übergangen hätte, zeigt sie somit nicht auf.
63
(2) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin (Seite 4 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2023 unter 3. …), das Schiedsgericht habe ohne weitere Beweisaufnahme unterstellt, zwischen Verlassen des Hafens und Ankunft am Hafen liege ein Zeitraum von einem Monat. Einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zeigt sie insoweit nicht auf.
64
Der Entscheidung des Schiedsgerichts liegt die Feststellung zugrunde, der Lieferverzug habe 18 Wochen überschritten, während die Antragstellerin zu 1) geltend gemacht hat, bei der Lieferung der Vertragsanlage durch die Antragsgegnerin habe ein Verzug von über 23 Wochen bestanden. Mit dem „Liefertermin“ sei das Datum des „Versands“ der Anlagen, also das Datum des Verlassens des Hafens, und nicht das Datum der Ankunft am Hafen gemeint. Bei der ersten und dritten Charge habe zwischen dem Verlassen des Hafens und der Ankunft am Hafen ungefähr ein Zeitraum von einem Monat gelegen. Hieraus könne abgeleitet werden, dass das Versanddatum der letzten Charge um den 2. April 2019 gelegen habe (Anlage AS 5, Seite 16).
65
Dass der Versand der letzten Charge, die nach der vom Schiedsgericht zitierten Zollerklärung am 2. Mai 2019 angekommen ist, vor dem 2. April 2019 erfolgt wäre und sie dies im Schiedsverfahren behauptet und unter Beweis gestellt habe, behauptet die Antragsgegnerin nicht.
66
(3) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 21. Oktober 2023 (Seite 5 unter Ziffer 8. …), das Schiedsgericht habe ohne weitere notwendige Beweisaufnahme „den von der Antragstellerin behaupteten Sachverhalt des Verzugs mit Probeläufen und der Abnahme“ als bewiesen angenommen.
67
Das Schiedsgericht sieht eine weitere Vertragsverletzung in dem verspäteten Testbetrieb der Vertragsanlagen. Der Testbetrieb sei erst zum 26. November 2020 abgeschlossen worden, obwohl die Inbetriebnahme der Anlage spätestens zum 7. Februar 2019 vereinbart gewesen sei, was eine Fristüberschreitung von 658 Tagen bedeute (Anlage AS 5, Seite 17). Entgegen ihrer Behauptung im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 hat die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren … [Verfahren 1] weder die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt noch ist sie dem Vorbringen der Antragstellerin zu 1) entgegengetreten.
68
(4) Fehl geht insbesondere auch der Hinweis der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. April 2024 (Seite 5 …), im Verfahren … [Verfahren 1] habe sie mit Schreiben vom 5. Januar 2022 eine detaillierte Stellungnahme abgegeben und die Einvernahme von Zeugen beantragt sowie die Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens. Das Schreiben (Anlage B 5) enthält weder eine inhaltliche Stellungnahme zur Schiedsklage der hiesigen Antragstellerin zu 1) noch Beweisangebote.
69
c) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs ist nicht deshalb zu versagen, weil er aus sonstigen Gründen dem ordre public widerspräche, Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ.
70
Der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs verletzt den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017, IX ZB 61/16, juris Rn. 14; Beschluss vom 6. Oktober 2016, I ZB 13/15, SchiedsVZ 2018, 53 Rn. 55). Die Geltung des ordre public ist nicht – schon gar nicht im internationalen Handelsverkehr, wie dies hier der Fall ist – weit auszulegen (BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 24).
71
aa) In der Verurteilung zur Zahlung von 2.055.358,86 Yuan Renminbi (Tenor Ziffer I.) liegt kein Verstoß gegen den materiellen ordre public.
72
(1) Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 (Seite 4 unter Ziffer. 4. …) darauf, das auf den vorliegenden Fall zwingend anwendbare CISG kenne keine Reglungen über Vertragsstrafen und darin [gemeint: in der Verurteilung zu einer Vertragsstrafe] liege ein Rechtsverstoß und somit ein Verstoß gegen den ordre public.
73
Das CISG äußert sich zur Zulässigkeit von Vertragsstrafen oder Schadenspauschalen nicht. Daraus folgt, dass ihre inhaltliche Zulässigkeit (Angemessenheit, Herabsetzungsmöglichkeiten etc.) nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen ist (Wagner in BeckOGK, Stand: 1. Mai 2024, CISG Art. 4 Rn. 27; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, CISG, 7. Aufl. 2019, Art. 4 Rn. 40; Magnus in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, CISG Art. 4 Rn. 61; Djordjevic in Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas, CISG, 2. Aufl. 2018 Art. 4 Rn. 26 jeweils m. w. N.). Dies ist hier das chinesische Recht.
74
(2) Ein Verstoß gegen den internationalen ordre public liegt nicht bereits darin, dass das Schiedsgericht eine überhöhte Vertragsstrafe oder einen überhöhten, pauschalierten oder überhöhten Schadensersatz zugesprochen hat. Insoweit sind die Besonderheiten des fremden Rechts einzubeziehen. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn die Überschreitung der Grenzen des Schadensersatzes so gravierend sind, dass die Entscheidung als willkürlich erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1992, IX 149/91, BGHZ 118, 312; Poseck in Salger/Trittmann, Internationale Schiedsverfahren, 2019, § 23 Rn. 42). Das Institut der Vertragsstrafe ist in den §§ 339 ff. BGB, § 348 HGB geregelt, dem deutschen Recht also nicht fremd (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 24). Daneben stellt das deutsche Recht mit der in § 309 Nr. 5 Buchst. a) und b) BGB erwähnten Schadenspauschalierung ein weiteres Instrument für vertragliche Vereinbarungen zur Verfügung, um den Schuldner zu Vertragstreue anzuhalten.
75
Die Rügen (Seite 4 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2023 unter Ziffern 5. und 6. …), die Verurteilung zu einer Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 10% [zweimal 5%] der Auftragssumme sei unangemessen hoch, gefährde ihre wirtschaftliche Existenz, überschreite die Grenze der Sittenwidrigkeit und verstoße gegen wesentliche „Grundsätze des deutschen Rechts“ und gegen den ordre public, greifen nicht durch.
76
Nicht die vertraglichen Regelungen oder das materielle chinesische Vertragsrecht sind der ordre-public-Kontrolle unterworfen. Maßgebend ist vielmehr das Ergebnis der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Hier steht das Ergebnis der Anwendung des chinesischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen nicht in so starkem Widerspruch, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. Das Schiedsgericht hat sich mit den von der Antragstellerin zu 1) behaupteten Verzugsschäden auseinandergesetzt und angenommen, die von der Antragsgegnerin zu zahlende Entschädigung sei nach der vertraglichen Regelung auf den Maximalbetrag von 10% des Vertragsgesamtpreises beschränkt (Anlage AS 5, Seite 22 f.). Eine Vertragsstrafe in Höhe von 10% wegen Verzugs verstößt nicht gegen den ordre public (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 26 f.; OLG Dresden, Beschluss vom 8. September 2017, 3 Sch 1/17, BeckRS 2017, 133057 Rn. 53; vgl. auch zum inländischen materiellen ordre public: BayObLG, Beschluss vom 22. Januar 2024, 101 Sch 172/23 e, juris Rn. 40). Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände verstößt selbst eine Vertragsstrafe, die 40% der Hauptleistung erreicht, allein wegen ihrer Höhe nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urt. v. 6. Oktober 2005, 8 Sch 6/05, juris Rn. 29; zustimmend: Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, UNÜ Art. 5 Rn. 82) nicht gegen den ordre public.
77
(3) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin schließlich, die Verurteilung zu einer Vertragsstrafe ohne Vorbehalt bei der Abnahme verstoße gegen „zwingendes deutsches Recht“ (Seite 5 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2020 unter Ziffer 7. …).
78
Auf den Vertrag ist infolge wirksamer Rechtswahl deutsches Recht nicht anwendbar, insbesondere nicht § 341 Abs. 3 BGB. Im Übrigen ist § 341 Abs. 3 BGB dispositiv (Grüneberg in Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 341 Rn. 5).
79
(4) Soweit die Antragsgegnerin einwendet, das Schiedsgericht habe den Vertrag rechtlich falsch als Kaufvertrag eingeordnet (Seite 5 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2020 unter Ziffer 7. …) und der Verzugsschaden sei genau zu berechnen und könne nicht geschätzt werden (Seite 4 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2020 unter Ziffer 3. …), verkennt sie das Verbot der révision au fond (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Januar 2014, SchiedsVZ 2014, 98 Rn. 6). Im Verfahren vor dem staatlichen Gericht kommt eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine materielle Richtigkeit nicht in Betracht. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist für sich allein kein Grund, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs zu verweigern. Fehlentscheidungen in der Sache sind bei Schiedssprüchen hinzunehmen (vgl. BGH WM 2024, 370 Rn. 49; Geimer in Zöller, ZPO, § 1061 Rn. 38, jeweils m. w. N.).
80
bb) In der Verurteilung zur Zahlung von 246.217,21 Yuan Renminbi (Tenor Ziffer IV.) liegt kein Verstoß gegen den materiellen ordre public. Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin unter Berufung auf § 92 ZPO, es verstoße „gegen zwingendes Verfahrensrecht“, dass sie verurteilt worden sei, 50% der Kosten zu tragen, obwohl die Antragstellerin zu 1) nur zu 7,12% obsiegt habe (Seite 5 des Schriftsatzes v. 31. Oktober 2023 unter Ziffer 9. …).
81
Auch hinsichtlich der Kostenverteilung zwischen den Parteien gilt das Verbot der révision au fond (Geimer in Zöller, ZPO, § 1057 Rn. 10).
82
§ 92 ZPO, insbesondere dessen Absatz 1 Satz 1 Alt. 2, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, ist für die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht maßgeblich. Das Schiedsgericht ist vielmehr nach Art. 52 Abs. 1 CIETAC-SchO ermächtigt, im Schiedsspruch über die von den Parteien an die Schiedskommission zu zahlenden Schiedsgebühren und andere Kosten zu befinden. Nach der Kommentarliteratur (Brödermann/Etgen in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, VIII. Kap. Art. 52 CIETAC Rn. 2) trägt zwar grundsätzlich die unterliegende Partei die Kosten. Eine Kostenverteilung, die nicht dem Anteil des Obsiegens und Unterliegens entspricht, verstößt aber nicht ohne Weiteres gegen den ordre public (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Januar 2012, 9 Sch 2/09, juris Rn. 47; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. März 2001, 1 Sch 5/00, juris Rn. 19; Geimer a. a. O. und § 1061 Rn. 44). Dabei ist zu berücksichtigen, dass für inländische Schiedsverfahren die Regelung des § 1057 Abs. 2 Satz 2 ZPO davon absieht, die Kostenverteilungsgrundsätze der §§ 91 ff. ZPO auf das Schiedsverfahren zu übertragen, und stattdessen einer flexiblen Lösung den Vorzug gibt (vgl. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO 5. Aufl. 2020, § 1057 Rn. 2). Auch eine schwer nachvollziehbare Kostenverteilung verstößt nur in Extremfällen gegen den ordre public. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Schiedsgericht hat seine Kostenentscheidung nachvollziehbar damit begründet, dass die Antragstellerin zu 1) zwar hinsichtlich des erstrittenen Betrags nur zu einem geringen Anteil erfolgreich gewesen, das Verfahren aber durch eine schwerwiegende Vertragsverletzung der Antragsgegnerin hervorgerufen worden sei. Es hat also die Höhe der zu zahlenden Entschädigung bzw. Vertragsstrafe, für die es eine Obergrenze von 10% des Vertragspreises angenommen hat, nicht als das allein maßgebliche Kriterium bei der Kostenverteilung angesehen, sondern auch die Schwere der Pflichtverletzung berücksichtigt.
83
Nach Ziffer IV. des Tenors des Schiedsspruchs hat die Antragsgegnerin 50% der Gesamtkosten (238.843,50 Yuan Renminbi), 50% der Schriftführerkosten (1.700,00 Yuan Renminbi), 50% der Zustellungskosten (1.712,21 Yuan Renminbi) und 50% der Vergütung der Schiedsrichter (3.961,50 Yuan Renminbi) zu bezahlen. Dies ergibt eine Summe von 246.217,21 Yuan Renminbi.
84
3. Auch der Antrag der Antragstellerin zu 2) auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 16. Januar 2023 (CIETAC-Schiedsverfahren Nr. … [Verfahren 2]) ist begründet, weil Versagungsgründe nicht vorliegen, § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ.
85
a) Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung nicht nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Art. II UNÜ zu versagen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. a) Bezug genommen. Zudem hat die Antragsgegnerin an der ersten mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2021 teilgenommen, ohne Einwendungen gegen die Schiedsvereinbarung zu erheben (Art. 6 Abs. 4 CIETACSchO).
86
b) Das Vorbringen der Antragsgegnerin unter Einbeziehung der vorgelegten Anlagen trägt den Vorwurf nicht, das Schiedsgericht habe im Verfahren … [Verfahren 2] den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt.
87
In einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt regelmäßig auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. b) aa) Bezug genommen.
88
(1) Dass das Schiedsgericht die für den 17. Februar 2022 anberaumte mündliche Verhandlung nach Art. 39 Abs. 2 der CIETAC-SchO in Abwesenheit der Antragsgegnerin in Shanghai abgehalten, den von der Antragsgegnerin genannten Grund der Verweigerung der Teilnahme an der zweiten Verhandlung als offensichtlich nicht triftig angesehen (Anlage AS 6, Seite 18) und unter Berücksichtigung der durch die Antragsgegnerin eingereichten „begrenzten schriftlichen Darlegungen und Beweise“ (Anlage AS 6, Seite 18) entschieden hat, stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Die Antragsgegnerin hat weder eine Vertagung des Termins vom 17. Februar 2022 wegen einer Verhinderung beantragt noch zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer Verhandlung am Schiedsort persönlich anwesend sein möchte, noch hat sie gegenüber dem Schiedsgericht vorgetragen, sie könne sich bei einer OnlineVerhandlung nicht sachgerecht verteidigen. Der Einsatz von Videotechnik bei einer mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich rechtstaatlich unbedenklich (s. o. 2. b] bb] [1] [b]). Ob das Schiedsgericht zur Durchführung eines Ortstermins, etwa zur Einnahme eines Augenscheins verpflichtet gewesen wäre, betrifft eine andere Fragestellung (dazu s. u. [3] [c]).
89
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf den Vertagungsantrag vom 30. September 2021 (Anlage B 1), der sich auf den Termin vom 22. Oktober 2021 bezieht, denn an diesem Termin hat sie teilgenommen. Nach der Terminierung des zweiten Verhandlungstermins durch das Schiedsgericht hat die Antragsgegnerin zwar nach ihrer Darstellung in einer E-Mail vom 22. Dezember 2021 (Anlage B 4) ausgeführt, es solle jede Anhörung verschoben werden, bis sie in der Lage sei, persönlich bei der CIETAC zu erscheinen. Nach Ablehnung der Durchführung eines Ortstermins durch das Schiedsgericht hat sie jedoch mit Schreiben vom 5. Januar 2022 (Anlage B 5) ihren Antrag, die Verhandlung so lange zu verschieben, bis sie persönlich anwesend sein könne, mit dem Antrag verknüpft, es solle ein Ortstermin durchgeführt werden. Denn sie führt unter Ziffer 6. aus, sie erwarte entweder einen Termin vor Ort oder die Entscheidung der CIETAC auf der Grundlage der Akten. Daraus ergibt sich, dass es der Antragsgegnerin nicht darum ging, bei einer mündlichen Verhandlung am vereinbarten Schiedsort persönlich anwesend sein zu können. Unbehelflich ist deshalb die erst im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgebrachte und im Übrigen pauschale Argumentation, die Funktionsfähigkeit einer solchen komplexen Anlage könne man nicht im Rahmen einer Videokonferenz beschreiben. Aus den vorgelegten Anlagen ergibt sich – entgegen ihrer Behauptung im Schriftsatz vom 19. April 2024 (Seite 4 …) – nicht, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Schiedsgericht mit Substanz dargelegt hätte, im Rahmen einer Videokonferenz sei es nicht möglich, das Schiedsgericht davon zu überzeugen, dass die Anlage keine Mängel aufweise. Ihre Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Durchführung eines Ortstermins (dazu s. u. [3] [c]). An der zur Erörterung von Verfahrensfragen vom Schiedsgericht geplanten Videokonferenz vor der Verhandlung wollte die Antragsgegnerin nicht teilnehmen. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin im Übrigen darauf, bei einer persönlichen Teilnahme wäre es ihr möglich gewesen, Zeugen mitzubringen, die die Funktionsfähigkeit der Anlage hätten darlegen können (Seite 3 des Schriftsatzes vom 19. April 2024 …). Auch bei einer mündlichen Verhandlung unter Einsatz von Videotechnik ist die Einvernahme von Zeugen (dazu s. u. [3] [b]) möglich.
90
(2) Nicht nachvollzogen werden kann die Rüge, die Verwertung des Gutachtens des … Service – Centers stelle einen Verstoß gegen Art. V Nr. 1 Buchst. b) UNÜ dar (Schriftsatz v. 19. April 2023, Seite 3. …). Dass die Antragsgegnerin bei dem Besichtigungstermin des … Service – Centers nicht anwesend war oder sein konnte, stellt keinen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht dar. Entscheidend ist, dass sich die Antragsgegnerin zu dem Privatgutachten äußern konnte. Dies war der Fall, sie hat das Gutachten unstreitig erhalten. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sie sich als Herstellerin der Anlage zu den Feststellungen im Gutachten nicht substanziiert hätte äußern können. Die Argumentation der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. April 2023 (Seite 5 …), die Antragstellerin zu 2) habe bewusst ein Privatgutachten erstellen lassen zu einem Zeitpunkt, bei dem es ihr, der Antragsgegnerin, nicht möglich gewesen sei, bei der Besichtigung der Anlage anwesend zu sein, und habe anschließend ein Schiedsgerichtsverfahren ebenfalls zu einem Zeitpunkt eingeleitet, bei dem klar gewesen sei, dass sie, die Antragsgegnerin, daran nicht persönlich teilnehmen könne, und es dürfe nicht sein, dass eine solche Vorgehensweise dazu führe, dass ein mittelständisches Unternehmen in den Ruin geführt werde, überzeugt nicht. Konkrete Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Ausnutzen der pandemiebedingten Reisebeschränkungen durch die Antragstellerin zu 2) sind bereits nicht vorgetragen, aber auch sonst nicht ersichtlich.
91
(3) Auch hinsichtlich etwaiger Beweisanträge oder -anregungen zeigt die Antragsgegnerin nicht auf, dass das Schiedsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte.
92
Grundsätzlich kann auch das Übergehen eines Beweisantrags zu einem ordrepublic-Verstoß wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache entscheidungserheblich ist. Allerdings entscheidet das Schiedsgericht über die Frage der Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache, wobei die zugrundeliegende rechtliche Würdigung des Schiedsgerichts im Hinblick auf das Verbot der révision au fond ihrerseits keiner Überprüfung auf ihre sachliche Richtigkeit unterliegt (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 20. Juli 2021, 6 Sch 3/21, juris Rn. 29; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28. Mai 2020, 26 Sch 7/19, juris Rn. 99; OLG München, Beschluss vom 12. April 2011, 34 Sch 28/10, juris Rn. 23; Geimer in Zöller, ZPO, § 1042 Rn. 11a). Auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung ist dem staatlichen Gericht regelmäßig untersagt; zu prüfen ist nur, ob das Schiedsgericht ein erhebliches Beweisangebot in gehörswidriger Weise übergangen hat (vgl. BGH WM 2024, 370 Rn. 49 f.).
93
(a) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin, das Schiedsgericht hätte von Amts wegen oder ihrer Anregung folgend ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
94
(aa) Mit dem Antrag der Antragsgegnerin in ihrer schriftlichen Erklärung vom 2. November 2021 (Anlage B 2), die strittigen Probleme des Showrooms durch einen unabhängigen Sachverständigen bewerten zu lassen, hat sich das Schiedsgericht befasst und ausgeführt, der Vorschlag sei zu vage; er enthalte keine Vorschläge zur Ernennung des Sachverständigen, zu den Anforderungen an die Qualifikation der Sachverständigen und zu den Fragen, die durch den Sachverständigen bewertet werden sollten. Das Schiedsgericht habe gehofft, während der zweiten Verhandlung die Stellungnahme der Antragsgegnerin zu den genannten Fragen hören zu können, aber die Antragsgegnerin habe die Teilnahme an der zweiten Verhandlung und an der dieser vorgelagerten Konferenz verweigert. Die Antragsgegnerin hätte zu der von der Antragstellerin zu 2) bereits vorgelegten „Gutachterstellungnahme“ eine Bewertung vornehmen können oder selbst einen Sachverständigen mit der Bewertung der technischen Probleme beauftragen können, welche sie von Belang halte. Die Antragsgegnerin habe sich aber entschieden, nicht weiter am Schiedsverfahren teilzunehmen, wofür sie die entsprechenden Konsequenzen selbst zu tragen habe (vgl. Anlage AS 6, Seite 34).
95
Die Antragsgegnerin setzt sich mit dieser Argumentation des Schiedsgerichts nicht auseinander. Sie legt insbesondere nicht dar, was sie vorgetragen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass das Schiedsgericht ihre Anregung als zu vage erachtet. Einen Gehörsverstoß zeigt sie nicht auf. Sie führt zwar im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 (Seite 8 f. unter Ziffer 4. …) aus, sie habe in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2021 „konkret“ darauf hingewiesen, dass es keine Konstruktionsfehler an der gelieferten Maschine gebe und der Schalungsroboter keine Mängel aufweise. Die von ihr im Verfahren vorgelegte Stellungnahme (Anlage B 2) enthält aber keine Auseinandersetzung mit dem von der Antragstellerin zu 2) vorgelegten Gutachten, sondern beschränkt sich auf pauschales Bestreiten von Mängeln. Die Antragsgegnerin führt dort aus, die gelieferten Maschinen wiesen keine Konstruktionsfehler auf, jede Maschine werde vor der Auslieferung im Werk des Herstellers geprüft und es seien Werksabnahmeprotokolle vorhanden (Anlage B 2, Ziffer 12). Sie argumentiert, der Schalungsroboter sei ein weltweit bewährter Bestandteil einer Anlage und das System, das weltweit in über 100 Produktionsbetrieben in den unterschiedlichsten Konfigurationen erfolgreich in der Produktion im Einsatz sei, könne nur mit korrekten Daten und geschultem Personal seine Aufgabe erfüllen (Anlage B 2, Ziffer 13). Dass an einer Maschine Störungen auftreten können, räumt die Antragsgegnerin ein (B 2, Ziffer 10). Den in dem Gutachten des … Service – Centers beschriebenen Fehlfunktionen ist sie damit nicht entgegengetreten.
96
(bb) Auch im Hinblick auf die erforderliche Sachkunde des Schiedsgerichts ist ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne eines in Deutschland schlechthin unabdingbaren Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit (Geimer, IZPR, 9. Aufl. 2024, Rn. 3910) nicht erkennbar. Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. April 2024 (Seite 5 …), das Schiedsgericht verfüge „sicherlich“ nicht über die erforderlichen technischen Kenntnisse, um beurteilen zu können, ob eine solch komplexe Anlage funktionsfähig sei oder nicht. Dazu bedürfe es besonderer Sachkunde und es sei von Amts wegen ein Sachverständiger hinzuzuziehen gewesen.
97
Eine Amtsermittlung durch das Schiedsgericht ist nach Art. 43 CIETAC-SchO möglich. Dem Schiedsgericht steht insoweit nach Art. 43 Abs. 1 CIETAC-SchO ein großer Ermessensspielraum zu (vgl. Brödermann/Etgen in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, VIII. Kap. Art. 43 CIETAC Rn. 2). Art. 44 CIETAC-SchO enthält eine spezielle Regelung zur Amtsermittlung durch Sachverständige (vgl. Brödermann/Etgen in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, VIII. Kap. Art. 44 CIETAC Rn. 1). Nach dessen Absatz 1 Satz 1 kann sich das Schiedsgericht zu speziellen Problemen des Streitfalls von Fachleuten beraten lassen oder Sachverständige bestellen, um Gutachten zu erstellen.
98
Das Schiedsgericht räumt zwar selbst ein, es könne die konkrete Bedeutung der „Gutachterstellungnahme“ und des Resümees nicht beurteilen und es sei ihm nicht möglich, anhand der „Gutachterstellungnahme“ des …-Centers eine Beurteilung der genannten technischen Probleme vorzunehmen (Anlage AS 6, Seiten 33/34). Begründet wird dies aber damit, dass keine konkreten technischen Analysen oder Erläuterungen aufgeführt seien, und dass unklar sei, ob die geschilderten Probleme durch Probeläufe oder geeignete Reparaturen und Austausch gelöst werden könnten oder nicht. Eine Beurteilung der genannten technischen Probleme sei dem Schiedsgericht daher nicht möglich. Die materiell-rechtliche Frage, ob die Mangelhaftigkeit der Maschinen schon aufgrund der protokollierten Störungen bejaht werden kann oder die Kenntnis der konkreten technischen Ursachen voraussetzt, hat das Schiedsgericht zu entscheiden; insoweit gilt das Verbot der révision au fond. Dem staatlichen Gericht ist regelmäßig auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung untersagt (BGH WM 2024, 370 Rn. 49).
99
Letztlich kommt das Schiedsgericht zu dem Ergebnis (Anlage AS 6, Seite 34), in der „Gutachterstellungnahme“ des …-Centers sei eine objektive Protokollierung der derzeit bei der Schalungs-/Entschalungsanlage bestehenden Störungen und Probleme erfolgt, sodass eine Beweisführung in Verbindung mit den sonstigen durch die Antragstellerin zu 2) eingereichten Beweisen erfolgt sei. Solche Anlagen könnten offensichtlich nicht ordnungsgemäß betrieben werden und erfüllten nicht die vertraglichen Vereinbarungen.
100
Ein ordre-public-Verstoß ist insoweit nicht erkennbar. Das Schiedsgericht hat seine Überzeugung auf die protokollierten Fehlfunktionen gestützt und dieses Protokoll verwertet, weil es nicht substanziiert bestritten worden war. Weder der erste noch der zweite Schritt dieser Bewertung widerspricht dem ordre public, denn auch das deutsche materielle Recht kennt mit der „Symptom-Rechtsprechung“, nach der es für den Vortrag eines Sachmangels ausreicht, die Mängelerscheinungen zu bezeichnen, eine vergleichbare Herangehensweise und nicht substanziiert Bestrittenes gilt auch nach deutschem Prozessrecht als zugestanden.
101
(b) Die Rüge der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe zu Unrecht die Einvernahme der von ihr mit Schreiben vom 17. November 2021 benannten Zeugen abgelehnt, greift nicht durch. Am Ende dieses Schreibens (Anlage B 3) werden zwei Zeugen benannt, allerdings nicht zur Funktionsfähigkeit der Anlage, sondern zu der in dem davorstehenden Absatz stehenden Behauptung, zusätzlich zu dem bereits eingereichten Abnahmeprotokoll (Anhang E 9) gebe es noch ein Abnahmeprotokoll mit dem Stempel des Einkäufers. Dieses Abnahmeprotokoll hat das Schiedsgericht nicht als entscheidungserheblich angesehen, denn es führt im Schiedsspruch (Anlage AS 6, Seite 35) insbesondere aus, aus dem Dokument gehe hervor, dass die Anlagen Probleme aufwiesen; es handele sich nicht um eine „letztliche Abnahme“.
102
(c) Auch hinsichtlich der Ablehnung des Schiedsgerichts vom 5. Januar 2022, einen Ortstermin durchzuführen, ist ein ordre-public-Verstoß nicht erkennbar.
103
In ihrer Stellungnahme vom 17. November 2021 (Anlage B 3) hatte die Antragsgegnerin beantragt, die nächste Anhörung am Aufstellungsort durchzuführen, damit sich das Gericht am besten ein eigenes Bild von „den Bedingungen der Einrichtung“ machen könne. Insoweit ist die Argumentation der Antragsgegnerin schon in sich widersprüchlich. Unklar bleibt, welcher Erkenntnisgewinn durch eine Inaugenscheinnahme der nach Schilderung der Antragsgegnerin höchst komplexen Anlage vor Ort durch das Schiedsgericht zu erwarten gewesen wäre, wenn dieses – so die Antragsgegnerin – nicht über die erforderlichen technischen Kenntnisse verfüge, um die Funktionsfähigkeit der Anlage beurteilen zu können. Welche Mängelbehauptungen der Antragstellerin zu 2) durch Einnahme eines Augenscheins hätten widerlegt werden können, legt die Antragstellerin nicht dar.
104
Dass die Antragsgegnerin sich nur am Ausstellungsort hätte sachgerecht verteidigen können, hat sie weder gegenüber dem Schiedsgericht noch im Vollstreckbarerklärungsverfahren mit Substanz dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es der Antragsgegnerin – als Herstellerin der Anlage – nur vor Ort möglich gewesen sein sollte, sich zu dem Vorbringen der Antragstellerin zu 2) substanziiert zu äußern.
105
(d) Nach der Ablehnung des Schiedsgerichts, einen Ortstermin durchzuführen, hat die Antragsgegnerin keinen weiteren Vortrag gehalten, mit dem sich das Schiedsgericht hätte auseinandersetzen müssen. Sie hatte ausweislich ihrer Stellungnahme vom 5. Januar 2022 (Anlage B 5) ihren Wunsch auf Durchführung eines Ortstermins zwar nicht aufgegeben, aber weder in diesem Schreiben noch auf die Mitteilung des Schiedsgerichts vom 18. Februar 2022, sie könne bis zum 17. März 2022 Stellung nehmen, ausgeführt, warum das Schiedsgericht zur Durchführung eines Ortstermins verpflichtet sein sollte.
106
(4) Erfolglos wendet die Antragsgegnerin ein, das Schiedsgericht habe wesentlichen Vortrag unberücksichtigt gelassen. Eine Gehörsrechtsverletzung kann wie bereits dargelegt regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden (vgl. BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 14; WM 2022, 576 Rn. 53). Insoweit bestehen Bedenken, denn die Antragsgegnerin legt nicht dar, auf welche tragenden Erwägungen des Schiedsgerichts sie sich bezieht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob sie eine ordnungsgemäß durchgeführte Rüge erhoben hat, denn das Schiedsgericht hat das Vorbringen der Antragsgegnerin zur Kenntnis genommen und erwogen.
107
(a) Den Einwand der Antragsgegnerin, bei der zu liefernden Anlage habe es sich nur um ein Ausstellungsstück gehandelt und es habe kein Zeitdruck bestanden, hat das Schiedsgericht im Schiedsspruch wiedergegeben (Anlage AS 6, Seiten 14 [Ziffer 3.] und 20). Das Schiedsgericht hat den Einwand auch erwogen, jedoch nicht als durchgreifend erachtet. Es ist vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass Lieferverzug bestanden habe, wobei die Antragsgegnerin die vertraglich vereinbarte Lieferplanung um 19 Wochen überschritten habe (Anlage AS 6, Seite 23). Die – nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin – am 28. August 2019 pünktlich durchgeführte Eröffnungszeremonie könne nicht belegen, dass die Showroom-Maschine bereits fertiggestellt und in Betrieb genommen worden sei (Anlage AS 6, Seite 35). Das Schiedsgericht hat ferner ausgeführt, der Umstand, dass es sich lediglich um eine Ausstellungsanlage gehandelt habe, könne die Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für die Qualität der Vertragsanlagen weder aufheben noch vermindern (Anlage AS 6, Seite 34), und es hat diesen Umstand auch bei der Schadensberechnung berücksichtigt (Anlage AS 6, Seite 41).
108
(b) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe sich mit der Problematik eines möglichen Verschuldens des Gemeinschaftsunternehmens … an der nicht frist- und fachgerechten Montage der Anlage nicht auseinandergesetzt und dies stelle einen Verstoß gegen fundamentale Rechtsgrundsätze dar, insbesondere gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens. Den Vortrag der Antragsgegnerin hat das Schiedsgericht im Schiedsspruch wiedergegeben (Anlage AS 6, Seiten 13, 16 f. und 30), aber nicht für entscheidungserheblich gehalten. Es hat insbesondere ausgeführt, dass die Streitigkeit zwischen der Antragstellerin zu 2) und der Antragsgegnerin bezüglich des Gemeinschaftsunternehmens … für den vorliegenden Fall irrelevant sei (Anlage AS 6, Seite 35). Wegen des Verbots der révision au fond (vgl. BGH, WM 2024, 370 Rn. 49; SchiedsVZ 2014, 98 [juris Rn. 6]) unbehelflich ist die Argumentation der Antragsgegnerin, es stelle einen Verstoß gegen § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) dar, wenn ein Gesellschafter über ein von ihm beherrschtes Unternehmen den anderen Gesellschafter verklage, ohne seine eigenen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dass die Antragstellerin und das Unternehmen … nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin am 21. Juni 2019 einen Montagevertrag abgeschlossen haben, ist im Schiedsspruch wiedergegeben (Anlage AS 6, Seite 14). Das Schiedsgericht hat sich in seiner Begründung (Anlage AS 6, Seiten 17 ff.) mit diesem Umstand nicht mehr explizit auseinandergesetzt und ausgeführt, nach der Lieferung der Vertragsanlagen sei unter Anweisung und Teilnahme der Antragsgegnerin die Montage am 23. September 2019 abgeschlossen worden. Bei den Probeläufen und Tests der Anlagen seien Probleme aufgetreten (Anlage AS 6, Seite 33). Welchen entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin das Schiedsgericht insoweit übergangen haben soll, legt die Antragsgegnerin nicht dar.
109
Weder dem Schiedsspruch noch den von der Antragsgegnerin im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgelegten Unterlagen (insbesondere Stellungnahme vom 2. November 2021 [Anlage B 2] unter Buchstabe E]) lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin zu den von der Antragstellerin zu 2) im einzelnen geschilderten Mängeln und Problemen (Anlage AS 6, Seiten 24 f.) eingewandt hätte, sie seien auf Fehler bei der Montage durch das Gemeinschaftsunternehmen … zurückzuführen. Im Übrigen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021, VI ZR 354/19, juris Rn. 4).
110
c) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs ist nicht deshalb zu versagen, weil sie aus anderen Gründen dem ordre public widerspräche, Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ.
111
Mit ihrer Rüge, das Schiedsgericht meine rechtsirrig, dass bezüglich der „juristischen Probleme“ keine Kollision zwischen den Bestimmungen des CISG und den einschlägigen chinesischen Bestimmungen bestehe (Seite 10 des Schriftsatzes vom 31. Oktober 2023 …), verkennt die Antragsgegnerin das Verbot der révision au fond (vgl. BGH WM 2024, 370 Rn. 49; SchiedsVZ 2014, 98 [juris Rn. 6]).
112
d) Der ausländische Schiedsspruch ist – sofern er auslegungsfähig ist – in der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Vollstreckungstitel äußern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2011, III ZB 19/11, SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6).
113
Der Schiedsspruch vom 16. Januar 2022, Az. … [Verfahren 2], ist in Ziffer II. des Tenors antragsgemäß dahin zu konkretisieren, dass die Zinsen seit dem 13. Januar 2020 zu zahlen sind. Das Schiedsgericht führt zur Zinsforderung insbesondere aus (Anlage AS 6, Seite 39), die hiesige Antragstellerin zu 2) beantrage Zinsen ab dem Tag der Zahlung des letzten Vertragspreises, nämlich dem 13. Januar 2020, und dieser geltend gemachte Tag des Beginns der Zinsberechnung sei angemessen.
III.
114
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
115
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 und 3 ZPO anzuordnen.
116
Der Streitwert wird gemäß § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO mit dem Wert der zu vollstreckenden Hauptforderungen festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 4). Bezieht sich der Vollstreckbarerklärungsantrag – wie vorliegend – auf den Schiedsspruch in der Hauptsache und auf den vom Schiedsgericht zugesprochenen Kostenerstattungsanspruch, handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 1 GKG um eine Nebenforderung (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 9). Den Ausführungen der Antragstellerinnen zur Höhe des Streitwerts für die Hauptforderungen im Antrag vom 12. April 2023 ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten.